32. Andeutungen
Der Unterricht am nächsten Tag war für alle Lehrer ein wahrer Kampf. Die Schüler waren unaufmerksam und aufgedreht wegen des Balls am Abend. Aber weitestgehend sahen sie es ihren Schützlingen nach und zogen nur wenig Punkte für Unterrichtsstörungen ab und begnügten sich damit, dass sie heute nicht viel Stoff schaffen würden. Einige Lehrer fühlten sich dadurch auch wieder an ihre eigene Schulzeit erinnert und sehnten sich in diese Zeit zurück.
Hermine und Severus waren beide ein wenig nervös, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Severus dachte immer daran, was er für das Ende des Tages geplant hatte und fragte sich, ob sie wohl auch den nächsten Schritt in ihrer Beziehung mit ihm gehen wollte. Er fragte sich, ob es wirklich an diesem Abend dazu kommen würde und wie sie reagieren würde, wenn sie erkannte, worauf er hinaus wollte.
Hermine war nervös, weil sie am nächsten Tag bereits Eileen Snape treffen würde und sich fragte, wie sie sie, unbemerkt von Severus, um Hilfe bitten könnte. Und sie hatte Angst, dass sie ihr vielleicht nicht helfen konnte. Aber sie war eine wirklich versierte Tränkemeisterin und Severus hatte es, Jahre später, ebenfalls geschafft ein Heilmittel für Mister Weasley zu finden. Wenn sie ihr nicht helfen konnte, wer sollte es dann können? Zudem war sie auf Heiltränke spezialisiert.
Trotz ihrer eigenen Sorgen, die sie ablenkten, merkte sie auch Severus seine Nervosität an. Sie fragte sich woran es wohl lag, dass er so aufgeregt war. Aber ihr wollte keine Antwort einfallen. Als sie ihn schließlich beim Mittagessen fragte, sagte er ihr, dass er für nach dem Ball eine Überraschung für sie geplant hatte und hoffte, dass sie sich darüber freuen würde. Mehr sagte er nicht, aber sie hatte da so eine Idee. Vielleicht wollte er tatsächlich diesmal beenden, was sie vor einiger Zeit im Raum der Wünsche angefangen hatten - bevor er ihre Narbe entdeckt hatte. Wenn dem so war, freute sie sich darüber, dass er die Initiative ergriff und sich Gedanken machte. Aber wenn nicht, wäre es auch in Ordnung. Sie würden schon den richtigen Moment für sich finden, wenn es sich richtig anfühlte. Auch wenn sie sich das sehr wünschte, ihr erstes Mal mit ihm zu erleben, bevor sie ging, sie würde ihn nicht drängen. Es war immerhin auch sein erstes Mal. Wobei sie sich ernsthaft wünschte, dass sie diese Tatsache verbinden würde, auch über die zwanzig Jahre ihrer Abwesenheit hinweg. Sie wollte seine erste sein und irgendwann hoffentlich auch die letzte.
Am Nachmittag nach dem Unterricht verabschiedeten sie sich bis zum Abend voneinander und Hermine schloss sich ihren Freundinnen an, die ein komplettes Beauty-Programm geplant hatten, um sich für den Ball zurechtzumachen: Nägel lackieren, Gesichtsmasken auftragen und dann schließlich Frisuren und Make-up. Immerhin würde sie dabei die ganze Zeit ihren langärmligen Bademantel anbehalten können, sodass nicht noch mehr Personen ihre Narbe zu Gesicht bekamen. Nochmal wollte sie die Geschichte nicht erzählen müssen. Hermine genoss, entgegen aller Erwartungen, den Nachmittag mit den Mädchen sehr. Früher hatte sie sich zumeist nicht allzi viel aus Äußerlichkeiten gemacht, aber an diesem Abend wollte sie besonders aussehen, vor allem wenn es wirklich dazu kommen sollte, dass sie vielleicht miteinander schlafen würden. Ein wenig erinnerte sie dieser Nachmittag an den vor dem Weihnachtsball in der viertel Klasse, da hatte sie zum ersten Mal den Wunsch gehabt besonders auszusehen. Damals war es, weil sie die ganze Schule beim Eröffnungstanz mit Viktor sehen würde und sie neben ihm nicht fehl am Platz aussehen wollte - heute aber wollte sie nicht, dass andere sie schön finden würden, sondern nur, dass Severus sie schön fand.
Lily drapierte Hermines Haare gerade zu sanften Wellen, als Emma mit einer Flasche Sekt herein kam, allen ein Glas einschenkte und es ihnen anschließend reichte. Emma hob ihr Glas: "Auf einen wunderbaren Abend, unsere wunderschönen Kleider.."
"Unsere Dates und die Freundschaft", rief Alice dazwischen, als sie einen Moment stockte.
