4 - Rettungsring
[Louis]
Er kam auf mich zu und ich wurde panisch. Schnell löste ich mich von Nick, wischte mir grob über das Gesicht, während ich zittrig aufstand.
„Was ist los? Ist was passiert?" fragte Harry und wirkte alarmiert, sah mich mit sorgenvollem Blick an, während ich Augenkontakt vermied und hilflos zu Nick sah. Der hielt mich fest, er schien Angst zu haben, dass ich umfallen könnte.
Ich löste mich vorsichtig von ihm, schüttelte den Kopf.
„N-nichts passiert. Alles ist gut." sprach ich leise, während mein Herz ungesund raste und ich das Gefühl hatte, ich würde jeden Moment umfallen.
Ihn so nahe neben mir ließ mich beinahe verrückt werden. Der Raum war beinahe sofort von seinem Duft erfüllt und es weckte Erinnerungen, die mich aufschluchzen ließen, ehe ich mich von ihm abwendete und Nick ansah.
„Wo ist sie mit Grace hin?" fragte ich ihn.
„Ich denke, sie stellt sie grad ihren Eltern vor, alles gut, Lou. Du solltest dich erst einmal beruhigen, okay? Es kann ihr hier nichts passieren. Wir würden niemals zulassen, dass deiner Tochter oder dir irgendwas passiert." Nick war ernst und sah mir in die Augen, ich nickte leicht.
„Lou?" Nun konnte ich nicht anders, als zu ihm zu sehen, als seine Stimme erneut an mein Ohr drang. Ich sah ihn an und er musterte mich, sein Gesichtsausdruck war undefinierbar, doch die Augen drückten pure Sorge aus.
„Es ist alles okay. Ich hab nur...ich brauchte einen kleinen Moment." Ich atmete tief durch, rieb mir über das Gesicht und stellte mich etwas aufrechter hin. „Ich geh meine Tochter holen..." sagte ich und blickte zu Nick.
„Ich hol sie her, warte. Du willst so doch nicht da raus, oder?" fragte Nick mich. Ich schüttelte den Kopf und warf ihm einen dankbaren Blick zu.
Er verließ den Raum.
Und plötzlich wurde mir bewusst, dass ich nun allein mit Harry hier stand. Zittrig trat ich einen Schritt zurück, dann sah ich ihn an. „I-ich...ich warte draußen." murmelte ich und ging an ihm vorbei Richtung Ausgang, als ich spürte, wie seine Hand sich um mein Handgelenk schloss.
Ich zuckte förmlich zusammen und erstarrte. Die Berührung war wie ein elektrischer Schlag, fuhr mir durch den ganzen Körper und mein Herz hörte für eine Sekunde auf zu schlagen. Überfordert stieß ich die Luft aus meinen Lungen und starrte den Boden an.
„Was ist nur passiert, Lou?" hauchte er, auf meiner Haut bildete sich Gänsehaut und ich presste die Lippen aufeinander. Aus meinem Mund kamen keine Worte, ich konnte keinen Satz bilden, geschweige denn irgendeinen Ton.
Harry ließ mich los, stellte sich neben mich und ich spürte seinen Blick wie Brennen auf meiner Haut.
„Mom war bei dir, hat sie mir erzählt..."
Ich schluckte, nickte schwach und blickte weiter auf den Boden, während mein ganzer Körper angespannt war. Harry räusperte sich leise. „Sie macht sich Sorgen um dich. Wie geht's dir, Lou?" fragte er mich, die Stimme war sanft und beinahe automatisch flossen erneut Tränen, die ich nicht zurückhalten konnte. Schnell wischte ich sie weg und drehte den Kopf mehr von ihm weg.
„Es geht mir gut." sagte ich und er wollte gerade etwas erwidern, doch die Tür öffnete sich in diesem Moment und Nick stand mit Grace im Arm vor uns.
