22. Eine ernste Beziehung

"Ah, Miss Granger, schön dass Sie meiner Einladung nachgekommen sind", begrüßte der Schulleiter sie, als sie nach einem Klopfen und der anschließenden Aufforderung einzutreten, an seinen Schreibtisch trat und sich setzte.
"Ich schätze Sie möchten erfahren, wie die Planung unserer Rückreise voran geht?", fragte sie und schlug die Beine übereinander.
"Unter anderem", bestätigte er ihre Vermutung. "Fangen wir doch aber direkt mit Ihrer Vermutung an. Wie läuft es denn?"
"Ich kann mit Zufriedenheit behaupten, dass achtzig Prozent von diesem Plan in der Theorie existieren und mit großer Sicherheit funktionieren wird", erklärte sie.
"Was sind die restlichen zwanzig Prozent?", fragte er interessiert.
"Ein ganz bestimmtes Gegengift", sagte sie vorsichtig."Etwas, dass es hier und jetzt so vermutlich noch nicht gibt."
"In ihrer Zeit aber schon?", fragte er und legte den Kopf schräg.
"Gewissermaßen, ja. Aber denjenigen, der es einmal herstellen wird, den kann ich nicht danach fragen."
"Sprechen Sie dabei womöglich von Mister Snape?", stellte er eine Theorie in den Raum und durch ein kurzes Aufflackern von Überraschung in ihrem Gesicht, wusste er, dass er ins Schwarze getroffen hatte.
"Ihnen ist hoffentlich klar, dass alles, was Sie mir sagen, niemals meinen Geist verlassen wird, oder? Ich werde überdies genauso handeln, wie es nötig ist, egal was Sie mir sagen", erinnerte er sie.
"Ja, es ist Severus", bestätigte sie seine Vermutung schließlich seufzend und etwas widerwillig. Aber sie musste irgendwie weiterkommen, vielleicht konnte der Schulleiter ihr dabei tatsächlich helfen. Natürlich vertraute sie auch darauf, dass er tat, was getan werden musste, dafür kannte sie ihn gut genug, aber dennoch wollte sie ihm nicht zu viel offenbaren, denn ein Restzweifel blieb immer.
"Hmm.. Ich habe heute Morgen beim Frühstück schon darüber nachgedacht, dass er einen exzellenten Nachfolger für Professor Slughorn abgeben würde, ich schätze, das werde ich auch in einigen Jahren noch denken und ihn tatsächlich einstellen, liege ich da richtig?"
"Wie immer liegen Sie da richtig, Sir", sagte sie und nickte.
"Das erklärt Mister Potters Bedenken ihre Beziehung zu ihm betreffend. Aber das scheint sich ja inzwischen geändert zu haben. Mir blieb Ihr Auftritt heute Morgen nicht verborgen."
"Das ist auch wieder richtig. Harry hat mich dazu ermutigt, meinen Gefühlen nachzugeben. Er sagt auch Sie denken, dass es so passieren musste, immerhin sind wir doch alle von der Konsistenztheorie überzeugt, oder nicht?"
"Das sind wir", bestätigte er lächelnd. "Hat er Sie später je erkannt?"
"Nein, jedenfalls nicht soweit ich wüsste, aber er mochte mich nie, ob das nun darauf zurückzuführen ist, dass er doch wusste wer ich bin, ist aber fraglich."
"Dann werde ich mich in der Zukunft dieser Frage annehmen. Ich bin der Meinung, dass er, bis er es selbst erkennt, auch nicht erfahren sollte, wer Sie sind."
"Da gebe ich Ihnen Recht", pflichtete sie ihm bei. "Er wird eine große Rolle in allem spielen und Sie müssen dabei für ihn da sein und meine wahre Identität sollte ihn nicht daran hindern, diese Rolle zu bekleiden."
"Darauf gebe ich Ihnen mein Wort, ich werde ihm jedwede Unterstützung zukommen lassen, die er braucht. Sie wollen mir aber sicher nach wie vor nicht sagen, wie seine Rolle aussehen wird?"
