12. So fern

Die Tränen rannen bereits brennend heiß über ihre Wangen, als Hermine durch die Korridore lief. Sie war aufgewühlt und ihr Herz schlug ihr noch immer bis zum Hals. Niemand sollte sie jetzt sehen, noch wollte sie jetzt mit irgendjemandem sprechen, also lief sie schnurstracks in den zweiten Stock, in die Toilette wo sich der Eingang zur Kammer des Schreckens befand und in die sich, wegen Myrte, auch in dieser Zeit schon selten jemand verirrte. Heute blieb sie allerdings von der Anwesenheit des Geistes mit der hohen kreischenden Stimme verschont.
Sie knallte die Tür der letzten Kabine hinter sich zu, ließ ihre Sachen einfach auf den Boden fallen und sank auf den Toilettendeckel. Die Ellenbogen auf den Knien und das Gesicht in den Händen saß sie da und weinte einfach stumm vor sich hin, wurde nur von einzelnen Schluchzern geschüttelt.
Wie hatte sie das zulassen können? Warum hatte sie ihn geküsst?
Du dummes, dummes Mädchen, beschimpfte sie sich Gedanken selbst.
Sie hatte das Gefühl, ihr Herz würde ihr zerbrechen.
Du wolltest dich von ihm fern halten, du wolltest ihm sagen, dass die Freundschaft zuende war. Wie konntest du nur?!
Der Kuss hatte sie so aus der Bahn geworfen, hatte sie vergessen lassen, was richtig war und jetzt hatte sie den Salat. Sie verurteilte sich dafür, so für ihn zu empfinden und zugelassen zu haben, dass auch er Gefühle für sie entwickelte.
Er hatte tatsächlich auch Gefühle für sie, diese Erkenntnis traf sie wie ein Vorschlaghammer. Natürlich musste er das, sonst hätte er sie nicht geküsst, das war ihr bis eben noch gar nicht in den Sinn gekommen, sie hatte nur über ihre eigenen verwirrenden Gefühle für ihn nachgedacht und dass sie das nie hätte zulassen dürfen.
Sie war so überzeugt davon gewesen, dass er immer nur Lily liebte, dass die Möglichkeit für sie gar nicht da war. Aber Harry hatte es bereits von Anfang an geahnt, auch wenn seine Warnung damals eigentlich überspitzt gewesen war.
Was habe ich nur getan? Er darf mich nicht auf diese Art mögen!
Sie zog undamenhaft die Nase hoch und wischte sich mit dem Ärmel ihrer Strickjacke über die verweinten Augen, aber der Tränenstrom war noch lange nicht versiegt.
Eigentlich war sie überglücklich, dass der Junge, für den sie diese Gefühle hatte, sie auch mochte, aber nicht so, nicht in dieser Zeit.
Er wird mein Lehrer sein, er muss doch irgendwann geahnt haben, wer ich bin. Vielleicht mochte er mich auch deswegen nie.
Merlin, er muss fuchsteufelswild gewesen sein, als er die Verbindung erkannt hat.
Wie dämlich konnte sie auch sein, sich ausgerechnet in Severus Snape zu verlieben? Hätte es nicht einfach Remus sein können, das wäre ungefährlicher gewesen. Was musste er wohl jetzt von ihr denken? Er küsste sie, dann küsste sie ihn, dann stieß sie ihn von sich und rannte weg. Ganz toll, Hermine!

Noch einige Zeit saß sie da und weinte, weinte um die beraubte Chance, eine Beziehung zu Severus aufbauen zu können, weil dies nun einmal so nicht vorgesehen war. Weil er nie erfahren würde, warum sie gehen würde, weil er sich umso mehr verraten fühlen würde, wenn sie dann dreizehn Jahre Später als elf-Jährige Besserwisserin in seinem Unterricht saß und weil sie jetzt eigentlich nicht mehr gehen wollte. Weil sie so gerne wissen wollte, welche Zukunft sie vielleicht mit ihm hätte haben können, wären da nicht die zwanzig Jahre, die zwischen ihnen standen und wäre ihr Schicksal nur ein anderes.
