35. Der Morgen danach

Als sie am nächsten Morgen, von Sonnenstrahlen gekitzelt, erwachte, brauchte Hermine einen Moment um sich zu orientieren. Aber mit jeder wachen Sekunde, kamen die Gefühle der vergangenen Nacht zu ihr zurück und hinterließen ein glückseliges Lächeln auf ihren verschlafenen Zügen. Sie fühlte Severus warme Haut unter sich, konnte seinen gleichmäßigen Herzschlag hören und spürte das ruhige Heben und Senken seiner Brust, das ihr verriet, dass er noch schlief.
Die letzte Nacht war anders gewesen, als sie es, nach allem was sie von anderen gehört hatte, erwartet hätte. Es war langsam, geduldig und leise. Nur ihr schweres Atmen und leises Stöhnen war zu hören gewesen. Es war auch nicht übermäßig schmerzhaft oder besonders ekstatisch und es war sicher die längste Zeit, die sie je miteinander verbracht hatten, ohne zu reden. Dennoch hatten sie die ganze Zeit über kommuniziert, hatten sich durch Blicke alles mitgeteilt, was sie brauchten und wollten und was sie dabei fühlten.
Sie hatte ein Feuerwerk erwartet, das am Ende des Ganzen stand, aber das hatte es nicht gegeben, es war eher ein schleichendes Gefühl gewesen, was wie heiße Lava durch ihren Körper geflossen war und die vorherige, sich aufbauende Anspannung gelöst hatte und nir ein Gefühl grenzenloser Liebe und Glückseligkeit hinterlassen hatte. Es war, was es war: Die schönste Nacht ihres Lebens. Sie hoffte inständig, dass auch Severus dies so empfand. Nach dieser gemeinsamen Nacht, hatten sie sich nun auf jede menschenmögliche Weise ihre tief empfundene Liebe bewiesen, außer mit Worten. Aber Worte waren nach wie vor nicht nötig, kein Wort das sie kannte, wäre jemals mächtig genug, um ihre Gefühle in Worte zu fassen, also versuchte sie es gar nicht erst. Ihm ging es dabei, wie es schien, ähnlich, dabei war er sonst nie um ein Wort verlegen und es fiel ihm auch sonst sehr leicht sie zu formulieren.
Sie spürte wie sich seine Atmung veränderte und er langsam erwachte. Sie drehte den Kopf, stützte sich auf die Ellenbogen um ihn ansehen zu können, strich ihm sanft eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Er lächelte mit geschlossenen Augen und hob die Hand um über ihren Rücken zu streicheln, bevor er die Augen schließlich öffnete und in das helle Licht blinzelte und nur langsam ihr Gesicht fokussierte.
"Guten Morgen, mein Engel", flüsterte er. In dem hellen Licht und den wilden Locken, sah sie für ihn tatsächlich aus wie ein Engel.
"Guten Morgen, mein Prinz", flüsterte sie zurück und küsste ihn.
"Ich hab so gut geschlafen, wie noch nie in meinem Leben", seufzte er, drehte sich ihr zugewandt auf die Seite und zog ihren warmen Körper an sich.
"Ich auch, es war himmlisch."
"Die schönste Nacht meines ganzen Lebens, dank dir", gestand er und küsste ihre Nasenspitze.
"Ich möchte nie wieder hier weg", flüsterte sie gegen seine Lippen, "Nur mit dir hier im Bett liegen und deine Haut an meiner spüren." Ihre Hände wanderten über seine Schultern und seinen Rücken, die Körperstellen, an die sie aus ihrer Position am besten heran kam.
Ihre Worte ließen sein Herz höher schlagen und schworen ihm, dass es ihr genauso viel bedeutet hatte, wie ihm.
"Wie spät ist es wohl?", fragte Severus nach einer Weile.
"Sicher spät genug, um Aufzustehen und die anderen sich fragen zu lassen, wo wir sind", sagte sie seufzend, "Aber fünf Minuten haben wir sicher noch."
Erneut fühlte sie sein stummes Lachen, das seine Brust vibrieren ließ.
"Da wirst du sicher einiges zu erklären haben", prophezeite er ihr, "Nicht nur wegen heute Nacht, schätze ich." Er spielte damit auf die Auseinandersetzung zwischen ihm, James und Lily am Vorabend an und sie seufzte erneut.
"Jetzt will ich erst recht hier bleiben", maulte sie und verbarg ihr Gesicht an seiner Brust.
"Ich habe gestern Abend noch darüber nachgedacht und ich werde auch nochmal mit Lily sprechen", kündigte er an, "Ich will nicht wieder mit ihr streiten und hoffentlich hab ich ja auch unrecht."
"Wäre sicher das Beste, oder? Wenn du tatsächlich unrecht hättest?", fragte sie, strich weiter mit den Fingerspitzen über seinen Rücken.
