36. Hogwarts Express

Nachdem alle gepackt hatten und Hermine mit ihren Freunden auf dem Weg zum Frühstück war, war die Stimmung gedrückt. Vielleicht lag es daran, dass die Jungs immer wieder demonstrativ gähnten, da sie die Nacht kaum ein Auge zugetan hatten. Vielleicht lag es aber auch an dem rosa Elefanten, der im Raum stand und damit war die Auseinandersetzung am Vorabend gemeint. Irgendwie hatte sich herumgesprochen, was Severus bezüglich Peter vermutet hatte. Aber aus irgendeinem Grund sagte niemand etwas dazu, die Gespräche waren steif und plätscherten nur schleppend dahin. Kurz vor der großen Halle zog Harry Hermine dann zur Seite und ließ ihre Freunde alleine vorgehen.
"Die Stimmung ist geradezu unterirdisch", bemerkte Hermine.
"Ich habe die Nacht nicht eine Sekunde geschlafen", erwiderte Harry, "Und die anderen auch nicht, die ganze Zeit ging es um Snape und Peter."
"Muss ich mir jetzt Sorgen machen, dass sie ihn wieder schikanieren?", fragte sie und seufzte. "Das ist so bescheuert. Immerhin hat er ja eigentlich Recht."
"Ja, das ist noch das Schlimmste dabei, wir wissen, dass er recht hat. Und niemand darf es wissen", auch Harry seufzte gedehnt, "Aber so wie es aussieht, wird es auch so bleiben. Immerhin ist Peter, wie du schon vermutet hast, jetzt gewarnt. Er war noch der, der sich am lautesten über die Vorwürfe echauffiert hat."
"Ja, er hat ja auch etwas zu verbergen."
"Hast du mit Snape gesprochen?", fragte Harry.
"Hab ich und er wird mit Lily reden und hoffentlich löst sich alles in Wohlgefallen auf", sagte sie, "Wobei ich deswegen heute Morgen fast mit Lily aneinander geraten bin."
"Wieso das denn?", wollte Harry nun überrascht wissen und seine Augen weiteten sich.
"Ach, nicht der Rede wert", winkte sie ab, "Ich war nur.. Keine Ahnung. Ich war wütend, weil sie meinte, dass Peter niemals ein Todesser sein könnte, man es Severus aber zutrauen würde, da war ich sauer. Aber ich habe ihr gesagt, dass ich an der Stelle das Gespräch abbrechen möchte."
"Damit hatte ich nicht gerechnet", gab Harry zu, "Ich verstehe, warum du wütend warst. Du liebst ihn und du weißt, was noch geschehen wird, wie sehr er sich quälen wird." Er drückte einen Moment ihre Hand und sah sie verständnisvoll an. Wobei ihm der Gedanke an den Snape in zwanzig Jahren, zusammen mit Hermine, nach wie vor etwas komisch vorkam. Aber die Version von ihm, die er in zwanzig Jahren sein würde, ließ sich leicht verdrängen, wenn er die aus dieser Zeit ständig vor sich hatte.
"Ja, aber da ist mir klar geworden, dass ich auch James, Sirius, Lily und Remus verstehen kann, warum sie Peter so blind vertrauen. Sie wissen nicht was passieren wird und wir haben uns doch auch immer blind vertraut."
Harry nickte. "Da hast du Recht. Es stimmt schon, wenn irgendjemand sowas über Ron gesagt hätte, wir hätten es auch nie geglaubt."
"Und wüsste ich nicht, was noch passieren wird, ich würde es Peter und Severus auch nicht zutrauen."
"Wobei Snape nie wirklich zu ihnen gehören wird. Er wird immer zu uns gehören", relativierte er ihre Aussage.
"Aber wir wissen nicht, ob es auch damals in diesem Moment so war. Warum er das alles wirklich getan hat", gab Hermine zu bedenken.
"Er ist vom Weg abgekommen", sagte Harry und zuckte die Schultern, "Das passiert den Besten, denk nur an Ron, er hat sich auch ein paar Mal in etwas verrannt. Und ich auch. Ich habe Snape in unserer Zeit auch Unrecht getan - mehrmals."
"Aber bei Ron oder dir hatte es nie solche Folgen", sagte sie düster.