"Lieber nicht, es ist besser so", beharrte sie. "Ich vertraue dabei auf ihre Einschätzung der Dinge und Ihre Weitsicht, wie Sie mit der Zukunft umgehen werden, wenn es soweit ist."
"Das ehrt mich sehr, ich werde versuchen Ihrem Vertrauen gerecht zu werden."
"Das werden Sie, Professor", sagte sie verbindlich und lächelte. "Ich muss Sie an dieser Stelle aber auch darum bitten, sich in manchen Situationen etwas zurückzuhalten. Ich weiß, dass Sie vieles durchschauen werden und es auch vielleicht jetzt schon tun, aber manche Dinge müssen einfach passieren und ihren Lauf nehmen, ohne, dass sie darin eingreifen."
Die kryptischen Worte der jungen Frau verwirrten den Schulleiter, was musste er geschehen lassen? Meinte sie den Tod von Mister Potters Eltern? Das wusste er doch bereits, dass es passieren musste und er es zulassen würde. Aber was meinte sie darüber hinaus?
"Ich werde mir Ihre Worte merken, auch wenn ich nicht weiß worauf sie anspielen."
"Sie werden es wissen, wenn es passiert", meinte Hermine bestimmt. Sie hatte oft darüber nachgedacht, ob Dumbledore nicht von Anfang an wusste, dass nicht Sirius, sondern Peter Harrys Eltern verraten hatte, aber er hatte sich nie in dieses Thema eingemischt, war nie für ihn eingetreten und hatte alles aufgedeckt. Dafür musste es einen Grund geben und den wollte sie ihm nun liefern.
"Nun gut, ich vertraue auf Ihre Einschätzung und biete Ihnen darüber hinaus an, soweit es mir möglich ist, mit Ihrem Gegengift zu helfen. Welches Gegengift wird denn benötigt?"
"Es geht um eine magisch veränderte Schlange, eine Giftschlange", erklärte Hermine. "Sie ist irgendeine seltene Kreuzung und auch noch irgendwie magisch verändert, das macht die Suche nach einem Gegenmittel schwierig."
Nagini, dachte Dumbledore sofort, es musste sich hierbei um sie handeln, immerhin wusste er, dass sie inzwischen an Tom Riddles Seite war. Kennengelernt hatte er sie aber, als sie noch ein Mensch war, was schon viele Jahre zurück lag. Sie war ein Maledictus, mit einem Blutfluch belegt, den sie von ihrer Mutter geerbt hatte und der sie gezwungen hatte, sich im Laufe ihres Lebens unumkehrbar in ein Tier zu verwandeln. Die Tatsache, dass sie auf Nagini anspielte, gab ihm jetzt auch die letzte Gewissheit, dass die Bedrohung durch Tom Riddle auch in zwanzig Jahren noch bestand, dass sie bis dahin tatsächlich nichts gegen ihn würden ausrichten können.
"Wenn ich das richtig deduziere, dann ist der magische Teil zu vernachlässigen. Sie müssen nur die Kreuzung identifizieren", riet er ihr. Die Tatsache, dass sie eigentlich ein Mensch war, war es, was den magischen Teil ausmachte und hatte deswegen hier kein Gewicht.
"Was wissen Sie darüber?", fragte Hermine neugierig, der der Gedankensprung des Schulleiters entgangen war.
"Ich vermute, dass Sie Nagini meinen und wenn das der Fall ist, dann weiß ich sicher, dass ihr magischer Teil nicht von Belang ist, er hat keine Auswirkungen auf die Art des Giftes. Der magische Teil hat nur dafür gesorgt, dass sie zu einer, so noch nicht existierenden, sehr tödlichen Kreuzung wurde."
"Wie können Sie das so genau wissen?", bohrte sie weiter.
"Weil ich Nagini kennenlernte, als sie noch eine junge Frau war."
Hermine dachte angestrengt über seine Worte nach, die sie bis ins Mark erschütterten. Die Schlange war also nicht immer eine Schlange gewesen.
"Sie ist ein Maledictus, oder?", fragte sie. "Sie ist kein Animagus, also ist das die einzige Möglichkeit."
