30. Narben auf Haut und Seele

Wie sie sich so verzweifelt und verlangend küssten, richtete sich Hermine ein wenig auf, schob ein Bein über seine und setzte sich rittlings auf seinen Schoß. Sie ließ ihre Hände von seinem Haar in seinen Nacken wandern, strich über jedes bisschen nackte Haut, die der Kragen seines dunklen Hemdes nicht bedeckte und zog ihn so näher an sich. Seine Hände glitten wiederum zu ihrer Taille und von dort zum Saum ihres T-Shirts. Langsam schob er seine Hände darunter, streichelte über die nackte Haut ihres Rückens, die er darunter fand und fühlte sich dabei wie im siebten Himmel. Ihre wilden Locken kitzelten seine Wange und er löste eine Hand von ihrem Körper, schob sie zurück und vertiefte den Kuss weiter.
Atemlos löste sie sich ein wenig von ihm, sah in seine Augen, die wirkten, als könnte er ihr damit bis in die Seele blicken. Ihre Hände wanderten zu den Knöpfen seines Hemdes und lösten einen von ihnen, während sie in seinem Blick nach Erlaubnis dafür suchte. Sie konnte eine Spur von Furcht erkennen, woraufhin sie die Hände wieder sinken ließ. Sofort umfasste er sie und legte sie zurück an die Stelle, wo sie bis eben waren.
"Es ist okay", flüsterte er ihr zu. "Es ist nur so.. ich habe.. nicht wirklich Erfahrung mit sowas", gestand er ihr leise und sie lächelte.
"Ich auch nicht", gestand sie nun ihrerseits, "Aber ich will es.. mir dir."
"Ich auch", raunte er und küsste sie erneut verlangend.
"Aber was ist mit..", flüsterte er atemlos zwischen zwei Küssen an ihren Lippen.
"Dafür gibt es Barrierezauber", gab sie genauso atemlos zurück und widmete sich wieder den Hemdköpfen, hieß mit ihren Händen jeden Zentimeter, der nun zu erreichenden blassen Haut, willkommen und strich liebevoll darüber. Auch Severus wurde ein wenig mutiger, löste den Knopf ihrer Strickjacke und schob sie ihr von den Schultern. Strich sanft über ihre Oberarme, bis hinunter zu den Handgelenken und Händen, die auf seiner Brust ruhten und stutzte plötzlich, löste sich ruckartig von ihr und sah verwirrt auf seine rechte Hand an ihrem linken Arm.

Ein erschrockenes Keuchen war zu hören und Hermine fiel erst jetzt wieder ein, was er da gefunden hatte. Innerlich schlug sie sich mit der flachen Hand vor die Stirn. Jetzt hatte sie Monate lang so ein Theater darum gemacht und sie erfolgreich versteckt und jetzt präsentierte sie sie ihm ohne Vorwarnung. Die Narbe von Bellatrix, das Wort, das sie nicht nur körperlich, sondern auch in den ersten Jahren in Hogwarts, aus Draco Malfoys Mund, seelisch gequält hatte und aller Welt zeigen sollte, dass sie nichts wert war.
"Was.. Hermine, woher hast du die?", fragte er mit trauriger und gleichermaßen entsetzter Stimme, strich mit dem Daumen sanft über die raue, unebene Haut.
Sie entwand ihm ihren Arm, bedeckte die Narbe mit der rechten Hand. Natürlich hatte sie sich von Anfang an eine Geschichte dafür zurechtgelegt aber gehofft, sie nie erzählen zu müssen, sie hasste es allen immer und immer mehr Lügen erzählen zu müssen, aber es ging nicht anders.
"Menschen können grausam sein", flüsterte sie, "Gerade wenn sie davon überzeugt sind, ihr reines Blut privilegiert sie gegenüber Menschen mit meiner Abstammung."
"Aber du bist ein Halbblut..", erwiderte Severus verständnislos und völlig überfordert mit der Situation.