"Mine, was ist eigentlich wirklich los?", fragte Harry und sah sie forschend an. Er wunderte sich über die Art und Weise, wie sie plötzlich über Snape sprach. So kritisch und unsicher, war sie doch diejenige die ihn all die Jahre immer wieder verteidigt hatte. Außerdem hatte sie doch auch seine Erinnerungen gesehen, hatte ihn hier und jetzt erlebt und sie liebte ihn, das würde sie nicht, wenn sie nicht dachte, dass er ein guter Mensch wäre. Und das war er, da war sich Harry inzwischen sicher. Trotz seines gewaltigen Fehlers, der dafür sorgen würde, dass er nicht bei seinen Eltern aufwachsen konnte, war er doch ein guter Mensch. Niemals hätte er seiner Mutter das wissentlich angetan. Dafür war sie ihm einfach zu wichtig.
"Ich weiß es nicht. Diese ganzen Gedanken sind plötzlich wieder alle in meinem Kopf. Die Frage nach dem Warum. Ich frage mich, was ich übersehe, wie aus ihm jemand werden kann, der ihnen beitritt.. Ich verstehe es einfach nicht", versuchte sie ihre Gedanken des Morgens zusammenzufassen. Gerade nach allem was letzte Nacht zwischen ihnen passiert war und wie sie für ihn fühlte, jetzt sogar noch stärker als vorher, fragte sie sich, was noch passieren würde. Was sie nicht wussten.
"Das wirst du vermutlich erst erfahren, wenn wir zurück sind. Jetzt ist es schließlich noch nicht passiert. Wir können es also nicht wissen und ich glaube nicht, dass du ihm zu unrecht vertraust."
Hermine nickte, vertrieb die Gedanken und Zweifel wieder.
"Komm, lass uns zum Essen gehen, sie fragen sich sicher schon wo wir sind", meinte Harry und zog sie am Arm mit sich in die Halle.

Das Essen verlief genauso zäh wie der Morgen, da änderte auch die Tatsache, dass Mary sich mit Alice lauthals das Maul über die Hufflepuff Vertrauensschülerin zerriss, die sich am letzten Abend wohl einem Jungen nach dem Anderen an den Hals geschmissen hatte, nicht wirklich. Beim Essen hatte sie Severus nicht mehr gesehen. Entweder war er vor ihnen beim Essen gewesen oder gar nicht, aber es war vielleicht auch besser so. Wobei, noch unterirdischer hätte die Stimmung auch nicht werden können, dachte sie. Jeder schien irgendwie mit sich selbst beschäftigt zu sein. Als sie alle ihre leichter gezauberten Taschen zum Schlossportal trugen ergriff Hermine dann doch die Initiative und fragte Remus, was denn los wäre. Dieser sagte ihr, im Bezug auf das Gespräch von Lily, James und Severus, nichts Neues, aber er betonte, dass er Severus, im Gegensatz zu James und Sirius, keine bösen Absichten unterstellte und dass er das den beiden auch so gesagt hätte. Harry hatte ihn in seiner Meinung ebenfalls unterstützt und Peter war daraufhin wohl ziemlich gekränkt gewesen, weil er dachte, sie würden an ihm zweifeln.
"Naja, es war dann ein ziemliches Durcheinander im Schlafsaal, wie du dir sicher vorstellen kannst", beendete er seinen Bericht.
"Severus tut das sehr leid, er meinte es wirklich nicht böse und wollte niemandem vor den Kopf stoßen, er ist nur besorgt."
"Glaub mir, ich verstehe das und wenn er das Lily sagt, wird sie das auch verstehen und Sirius und James.. Na, du kennst sie ja, so schnell wie sie sich aufregen..", er schenkte ihr ein bedeutungsvolles Lächeln und zuckte die Schultern.
"So schnell beruhigen sie sich auch wieder. Hoffentlich.. ", beendete sie seinen Satz.
"Warum müssen solche Sachen eigentlich immer vor den Ferien passieren?", fragte Hermine und schüttelte den Kopf.
"Vermutlich ist das sogar ganz gut so", meinte Remus, "Immerhin haben alle Beteiligten dann die Gelegenheit, sich isoliert voneinander zu beruhigen. Minimiert auf jedem Fall die Konfrontation."