Und wenn wir uns doch geirrt haben, habe ich jetzt vielleicht alles kaputt gemacht. Jetzt werde ich ihn nur noch mehr verletzen, wenn ich mich von ihm distanziere.. und mich auch. Aber es gibt keinen anderen Weg.

*

"Wo warst du den ganzen Nachmittag, Kätzchen?", fragte Sirius als sie Stunden später wieder in den Gemeinschaftsraum kam. Niemandem schien aufzufallen, dass sie geweint hatte, keinem, bis auf Harry. Sie konnte es in dem Blick sehen, den er ihr zuwarf, es lag Sorge darin.
"Nenn mich nicht Kätzchen", protestierte sie nur halbherzig.
"Aber du bist genau das. Zumeist zahm, aber du kannst auch die Krallen ausfahren", rechtfertigte Sirius seinen Spitznamen.
"Pass mal auf, dass ich dich damit nicht erwische, wenn du mich weiter so nennst", meinte sie müde.
"Darauf lasse ich es ankommen."
"Ist alles okay?", fragte Remus, der bemerkte, dass sie bei der Meinungsverschiedenheit mit Sirius nicht ganz bei der Sache zu sein schien. Normalerweise stichelten die beiden so lange, bis einer aufgab, was natürlich vor allem scherzhaft war, aber so abwesend qie jetzt hatte er sie noch nie erlebt.
"Nur müde", meinte sie träge und rieb sich die noch leicht geschwollenen Augen.
"Euren Schlafsaal würde ich trotzdem lieber meiden, James und Lily sind da oben", informierte Sirius sie zwinkernd.
"Wie, zum Merlin, ist er da bitte reingekommen? Die Treppen erkennen doch die Intentionen."
"Glaub mir, das wüssten wir auch gerne", sagte Remus lachend und schüttelte den Kopf.
"Wo ist Peter?", fragte sie und ließ sich neben Remus aufs Sofa fallen, immerhin konnte sie sich so nicht mehr einfach im Schlafsaal verkriechen. Zudem wollte sie Lily und James ihre gemeinsame Zeit geben, denn sie war immerhin begrenzt. Und vielleicht lenkte sie diese Konversation auch genügend von ihrem eigenen Drama und Gefühlschaos ab.
"Keine Ahnung, in letzter Zeit ist er ständig einfach weg", meldete sich nun auch Harry zu Wort, aber er sah nicht aus, als würde ihn diese Tatsache übermäßig stören. Das konnte sie ihm, weiß Gott, nicht verdenken.
"Ja, ist echt komisch und er sagt uns auch nie wo er war", warf Remus ein.
"Naja, er sagt es uns schon, aber wir wissen, dass es gelogen ist", verbesserte Sirius. "Niemand schreibt so viele Briefe an seine Mutter. Außerdem war ich letztens in der Eulerei, während er angeblich auch da war."
"Vielleicht hat er eine Freundin", schlug Harry halbherzig eine Lösung vor.
"Peter? Das glaubst du doch wohl selber nicht", spottete Sirius wieder und konnte sich nur schwer ein Lachen verkneifen.
"Jedenfalls", meinte Remus und fischte eine Tafel Schokolade aus seiner Tasche, "wäre es eine Erklärung."
"Ich bin mir nicht mal sicher, ob er überhaupt auf Mädchen steht", setzte Sirius wieder an.
"Wäre es denn so schlimm wenn nicht?", fuhr Hermine ihm scharf dazwischen.
"Nein, keinesfalls, Liebe ist Liebe. War nur so eine Vermutung."
Glück gehabt, Black, dachte sie und lächelte emtschuldigend. So wenig sie auch Peter verteidigen wollte, gab es einige Dinge, die sie einfach nicht tolerieren konnte. Sie hasste es, wenn Menschen aufgrund von Blutstatus, Religion, Geschlecht, oder sonst was, auf einmal in mancher Leute Augen, weniger wert waren. Wenn man selbst oft genug zu diesen Menschen gehört hatte, die als minderwertig angesehen wurden, entwickelte man wohl irgendwann automatisch eine starke Art Abwehrmechanismus.
