6 - Nur du und ich

[Louis]

Es fühlte sich unwirklich an in seinen Armen zu liegen, doch gleichzeitig so, als wäre es niemals anders gewesen.
"Ich glaube es nicht, dass du hier bist..." flüsterte ich und er fuhr mir durch die Haare. "Nachdem ich dich gesehen habe und nach den Nachrichten von dir, hätte ich dich überall gesucht auf der Welt, so lange bis ich dich gefunden hätte."
Ich sah ihn an und unsere Blicke trafen sich.
Er weinte, genau wie ich. Mein Herz setzte aus, ich schüttelte den Kopf, konnte das nicht mit ansehen. „Ich hab mir Sorgen gemacht..." Harry legte eine Hand an meine Wange und er sah mich prüfend an. "Wann hast du das letzte Mal gegessen?" lenkte er ab.
Ich zuckte mit den Schultern. "Vorgestern glaube ich."
"Lou" hauchte er erschrocken und stand auf, hielt mir die Hand hin. "Komm. Lottie hat sicher was für dich."

Ich sah ihn zunächst unsicher an, ich wollte nicht aufstehen. Sein Blick wurde sanft. "Bitte?"
„Ich kann nicht..." flüsterte ich.
„Ich helfe dir, Lou. Na komm." Seine Stimme fühlte sich wie Balsam an und es reichte aus. Etwas wackelig stand ich schließlich auf, ignorierte den Schwindel, ich wusste, dass er recht hatte. Ich musste dringend etwas zu mir nehmen.
Er legte sofort den Arm um mich und führte mich nach unten, ich traute mich kaum ihn anzusehen, doch ich vertraute ihm genug, um mich von ihm führen zu lassen.

Als wir die Küche betraten, sah Lottie uns an und seufzte erleichtert auf, ehe sie aufstand. Ich sah sie an und lächelte leicht, dann roch ich den altbekannten Geruch und mir wurde warm ums Herz.
"Lasagne?"
"Was denn sonst?" fragte sie und zwinkerte mir zu, ehe sie Teller auf den Tisch stellte.
Dann lief sie auf uns zu und zog Harry in eine Umarmung. Ich hörte ihr leises "Danke" und sah, wie er sie fest drückte, ehe sie sich wieder löste und weiter den Tisch deckte.

Ich hörte ein Quietschen und drehte umgehend den Kopf in Richtung Wohnzimmer, wo Lewis gerade mit Grace hinein kam. Automatisch wechselte mein Hirn in den üblichen Modus. Ich lief sofort auf die beiden zu und ging zu ihm, nahm sie in meine Arme und küsste ihre Wange. "Hey, Engelchen." flüsterte ich und sie patschte mit ihren Händen durch mein Gesicht und strahlte mich an.
Ich presste die Lippen zusammen und sah sie lächelnd an, schniefte leise und strich ihr sanft über den Kopf. "Ich hab dich vermisst" flüsterte ich und drehte mich mit ihr zurück in Richtung Küche, wo Harry stand und uns beobachtete.
Ich sah ihn ein wenig fragend an. "Möchtest du Hallo sagen?" fragte ich ihn unsicher. Ich wusste nicht, ob er Interesse daran hatte, meine Tochter kennenzulernen, doch sie gehörte zu mir, weshalb ich hoffte, dass er es nicht ablehnen würde.

Er nickte jedoch sofort und lächelte, also ging ich auf ihn zu.
"Das ist Grace Johanna." sagte ich leise und er warf mir einen Blick zu, ehe er Gracey anstrahlte. "Gracey, das ist Harry." sagte ich in einer höheren Oktave und die Kleine sah Harry schüchtern an und musterte ihn.
Er schmunzelte. "Hallo kleine Grace." sagte er leise und sanft.
Meine Tochter schien sich nicht ganz sicher zu sein, was sie von ihm halten sollte, quietschte dann auf und versteckte ihren Kopf in meiner Halsbeuge.
Ich musste leise lachen und sah Harry an, zuckte mit den Schultern. "Lief nicht schlecht für's erste Mal."
Er nickte. "Das wird schon mit der Zeit."
In meinem Magen entwickelte sich ein flaues, wunderbares Gefühl. Hatte ich ihn richtig verstanden, oder spielte mein Kopf mir Streiche?