"Cheers", rief nun Lily und alle stimmten ein und stießen an. Hermine fragte sich, wann sie das letzte Mal Sekt getrunken hatte. Vermutlich auf Bills und Fleurs Hochzeit, die nun für sie schon über ein Jahr zurück lag. Genau genommen eineinviertel Jahre. So viel war seit dem passiert und sie war in gewisser Weise dankbar für jede einzelne Sekunde, hatte sie die Summe ihrer Erfahrungen doch erst hierher gebracht. Hatte dafür gesorgt, dass sie hier so viele glückliche Erinnerungen sammeln durfte. Sie schwor sich, wenn sie zurück in ihrer Zeit wäre, Alice und Frank Longbottom im Stankt Mungos zu besuchen und auch nach Emma und Mary zu suchen. Sie waren ihr hier wirklich gute Freundinnen geworden und sie verdienten es, wenn auch reichlich spät, ebenfalls die Wahrheit zu erfahren.
"So, fertig. Jetzt die Kleider", verkündete Lily zufrieden, als sie die letzte Strähne von Hermines Haaren fixiert hatte.
Hermine musterte sich von allen Seiten im Spiegel und dachte, dass sie in ihrem Leben nie besser ausgesehen hatte. Sie war nur ganz dezent mit Wimperntusche, Rouge und einem aprikotfarbenem Lippenstift geschminkt. Die Haare hatte Lily zu glänzenden Wellen gebändigt und die vordere Haarpartie zurückgesteckt und mit einer Perlenbesetzten Spange befestigt.
Sie bedankte sich begeistert und folgte den Mädchen in den Schlafsaal, wo jede ihr Kleid auf einem Bügel am Schrank hängen hatte. Emma hatte sich zu ihren dunklen Haaren für ein kräftiges Saphirblau entschieden, Alice für ein Sonnengelb, Lily würde Smaragdgrün tragen und Mary ein helles Violett.
Schnell schlüpften alle in ihre Kleider und halfen einander mit den Reißverschlüssen. Mary und Alice hantierten noch mit ein paar Ohrringen und die anderen packten den Zauberstab, sowie Taschentücher, Lippenstift und ähnliches in ihre kleinen Handtäschchen, bevor sie alle fertig waren, in die Schuhe schlüpften und sich gegenseitig musterten.
"Wir werden eindeutig die schönsten sein", bemerkte Mary und Emma, Lily und Hermine lachten, während Alice die Schultern zuckte und meinte: "Das sagen die anderen Mädchen über sich sicher auch."
"Dann wollen wir mal unsere Dates nicht warten lassen", meinte Lily und hakte sich bei Hermine unter, zog sie zur Tür und der dahinter liegenden Treppe. "Immerhin ist es egal was alle anderen sagen, Hauptsache sie denken, dass wir die schönsten sind."
Am Fuß der Treppe warteten, mit leuchtenden Augen, Remus und James auf Lily und Emma. Harry hatte bereits mit Peter und Sirius den Gemeinschaftsraum verlassen. Sirius wollte Greta abholen, die, trotz seiner Verspätung bei ihrem ersten Treffen, zugesagt hatte, sein Date für diesen Abend zu sein. Harry und Peter, beide ohne Verabredung, begleiteten ihn. James ging sofort auf seine Freundin zu und küsste sie innig, flüsterte ihr zu, wie hübsch sie aussehen würde, während Remus Emma nur scheu einen Kuss auf die Wange hauchte, der sie erröten ließ.
"Frank, Severus und Albert warten draußen", informierte Remus die verbliebenen drei Mädchen, die nun gefolgt von den beiden Paaren den Gemeinschaftsraum verließen.
Severus trat von einem Fuß auf den anderen und zwirbelte den Stiel der roten gefüllten Tulpe, die sehr einer Pfingstrose glich und deswegen von Laien häufig verwechselt wurde, in seiner Hand. Natürlich hatte er diese Blume auch diesmal nicht ohne Hintergedanken ausgewählt. Für Außenstehende mochte sie billig und wenig eindrucksvoll wirken, verglichen mit anderen Blumen, aber sie stand für ewige, bedingungslose Liebe. Er wusste, dass Hermine es verstehen würde. Sie hatte ihm vor einiger Zeit gesagt, dass sie auch gewusst hatte, was die blaue Rose damals bedeutet hatte, auch wenn sie es damals noch falsch interpretiert hatte.
