28. Asche zu Asche, Staub zu Staub

Ganz in schwarz gekleidet betraten Eileen und Severus den Friedhof, wo schon ein Trauerredner und einige bekannte seines Vaters warteten. Die meisten von ihnen hatte er in seinem ganzen Leben noch nie gesehen, dementsprechend komisch kam es ihm vor, als sie ihm und seiner Mutter nacheinander die Hand schüttelten und ihr Beileid aussprachen. Vor allem kam es ihm komisch vor, weil ihm diese ganze Veranstaltung keine Gefühle entlockte. Am Vorabend hatte er noch gedacht, dass die Gefühle vielleicht erst dann kämen, wenn er hier auf dem Friedhof stünde und ihm die Situation wirklich bewusst wurde, aber nichts, kein Gefühl, nur Gleichgültigkeit. Wieder schämte er sich ein wenig dafür, denn alle anderen um ihn herum wirkten wenigstens betroffen, aber er stand hier und fühlte nicht einmal das, höchstens Scham gegenüber dieser nicht vorhandenen Gefühle.

Der Trauerredner begann mit der Zeremonie und umriss einmal den Verlauf des Lebens seines Vaters. Als Einzelkind aufgewachsen, Wirtschaftsstudium, ein guter Job, dann hatte er seine Frau kennengelernt, seine Eltern nacheinander an den Krebs und die Trauer verloren, dann war er Vater geworden. Er kam sich fast vor, als würde sein Vater komplett glorifiziert, was ihm heuchlerisch erschien, aber so liefen Beerdigungen wohl ab. Natürlich gehörten die Tatsache, dass er gerne mal zu tief ins Glas geschaut hatte und daraufhin auch mal aggressiv wurde, hier nicht her, aber es war dennoch heuchlerisch. Ein Arbeitskollege sagte ein paar Worte, wie sehr er doch von allen geschätzt wurde, dann ein Freund aus Kindertagen, dass er ihn sehr vermissen würde und schließlich sagte auch seine Mutter einige Worte des Abschieds. Diese Worte lösten in ihm etwas aus, was Betroffenheit noch am nächsten kam: Bedauern. Die Urne wurde vergraben und typisch schottisch, wurde das Grab mit Steinen geschmückt und alle legten eine Blume auf dem Steinhaufen ab oder steckten sie in die Zwischenräume jener. Es war schlicht und ruhig, keine Musik, keine Andacht, nichts. Zum Schluss traten alle Anwesenden nochmal einzeln vor das Grab, senkten ihren Kopf, verabschiedeten sich still und gaben seiner Mutter und ihm noch einmal die Hand und verschwanden anschließend in kleinen Grüppchen wieder.
Alles in allem hatte es nicht länger als eine halbe Stunde gedauert, in der Severus durchgehend die Hand seiner Mutter gehalten hatte, um ihr still Trost zu spenden. Jetzt waren sie die letzten, die noch am Grab standen.
"Ich glaube dein Vater wäre zufrieden gewesen mit der Trauerfeier", merkte Eileen leise an, "Auch wenn es nichts Besonderes war."
"Nichts Aufwändiges, wie er es wollte", bestätigte Severus.
"Wie fühlst du dich?", fragte sie ihn.
"Nicht viel anders als gestern und das tut mir leid."
"Das muss es nicht", beschwichtigte sie ihn erneut, "Ich bin fast froh, dass es dich nicht so sehr trifft."
"Wirklich?", fragte er seine Mutter entgeistert.
"Wirklich. Nichts ist schlimmer als der Schmerz jemanden zu verlieren, den man liebt. Das wünsche ich niemandem." Sie schniefte, ließ ihren Tränen freien Lauf.
Severus legte einen Arm um ihre Schulter, was ziemlich leicht für ihn war, da sie fast einen Kopf kleiner war als er.
Arm in Arm verharrten sie noch einige Minuten, bis seine Mutter die Tränen bestimmt mit einem Taschentuch fort wischte und vorschlug auch nach Hause zurückzukehren. Sie war schon immer sehr stark gewesen, dahingehend war sie immer ein Vorbild für ihn gewesen. Zumeist war sie beherrscht und wusste ihre Gefühle zu verbergen, wenn sie sie nicht zeigen wollte, zu akzeptieren was war und das beste daraus zu machen. In der Hinsicht konnte er sich noch vieles von ihr abschauen.