"Teilst du?", fragte Hermine hoffnungsvoll an Remus gewandt und deutete auf die Schokolade.
"Mit dir immer", meinte dieser lächelnd und reichte ihr das Päckchen. Zucker und insbesondere Schokolade, machte nun mal glücklich und alles etwas leichter, das hatte sie in ihrem dritten Jahr von Remus gelernt und scheinbar war das schon jetzt seine Philosophie.
"Also wo warst du?", fragte Sirius Hermine wieder.
"Bibliothek", gab sie schlicht zurück, brach ein Stück von der Tafel Zartbitterschokolade ab und schob es sich in den Mund. Sirius nickte, hätte er sich auch selbst denken können.
"Dann wäre immerhin ein Aufenthaltsort geklärt", warf Remus lachend ein und die Diskussion über Peter fing erneut an.
Hermine überlegte, ob Peters Verschwinden bereits jetzt schon etwas mit dem Verrat an Lily und James in vier Jahren zu tun haben könnte. Harry schien, aufgrund seines Gesichtsausdrucks, den gleichen Gedanken zu haben.
"Ich verstehe es nicht, wir sind Freunde, er kann uns doch alles sagen. Wir würden ihn nie für irgendwas verurteilen", flüsterte Sirius.
Ach, tatsächlich? Warte mal vier Jahre ab, dachte Hermine und erschrak über ihre morbiden Gedanken.

Eine Dreiviertelstunde später kamen Lily und James die Treppe herunter, beide mit einem verklärten Grinsen im Gesicht und gesellten sich wieder zu ihren Freunden. Auch James fielen einige wilde Theorien über Peters Lügen ein, die Lily jeweils mit einem Kopfschütteln und Augenverdrehen quittierte.
Hermine war unterdessen wieder in ihren eigenen Gedanken versunken und hörte nur noch mit einem halben Ohr zu. Sie hatte den Arm auf der Sofalehne abgestützt und den Kopf in der Hand. Ihr graute es jetzt schon davor, Harry zu erzählen, was geschehen war und sie wünschte, es würde ihr erspart bleiben. Aber Harry musste es wissen. Immerhin konnte es sein, dass sie jetzt alles zerstört hatte. Oder konnten selbst so extrem veränderte Ereignisse trotzdem noch zum selben Ergebnis führen? Oder würde es nur deswegen wieder so kommen, weil sie jetzt entschied ihn zu meiden? Sie hatte ommer an die Konsistenztheorie geglaubt, aber jetzt kamen ihr Zweifel.
Sie bemerkte gar nicht, wie James im Schlafsaal verschwand und wurde erst wieder darauf aufmerksam, als er sein mitgebrachtes Objekt hervor zog.
"Was habt ihr denn jetzt vor?", fragte sie perplex und sah den Unsichtbarkeitsumhang argwöhnisch an.
"Ich suche jetzt nach Peter", verkündete er, "Diese ganze Lügerei ist doch scheiße."
"Ich bin dabei", meldete sich Sirius sofort zu Wort. "Moony, Harry, seid ihr auch dabei?"
"Macht das mal schön alleine", wehrte Remus ab. "Ich bin nicht besonders scharf darauf, dass du mir wieder ständig auf den Fuß trittst, Tatze."
"Ich bleibe auch lieber hier", meinte Harry zustimmend.
"Da ihr uns nicht mal gefragt habt, brauche ich mir ja keine Ausrede einfallen lassen um die Schulregeln nicht brechen zu wollen", scherzte Lily."Lasst euch nicht erwischen."
"Machen wir doch nie", gab James überheblich zurück, gab ihr noch einen Kuss und warf den Umhang über sich und Sirius.
Das Portrait schwang auf und wieder zu und Lily seufzte.
"Ich geh schon mal hoch", teilte sie den anderen mit und wünschte eine gute Nacht.
"Da schließe ich mich an", auch Remus erhob sich, "Gute Nacht."

Als die beiden verschwunden waren stand Harry auf und setzte sich neben Hermine. Sofort bettete sie den Kopf an seiner Schulter.