"Auch wir werden gerne von ihnen als Schlammblut beschimpft und um mich das nicht vergessen zu lassen.. Nun ja, du siehst es ja selbst." Sie entfernte ihre Hand wieder von ihrem Arm, zeigte ihm die Narbe wieder offen. An manchen Stellen war die Haut rosa und wulstig an anderen Stellen rot und rau, denn sie hatte sie immer wieder, ohne es zu merken, aufgekratzt.
"Wie kann..", stammelte er und wusste nach wie vor nicht was er sagen sollte. In seinem Kopf wirbelten alle Gedanken durcheinander. Er war geschockt und es tat ihm weh, dieses unschöne Wort auf ihrem zarten Körper zu sehen.
"Ist.. Ist es schlimm?", fragte sie unsicher und etwas ängstlich.
"Für mich? Wo denkst du hin?", brauste er plötzlich auf, "Das ändert doch nichts an dir oder daran wie ich dich sehe."
Er strich liebevoll über ihre Wange umfasste mit der anderen Hand ihren Nacken, zog sie sanft an sich. Sie rutschte von seinem Schoß wieder auf die Couch und bettete ihren Kopf auf seiner Brust, während er sie nur festhielt und über ihren Rücken strich, als wollte er sie trösten. Aber sie hatte das Gefühl, als würde er den Trost gerade dringender brauchen. Sie konnte sehen, dass ihm dieser Anblick wehtat.
"Ich kann nicht glauben, wie man jemandem so etwas antun kann.. Es tut mir so leid, dass dir das passiert ist.. Ich..", er atmete tief ein und aus, wusste sich nicht zu helfen. Wie konnte sie denken, dass ihn das stören könnte? Er versuchte krampfhaft seine Wut darüber, dass ihr das jemand angetan hatte und die Sorge, es könnte ihn stören, zurückzudrängen, denn sie wäre jetzt fehl am Platz.
"Mach dir keine Sorgen, ich komme damit klar. Ich weiß, was manche Leute über mich denken und ich schäme mich nicht dafür wer ich bin", erklärte sie, schlang die Arme um seine Mitte und versuchte ihm zu versichern, dass alles in Ordnung war. Denn das war es, dieses Wort definierte nicht, wie sie sich selbst sah - nicht mehr jedenfalls. Sie war stolz auf ihre Abstammung und auf alles, was sie erreicht hatte, das konnte auch diese Narbe und das Schimpfwort, das sie formte, nicht ändern. Sie zeigte nur, was sie alles hatte ertragen müssen, um zu dem Menschen zu werden, der sie heute war, was sie hatte ertragen müssen, um die Welt ein wenig besser zu machen und den Krieg zwischen Licht und Dunkel zu gewinnen.
"Wahrscheinlich ist das für dich grade schlimmer als für mich", flüsterte sie und sah zu ihm auf. Sie meinte Tränen in seinen Augen zu sehen. Tränen der Wut, des Schmerzes und des Bedauerns.
"Es ist nur furchtbar zu erfahren, dass jemand dem Menschen, der einem alles bedeutet, so etwas angetan hat.. Willst du.. Willst du mir davon erzählen, was genau passiert ist.. Willst du darüber reden?", fragte er vorsichtig, deutete mit einem Kopfnicken auf ihren Arm.
"Wenn du es hören willst, dann erzähle ich es dir", meinte sie unschlüssig, "Es ist nur so, dass wenn du es weißt, du es nicht mehr nicht wissen kannst."
Er wusste, worauf sie anspielte, sie wollte verhindern, dass ihn dieses Wissen quälen könnte. Aber er dachte, dass es wichtig wäre es zu wissen, um zu verstehen, was sie diesbezüglich fühlte. Er wollte ihr nicht einmal versehentlich wehtun, weil er sie vielleicht mit irgendetwas daran erinnerte, so sehr sie ihm auch versicherte, dass sie klarkäme. Immerhin hatte sie erst eine Panikattacke hinter sich, eine weitere sollte es nach Möglichkeit nicht geben.
"Erzähl es mir bitte, aber nur, wenn es wirklich okay ist."
Sie nickte, sammelte ihre Gedanken, ging nochmal alle Einzelheiten der Lügengeschichte durch, die sie ihm jetzt erzählen musste und hasste sich dafür, ihn erneut belügen zu müssen.