"Lasst uns etwas essen!" sagte Lottie und unterbrach so meine Gedanken, ich setzte mich an den Tisch, ließ Grace auf meinem Schoß.
Harry setzte sich neben mich, Lottie und Lewis nahmen uns gegenüber Platz und Lottie gab allen etwas von dem lecker duftenden Gericht auf den Teller.
Mein Magen machte ein lautes Geräusch, als ich das Essen sah, und Lottie gab mir noch etwas mehr auf den Teller, als sie es hörte.
"Danke." sagte ich zu ihr und wir begannen zu essen.

"Wie machst du das nur?" fragte mich Harry irgendwann und ich sah ihn fragend an. "Was meinst du?"
"Das sieht so leicht aus, mit einer Hand essen und die Kleine so auf dem anderen Arm." Er lächelte mich sanft an.
"Oh" sagte ich und zuckte mit den Schultern. "Man gewöhnt sich dran. Jetzt wo sie sitzen kann, ist es deutlich einfacher. Vorher war sie immer in der Babywiege während ich gegessen habe, aber das fand sie gelinde gesagt eher scheiße."

Der Mann neben mir lachte leise und nickte. "Niedlich."
Ich musste tatsächlich lächeln, dann aß ich die Lasagne weiter und am Tisch entstand Schweigen. So lange, bis Grace entschied, dass es ihr zu leise war.
Es begann mit einem leisen, unzufriedenen Quengeln, was ich geflissentlich ignorierte, doch es wurde schnell lauter und dringlicher. Sie krallte sich in mein Shirt und zog daran, fing an zu weinen.
"Also Hunger kann sie nicht haben." sagte Lottie und Lewis nickte. "Und die Windel ist auch frisch." fügte er hinzu.
"Ja, es ist ihr zu langweilig. Müde ist sie sicher auch." sagte ich schmunzelnd und legte die Gabel nach nur wenigen Bissen nieder. "Entschuldigt mich kurz." sagte ich und stand auf, ging mit ihr in das Wohnzimmer nebenan, fing an ein wenig zu schaukeln.

Ich nahm ihre Hand und fing an zu singen, drehte mich ein bisschen mit ihr und konnte beobachten, wie sie mich fasziniert betrachtete und ruhiger wurde, die Tränen versiegten. Ich griff nach dem Schnuller auf dem Wohnzimmertisch, gab ihn ihr und kurz darauf kuschelte sie sich an mich und nuckelte fröhlich, während ihre Augen immer kleiner wurden. Ich sang leise weiter und wiegte mit ihr hin und her, bis ich sicher war, dass sie schlief.

Dann ging ich zurück zum Tisch. "Ich bring sie kurz hoch, okay?" fragte ich in die Runde. „Lou? Essen?" fragte Lottie und zeigte auf meinen noch gefüllten Teller.
„Gleich..." sagte ich nur und bekam diesmal einstimmiges Nicken, ging die Treppen nach oben und legte sie vorsichtig in das Reisebett, schaltete das Babyfon an und hauchte ihr einen Kuss auf die Stirn.
"Wir kriegen das hin, Kleines. Ich krieg das hin. Versprochen." flüsterte ich und betrachtete sie einen Moment, nahm das Gefühl von Stolz in mir auf. Ich liebte sie, das war unumstritten.
Sie wachte nicht wieder auf, weshalb ich wieder nach unten ging in die Küche, wo die drei noch saßen und sich leise unterhielten.
Als die Stimmen verstummten, wusste ich, dass sie über mich geredet hatten.

Ich schluckte leicht und setzte mich neben Harry, der mich sofort ansah.
„Ihr müsst nicht aufhören zu reden." sagte ich zu ihnen und blickte zu Lottie. Sie blickte mich entschuldigend an, ehe sie seufzte.
„Lou, wir müssen reden."
Ich seufzte innerlich, doch ich sah sie weiter an. „Als du gestern angekommen bist, habe ich wirklich Angst bekommen. Ich muss dich das jetzt fragen, Lou..."