"Was ist los, Mine?", fragte er und legte einen Arm um sie.
"Ich hab echt Mist gebaut", flüsterte sie.
"Wow, kann mich nicht erinnern diesen Satz jemals aus deinem Mund gehört zu haben", merkte er an. "Was ist passiert?"
"Ich hab Severus geküsst", flüsterte sie so leise, dass Harry schon dachte er hätte sich verhört.
"Witzig, ich dachte gerade du hättest gesagt du hättest Snape geküsst", sagte er nervös lachend und hoffte er hätte sich wirklich verhört.
"Du hast dich nicht verhört. Naja, genau genommen hat er mich zuerst geküsst", meinte sie schuldbewusst.
"Das kann nicht dein Ernst sein, Mine. Weißt du was das bedeutet?", stieß er geschockt aus.
"Ja, dass ich vielleicht alles versaut habe", gab sie zu.
"Oh man", stöhnte Harry, "Das ist übel." Eine Weile schwiegen sie, dachten über die potentiellen Konsequenzen nach.
"Wie war's denn?", fragte Harry irgendwann. Trotz allen Schocks und der möglichen Folgen, war er neugierig.
"Es war einfach perfekt", flüsterte Hermine und wieder kamen ihr die Tränen. Harry war der Schmerz in ihrer Stimme nicht entgangen und er zog sie näher an sich.
"Es tut mir so leid", schluchzte sie, aber Harry schüttelte den Kopf.
"Nein, mir tut es leid. Ich hab uns hierher gebracht", meinte er bestimmt. "Es wundert mich nicht, dass ihr euch näher gekommen seid. Was glaubst du, warum ich immer dagegen war?"
"Aber er hat mich geküsst und nicht dich, es ist meine Schuld. Und auch dass wir hier sind, ist nicht allein deine Schuld."
"Wie meinst du das?", fragte er verwirrt.
"Ich habe es dir nicht erzählt, aber der Zeitumkehrer, der uns her brachte, war manipuliert. Ein ähnlicher Zauber, der auch auf dem Spiegel Nerhegeb liegt. Er bringt den Zeitreisenden in die Zeit seiner Wünsche", erklärte sie. "Du hast dir unterbewusst gewünscht, du könntest deine Eltern auch retten oder sie wenigstens kennenlernen. Ich wünschte mir, nachdem ich die Erinnerungen gesehen habe, dass Snape ein schöneres Leben hätte haben können, weil er das nach allem, was er für uns alle getan hat, verdient hatte. Scheinbar ist diese Zeit hier der Punkt, an dem sich unsere Wünsche überschnitten haben."
"Gott, Mine, wie konntest du mir das verschweigen?", fragte er mit einer Spur der Anklage in der Stimme.
"Ich hab mich geschämt", gab sie zögernd zu.
"Wofür?", hakte er nach, "Dafür empathisch zu sein und Mitleid mit Snape zu haben? Ich verstehe das, wirklich. Das ist doch kein Grund mir das zu verheimlichen."
"Danke", sagte sie ehrlich erleichtert. "Und du hast Recht, ich hätte es dir sofort sagen sollen. Aber was machen wir jetzt?"
"Keine Ahnung. Liebst du ihn?", fragte er und sah auf sie herab.
"Liebe ist vielleicht etwas übertrieben", meinte sie. "Ich kenne ihn ja erst kurz. Aber ich fühle etwas für ihn, das kann ich nicht leugnen. Aber es ist falsch, ich darf das nicht mehr zulassen. Er muss deine Mutter lieben, sonst könnte das alles ändern."
Harry nickte nachdenklich. Er wusste wie sehr es Hermine verletzte das zu sagen. Nicht ohne Grund hatte er von Anfang an bedenken, was ihre Freundschaft anging. Snape war intelligent, zielstrebig und geheimnisvoll, alles was Hermine reizte und für sie anziehend war und sie war ihm in gewisser Weise sehr ähnlich. Er bedauerte es, dass sie verletzt würde, weil sie sich von ihm fernhalten musste und weil sie auch irgendwann wieder gehen müsste und auch, weil er eigentlich eine andere lieben müsste.