Langsam war ihr Lügenkonto wirklich voll und das alles würde ihm irgendwann bewusst werden, irgendwann würde er jede einzelne ihrer Lügen aufdecken und sie dafür verachten, dem war sie sich sicher, so sicher wie das Amen in der Kirche. Sie würde wie immer versuchen, möglichst viel von der Wahrheit zu erzählen, was aber fast unmöglich war.

"Die Narbe kommt von einer jungen Frau aus der Nachbarschaft meiner Eltern, sie war schon immer ziemlich verrückt, fast wahnhaft", begann sie nach kurzem Zögern ihre Geschichte, die Verrücktheit und Wahnhaftigkeit waren immerhin schonmal keine Lüge.
"Sie ist eine stille Verehrerin von du-weißt-schon-wem, von seinen Zielen und seinen Idealen. Sie würde den Todessern sofort beitreten, mit ihnen kämpfen und dafür sorgen, dass solche 'Beleidigungen der magischen Rasse', wie ich es für sie bin, nicht mehr existieren", sie unterbrach sich an der Stelle, als sie Severus scharf die Luft einziehen hörte, zusätzlich konnte sie es noch an ihrer Wange spüren, wie sein Brustkorb sich dehnte.
Bisher war sie wirklich nah an der Wahrheit geblieben und sie hätte sie an diesem Tag sicherlich getötet, oder an Greyback übergeben, der ihr sicher noch Schlimmeres angetan hätte, als nur den Tod.
"Soweit ich weiß, war sie sogar früher mal in Askaban, kam durch das Jugendstrafrecht aber irgendwann wieder raus. Aber Askaban hat sie vermutlich erst so verrückt und wahnhaft gemacht, wie ich sie kennengelernt habe. Sie hat ständig so komisch gelacht und Beleidigungen vor sich hin geflüstert, wenn ich an dem Haus vorbei musste und sie sich draußen aufhielt."
"Aber hat das denn niemanden geschert? Ich meine solche Menschen muss man doch beobachten", meinte Severus kopfschüttelnd.
"Vermutlich hat sie nach ihrer Entlassung keinen gewalttätigen Eindruck gemacht und eine verwirrte junge Frau, die nicht gut auf Muggel zu sprechen war, kam ihnen wohl nicht besonders bedrohlich vor", sie zuckte die Schultern, schämte sich für ihre Lüge.
"Jedenfalls hat sie mich eines Tages einfach vor ihrem Haus angegriffen, mich angeschrien und mich an den Haaren zu Boden gezogen. Ich hab ebenfalls geschrien und geweint, aber niemand hat mich gehört oder mir geholfen", führte sie ihre Geschichte ruhig fort, während Severus wieder anfing über den Rücken zu streichen, sie merkte zusätzlich wie sein Herzschlag schneller wurde, als hätte er Angst vor ihren nächsten Worten.
"Sie warf mir absurde Dinge vor, die ich gar nicht mehr wirklich zusammenkriege, ich hab die ganze Zeit nur versucht von ihr wegzukommen. Ich hab nach Hilfe gerufen und um mich geschlagen, dann hat sie dieses verfluchte Messer gezogen und mir dieses Wort in den Arm geritzt, als Strafe dafür Halbblütig zu sein und alle anderen Verbrechen, die sie sich in ihrem Kopf zusammenfantasierte."
"Wie kann es sein, dass dich niemand gehört hat? Wie kann dir niemand geholfen haben?", fragte er fassungslos und wieder zuckte sie die Schultern.
"Es war etwas außerhalb, dort gab es nicht viele Bewohner, oder sie haben es einfach nur für einen ihrer Anfälle gehalten, aber zum Schluss hat mich doch noch jemand gehört. Es war der Hauself eines Pärchens, das ganz in der Nähe wohnte, er hat mich gepackt und weg appariert", beendete sie ihren Bericht.
"Gott sei Dank, wer weiß was sie noch getan hätte..", flüsterte Severus den Tränen nahe.
"Ich würde heute vermutlich nicht mehr leben", sagte Hermine schlicht und emotionslos, was Severus erschaudern ließ.