"Sehr richtig, Sie sind wirklich eine bemerkenswerte junge Hexe", lobte er das Mädchen vor sich, die mal wieder durch sein Lob errötete.
"Aber welche Schlangenarten wurden hier gekreuzt?"
"Das ist die entscheidende Frage. Aufgrund ihres Namens, der sich vom indischen Schlangengott Naga abwandelt und Königscobras von diesem Volk verehrt werden und ein hoch potentes Gift besitzen, würde ich darauf schließen, dass dies ein Teil ist", erklärte er und Hermine nickte, das schien ihr ebenfalls ein logischer Schluss.
"Es könnte die Möglichkeit bestehen, dass ich herausfinden kann, welche Schlangenarten dort gekreuzt sind", meinte er nachdenklich. "Ein Maledictus verwandelt sich nicht zufällig, die Form ist immer schon zu Anfang klar und kann auch bewusst angenommen werden, bis sie irgendwann nicht mehr rückgängig zu machen ist. Als sie damals her kam, haben wir versucht ein Gegenmittel für den Fluch zu finden, dazu wurde ihr Blut abgenommen und Gewebeproben entnommen, daraus sollte sich alles Nötige erschließen lassen."
"Das wäre eine sehr große Hilfe, Sir", meinte Hermine aufgeregt.
"Ich werde mich mit den betreffenden Zauberern, die damals daran forschten, in Verbindung setzen und sehen, was sie inzwischen herausgefunden haben."
"Vielen Dank, das hilft mir sehr."
Euphorie erfasste sie, denn es würde bedeuten, dass sie der Rettung ihres Liebsten ein ganzes Stück näher käme. Bedeutete aber auch, dass sie vielleicht früher wieder gehen müsste, als es ohne diese Information der Fall wäre. Diesen Gedanken schob sie aber vorerst beiseite und freute sich nur darüber, dass es einen neuen Ansatz gab.
"Gibt es darüber hinaus noch etwas, was Sie besprechen möchten?", fragte Hermine.
"Nichts, was Sie mir beantworten würden", meinte Dumbledore schmunzelnd. "Also werde ich mir selbst meine Gedanken dazu machen."
Hermine lachte kurz auf und schüttelte den Kopf. "Vermutlich kommt am Ende dabei dasselbe raus", sagte sie, "Sie waren schon immer sehr hellsichtig."
Auch Dumbledore lächelte vergnügt und strick sich über den Bart.
"Nun denn, dann sprechen wir uns wieder, sobald ich etwas über die Schlange weiß."

*

Der Februar ließ auch den letzten Schnee schmelzen und die Sonne tauchte alles in ein warmes Licht. Natürlich war es immer noch kalt, aber von Tag zu Tag konnte man auf den Ländereien wieder mehr Tiere sehen, die die Sonne aus ihren Höhlen gelockt hatte. Der Frühling würde bald Einzug halten und alle Bäume wieder grün werden lassen. Bis zu den Frühlingsferien waren es noch knapp zwei Monate und die ersten Zwischenprüfungen wurden angekündigt.
Hermine verbrachte aus diesem Grund viel Zeit in der Bibliothek. Meistens war Severus bei ihr, ab und an aber auch nur Remus, Emma oder Lily. Obwohl das nicht ihre Zeit war, wollte sie gute Noten bekommen, das verlangte ihr ehrgeiziges und gewissenhaftes Wesen. Harry hingegen verbrachte die meiste Zeit mit seinem Vater und seinem Paten. Denn dank der steigenden Temperaturen, machte Quidditch spielen wieder Spaß. Peter hielt sich zumeist ebenfalls bei ihnen auf, beobachtete sie von der Tribüne aus, manchmal in Gesellschaft von Alice, Frank und Mary. Von Dumbledore hatte sie bisher noch nicht wieder gehört.

Severus und Hermine waren jetzt seit fast einen Monat ein Paar, die neugierigen Blicke der Mitschüler blieben aber dennoch nicht aus.