"Wäre mir tatsächlich auch lieber", gestand er, "Auch wenn Potter und Black es verdient hätten."
"Sag sowas nicht", tadelte sie ihn, "Niemand hat es verdient von seinen Freunden verraten zu werden."
"Aber sie haben sich gegen dich gestellt und dich in eine Panikattacke getrieben", meinte er entschieden, "Sie haben es verdient einen Dämpfer zu bekommen."
"Sie waren nicht allein Schuld daran, es war einfach die Gesamtsituation", versuchte sie ihn wieder zu beschwichtigen, "Und sie schämen sich dafür, das reicht mir."
"Du bist ja auch viel zu großherzig", stellte er schlicht fest, küsste wieder ihre Nasenspitze, was sie kitzelte. Sie mochte diese kleine Geste sehr, sie war so süß und unschuldig, ließ aber jedes Mal Schmetterlinge in ihrem Bauch tanzen.
Hermine drehte sich ein wenig auf den Rücken, angelte nach ihrem Zauberstab und beschwor einen Tempuszauber.
"Viertel vor acht", meinte sie und legte den Stab wieder zurück, "Wir sollten wohl langsam los, der Zug fährt um zehn ab und wir müssen noch die restlichen Sachen packen und frühstücken.. Und ich muss mich der Inquisition der Mädchen stellen."
"Bin fast froh, dass ich meinen Zimmergenossen größtenteils egal bin", gluckste er, "Die werden nicht viele Worte von mir verlangen."
"Das liegt daran, dass ihr Jungs seid. Die geben dir nur ein High-Five, weil du mich endlich ins Bett bekommen hast und das wars", meinte sie trocken und Severus schüttelte den Kopf.
"Das klingt ganz schön derb, findest du nicht? Als würde es mir nur um eine Kerbe im Bettpfosten gehen", merkte er an.
"Ach, tut es das etwa nicht?", fragte sie scherzhaft und Severus knuffte sie in die Seite, rollte sich auf sie, stützte sich mit den Ellenbogen neben ihr ab und küsste sie innig.
"Nein, darum ging es mir ganz sicher nicht", murmelte er an ihren Lippen. Hermine lächelte in den Kuss hinein. So neben ihm aufzuwachen, seine leichte und manchmal spielerische Art, dieses Gefühl von seiner Haut an ihrer, sie wünschte, dass es jeden Tag so sein könnte - für den Rest ihres Lebens.

*

Aufgrund der Zeit hatten sie sich dann doch bald aus den Laken geschält und hatten ihr Outfit vom Vorabend wieder angezogen. Als sie durch die Tür auf den Gang traten, war es für Hermine, als würde sie aus einem wunderbaren Traum aufwachen, der sie ohne Rücksicht in die Realität zurück katapultierte. Gerne hätte sie diesen Traum noch etwas festgehalten. Aber sie mussten sich beeilen, um rechtzeitig in Hogsmeade am Gleis zu stehen. Also trennten sie sich schließlich doch, mit einem letzten langen Kuss, widerwillig voneinander und gingen zu ihrem jeweiligen Schlafsaal.
Im Gryffindor Gemeinschaftsraum angekommen, wuselten bereits zahllose Schüler aller Jahrgangsstufen durcheinander, bugsierten Koffer von links nach rechts und unterhielten sich in ohrenbetäubender Lautstärke. Von ihren Freunden konnte sie niemanden ausmachen, also strebte sie schnell den Schlafsaal an. Gott bewahre, dass sie jetzt die Sprüche von Sirius ertragen müsste, dass sie hier im Kleid von Vorabend und verräterisch verwuschelten Haaren auftauchte. Die Inquisition der Mädchen würde ihr da wirklich schon reichen.
Und sie hatte Recht gehabt. Als sie die Tür öffnete erstarrten die Mädchen in ihrem hektischen Packen und sahen sie neugierig einige Sekunden an, bevor der Fragenstrom losbrach.
"Wo warst du?", fragte Emma, während Mary gleichzeitig "Habt ihr es getan?" fragte und Lily sich erkundigte, ob sie die Nacht mit Severus verbracht hätte, kam von Alice nur ein: "Hat euch jemand erwischt?"
Hermine verdrehte die Augen und lachte leise vor sich hin.
"An einem geheimen Ort, ja, eine Frau genießt und schweigt und nein", beantwortete sie die Fragen der Reihe nach kurz und knapp, aber das reichte den Mädchen natürlich nicht. Eine nach der Anderen fing jetzt an, sie weiter zu löchern und sie versuchte in ihren Antworten eher unbestimmt zu bleiben, was natürlich keinesfalls dazu beitrug, dass sie weniger Fragen stellten.