*

Hermine befand sich mit Emma, Mary und Lily im Schlafsaal, als Anubis von außen an ihr Fenster pickte. Die Eule hatte für sie und Lily jeweils einen Brief dabei. Gleichzeitig öffneten sie sie und lasen.
Er berichtete beiden von der Beerdigung, bedankte sich bei Lily für die Anteilnahme und berichtete Hermine vom Gespräch mit seiner Mutter und seinen Gefühlen im Bezug auf das Ableben seines Vaters.
Hermine war ein wenig erleichtert, dass er mit seiner Mutter darüber hatte sprechen können und sie ihm das schlechte Gewissen hatte nehmen können, auch war sie erleichtert, dass es ihn nicht so hart traf. Sie war froh, dass sie durch Sirius diese Gefühle auch ein wenig verstand und damit auch die Tatsache, dass sie normal waren. Er versicherte ihr, dass er bereits am nächsten Abend wieder in Hogwarts wäre und sich darauf freute sie wiederzusehen.
Fragend sahen Lily und Hermine sich an, wollten erfahren, was jeweils im Brief des anderen stand und waren beide froh über die Tatsache, dass er das alles offensichtlich gut verarbeitete. Wobei Hermine ihr von seinen Gefühlen, beziehungsweise ihres nicht Vorhandenseins nichts genaues sagte, sie merkte nur an, dass er nicht allzu sehr trauerte, was Lily nachvollziehen konnte, denn sie kannte Tobias Snape und wusste, wie grausam er manchmal sein konnte, wie sehr seine Worte manchmal verletzen konnten.

*

Den nächsten Tag saß Hermine im Unterricht wie auf heißen Kohlen, sie konnte es nicht erwarten Severus wiederzusehen und sich persönlich zu versichern, dass es ihm gut ging. Harry amüsierte sich sehr darüber wie aufgeregt sie war und schüttelte häufig grinsend den Kopf darüber. Er nahm sich vor, Hermine nach dem Unterricht, bis zu seiner Rückkehr zum Abendessen, etwas abzulenken und bat sie daher, ihm im Raum der Wünsche dabei zu helfen, nonverbale Zauber zu lernen und er hatte Recht, sie war sofort darauf angesprungen. Am Ende hatte er zwar nicht gerade herausragende Fortschritte gemacht, aber es hatte seinen Zweck erfüllt und das war das wichtigste.

Als sie sich dann auf den Weg zum Abendessen machten, kam Severus ihnen auf halbem Weg schon entgegen und Hermine warf sich ohne zu zögern in seine Arme.
"Hast du mich etwa vermisst?", fragte er lachend und sie nickte, während sie noch das Gesicht in seiner Halsbeuge verborgen hatte.
"Ist das etwa so offensichtlich?", scherzte Harry und machte die beiden wieder auf seine Anwesenheit aufmerksam und entlockte ihnen ein leises Lachen.
Kurz darauf löste Hermine sich von Severus, drückte ihre Lippen für einen kurzen, aber liebevollen Kuss auf seine.
"Du hast mir auch gefehlt", flüsterte Severus ihr liebevoll zu.
Harry versuchte unterdessen überall hinzusehen, nur nicht auf die beiden. Es käme ihm komisch vor, sie in diesem Moment anzustarren.
"Hallo Harry", begrüßte Severus den Bruder seiner Freundin und er nickte dem Slytherin verbindlich zu.
"Mein Beileid wegen deines Vaters", sagte er, "Ich hoffe es war okay, dass sie es mir erzählt hat?"
"Ja, natürlich, das ist ja kein Staatsgeheimnis", bestätigte er, "Aber ich kann nicht behaupten, dass ich meinem Vater übermäßig nachtrauere. Wir hatten nicht das beste Verhältnis."
"Ja, kann ich verstehen, mir ging es mit meinem Onkel und meiner Tante ähnlich", meinte er und zuckte die Schultern. Das war gar nicht mal gelogen, fiel ihm auf, er war damals wirklich fast dankbar gewesen, als sie den Ligusterweg verließen und klar machten, dass sie sich niemals wieder sehen würden. Severus würde nur denken, dass er die Familie Bones meinte, nicht Petunia Dursley - beziehungsweise Evans, wie sie jetzt noch hieß.
Eine komische Stille entstand und Severus räusperte sich. "Wollen wir was essen gehen?", fragte er an beide gewandt und sie nickten zustimmend.