Als nun das Portrait zur Seite schwang, sah er zuerst Alice, die sofort zu Frank eilte, danach Remus und Emma, James und Lily und dann Mary, die sich ebenfalls zu ihrem Partner für den heutigen Abend gesellte. Die Truppe stand nun etwas abseits von ihm, warf ihm einen kurzen, teils abschätzigen Blick zu und begrüßte sich. Schließlich trat auch sein Mädchen auf den Gang und ihm wurde der Mund staubtrocken. Sah sie auch sonst schon wunderschön aus, so überstrahlte sie heute alles. Das eisblaue Kleid schimmerte geheimnisvoll im sanften Licht, wie die gefrorene Oberfläche eines Sees und ihre Lippen zierte ein schüchternes Lächeln, als sie langsam auf ihn zuging. Sie waren bereits drei Monate lang ein Paar und er fühlte sich doch wieder, als sei das mit ihnen noch völlig neu. Jedenfalls schlug sein Herz, als hätte er einen Marathon hinter sich.
"Du bist wunderschön", flüsterte er, als sie bei ihm angekommen war, griff nach ihren Händen und beugte sich vor, um sie zu küssen.
"Du siehst auch sehr gut aus", gab sie das Kompliment zurück und er reichte ihr die Tulpe. Sie sah ihn überrascht, ob der gewaltigen Bedeutung dieser Blume, an und er lächelte breit. Sie hatte es also tatsächlich verstanden. Erneut küsste sie ihn. Sie beide hatten es bisher nicht über sich gebracht, diese drei Worte zu sagen, aber sie wussten beide, dass sie das gleiche empfanden. Es kam ihnen daher fast unnötig vor es auszusprechen. Es würde dem, was sie fühlten, ohnehin nicht gerecht werden. Die Worte 'Ich liebe dich' wurden in der Gesellschaft viel zu inflationär genutzt, als dass sie für sie das bedeuten würden, was sie fühlten, denn es war so viel mehr, als sie diesen Worten entnehmen könnten. Eine Art Zugehörigkeit, das Gefühl Zuhause zu sein und einen Platz im Leben gefunden zu haben, tiefe und reine Liebe und Ganzheit. Keine Worte konnten das ausdrücken, also versuchten sie es gar nicht erst, sondern zeigten sich mit Blicken und Berührungen was sie fühlten. Sie brauchten die Bestätigung durch Worte nicht, sie verstanden es auch so.
In der großen Halle angekommen staunten die beiden nicht schlecht. Die Vertrauensschüler, Schulsprecher und Lehrer hatten sich wirklich selbst übertroffen. Die Halle war in ein warmes Licht getaucht, die Decke der Halle zeigte einen Himmel mit orange, golden und rosa gefärbten Wolken und es rieselten Kirschblüten von ihr herunter, was einen schönen Kontrast zu dem alten Gemäuer abgab. Die umstehenden Tische waren rund und mit weißen Tischtüchern gedeckt und darauf Windlichter und die verschiedensten Frühlingsblumen. Dann und wann standen riesige Blumenkübel mit rosa blühenden Kirschbäumen darin. Es war ein einziger Traum und für einen Moment waren sie sprachlos, bevor Severus Hermine hereinführte und direkt mit ihr auf einen Tisch zusteuerte, an dem bereits Harry zusammen mit Mary, Albert, Frank und Alice saß. Severus war erneut sehr nervös, immerhin verstand er sich mit niemandem, der der am Tisch sitzenden, übermäßig und hatte auch noch nie im Leben auch nur ein Wort mit ihnen gesprochen. Sie waren Lilys und nun auch Hermines Zimmergenossinnen, mehr wusste er nicht und alles andere war ihm auch immer egal gewesen. Immerhin mit Harry kam er inzwischen recht gut aus, was wohl noch am wichtigsten war. Aber heute Abend würde er aus seinem Schneckenhaus herauskommen müssen, wenn er wollte, dass es ein schöner Abend für Hermine wurde. Denn hier waren Hermine und er zur Abwechselung mal nicht allein und konnten sich vor allen verstecken. Harry begrüßte beide freudig und machte Hermine ein Kompliment zu ihrem Kleid, bevor er direkt damit weitermachte, wie schön alles aussähe. Wie Harry so vor sich hin plapperte und den größten Teil der Unterhaltung übernahm, hatte er genug Zeit ein wenig aufzutauen und sich an die Gesellschaft zu gewöhnen. Hermine bemerkte, wie Severus neben ihr mit jedem Wort, das Harry sagte und je häufiger ihm die anderen Recht gaben, immer ruhiger wurde und innerlich dankte sie Harry dafür eine Millionen Mal. Sie hatte nicht daran gedacht, wie unangenehm dieser Abend eventuell für Severus werden könnte, mied er doch sonst die Gesellschaft anderer größtenteils. Teilweise aus gutem Grund, waren sie doch nie wirklich nett zu ihm gewesen aber teils auch, weil er sich in Gesellschaft häufig fehl am Platz vorkam.