"Sie starren immer noch", merkte Severus an, als er mit Hermine und Lily von der Bibliothek aus auf dem Weg in die große Halle war. "Man sollte meinen sie hätten sich langsam an den Anblick gewöhnt."
"Sieh es ihnen nach, ihr seid nun mal ein sehr interessantes Paar", sagte Lily und lachte.
"Interessant?", fragte Severus und zog eine Augenbraue hoch, strich mit dem Daumen leicht über Hermines, die ihr Hand mit seiner verschränkt hatte.
"Naja, Hermine ist diese geheimnisvolle neue Schülerin, es gibt ohne Ende Gerüchte warum sie und Harry hier sind und du, du bist nun mal..", sie stockte, suchte nach den richtigen Worten.
"Der unbeliebteste und unansehnlichste Kerl der Schule", half er ihr auf die Sprünge. "Der Kerl, den niemand leiden kann."
"Ich wollte eigentlich ungesellig, geheimnisvoll und introvertiert sagen. Niemand weiß wirklich etwas über dich, deswegen sind sie dir gegenüber so argwöhnisch", verteidigte Lily sich und Hermine kicherte, drückte Severus' Hand in ihrer. Wobei ihr auch der Gedanke kam, dass Sirius und James da auch nicht ganz unschuldig waren, was die allgemeine Meinung über ihren Freund anging.
"Tja, ihr Verlust ist mein Gewinn und du bist gewiss nicht unansehnlich", sagte sie, lächelte Severus an und gab ihm einen Kuss auf die Wange.
"Dennoch bist du in dieser Gleichung der Hauptgewinn", flüsterte er ihr ins Ohr und grinste schief.
Auch auf Lilys Gesicht bildete sich ein Lächeln. Er war so anders, seit das mit Hermine angefangen hatte. Viel aufgeschlossener und glücklicher, sie freute sich, trotz allem was war, sehr für ihn.
"Wir müssen demnächst dringend nach Hogsmeade", merkte Lily an und Hermine legte den Kopf schief, sah ihre Freundin fragend an.
"Na, wir brauchen Kleider für den Frühlingsball, bevor die Guten alle weg sind", erklärte sie aufgeregt.
"Oh, naja, bisher hat mich noch niemand gefragt. Also..", gab sie unschlüssig zurück, zuckte die Schultern und Lily warf Severus einen auffordernden Blick zu.
"Ich wollte dich fragen, ob du mit mir hingehst", sagte er sofort verteidigend und sah Hermine warm an, bevor sein Blick wieder zu Lily glitt und tadelnd wurde. "Aber so wie du mich ansiehst, werde ich sie jetzt sicher nicht fragen. Das sollte nicht auf Befehl sein."
"Ich gehe gerne mit dir hin", warf Hermine sofort freudig lächelnd ein.
"Hey, mach es ihm doch nicht so leicht!", protestierte Lily aber Hermine schüttelte nur lachend den Kopf.
"Lass uns nächste Woche losgehen", schlug Hermine vor und Lily nickte begeistert und vergaß ihre Kritik von vorher.
"Sehen wir uns nach dem Essen im Raum der Wünsche?", fragte Severus leise, "Ich wollte dich auch noch etwas anderes Fragen." Überrascht und neugierig sagte Hermine zu, was wollte er sie bloß fragen?

*

"Wow, das gefällt mir", flüsterte Hermine , als sie später den Raum der Wünsche betraten. Severus hatte sie an einen Fluss mit einem kleinen Wasserfall geführt und in der Ferne ging die Sonne unter, malte rote, goldene und orange Streifen an den Himmel, die Wolken schimmerten rosa und eine seichte Briese wehte durch ihr Haar. Wie schon beim letzten Mal führte er sie zu einer kleinen Decke im Gras und sie streckten sich nebeneinander darauf aus und beobachteten aneinander gekuschelt den Sonnenuntergang.
"Was wolltest du mich fragen?", durchbrach sie nach einiger Zeit die Stille.
"Also, ich hatte mich gefragt, ob du - ich weiß wir sind noch nicht so lange zusammen und ich kann verstehen wenn du nein sagst, mein Vater ist ja auch nicht gerade der umgänglichste Mensch und ich verstehe auch, wenn dir das zu früh oder plötzlich kommt, aber.. ", redete er in einer ungeheuren Geschwindigkeit um den heißen Brei herum.