Aber meinte Dumbledore nicht, dass es egal wäre, was sie hier taten? Dass eh alles schon passiert war und das Ergebnis sowieso immer dasselbe sein würde. Würde das dann nicht bedeuten, dass es egal war, ob sie sich geküsst hatten oder nicht?

"Was wirst du tun?", fragte er sie nach einiger Zeit des Schweigens.
"So schwer es auch sein wird, ich werde mich von ihm fernhalten und es schmerzt mich zu wissen, dass ich auch ihn damit verletze. Ich.. Ich mag ihn wirklich sehr, Harry."
"Was ist, wenn du das nicht machst?", warf er eine andere Theorie in den Raum. "Wenn eh alles feststeht, dann verbring Zeit mit ihm. Es wird nichts ändern."
"Doch, wird es. Es wird mich verändern und ihn. Es wird nur noch schwerer werden zu gehen und du weißt nicht, ob es wirklich keinen Unterschied macht. Langsam bin ich mir einfach nicht mehr sicher."
"Aber du hast dir doch genau das für ihn gewünscht: Liebe, Freundschaft und Lebensfreude. Du kannst ihm das geben, meine Mum wird das nicht, wie du weißt", meinte er überlegend. "Wir haben uns verschiedene Dinge gewünscht, von denen nicht viel in unserer Hand liegt. Aber das hier schon und du willst das doch, mit ihm Zeit verbringen, ihm nahe sein und ihn kennenlernen, oder nicht?"
"Warst du nicht eben noch dagegen?", fragte sie verwirrt.
"Naja, vielleicht, aber ich bin vor allem dagegen, dass du dich selbst quälst. Mal ganz abgesehen von den Ereignissen, die uns hierher gebracht haben, ich denke, wir sind nicht ohne Grund hier. Vielleicht war das tatsächlich Schicksal. Ich glaube wir sollten anfangen Vertrauen in unsere Erkenntnisse zu haben. Die Zeit ist damit konsistent und alles bereits passiert, Punkt.."
"Selbst wenn das so ist, das macht es weder besser noch einfacher", meinte sie seufzend. "Ich kann das nicht, Harry, mich weiter in ihn verlieben, mit ihm zusammen sein und dann einfach gehen."
Sie schüttelte den Kopf. "Ich kann es einfach nicht..", flüsterte sie. "Verletzen werde ich ihn so oder so, aber dann tue ich es lieber jetzt, bevor das alles noch weiter geht."
"Es ist natürlich deine Entscheidung und ich weiß, dass es nicht deine Art ist, aber hier musst du glaube ich mit dem Herzen und nicht mit deinem brillanten Verstand entscheiden", riet er ihr noch und schwieg dann, hielt sie nur im Arm und gab ihr Halt und ein wenig Geborgenheit.
Es hätte einfach niemals so weit kommen dürfen und wir hätten niemals hierher kommen dürfen, dachte Hermine.
Harry hingegen überlegte, ob es sowas wie Schicksal vielleicht doch gab und ob es ihnen dann vielleicht vorherbestimmt war, dass sie hier waren und dass die beiden sich verliebten.

*

Das nächste Mal sah sie Snape am nächsten Morgen vor dem Klassenraum für Verteidigung. Es war der vorletzte Tag vor den Weihnachtsferien, zu denen die meisten Schüler für eine Woche nach Hause fahren würden. Die Anwesenheit der Rumtreiber ignorierend, kam Snape sofort auf Hermine zu, griff ihre Hände und zog sie ein paar Schritte von ihren Freunden weg.
"Hermine, können wir bitte nochmal über gestern reden?", fragte er sie leise und sah sie bittend an.
"Es gibt nichts zu reden, das war ein Fehler und bitte vergiss einfach, dass es passiert ist", flüsterte sie und alles in ihrem Inneren sträubte sich gegen die Worte, die da aus ihrem Mund kamen.