Meine Tochter weinte und ich reagierte sofort, ging auf Nick zu und nahm sie ihm ab. Grace griff mit ihren Händchen mein Sakko und sah mich mit tränengefüllten Augen an. Sanft küsste ich ihre Stirn. „Ich bin ja da." flüsterte ich und beruhigte sie. Ich war sofort wieder im üblichen Modus, denn sie war die Hauptperson und ich musste mich zurücknehmen.
„Ich geh zum Hotel, wenn das okay ist. Sie braucht ein wenig Ruhe und wenn ich richtig liege, auch eine neue Windel." sagte ich rau zu Nick und er nickte verständnisvoll und klopfte mir auf die Schulter. „Klar, Bro. Soll ich später vorbeikommen?"
Ich schüttelte den Kopf. „Genieß deinen Tag. Es tut mir leid, dass ich ihn dir versaut habe."
„Lou, das hast du doch..." Ich ließ ihn nicht ausreden und verließ den Raum, immer noch das Brennen seines Blickes auf meinem Rücken, ich musste hier raus.
Ich hielt einen Moment inne, um mich zu orientieren, da hörte ich Harry's Stimme aus dem Salon.
„Was ist mit ihm passiert?" fragte er Nick. Ich blieb stehen und hörte darauf, was er wohl antworten würde.
„Ich weiß nicht, aber ich mach mir unheimlich Sorgen, Harry. Er meldet sich praktisch nie und alles was ich sehe, sind die ständigen Paparazzi Fotos. Es geht ihm überhaupt nicht gut." antwortete Nick.
„Was ist mit Stacey?"
Ich hörte Nick schnauben. „Die kümmert sich einen Dreck um Gracey. Es muss eine furchtbare Situation für ihn sein."
Es war still und bevor sie mich noch erwischten, verschwand ich lieber. Eilig ging ich zum Hotelbereich und dort in mein Zimmer.
Ich versorgte Grace, ehe ich mich mit ihr in das Hotelbett legte und ihr leise vorsang, bis sie wirklich wieder einschlief, während ihre Hand meinen Ringfinger umklammerte. Ich beobachtete sie und musste lächeln.
Sie war wirklich ein Lichtblick für mich, wenn sie so da lag und mich festhielt oder nur ansah, dann war nicht mehr alles so hoffnungslos.
Während sie schlief, sah ich aus dem Fenster und ärgerte mich über mich selbst, dass ich diesen Tag nicht genießen konnte mit meinen Freunden. Es sollte ein freudiger Tag sein, doch für mich war es einfach nur die Hölle.
Ich wünschte mir nichts mehr, als das Harry zu mir kommen würde und mich in den Arm nehmen würde. Ich brauchte nur das, nur eine Umarmung. Mehr war Wunschdenken, welches ich mir nicht genehmigte.
Leise nahm ich mein Handy. Stacey hatte mir nicht geantwortet, was mich nicht überraschte, dennoch machte es mich furchtbar traurig. Gracey wuchs praktisch ohne eine liebende Mutter auf, ich wusste nicht, ob ich ausreichte, ob ich genug tat. Ohne nachzudenken, ging ich auf Harry's Chat und schluckte, tippte eine Nachricht ein.
L: Es tut mir so leid, was ich uns angetan habe...
Es waren nicht viele Worte, die ich anstarrte und mit mir haderte, ob ich sie abschicken sollte. Er war dort unten. Nicht weit von mir entfernt, greifbar. Mein Harry.
Mein Herz klopfte laut in meiner Brust und dann sendete ich die Nachricht ab. Ich war etwas erschrocken über mich, doch ich wollte, dass er das wusste. Es würde nichts bringen, doch ich fühlte mich so allein und ihn zu sehen, hatte mich vollständig aus der Bahn geworfen. Ich fragte mich, ob sein Herz genauso weh tat wie meines, wenn er an uns dachte.