Am Schlossportal angekommen wurden ihre Reisetaschen mit einem Zauber von Professor McGonagall auf die Kutschen verladen und die Schüler redeten in kleinen Gruppen wild durcheinander. Warteten jeder auf die nächste freie Kutsche, die sie zum Bahnhof bringen würde. Hermine beäugte gerade fasziniert und in einiger Entfernung zu den Anderen die Thestrale, als Severus neben sie trat.
"Da bist du ja", begrüßte sie ihn freudig und lächelte ihn an, "Ich habe dich beim Essen vermisst."
"Tja, meine Zimmerkameraden waren doch nicht so wortkarg wie erwartet", sagte er und zuckte die Achseln und hauchte ihr einen Kuss auf die Schläfe. "Wie ist die Stimmung?", fragte er vorsichtig und sah zu Lily hinüber.
"Geht so", sagte sie, "Lily ist etwas gekränkt, weil du ihr Dummheit vorgeworfen hast, weil sie Peter so blind vertraut."
"Das habe ich befürchtet", meinte er niedergeschlagen, "Ich rede im Zug mit ihr."
"Remus und Harry sind übrigens auf deiner Seite, sie glauben nicht, dass du es böse meintest oder Hintergedanken hattest. Aber sie vertrauen auch Peter", informierte sie ihn und er blinzelte überrascht. Von Harry hatte er das vielleicht noch erwartet, aber dass auch Lupin so dachte, das überraschte ihn. Hermine hatte wirklich einiges Verändert an der Art und Weise wie manche ihn sahen.
Die nächste Kutsche fuhr vor und Lily, James, Sirius und Harry stiegen ein. Dahinter Remus, Emma, Mary, Frank und Alice. Die nächste teilten sich dann Severus und Hermine mit ein paar Ravenclaws. Die Fahrt über schwiegen sie. Hermine kam es so vertraut und dennoch so fremd vor, wieder in einer dieser Kutschen zu sitzen. Wie würde es dann wohl gleich im Hogwarts Express sein? Melancholie ergriff sie. Sie dachte an all die Jahre, die sie das alles mit Harry, Ron, Fred, George und Ginny erlebt hatte. Wie sie Harry und Ron bei der ersten Fahrt kennengelernt hatte, als sie Neville half seine Kröte wiederzufinden. Wie Ron versucht hatte Krätze, der ja eigentlich Pettigrew war, gelb zu zaubern und wie überheblich sie auf sein Scheitern reagiert hatte. Sie dachte an die Zugfahrt im vierten Jahr, als sie sich mit Luna angefreundet hatte und so viele andere Dinge. Es kam ihr alles so unendlich weit weg vor, wie in einem anderen Leben.
"Woran denkst du?", fragte Severus sie, der ihren traurigen Blick bemerkt hatte und griff nach ihrer Hand, strich sanft mit dem Daumen darüber.
"Meine Freunde zuhause", sagte sie, "Wäre alles anders, würde ich jetzt nach Hause fahren und sie sehen. Sie fehlen mir manchmal, aber es ist sicherer so."
"Du wirst sie wiedersehen", meinte er bestimmt, "Und irgendwann seid ihr alle wieder sicher. Aber ich bin auch ein wenig dankbar, denn wäre alles anders, dann hätten wir uns nie getroffen, weil du nie hergekommen wärst.. Und ich schäme mich dafür.."
"Ja, irgendwann werde ich sie wiedersehen", sagte sie. Früher als du glaubst, dachte sie. "Und ich bin auch, trotz allem, dankbar", versicherte sie ihm, "Ich bin froh, hier bei dir zu sein." Sie griff nach seiner Hand auf ihrer, hielt sie ganz fest und schenkte ihm einen warmen liebevollen Blick. Wären ihre Freunde nie gestorben, dann hätte sie sich niemals in Severus verliebt und sie hätte niemals gewusst, was sie damit verpasst hätte.