"Jetzt frag schon", sagte sie kichernd und strich ihm beruhigend über die Brust.
"Ich wollte dich fragen, ob du vielleicht in den Ferien mit zu meiner Familie kommen möchtest?", fragte er schließlich sichtlich nervös.
Sie blinzelte einige Male überrascht. Eine ganze Woche allein mit Severus bei seinen Eltern? Konnte sie das machen? Sollte sie das machen? War das nicht viel zu viel? Sie würde das auf jeden Fall mit Harry besprechen müssen, sie wollte ihn hier nicht allein lassen. Aber sie konnte nicht abstreiten, dass sie gerne mitkommen würde. Severus einmal außerhalb dieser Mauern zu erleben, weit entfernt von allen Blicken, wäre wirklich schön.
"Ich dachte, dass du vielleicht auch mal hier weg möchtest und da du zur Zeit nicht zu dir nach Hause kannst, naja..", erklärte Severus seine Frage. "Und ich hätte dich gerne bei mir."
Hermine richtete sich ein wenig auf, damit sie ihm besser ins Gesicht sehen konnte.
"Ich freue mich sehr über die Frage und dass du mich deinen Eltern nach so kurzer Zeit schon vorstellen möchtest, was schätze ich, eine relativ große Sache ist.. Aber ich muss erst mit Harry sprechen. Ich will ihn nicht einfach so alleine lassen, ich hoffe du verstehst das?"
Das war kein eindeutiges Nein gewesen, auf Severus Gesicht bildete sich ein vorsichtiges Lächeln. Für sie war das zwischen ihnen also etwas genauso Ernstes wie für ihn.
"Ich verstehe es und du musst auch noch nicht jetzt antworten", versicherte er ihr, küsste ihre Nasenspitze.
"Danke, dass du das verstehst", flüsterte sie, kuschelte sich wieder an seine Seite und malte mit den Fingerspitzen kleine Kreise auf seine Brust. "Harry ist momentan meine einzige Familie hier, ich will ihn nicht einfach übergehen. Aber ich würde sehr gern mitkommen."
Severus fühlte ein warmes Gefühl in sich aufsteigen, freute sich darüber, dass sie ihn grundsätzlich gerne begleiten wollte. Er fragte sich, was das für ein Gefühl war, dass sie immer, wenn sie nur in seiner Nähe war, in ihm auslöste. War das nur Verliebtsein, war es Liebe oder war es noch so viel mehr? Alles was er wusste, war, dass er sie am liebsten jede Sekunde jedes Tages an seiner Seite hätte. Dass er sich wünschte, dass es für ewig wäre. Nie zuvor hatte er sich bei einem anderen Menschen so wohl und akzeptiert gefühlt, so vollständig.
"Wissen deine Eltern denn von uns? Was hast du ihnen gesagt?", fragte sie nach einer Weile.
"Dass ich dieses unglaubliche Mädchen kennengelernt habe, was mich verzaubert hat und zwar komplett, mit Körper und Seele und ich es kaum erwarten kann, dass sie dich kennenlernen", flüsterte er, gab ihr einen weiteren Kuss auf den Kopf.
Seine leise geflüsterten Worte, die sie an ihrer Wange in seinem Brustkorb vibrieren fühlte, ließen ihr Herz Purzelbäume schlagen.
"Ich hätte dich nie für einen solchen Romantiker gehalten", sagte sie, drehte den Kopf so, dass sie zu ihm aufsehen konnte.
"Ich wusste auch nicht, dass das in mir ist. Aber.. irgendwie weckst du diese Seite in mir", erklärte er leise und mit belegter Stimme.
"Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal so fühle, vor allem nicht nach allem was geschehen ist und was mich hierher gebracht hat", sagte sie genauso leise. "Es fühlt sich so gewaltig an, als wäre mein Körper zu klein für diese ganzen Gefühle."