Während des Essens erzählte Severus ein wenig von der Beerdigung und erkundigte sich im nächsten Zug, was er alles verpasst hätte.
"Nicht viel", meinte Harry, "Hawthorne hat uns einen unglaublich langen Aufsatz über die Theorie hinter der stablosen Magie aufgegeben und Slughorn hat Hermine mit mir und Remus arbeiten lassen. Hat dazu geführt, dass ich den Trank ausnahmsweise mal nicht verdorben habe, immerhin haben mich zwei Leute kontrolliert." Er lachte und auch Severus konnte sich ein leichtes Grinsen nicht verkneifen. Er wusste, wie beharrlich seine Freundin sein konnte, was das Rezept und die genaue Befolgung dessen anging.
"War sonst irgendwas los?", fragte er und nahm sich zum Nachtisch einen Vanillepudding.
"Die Gerüchteküche hat gebrodelt wegen deiner Abwesenheit", informierte Hermine ihn.
"Irgendwas interessantes dabei gewesen?", fragte er amüsiert. Seit er mit Hermine zusammen war, fand er die Dinge, die man sich über ihn erzählte, sehr viel witziger und lachte nicht selten sogar mit ihr darüber.
"Nichts was man nicht schon gehört hätte. Von du hättest dich mit deinen Zimmergenossen überworfen, bis von der Schule geflogen, wegen unerlaubter und gefährlicher Zaubertrankexperimente, war alles dabei."
"Hmm.. Hast du denn außer Harry und Lily irgendjemandem die Wahrheit gesagt?", fragte er weiter, "Oder werden sich die Gerüchte noch lange halten?"
"Ich dachte das stünde mir nicht zu, es ist immerhin deine Privatsache", meinte Hermine ehrlich, "Aber ich habe es noch Sirius erzählt.."
Der Blick, den Severus daraufhin aufgesetzt hatte, machte sie nervös und sie setzte sofort zu einer Verteidigung an.
"Bitte entschuldige, aber er hat mir hoch und heilig versprochen es niemandem zu sagen und auch keine Witze darüber zu machen.."
"Warum hast du es ihm überhaupt erzählt?", fragte er mit gerunzelter Stirn, sein Blick war aber schon wieder etwas versöhnlicher, dennoch konnte sie seinen Ärger darüber noch deutlich sehen. Wobei sie sich fragte, warum er sauer war, wenn es doch kein Staatsgeheimnis war.
"Er hat bemerkt, dass mich etwas beschäftigte und ich wusste, dass auch er ein schlechtes Verhältnis zu seinen Eltern hat und.. Ich wollte wissen, was du womöglich fühlst, weil ich dieses Gefühl nicht kenne.."
"Und da fragst du ihn und nicht mich?", meinte er ein wenig sauer, unterbrach damit ihre Erklärung, "Und natürlich hat er dir das nur zu gerne erklärt."
"Was willst du damit andeuten?", fragte sie überrascht über seine Worte. Sie hatte schon geahnt, dass ihm das nicht gefallen würde, dass sie mit irgendjemandem außer Harry und Lily über ihn gesprochen hatte, aber seine Worte ergaben für sie wenig Sinn.
"Du merkst das gar nicht, oder?", fragte er und sah sie forschend an, vergaß für einen Moment, dass er sauer sein sollte, weil seine Freundin einen seiner ewigen Peiniger gefragt hatte, statt ihn selbst.
"Was merke ich nicht?", fragte sie.
Severus sah nun Harry an, der der Unterhaltung mit wachsendem Unbehagen gefolgt war. Er wusste nicht, dass Hermine mit Sirius über alles gesprochen hatte, aber er konnte sich gut vorstellen, worauf Snape gerade anspielte. Er selbst hatte es ja auch bereits von Anfang an beobachtet, dass Sirius irgendwie ein besonderes Interesse an Hermine zu haben schien. Ob es nun daran lag, dass sie immer eine gegensätzliche Meinung hatte und er den Schlagabtausch mit ihr mochte oder ob da noch viel mehr, als die Herausforderung die sie für ihn darstellte, als Grund vorlag, konnte er nicht mit letzter Gewissheit sagen. Aber er bewohnte immerhin mit ihm ein Zimmer und wusste daher aus verschiedenen Unterhaltungen mit James, dass Sirius durchaus promiskuitiv veranlagt war und durch seine Beliebtheit die meisten Mädchen dieser Schule keine Herausforderung darstellten und daher auch wenig interessant für ihn waren. Aber bei dieser Diskussion anwesend zu sein, das behagte ihm ganz und gar nicht. Severus fand in Harrys Blick die Bestätigung seiner Worte, dass er im Gegensatz zu seiner Schwester wusste, worauf er anspielte.