*

Im Zug herrschte ein reges Durcheinander, nicht viel anders also, als sie es aus ihrer Zeit gewohnt war. Zauberscherze flogen durch die Luft, Haustiere büchsten ihren Besitzern aus und wuselten durch die Gänge und um die Schüler herum, die fieberhaft nach ihren Freunden und einem freien Abteil Ausschau hielten, schlängelte sich eine kleine korpulente Frau in Uniform hindurch und versuchte für Ordnung zu sorgen. Hermine und Severus schlüpften schließlich in ein Abteil, in dem nur eine Viertklässlerin aus Slytherin saß und las. Sie meinte sie würde niemanden mehr erwarten und sie dürften sich ruhig zu ihr setzen. Kurze Zeit später kam auch Harry zu ihnen, der bereits nach ihnen gesucht hatte und informierte sie, wo die anderen saßen. Lily saß wohl mit Mary, Emma und zwei Drittklässlern aus Gryffindor zusammen, während die Rumtreiber vorerst unter sich blieben. Severus nickte und als der Zug sich in Bewegung setzte, entschuldigte er sich und meinte, er würde die Gunst der Stunde ergreifen, um mit Lily zu sprechen, ohne dass Sirius oder James ihm dazwischen funkten. Hermine und Harry wünschen ihm viel Erfolg und lehnten sich in die Polster zurück.
"Ihr seid doch Harry und Hermine Graham, oder?", fragte das Mädchen nun interessiert und ließ ihr Buch sinken.
"Ja, sind wir", bestätigte Harry.
"Ich bin Laura Bloom", gab sie verbindlich zurück, "Entschuldigt, wenn ich zu neugierig bin, aber seid ihr wirklich auf der Flucht vor.. Naja, ihm?" Innerlich verdrehte Hermine die Augen, antwortete dann aber knapp: "Ja, das sind wir", sie ließ keinen Zweifel daran, dass sie über das Thema nicht sprechen wollte. Würden sie irgendwann mal irgendwo nur normale Jugendliche sein? Vermutlich nicht.
"Entschuldigt, ich wollte nicht unhöflich sein, aber ich bewundere euch", gestand sie leise.
"Warum?", fragte Harry perplex, "Weil wir davon laufen?"
"Nein, weil ihr furchtbares erlebt habt und entkommen seid und dennoch auf mich so stark wirkt", sagte sie, "Ich glaube ich würde nicht so stark sein können."
"Das weißt du nicht", gab Harry nachdenklich zurück, "Du weißt erst, wie stark du sein kannst, wenn es deine letzte Option ist. Wenn alles andere ausgeschlossen ist." Hermine nickte bestätigend. Harrys Worte waren selten so wahr gewesen wie jetzt. Sie hatten sich das alles nie ausgesucht. Er hatte sich nie ausgesucht der Auserwählte zu sein, sie hatte sich nie ausgesucht Kriegerin in einem Kampf zu sein, der so viele das Leben kosten würde. Ihr Schicksal hatte sie dazu gemacht und sie hatten nur zwei Möglichkeiten gehabt, aufzugeben oder zu kämpfen. Sie hatten sich immer für letzteres entschieden, weil es das Richtige war. Das Slytherin-Mädchen gab schließlich zu, dass sie sich in ihrem eigenen Haus oftmals nicht verstanden fühlte, wo so viele von Voldemort und den Todessern schwärmten, sie jedoch nicht. Ihr machte das alles ungeheure Angst und sie freute sich, dass endlich mal jemand Verständnis für ihre Gefühle hatte. Harry unterhielt sich noch eine Weile mit Laura, während Hermine aus dem Fenster sah und ihre Gedanken schweifen ließ.
Sie dachte über die bevorstehenden Ereignisse nach und hätte gerne noch einmal mit Harry darüber gesprochen, wie sie Severus' Mutter unterbreiten sollte, dass sie ihre einzige Hoffnung war, das Leben ihres Sohnes zu retten, aber so war das ausgeschlossen. Sie dachte auch darüber nach, ob Severus und Lily sich wohl wirklich aussprechen würden und welche Folgen es im einen oder anderen Fall wohl hätte.
Erst als Severus mit Lily im Schlepptau herein kam, entspannte sie sich wieder etwas und drängte ihre Gedanken zurück.
"Alles wieder gut?", fragte Harry und Lily nickte. "Ja, alles wieder gut. Ich verstehe, dass er sich Sorgen macht."
"Und ich, dass ich etwas voreilig und direkt gewesen sein könnte", setzte Severus etwas schuldbewusst aber zerknirscht hinzu und ließ sich neben Hermine wieder auf die Bank sinken, während Lily ihnen gegenüber neben Harry platz nahm.
"Dann ist ja wirklich wieder alles im Lot", meinte Harry.