"Vergessen? Wie sollte ich das bitte vergessen können?", fragte er sie Anklagend. Dieser Kuss hatte ihm alles bedeutet. Noch nie hatte er etwas Vergleichbaren gefühlt, wie bei diesem Kuss und sie verlangte nun von ihm es zu vergessen? Unglaube machte sich in ihm breit.
"Versuch es einfach und halt dich lieber von mir fern. Ich bin nicht gut für dich, Severus, es tut mir leid", bat sie und entwand ihm ihre Hände. Dieser Körperkontakt war nicht gerade hilfreich dabei, bei ihrem Entschluss zu bleiben. Am liebsten hätte sie ihn erneut geküsst, sich an ihn gelehnt und seine Wärme gespürt, seinen Geruch aufgesogen und einfach alles um sich herum vergessen, genau wie beim letzten Mal.
"Hermine bitte, lass es jetzt nicht so enden, ich.. ", setzte er erneut an und wollte wieder nach ihren Händen greifen, als Sirius ihm in den Weg trat.
"Ich meine gehört zu haben, dass du dich von ihr fern halten sollst, Schniefelus! Scheinbar ist unser Kätzchen doch noch zur Vernunft gekommen." Er legte einen Arm um ihre Schultern und Hermine verdrehte die Augen. Sie hasste es, wenn Sirius das tat, weil es zumeist nicht freundschaftlich war, sondern fast besitzergreifend, immer mit einem Hintergedanken, diesmal mit dem, Severus zu ärgern.
"Was geht dich das an, Black?", fuhr er den Schwarzhaarigen Gryffindor nun an.
"Nun, im Gegensatz zu dir, will sie von mir nicht, dass ich mich fernhalte", stichelte er und beide funkelten sich wütend an. Hermine schüttelte indessen seinen Arm ab, was Severus mit Genugtuung zur Kenntnis nahm.
"Aber deine Nähe scheint ihr ja aber auch nicht so übermäßig zu behagen, wie du glaubst", setzte Severus nach und wurde langsam wütend.
Angestachelt von Severus Provokation trat Sirius nun einen Schritt vor und schubste Severus zurück. Hermine wäre am liebsten direkt dazwischen gegangen, aber das würde zu offen zeigen, wie wichtig er ihr war, oder? Dann würde er nur noch mehr versuchen, sie umzustimmen und das könnte sie auf Dauer nicht ertragen, sicher würde sie dann irgendwann doch nachgeben. Also stand sie da und tat nichts, während die beiden sich eine Gemeinheit nach der anderen an den Kopf warfen und sich immer wieder zurück schubsten und es schmerzte sie.
"Du hättest von Anfang an auf uns hören sollen, Schniefelus. Ich finde raus was du getan hast und dann reiße ich dir den Arsch auf!", drohte Sirius gerade wieder und holte zu einem weiteren Rempler aus, als etwas geschah, was Hermine nicht hatte kommen sehen. Plötzlich stand Lily neben ihr und hielt Sirius zurück.
"Vielleicht solltest du dich nicht in anderer Leute Angelegenheiten einmischen, Sirius", meinte Lily und zog ihn weg von Severus, bevor es wieder eskalieren würde.
"Aber..", wollte der protestieren, aber Lily brachte ihn mit einem ihrer Todesblicke zum Schweigen. "Das ist nicht deine Sache, was da zwischen ihnen ist!"
Den Blick hat sie echt perfekt drauf, das muss man ihr lassen, dachte Hermine noch, bevor sie sich wieder an Severus wandte.
"Bitte Severus, akzeptiere es, ich kann nicht weiter mit dir befreundet sein. Ich kann dir das jetzt nicht erklären, aber irgendwann wirst du es verstehen."
"Ich bin mir sicher, dass ich das niemals verstehen werde", meinte er und wandte sich traurig ab. Er wusste, dass es keinen Sinn hatte, jetzt noch weiter auf einer Erklärung zu beharren, nicht wenn Black und Potter sie beobachteten. Außerdem war ihm nicht entgangen, dass sie diesmal nichts getan hatte, um Black zu stoppen.