Als mein Handy vibrierte, nahm ich es wieder in die Hand. Es war Harry, der mir geantwortet hatte.
H: Passt du auf dich auf?
Ich schluckte leicht. Was sollte ich darauf antworten? Hier eingekuschelt unter der Decke, das Handy in der Hand, fühlte es sich beinahe an wie ein sicherer Raum, in dem ich Ehrlichkeit zulassen konnte. Würde er vor mir stehen, würde ich das nicht schaffen können, das wusste ich. Doch der Punkt war, wir hatten das erste Mal wieder Kontakt und ich griff nach diesem kleinen Strohhalm, als wäre es ein Rettungsring.
Mein Blick glitt zum Armband mit dem Anker. Er war immer bei mir.
L: Ich versuche mein Bestes.
H: Lou, ich mache mir Sorgen um dich. Mom macht sich Sorgen.
L: Bitte sag mir das nicht. Ich kann nicht mehr, Harry.
Sobald ich die Nachricht abgeschickt hatte, wurde ich panisch. Ich hatte ihm praktisch gerade gestanden, dass ich keine Kraft mehr hatte. „Scheiße, verdammt." murmelte ich und setzte mich auf. Was sollte er denn jetzt nur von mir denken?
Ich war so dämlich! Wieso war ich bei ihm nicht fähig, den Mund zu halten, wieso hatte ich ihm überhaupt geschrieben? Ich war einfach nur vollkommen bescheuert.
Ich stand leise auf und in meinem Kopf war nur noch ein Gedanke: Ich musste hier dringend weg.
Ohne weiter darüber nachzudenken, packte ich meine Sachen zusammen, ignorierte mein Handy und nahm Grace und legte sie in den Autositz vorsichtig, um sie nicht zu wecken. Mein Kind schien jedoch auf meiner Seite zu sein, denn sie schlief so fest, dass ich vermutlich hätte staubsaugen können nebenbei.
Ich fühlte mich wie ein Verbrecher, der panisch flüchtete, als ich mit allen Sachen zum Auto ging und alles verstaute, dann Grace ebenfalls in den Wagen setzte und den Sitz und sie sicherte.
„Louis?"
Ich zuckte zusammen und fuhr herum. Nick stand da und sah mich verwirrt an. „Was machst du da?"
„Es tut mir leid, ich muss nach Hause." sagte ich schnell.
„Ist was passiert?"
Ich schüttelte den Kopf. „Sie ist ein bisschen fiebrig. Ich will nichts riskieren." Nun fühlte ich mich noch beschissener. Ich hatte ihn belogen, auch noch über Grace. Ich war wirklich noch lächerlicher, als ich dachte. Doch er glaubte mir nicht, das konnte ich ihm deutlich ansehen.
„Harry sucht dich."
Ich sah Nick an. „Bitte nicht, Nick. Ich...es tut mir so leid, aber ich ertrage das nicht. Ich dachte, ich kriege das hin, aber ich schaffe das nicht. Ich muss gehen." erklärte ich ihm leise.
Er sah mich bedrückt an, nickte jedoch und umarmte mich. „Bitte ruf doch an, wenn du reden möchtest. Wir helfen dir doch." sagte er leise.
„Ich schaff das schon, Nick. Aber ich freue mich wirklich unfassbar für euch. Ich bin so froh, dass du die Liebe deines Lebens gefunden hast. Ich gebe dir einen Rat, bitte lass sie nicht los. Egal, was kommt. Okay?"
Er nickte mir ernst zu. „Habe ich nicht vor."
Wir verabschiedeten uns und ich stieg in den Wagen und fuhr vom Hof. Als ich auf die Schnellstraße kam, atmete ich tief durch und versuchte mich zu entspannen. Die Fahrt würde viereinhalb Stunden dauern, sodass ich Zeit hatte, mich selbst wieder zu beruhigen, bevor ich an meinem Ziel ankommen würde.
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