"Abgesehen davon, dass James und Sirius immer noch angefressen sind, ja", meinte Lily, "Sie fanden es nicht so toll, dass wir gesprochen haben und ich ihm verziehen hab. Sie glauben immer noch, dass er etwas Anderes damit bezwecken will. Aber Hermine hatte heute Morgen schon recht. Man kann nun mal niemandem in den Kopf schauen und Severus Verdacht war ja nicht gegen mich direkt oder böse gemeint, sondern eben nur ein Verdacht und das werden sie schon irgendwann verstehen. Zumal für jemanden der Peter nicht so gut kennt wie wir, der Verdacht sicher logisch wäre."
Hermine runzelte die Stirn und fragte sich, was Lily ihm wohl noch alles von ihrem Gespräch am Morgen erzählt hatte, aber als diese leicht den Kopf schüttelte, wusste sie, dass diese Information das einzige war. Sie war dankbar dafür. Sie wollte nicht wissen, wie Severus reagieren würde, wenn er wüsste, dass Lily ihm für einen kleinen Moment zugetraut hatte er könnte einmal ein Todesser werden, beziehungsweise, dass sie dachte er würde zu ihnen passen. Dann wäre es ganz sicher eskaliert. Sie fühlte sich so schon wie auf heißen Kohlen, als wäre es die Ruhe vor einem Sturm, der aber auf sich warten ließ. Es wunderte sie auch ein wenig, dass sowohl Severus als auch Lily, stur wie sie eigentlich waren, einfach so einlenkten und es auf sich beruhen ließen. Aber vielleicht hatten sie auch aus den vorherigen Auseinandersetzungen gelernt, dass es nicht gut war, immer nur auf ihrem Recht zu beharren. Immerhin hatte das beim letzten Mal dafür gesorgt, dass sie über ein Jahr lang gar nicht miteinander sprachen.
Die restliche Zugfahrt plätscherte so dahin, es wurde viel gelacht und Lily und Severus fachsimpelten über Vernon, Petunias neuen Freund. Irgendwann hatte Harry es nicht mehr ausgehalten und sich ebenfalls eingemischt, während Laura wieder in ihrem Buch versank. Hermine beteiligte sich nur sporadisch an dem Gespräch und war zufrieden damit, vor allem zuzuhören und dann und wann wieder in ihre Gedanken abzudriften.
Sie machte sich nach wie vor Sorgen, was das Treffen mit Eileen Snape anbelangte. Im schlimmsten Fall würde sie ihr nicht helfen können und sie stand wieder dort, wo sie jetzt war - vor einem Rätsel. Je näher sie London kamen, um so mehr drängte sich ihr aber noch eine andere Sorge auf, was wenn sie ihr nicht glauben würde, wenn sie sie für verrückt halten würde und ihr gar nicht erst helfen wollte? Wäre das vielleicht auch möglich? Sie musste zugeben, dass ihre Geschichte schon sehr verrückt war: 'Hallo ich bin Hermine Granger, ich hab alle hier nach Strich und Faden belogen, denn ich komme eigentlich zwanzig Jahre aus der Zukunft, wo ihr Sohn mich hassen wird, aber ich will ihn trotzdem davor retten von einem Maledictus umgebracht zu werden.' Wer würde eine solche Geschichte nicht für verrückt halten. Sie musste aber darauf vertrauen, dass sie ihr glaubte und dass sie ihren Sohn so sehr liebte, dass sie bereit war, diesen Wahnsinn zu glauben. Gleichzeitig müsste sie aber auch sicherstellen, dass sie Severus nie auch nur ein Sterbenswörtchen davon verriet und das alles, ohne dass er es überhaupt je erst mitbekam, dass sie mit seiner Mutter gesprochen hatte. Da kam eine riesige Aufgabe auf sie zu und die durfte sie auf keinen Fall unterschätzen oder vermasseln. Es würde über das Leben des Mannes entscheiden, den sie so sehr liebte, dass es sie schmerzte, wenn sie daran dachte ihn bald verlassen zu müssen. Dass es sie schmerzte, ihn wissentlich durch die Hölle gehen lassen zu müssen. Von dem sie lieber wollte, dass er sie innig hasste, als ihn sterben zu lassen oder ihn nie wieder zu sehen.