Hermine fühlte sich elend, als hätte sie einen Knoten in ihren Eingeweiden und als wöge ihr Herz eine Tonne. Es tat ihr weh, ihn so verletzt zu sehen. Aber es war besser so, da war sie sich sicher und sie hoffte, wenn sie sich das nur oft genug sagte, dass sie es irgendwann selbst glauben würde und es nicht mehr so weh tun würde.
Reiß dich zusammen, Granger!, mahnte sie sich selbst, du kennst ihn seit vier Monaten, tu nicht so, als wäre das der Weltuntergang.
Natürlich war es nicht der Weltuntergang, aber es fühlte sich so an, als wäre etwas in ihr zerbrochen.
Das ist doch echt bescheuert, das hätte eh nie funktioniert, versuchte sie sich wieder zur Ordnung zu rufen.

Die Tür öffnete sich und lenkte sie von ihren Gefühlen ab. Professor Hawthorne verkündete, nachdem alle auf ihren Plätzen waren, dass sie heute an den Inhalt von Flitwicks theoretischer Zauberkunst Stunde anknüpfen würde, was bedeutete, dass es um stablose Magie ging. Soweit Hermine wusste, stand das zu ihrer Zeit nicht im Lehrplan, allein schon deswegen war sie sofort Feuer und Flamme.
Unglücklicherweise saß Hermine immer noch neben Snape, was es schwierig gestaltete, sich von ihm fernzuhalten und auch für Zaubertränke sah sie schwarz. Slughorn würde sich nie auf einen Partnerwechsel einlassen. Warum hatte sie auch damals unbedingt mit ihm befreundet sein wollen, das hatte den ganzen Schlamassel ja erst verursacht. Aber wer konnte schon ahnen, dass sie beide solche Gefühle entwickeln würden, dass sie einander mehr bedeuten könnten als Freunde.
Zu ihrem Glück mussten sie diese Stunde immerhin keine Partnerarbeit machen.

"Welche Vorteile bietet die stablose Magie uns in der Verteidigung und wo liegen ihre Grenzen?", fragte die Professorin und lenkte ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Unterricht.
Sofort schossen ihre und Snapes Hand in die Höhe. Aus dem Augenwinkel sah sie, dass auch Remus und eine weitere Slytherin die Hand erhoben hatten.
"Die stablose Magie erlaubt es uns, auch nach der Entwaffnung durch den Gegner, noch eingeschränkt handlungsfähig zu sein", erklärte Remus, nachdem sie ihn aufgerufen hatte.
"Sehr gut, Mister Lupin, fünf Punkte für Sie", erwiderte sie. "Wie sieht diese Handlungsfähigkeit womöglich aus?"
Diesmal rief sie Severus auf.
"Aufrufezauber und einfache Verteidigungs- und Tarnzauber lassen sich mit viel Konzentration und Übung auch stablos ausführen, man muss die Fähigkeit die man als Kleinkind hatte, die Magie durch den Körper fließen zu lassen, wieder erlernen. Nicht jeder Zauberer ist dazu in der Lage, aber wenn man es beherrscht, wäre man also in der Lage, sich den Zauberstab in einem Duell zurückzuholen, sich zu tarnen und zu fliehen oder für kurze Zeit angriffen auszuweichen", erläuterte er. "Allerdings lassen sich Flüche und Angriffe nicht stablos ausführen."
"Sehr gut, auch für Sie fünf Punkte."
Den Rest der Stunde ließ sie die Schüler versuchen, durch reine Willenskraft die Magie durch die Hände fließen zu lassen und dann eine Feder stablos schweben zu lassen.
Am Ende der Stunde hatten dies nur Remus, Severus und Hermine geschafft, allerdings auch nicht mit herausragendem Erfolg. Sie schafften es immer nur, die Feder einige Zentimeter in die Höhe zu befördern, bevor sie danach sofort wieder auf den Tisch zurück sank. Dennoch wurde ihre Leistung wieder mit Hauspunkten belohnt.
Normalerweise würde dadurch ihre Brust anschwellen vor Stolz, aber nicht heute. Heute fühlte sie sich einfach nur elend.

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