"Mir geht es genauso", flüsterte er und umarmte sie noch etwas fester.

*

Später saß sie mit Harry noch bis spät Nachts im Gemeinschaftsraum, hörte sich die Geschichten vom Training mit James und Sirius an und lachte mit ihm über einige von ihren Witzen. Sie erwischte sich erneut dabei, wie sie sich wünschte, dass es auch in ihrer Zeit noch so wäre. Harry, der wie jeder andere in seinem Alter, ganz selbstverständlich Zeit mit seinen Eltern und seinem Paten verbrachte, Severus an ihrer Seite und eine unbeschwerte Zeit mit ihren Freunden. Sie wünschte auch Ginny, Ron und die Zwillinge könnten hier sein. Aber das hier war nur wie ein Urlaub von der Realität, ein Traum, eine Seifenblase - die irgendwann zerplatzen musste. Vermutlich früher als sie es wollten. Sie konnten die Zeit hier nicht ewig in die Länge ziehen, war es doch sowieso nie geplant gewesen hier zu landen.

"Worüber denkst du nach?", fragte Harry und zog die Beine an seinen Oberkörper, legte das Kinn auf den Knien ab und sah sie interessiert an.
"Dass das hier nicht ewig währen kann, dass wir irgendwann aus diesem Traum aufwachen müssen. Dass alles so perfekt sein könnte, wären die Umstände nur anders", sagte sie und seufzte traurig.
"Ich weiß, was du meinst", antwortete er sofort. "Ich wünschte ich könnte das alles hier nicht nur mit dir, sondern auch mit Ron und Ginny teilen. Manchmal fehlen mir Rons naive Ratschläge, seine Leichtigkeit und seine schlechten Witze. Und Ginny.. Ich wünschte sie könnte meine Eltern ebenfalls kennenlernen."
"Severus hat mich gefragt ob ich in den Ferien mit zu ihm nach Hause kommen will", sagte sie völlig aus dem Nichts und Harry zog überrascht die Augenbrauen hoch.
"Wow.. So ernst ist es also, was?", fragte er.
"Du hast Recht, das wäre zu viel, oder? Das kann ich nicht machen."
"Willst du das denn?", fragte er sachlich.
"Ich.. weiß es nicht. Will ich?", fragte sie schulterzuckend. "Können wir denn noch so lange hier bleiben? Sollten wir so lange hier bleiben? Ich will dich auch nicht hier alleine lassen."
"Wenn es nur darum geht, dass ich hier alleine sein könnte und unsere Rückreise jeden Tag näher rückt, dann sag ihm zu", meinte er entschieden. "Nutze die Chance. Soweit ich weiß, kannst du seine Eltern in unserer Zeit nicht mehr kennenlernen. Ich selbst wünschte, meine Eltern könnten Ginny kennenlernen und mich als ihren Sohn, sehen, was aus mir geworden ist und was für ein wunderbares Mädchen mir ihre Liebe geschenkt hat."
Harry's Worte klangen in ihrem Kopf nach. Eigentlich war er kein so gefühlsduseliger Mensch. Normalerweise behielt er solche Gedanken für sich.
"Du hast die Möglichkeit, ich nicht. Also sei glücklich darüber, nimm dir das Glück und fordere es für dich ein", sagte er und lächelte.
Hermine nickte, vermutlich hatte er recht. Sie war ihr ganzes Leben lang nicht egoistisch gewesen, hatte immer nur getan, was für alle anderen das Beste war, jetzt sollte sie einmal das tun, was sie wollte. Vor allem wenn sie daran dachte, dass nach ihrer Rückkehr vielleicht alles anders sein könnte. Vielleicht alterte sie um zwanzig Jahre und wurde um diese Lebenszeit betrogen. Sollte sie dann nicht jetzt möglichst leben und alles tun, was sie später nicht mehr tun konnte. Und vielleicht blieb sie auch jung, während Severus alterte, zwanzig Jahre ohne sie verbrachte und sie vielleicht vergaß oder danach gar nicht mehr wollte. Verbittert und zynisch wurde, der Mann wurde, den sie als elfjährige kennengelernt hatte. Vielleicht war das dann ihre einzige Chance und ihre einzige Möglichkeit zusammen zu sein. Wie sie so darüber nachdachte, dass sie vielleicht zwanzig Jahre verlieren würde, überlegte sie welch hoher Preis das sein würde. Aber er schien es ihr wert zu sein. Die Zeit mit Severus, Harrys Zeit mit seinen Eltern und die Möglichkeit ihre Freunde zu retten, war diesen Preis allemal wert.