"Okay, das reicht jetzt. Ihr wisst, dass ich mit Severus die Nacht verbracht habe, dass es sehr schön war und uns niemand gesehen hat. Ich quetsche euch doch auch nicht nach jedem Date so aus", meinte sie irgendwann abwehrend.
"Tja, da hat sie recht", meinte Lily, wenn auch etwas enttäuscht über die dürftigen Informationen, "Ich schätze mehr kriegen wir nicht aus ihr raus."
"Außerdem haben wir jetzt wichtigeres zu tun, als über Severus und mich zu reden. Der Zug fährt bald und wir müssen noch etwas essen", setzte Hermine hinzu.
"Okay, aber nur weil wir Zeitdruck haben, du bist noch nicht vom Haken, Mine", informierte Mary sie.
"Ich hab nichts Anderes erwartet", meinte sie lachend und verschwand im Bad. Lily, die noch ihr Kulturtäschchen packen musste, folgte ihr.

"Also ihr habt es wirklich getan?", fragte sie nochmal und Hermine nickte.
"Ja und es war perfekt", bestätigte sie, "Und mehr sage ich dazu nicht."
"Okay, okay", lachte Lily und hob abwehrend die Hände, wurde dann wieder sehr ernst "Habt ihr nochmal über seine Anschuldigung gegen Peter gesprochen?" Wie sie das sagte, wirkte sie irgendwie gekränkt, als wäre Severus' Verdacht direkt gegen sie gerichtet gewesen, statt gegen Peter.
"Er hat doch nur einen Verdacht geäußert", meinte Hermine schlichtend, "Er hat ihn nicht direkt beschuldigt." Während sie das sagte zupfte sie die verbliebenen Haarnadeln aus ihrer ramponierten Frisur.
"Klang aber so. Er hat mir vorgeworfen ich wäre dumm das nicht zu begreifen."
"So meinte er das sicher nicht. Er hat nur Angst, dass du verletzt wirst", verteidigte sie ihren Freund, "Du bist ihm wichtig, nimm ihm das bitte nicht übel. Du weißt, dass er in solchen Situationen manchmal sein Händchen für die richtigen Worte verliert." Inzwischen hatte sie alle Haarklammern beisammen und griff nun nach dem Kamm und entwirrte ihre Haare, die sich wieder wild kringelten. Von den glänzenden sanften Wellen vom Vorabend war kaum noch etwas zu sehen.
"Es klang ganz schön heuchlerisch, Peter kann doch keiner Fliege was zuleide tun und er ist selbst fasziniert von der dunklen Magie", argumentierte Lily gekränkt. Und warf angefressen ihre Zahnpasta in den Kulturbeutel.
"Das ist ein ziemlich seltsames Argument", meinte sie skeptisch, "Das eine impliziert doch nicht das andere. Nur weil man die dunkle Magie faszinierend findet, heißt das doch nicht automatisch, dass man ein Todesser werden würde und nur weil man ein lieber und netter Mensch ist, heißt es nicht, dass man keiner ist oder wird."
"Aber Peter würde das doch nun wirklich niemals machen", gab sie wieder stur zurück, holte ihr Shampoo aus der Dusche und legte es ebenfalls in den Beutel.
"Und Severus schon?", fragte sie provozierend. Lilys kurzes Schweigen ließ sie stutzen. "Nicht wirklich, oder?", fragte Hermine schneidend.
"Nein!", rief Lily sofort aus, "Nein, natürlich glaube ich das nicht wirklich. Ich meine nur, dass er mit seiner Art und seinen Interessen eher da reinpassen würde als Peter."
"Okay, ich glaube das ist jetzt der Punkt, an dem wir das Thema wechseln sollten. Und ich empfehle dir, das Severus gegenüber nicht zu sagen, wenn ihr euch aussprecht. Da spricht doch gerade James' Paranoia aus dir", meinte  Hermine ärgerlich und deutete verärgert mit der Zahnbürste auf Lily, bevor sie sie mit Zahnpasta bestrich und in den Mund schob. Damit wollte sie demonstrieren, dass sie jetzt wirklich nichts mehr dazu sagen würde, um des lieben Friedens willen. Sich jetzt mit Lily zu streiten, war das letzte, was sie wollte. Lily nickte nur resigniert, packte noch ihre Bürste ein und verließ das Bad.