Severus bemerkte, wie Hermine mit jedem Kilometer, den sie sich London näherten, nervöser wurde und vermutete, dass sie Angst davor hatte seine Mutter zu treffen und dass sie sie womöglich nicht mögen könnte. Diese Möglichkeit war für ihn jedoch gänzlich ausgeschlossen. Hermine hatte diese herzliche und warme Art an sich, die es einem unmöglich machte sie nicht zu mögen. Er sprach da immerhin aus Erfahrung. "Sie wird dich lieben, mach dir keine Sorgen", flüsterte er ihr leise zu und drückte ihre Hand. Sie nickte nur und schenkte ihm ein nervöses Lächeln, dann kamen auch schon die ersten Hochhäuser des Stadtkerns in Sicht und wieder beschleunigte sich ihr Herzschlag. Wird schon schief gehen, dachte sie und schloss sich den anderen an, die bereits damit begannen die Koffer aus der Ablage herunter zu wuchten und ihre Sachen zusammenzusuchen. Lily kündigte an, dass sie sich auf dem Bahnsteig wiedersehen würden und verabschiedete sich vorläufig von ihnen.

Auf dem Bahnsteig war altbekanntes Chaos. Es fühlte sich fast an wie immer, wäre da nicht Severus, der ihre Hand hielt und sich streckte um über die Köpfe der Schüler hinweg seine Mutter ausfindig zu machen. Harry aber unterbrach ihn für einen Moment und verabschiedete sich bis in einer Woche von ihnen. Severus wünschte ihm schöne Ferien und Hermine schloss ihren besten Freund fest in die Arme. "Wünsch mir Glück", raunte sie ihm zu.
"Das wirst du nicht brauchen", erwiderte er bestimmt, "Alles wird gut, da bin ich mir sicher." Dann löste er sich von ihr, lächelte noch einmal zuversichtlich und ging hinüber zu James und Sirius, die ihn aus einigen Metern Entfernung zu sich winkten.
"Lass dich nicht auch noch von ihm in seine Theorien verwickeln", rief James ihr zu und Sirius hängte aber noch ein "Schöne Ferien, bis in einer Woche" an. Mit Emma und Remus im Schlepptau, wühlte sich dann schließlich auch Lily zu ihnen durch, blieb aber einen Moment bei ihrem Freund stehen. Während sie James zuerst im Vorbeigehen nur gegen den Arm buffte, wegen seines Kommentars, sich aber dann mit einem innigen Kuss doch noch richtig von ihrem Freund verabschiedete, traten Emma und Remus schon zu ihr und Severus.
"Habt schöne Ostern", meinte Emma und umarmte Hermine, Remus tat es ihr gleich, dann nickten sie Severus noch einmal zu und verschwanden Richtung der Absperrung, die das Gleis 9¾ vom restlichen Bahnhof trennte.
"Hast du deine Mum schon gesehen?", erkundigte sich nun Lily, die sich inzwischen ganz zu ihnen gesellt hatte.
"Noch nicht, ist aber auch viel los", informierte Severus sie und streckte sich erneut und lächelte schließlich.
"Da drüben", sagte er und deutete auf einen Punkt etwas abseits des Getümmels. Er griff wieder nach Hermines Hand und seinem Koffer und führte seine Freundin zu einer schlanken, blassen Frau hinüber. Eileen Snapes ganze Erscheinung schüchterte Hermine für einen Moment ein. Sie wirkte durch ihre Kleidung so vornehm und irgendwie war ihr Blick distanziert. Das schwarze schulterlange Haar war perfekt glatt und rahmte ihr Gesicht ein, ließ ihre Haut dadurch noch heller erscheinen. Wie eine Porzellanpuppe, dachte Hermine und entspannte sich erst etwas, als Eileen Severus, Lily und sie entdeckte und sich ein breites Lächeln auf dem Gesicht, der zuvor so unnahbar wirkenden Frau bildete. Sofort hatte sich ihre ganze Ausstrahlung verändert. Jetzt wirkte sie so herzlich, wie Lily und Severus sie immer beschrieben hatten. Dann mal auf in den Kampf, dachte Hermine und wollte fast über den Gedanken lachen, dass in dieser Zeit die Mutter des Freundes kennenzulernen, auch bereits, im Hinblick auf ihre Mission, für sie ein Kampf war.

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