"Dann werde ich ihm morgen zusagen. Danke, Harry."

Harry sah Hermine lächelnd an. Er freute sich, dass diese Zeit ihr so viel Lebensfreude zurückgegeben hatte. Sie hatte in den letzten Monaten, als sie auf der Suche nach den Horkruxen waren, stark abgenommen, die Erschöpfung war ihr anzusehen gewesen. Sie hatte so lange gekämpft und sie alle zusammengehalten, hatte sich tagtäglich seine und Rons Nörgeleien angehört und sie wieder aufgebaut, wenn sie dabei waren die Hoffnung zu verlieren. Sie hatte nie aufgegeben, sich nie erlaubt die Hoffnung aufzugeben oder gar zu zweifeln, so wie er und Ron es manchmal getan hatten. Sie war ihr Anker gewesen, ihr Steuermann, der sie auf Kurs hielt, dafür sorgte, dass es ihnen körperlich und emotional so gut wie nur möglich ging. Sie hatte dafür ihre eigenen Bedürfnisse immer wieder zurück gestellt. Dann war die Schlacht gekommen und sie beide hatten so viele ihrer Freunde sterben sehen, hatten an dem Tag viel zu viel Leid erfahren, für ein einzelnes Leben. Sie hatten zwar gesiegt, aber zu welchem Preis? So viele Leben waren an dem Tag zerstört worden, alle hatten jemanden verloren, den sie aus ganzem Herzen liebten. Sie alle hatten ein Stück der kindlichen Leichtigkeit, Hoffnung und Zuversicht verloren, die sie sich versucht hatten zu bewahren. Hermine hatte das alles härter mitgenommen, als sie es gezeigt hatte. Bis heute konnte er noch ihre Schreie unten in dem feuchten und kalten Verließ in Malfoy Manor hören, als Bellatrix ihr mit diesem verfluchten Messer das Wort "Schlammblut" in den Arm ritze. Eine weitere Narbe, die sie für immer tragen würde, nicht nur auf der Haut, sondern auch auf der Seele. Seiner Erfahrung nach, waren die seelischen Narben sehr viel schmerzhafter als die Körperlichen, sie verheilten nie ganz, verblassten zwar mit der Zeit, aber sie wären für immer da. Brennend und schmerzhaft.
Severus hatte ihr so viel von dem zurückgegeben, was sie verloren hatte. Im Gegenzug hatte aber auch sie ihm so viel gegeben, auch er wirkte auf ihn völlig verändert. So anders als der zynische Professor, den er einst kannte, der sterben würde, um sie alle zu retten. Auch sein Schicksal war kein leichtes, aber Hermine könnte das bisschen Liebe und Zuversicht sein, was es brauchte, was er brauchte, um nicht aufzugeben.
Wie würde es sein, wenn sie erst wieder zurück wären? Er wünschte Hermine von ganzem Herzen, dass für sie alles gut werden würde. Dass Snape auch in zwanzig Jahren noch da war und auf sie wartete, dass er die guten Erinnerungen an die Zeit mit ihr bewahrt hatte. Dass sie eine weitere Chance auf ein gemeinsames Leben bekämen, so seltsam das auch wäre, immerhin ging es hier um Severus Snape und seine beste Freundin. Aber auch für sich ersehnte er sich das, dass Ginny ihn mit offenen Armen empfangen würde, dass sie verstand, warum er sich vor dem Krieg von ihr getrennt hatte und auch für Ron wünschte er sich das, ein Leben voll von Freude, Lachen und Liebe. Und jeder Tag hier war ein weiterer Schritt auf dem Weg dorthin.

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