"Seht mal, Regulus Black ist mit Amalia Parkinson hier", raunte Mary ihr und Harry zu, "Armer Peter."
Hermine sah zu dem Tisch hinüber, der auf der anderen Seite des Raumes war und an dem Regulus, der Sirius optisch so ähnlich sah, mit einem schwarzhaarigen Mädchen saß und ihr etwas ins Ohr flüsterte, woraufhin sie kicherte.
"Was sollte der Kommentar zu Black und Pettigrew eben?", fragte Severus sie leise und schien ein wenig verwirrt.
"Oh, das hab ich dir ja noch gar nicht erzählt", merkte sie an, "Naja, die anderen vermuten, dass Peter für Regulus vielleicht etwas tiefere Gefühle als nur Freundschaft hat."
"Wie kommen sie denn darauf?", fragte er zweifelnd und sah kritisch von Peter zu Regulus und wieder zurück, "Die beiden passen noch weniger zueinander als ein Drache und ein Kaninchen."
Hermine zuckte die Schultern: "Das sagen manche sicher auch über uns. Jedenfalls ist es die plausibelste Erklärung, warum er uns verheimlicht hat, dass sie befreundet sind."
"Na, mir fällt da noch eine ganz andere und plausiblere Erklärung ein", meinte Severus trocken und sie legte schnell einen Finger an die Lippen, signalisierte ihm, sie nicht laut auszusprechen. Er runzelte daraufhin die Stirn, akzeptierte aber ihren darauf folgenden Vorschlag, später allein darüber zu sprechen. Dennoch kam ihm das sehr seltsam vor. Scheinbar wusste sie ja schon, was er sagen wollte und sollte es vor ihren Freunden für sich behalten, aber warum? Sollten sie es nicht wissen, wenn Peter vielleicht der dunklen Seite zugetan war? Warum sollte sie das verheimlichen wollen? Er fragte sich auch, warum von den Rumtreibern und ihren Freundinnen noch niemand darauf gekommen war. Waren sie wirklich so naiv?
Die Ankündigung des Schulleiters, der das Fest für eröffnet erklärte, riss ihn wieder aus seinen Gedanken. Er dankte den Schulsprechern, Vertrauensschülern und dem Kollegium für ihre gute Arbeit, die diesen Abend erst möglich machten und ließ schließlich das Buffet erscheinen und alle klatschten begeistert. Kaum war der Applaus abgeebbt, erhoben sich bereits die ersten und stürmten zum Buffet.
Auch Harry, Hermine und Severus erhoben sich nach einiger Zeit und beluden sich ihre Teller mit den Köstlichkeiten, die optisch zum Frühlingsmotto passten. Wobei Severus in Gedanken wieder bei Hermines potentiellen Gründen waren, warum sie Peters mögliche Gründe, abseits von persönlicher Zuneigung, Zeit mit Blacks jüngerem Bruder zu verbringen, zu verheimlichen suchte. Was Black und Potter anging war es ihm aber eigentlich auch egal, dass der Junge sie hinterging, das geschah ihnen recht, aber für Lily täte es ihm leid, sollte sie in ihrem Vertrauen in ihn enttäuscht zu werden. Aber Hermine war nicht so, dass sie absichtlich jemandem etwas böses wollte und deswegen so etwas verheimlichte, da musste noch mehr sein.
"Was ist denn mit Snape?", fragte Harry Hermine flüsternd, als sie einige Schritte von ihm entfernt am Buffet standen, während er noch kritisch die Canapés beäugte.
"Er hat die Scharade von Peter durchschaut denke ich", flüsterte sie genauso leise zurück. Harry sah sie geschockt an.
"Das darf er ihnen niemals sagen, das musst du verhindern."
"Denkst du das weiß ich nicht?", meinte sie genervt, "Aber wie soll ich ihm das bitte klar machen?"
"Es würde meinen Vater und Sirius ärgern, reicht das nicht?"
Sie verdrehte die Augen. "Normalerweise sicher, aber er und deine Mutter verstehen sich wieder, da wird er ihr das sicher sagen wollen."
"Verdammter Mist, was musste Mary das auch sagen?", fluchte er leise. Hermine konnte ihm da nur Recht geben. Sie hatte ihm das aus gutem Grund bisher nicht gesagt. Sie ging davon aus, dass er sie vermutlich auch nie zusammen gesehen hatte, sonst wäre er ja bereits selbst auf die Idee gekommen, dass da etwas faul war. Mary hatte sie jetzt aber leider dazu gezwungen, etwas zu sagen. Aber Lügen war ausgeschlossen, immerhin könnte es sein, dass heute Abend noch mehr Leute Andeutungen machten. Erneut befand sie sich in der Zwickmühle und langsam nervte sie der Umstand, wie häufig das in dieser Zeit passierte.
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