"Das will ich mir gar nicht vorstellen.. Hat man sie bestraft?"
"Sie war fort, als man nach ihr sehen wollte", sagte sie nur.
"Ich hoffe sie finden sie irgendwann und sie bekommt ihre gerechte Strafe", meinte er mit unterdrückter Wut in der Stimme.
"Das wird sie sicher irgendwann, das nennt man Karma", erklärte Hermine und dachte daran, wie Molly Weasley ihr in der großen Schlacht die Stirn geboten und sie schließlich pulverisiert hatte.
"Danke, dass du es mir erzählt hast. Das muss schwer für dich sein, daran zu denken und darüber zu sprechen."
"Kommst du denn damit klar?", fragte sie besorgt, schielte wieder zu ihr hoch.
Er neigte den Kopf und küsste sie auf die Stirn.
"Ich bin einfach nur fassungslos und traurig", murmelte er, die Lippen noch an ihrer Stirn, "Aber ich bin froh, dass ich es weiß, dass du mir genug vertraust um es mir zu sagen."
"Ich würde dir mein Leben anvertrauen", meinte sie ehrlich, drückte sich ein wenig mehr an seinen Körper.
"Ich werde niemals zulassen, dass dir nochmal jemand wehtut", meinte er ernst, "Niemals wieder."
"Das kannst du nicht versprechen", sagte sie, war aber dennoch gerührt von seinen Worten.
"Solange deine Sicherheit irgendwie durch mich beeinflussbar ist, werde ich es tun. Niemand soll dich je wieder verletzen."
Sie schwiegen, saßen nur so eng umschlungen da. Irgendwie hatte er sein Versprechen ja wahr gemacht, dachte sie, er hat uns immer beschützt. Ob er wusste, wer ich bin, als er das tat? Tat er es vielleicht auch nur deshalb, weil er es mir jetzt versprochen hat?
"Da hab ich ja ganz gewaltig die Stimmung versaut", gab sie irgendwann trocken zum besten, versuchte damit sie beide ein wenig aus dieser bedrückten Stimmung zu holen.
"Das war vielleicht auch nicht unbedingt der beste Ort und Zeitpunkt dafür."
"Vermutlich hast du wohl recht, es war nur so.. so ein.. Ich kann es gar nicht beschreiben."
"Ein überwältigendes Gefühl, von dem wir uns haben hinreißen lassen?", fragte er und sie nickte an seiner Brust.
"Ich habe Angst davor, irgendwann nicht mehr bei dir zu sein", gestand sie, "Das hat das wohl ausgelöst."
"Mir geht es genauso."
Wieder schwiegen sie für eine Weile, bevor Hermine sich wieder aufrichtete und sein Hemd wieder zuknöpfte.
"Ich will dass es unvergesslich wird, wenn es soweit ist", sagte er und umfasste ihr Gesicht wieder mit den Händen, "Du bist das Beste was mir jemals passiert ist, ich will das hier richtig machen."
"Du bist auch das Beste was mir jemals passiert ist", sagte sie, sah ihm dabei tief in die Augen, "Vergiss das niemals."
"Wie könnte ich? Es grenzt ja schon an ein Wunder, dass du mich auch magst", sagte er und lächelte schief.
"Ich glaube es ist eher anders herum", meinte sie bestimmt, "Du bist tief drinnen ein so herzensguter Mensch, zeigst das aber nie offen, weil es die meisten nicht verdienen. Ich bin glücklich, dass es bei mir anders ist."
Lilys Worte von vor einiger Zeit fielen ihr wieder ein, als sie sagte, dass es buchstäblich kein schöneres Gefühl gäbe, als von jemandem geliebt zu werden, der sonst alle hasste. Sie hatte Recht gehabt. Dadurch, dass er sonst so verschlossen war, bedeutete die Tatsache, dass er sich ihr gegenüber öffnete und seine Gefühle zeigte, so viel mehr, als bei jedem Anderen.
"Ich glaube du siehst mich sehr viel positiver als ich es verdiene", sagte er, lehnte seine Stirn an ihre, "Das liebe ich so an dir, dass du es schaffst in allem und jedem etwas Gutes zu sehen."

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