Hermine sah in den Spiegel über dem Waschbecken und musterte sich. Sie sah das verärgerte Funkeln ihrer Augen, die wilden Locken, die es noch unterstrichen. Lilys Kommentar hatte ihr nicht gefallen, aber wenn sie ehrlich war, musste sie sich in ihrem Groll aber doch selbst eingestehen, dass Lily nicht ganz unrecht hatte. Severus würde einmal zu den Todessern gehören. Aber Peter eben auch, aber das durfte sie natürlich nicht andeuten und damit ihren Standpunkt untermauern. Es war zum Haare raufen. Keinen von ihnen würde sie vor seinem oder ihrem Schicksal bewahren können. Nicht Severus, nicht Lily und auch nicht James. Auch Sirius würde sie nicht vor den einsamen und schmerzlichen Jahren in Askaban bewahren können. Aber Severus konnte sie in Zukunft eine zweite Chance schenken, wenn sie alles richtig machte, sie würde ihm ihre Liebe schenken und hoffen, dass sie die Schatten auf seiner Seele, die ihn all die Jahre quälen würden, vertreiben könnte. Alle würden endlich erkennen müssen, was er alles getan hatte, um zu helfen, um Harry zu beschützen und ihnen den Weg zu ebnen, um zu siegen. Er war sogar bereit gewesen für Harry und den Sieg über Voldemort zu sterben, das sollte doch etwas wert sein. Und Harry würde sie darin unterstützen, ihn von allen Anklagen, die womöglich erhoben würden, frei zu sprechen. Aber wie sie so darüber nachdachte, wurde ihr auch klar, dass sie dasselbe tat, wofür sie Lily schon einige Male insgeheim verurteilt hatte, nämlich dass sie James und damit auch seine Fehltritte und Gemeinheiten viel zu häufig verteidigte. Denn auch sie verteidigte Severus und rechtfertigte alles, was er noch tun würde, nur weil sie ihn liebte und weil sie wusste, wie sehr er selbst darunter leiden würde. Aber dennoch hatte er getan, was er getan hatte, oder tun würde. Er war auf die dunkle Seite gewechselt und hatte Lily und James, wenn auch ungewollt, an Voldemort verraten und Harry damit die Eltern genommen. Natürlich war das alles nur möglich gewesen, weil auch Peter sie anschließend verraten hatte, aber sein Verrat, hatte den von Peter erst möglich gemacht. Aus welchen Intentionen und mit wieviel Wissen das alles passiert war, das konnte sie natürlich nicht beurteilen, aber dennoch: Er hatte sie verraten, beziehungsweise würde es tun. Weil das aus ihrer Sicht aber eigentlich schon so weit in der Vergangenheit lag, sah sie immer wieder darüber hinweg und litt nur darunter zu wissen, wie sehr ihn die Erkenntnis, wozu sein Handeln schließlich geführt hatte, fast zerstören würde.
Sie spülte sich den Mund aus, wusch sich das Gesicht und schlüpfte schließlich aus dem Kleid. Griff nach ihrem Bademantel und streifte ihn über.
Jetzt wo ihr das alles klar wurde, was sie alles bereit war zu verzeihen, konnte sie nicht umhin, auch für Lily und die Anderen Verständnis zu haben. Lily, die James seine Streiche nachsah und die Anderen, die Peter ihr Leben anvertrauten. Trotz dessen, was sie wusste, vertraute sie Severus ja auch. Sie konnte sich nicht vorstellen, was ihn einmal zu dem Menschen machen würde, der seine beste Freundin verriet und würde sie nicht bereits wissen, dass es so kommen würde, sie hätte es niemals geglaubt. Genauso wenig könnten sich Lily, James, Sirius und Remus vorstellen, dass Peter mal zu einem solchen Menschen werden könnte. In diesem Moment verstand sie so einiges. Nie wieder würde sie die Anderen dafür verurteilen, dass sie blind vertrauten. Auch sie hatte ihren Freunden immer blind vertraut. Sie hatte nie an Harry und seinen Worten gezweifelt, wie es andere taten. Wobei sie natürlich in dem Fall im Recht gewesen war, aber natürlich hätte es auch anders sein können. Aber sie hatte auch nie damit gerechnet, dass Ron sie einmal im Stich lassen könnte, wie damals in diesem Wald irgendwo in Schottland, als er nach einem Streit einfach gegangen und sie und Harry sich selbst überlassen hatte. Sie schüttelte den Kopf, vertrieb die Gedanken wieder, sie musste sich jetzt beeilen, wenn sie noch zum Frühstück wollte. Außerdem waren die Tage hier in dieser Zeit fast gezählt, sie hätte in zwanzig Jahren, auch wenn es für sie keine zwanzig Jahre wären, noch genug Zeit das alles zu zerdenken und sich dann damit und mit Severus' Taten, innerhalb der für ihn vergehenden Zeit, auseinanderzusetzen - aber erst wenn alles wieder so war, wie es sein sollte. Wenn er, Ron, Fred, Tonks und Remus wieder am Leben waren. Und immerhin lag es auch im Bereich des Möglichen, dass Severus sie nicht mehr würde wiedersehen wollen, dass er durch ihre Täuschung zu verletzt und wütend auf sie wäre. Es konnte noch immer sein, dass das hier alles war, was sie jemals bekommen würde.

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