"Er mag dich", stellte er klar und Hermine nickte.
"Warum sollte er auch nicht? Wir sind Freunde und er hat sicherlich immer noch ein schlechtes Gewissen, weil er James Theorien geglaubt hat..", murmelte sie vor sich hin und Severus lachte leise. Er lachte? Das hatte sie als letztes erwartet.
"Was ist daran jetzt so witzig?", fragte sie scharf und buffte ihm gegen den Oberarm.
"Ich finde es nur süß, wie blauäugig du manchmal bist. Er hat Interesse an dir, mehr als nur freundschaftlich", erklärte Severus und Hermine stutzte. Ihr kamen wieder Lilys Worte ins Gedächtnis, als sie ihr erklärte, dass Sirius schon immer versessen darauf war, das zu kriegen, was er nicht kriegen konnte. Auch erinnerte sie sich wieder an die ganzen Male, bei denen er ihr einen Arm um die Schulter legte und ihre Nähe suchte, wie er plump versucht hatte sie um ein Date für den Schulball zu bitten und wie er immer gegen Severus geschossen hatte und gleichzeitig unterschwellig versuchte klarzumachen, dass jemand anderes besser für sie wäre.
"Ich weiß wie mehr als freundschaftliches Interesse aussieht, immerhin hab ich es auch", erklärte er.
Jetzt musste sie kurz auflachen, war Severus etwa eifersüchtig?
"Ist das alles was dich stört?", fragte sie und schüttelte den Kopf, "Glaubst du etwa, ich würde mich wirklich auf ihn einlassen?"
"Mich stört vor allem, dass du es ihm gesagt hast und ihn damit wieder animierst auf dich zuzugehen und dass du nicht mich gefragt hast wie es mir geht, sondern nach seiner Meinung gefragt hast", meinte Severus ehrlich und ein kleines bisschen der Wut kam auch wieder zurück. Er fand es verletzend, dass sie ihn nicht gefragt hatte wie es ihm ging, nicht ihn gebeten hatte ihr seine Gefühle zu erklären, sondern es über Dritte rausfinden wollte.
"Ich dachte.. Ich weiß nicht, wie ich das erklären soll, ich dachte es könnte dich verletzen, wenn ich dich frage."
"Also verletzt du mich lieber, indem du nicht fragst?", stellte er eine Gegenfrage, "Ich hätte erwartet, dass du fragst."
"Nein, ich.. Es tut mir Leid", flüsterte sie.
"War die Tatsache, dass ich nichts gefühlt habe, so schrecklich für dich? Wolltest du herausfinden, ob das normal ist? Ich wollte es und für mich war es schrecklich. Ich habe mich unendlich geschämt, als wäre ich ein gefühlskaltes Monster." Wie er die Worte sagte, jagte sowohl Hermine als auch Harry einen Schauer über den Rücken. Er klang fast verzweifelt und die Worte trieften vor Selbstverachtung.
"Du bist alles, Severus, aber nicht gefühlskalt", sagte sie bestimmt und legte eine Hand an seine Wange.
"Das hat meine Mum auch gesagt", murmelte er leise vor sich hin und sie legte ihre Stirn an seine.
"Du bist kein Monster", sagte sie, "Du bist so mitfühlend, nie würde ich so über dich denken. Ich wollte es einfach nur besser verstehen, entschuldige bitte, dass ich es ihm gesagt habe. Ich glaube aber auch, dass er das tatsächlich ohne Hintergedanken gemacht hat, er wollte nur für mich da sein."
"Ich kann es ja sogar ein wenig verstehen, aber musste es unbedingt er sein?", fragte Severus und verzieh damit seiner Freundin, er konnte es ja tatsächlich irgendwie verstehen, er hatte ja auch mit jemandem darüber reden müssen.

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