Ich unterbrach sie und sah auf meine Hände. „Du willst mich fragen, ob ich mir was antun will." sagte ich schlicht und sah zu Harry, der mich musterte.
„Dachte ich mir, nachdem Harry meine Handgelenke überprüft hat."
Lottie sah mich an und ihre Augen waren mit Tränen gefüllt.
Ich schüttelte den Kopf. „Ich hab doch Grace. Ich will nicht sagen, dass ich nicht daran gedacht habe...doch ich hab ein Kind." erklärte ich leise meine derzeitige Lage.

Harry griff nach meiner Hand und verschränkte unsere Finger miteinander. Ich sah auf die Hände und schluckte.
„Ich war einfach kurz überfordert...In London habe ich keine Hilfe und ständig die Presse, die mich belagert." sagte ich leise, schüttelte den Kopf. „Ich weiß nicht, wie ich weitermachen soll."  fügte ich ratlos hinzu.
„Du kannst zu uns kommen, Lou." warf Lottie ein, ich schüttelte den Kopf.
„Stacey wäre sauer."sagte ich halbherzig, auch wenn es nicht wirklich um sie ging.

„Sauer? Sie würde es doch nicht mal merken, Louis!" rief Lottie nun aufgebracht und ich sah sie an. Ihr Blick war wütend.
„Du musst zu einem Anwalt, Louis. Du kannst sie nicht so weitermachen lassen!"
Ich schüttelte wieder den Kopf und ich merkte, wie es mir zu viel wurde.
„Lottie..."
„Nein, Louis! Sie ist eine beschissene Mutter! Sie darf damit nicht durchkommen! Sie nimmt dich aus wie eine Weihnachtsgans, sie wohnt bei dir, du zahlst für alles, kümmerst dich um alles! Kein Mensch hält das aus!"
Ich spannte mich an und stand auf. „Bitte, Lottie..."
Sie wollte gerade ansetzen zu erwidern, doch Harry stand in diesem Moment auf, nachdem er mich vorab nur beobachtete hatte.
„Lass gut sein, Lottie, bitte." sagte er sanft aber bestimmt, und meine Schwester verstummte.

Ich sah zu ihm und er zeigte auf die Tür zur Terrasse.
„Du und ich nehmen uns jetzt ein Glas Wein und setzen uns raus. Dann erzählst du mir, was auch immer du möchtest und dir auf dem Herzen liegt. Ich werde dir zuhören. Keine Vorwürfe, kein Druck. Nur du und ich, Lou. Erinnerst du dich? Du kannst mir vertrauen."
Unschlüssig sah ich ihn an, doch er ging wie selbstverständlich zum Schrank, nahm zwei Gläser und aus dem Kühlschrank eine Flasche Rosé, dann sah er zu Lottie.
„Sorry."
Sie winkte ab. „Fühl dich wie zuhause."
Er nickte und dann sah er zu mir. „Na komm." sprach er sanft.

Ich blieb stehen und sah ihn unsicher an. Er wartete, lächelte mich liebevoll an, mit diesen wundervollen grünen Augen und es brachte mich sofort dazu, auf ihn zuzugehen. Er würde seine Wirkung auf mich niemals verlieren.
Ich nahm das Babyfon und folgte ihm auf die Terrasse, wo wir uns zu den Sesseln begaben, ich setzte mich  und Harry reichte mir eine Decke, in die ich mich kuschelte, dann öffnete er die Flasche, befüllte die Gläser und reichte mir eines. Er ging wieder in das Haus, kurz darauf kam er mit dem Teller Lasagne wieder zu mir und stellte ihn neben mir auf dem Tisch ab.
Dann setzte er sich selbst und sah mich an. Ein liebevolles Lächeln auf seinen Lippen.

„Wir sind allein, mein Schatz. Erzähl mir alles." sprach er sanft, und einfach so, setzte er mit diesem Satz einen kleinen Teil meines Herzens wieder an den richtigen Platz.

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