21 - Eine Insel
[Louis]
Harry kam eine ganze Weile nicht wieder und ich war erschöpft. Lottie strich mir über den Rücken, als Anne wieder aus dem Schlafzimmer kam, nahm ich ihr Grace ab und kuschelte sie an mich.
„Es klang, als wäre es nicht gut gelaufen." sagte Anne und ich schüttelte den Kopf.
„Sie wird Grace nehmen." sagte ich leise und Anne machte große Augen. „Was bringt ihr das denn? Du würdest doch sowieso keinen Unterhalt mehr zahlen müssen. Und sie will sich doch nicht um sie kümmern."
Ich zuckte mit den Schultern und küsste Gracey's Wange. Bei dem Gedanken daran, sie zu verlieren, wurde die Angst in mir größer und ich schluckte. „Ich denke, es geht ihr um's Prinzip." sagte ich leise.
„Es geht ihr einzig und allein um's Geld." Harry kam wieder zurück zu uns und sah uns ernst an. Ich sah zu ihm.
„Was hast du gemacht?"
„Bitte sag mir, du hast der Schlange wehgetan." sagte Lottie, konnte die Hoffnung in ihrer Stimme nicht verbergen.
Harry schüttelte den Kopf. „Ich habe ihr Geld angeboten."
Ich riss die Augen auf. „Wie bitte?"
Er sah mich an. „Ich habe sie getestet. Ich habe sie gefragt, was es mich kosten wird, wenn sie vor Gericht nicht um das Sorgerecht kämpft und es Louis beantragen lässt." sagte er schlicht und schüttelte den Kopf.
„Bitte sag mir, dass sie nicht wirklich eine Summe genannt hat..." sprach ich, doch er schüttelte den Kopf wieder. „Sie will 1 Million Pfund, dann lässt sie dich tun was du willst." sprach er und mir wurde, als ob ich jeden Moment umfallen würde. „Sie bekommt kein Geld, Harry."
„Ist sie eigentlich noch ganz dicht?" rief Lottie schockiert aus und Anne wirkte genauso betreten, sie strich mir über den Rücken. Harry sah mich ernst an.
„Das musst du sagen. Nur ein Wort und ich zahle das Geld." sagte er ruhig.
„Harry, du gibst keine Million Pfund für mich aus! Vergiss es! Sie hat mich schon mehr als genug Geld gekostet und ich will nicht, dass du auch noch Geld ausgibst. Das wird nicht passieren." antwortete ich ihm mit fester Stimme und schüttelte den Kopf.
Er lächelte mich an, verwirrt runzelte ich die Stirn. „Natürlich bekommt sie nichts, mein Schatz. Aber das weiß sie ja nicht! Ich habe mit ihr ausgemacht, dass sie den Scheck vor der Verhandlung bekommt. Ich werde ihn ihr geben und nach der Verhandlung wird sie merken, dass der Scheck nicht einlösbar ist. Jetzt können wir reagieren und den Anwalt einschalten und das alleinige Sorgerecht beantragen."
Nun war ich verwirrt und ich sah ihn an. „Aber...das verstehe ich nicht, Harry. Wenn sie merkt, dass der Scheck falsch ist..."
„Dann ist es längst zu spät." unterbrach er mich lächelnd. „Dann hast du deine Tochter bei dir und alles wird gut."
Ich sah ihn an. „Woher willst du das wissen?" sagte ich leise. „Schatz!" rief er aus und kam zu mir, legte die Hände an meine Schultern und sah mir fest in die Augen. „Weil sie gerade eine verdammte Million Pfund verlangt hat, damit sie ihr Kind an dich weg gibt. Ist dir das bewusst? Niemand gibt ihr auch nur irgendetwas! Niemand!"
In meinem Kopf ratterte es und ich sah Harry einfach nur völlig verwirrt an. Er küsste meine Stirn und dann stupste er Grace's Nase. „Rufst du bitte deinen Anwalt an? Es wird Zeit, dass wir agieren, mein Schatz."
Nickend nahm ich mein Telefon, war noch immer nicht klar bei Verstand, doch ich hörte einfach auf Harry und tat, was er mir sagte. Kurzerhand gab ich ihm Grace in die Arme und ging nach oben auf die Dachterrasse, rief meinen Anwalt an und erzählte ihm von dem gesamten Sachverhalt.
Das Gespräch ging fast eine Stunde und danach war ich ausgelaugter als vorher schon. Mein Kopf war voll, weshalb ich mir einen Moment der Ruhe gönnte, an die Reling der Terrasse trat und auf London sah.
Das Wetter war gut, ich war jedoch so kaputt, dass ich es nicht schätzen konnte.
„Lou? Was machst du da??"
Ich drehte mich um und hinter mir stand Lottie, die mich unsicher musterte.
Als ich realisierte, wie das aussehen musste, ging ich einen Schritt zurück, weg von der Reling. „Ich habe nur die Stadt betrachtet. Keine Sorge."
Sie atmete tief durch, dann kam sie zu mir und umarmte mich.
Ich erwiderte die Umarmung. „Als großer Bruder sollte ich mich eigentlich um dich kümmern..." murmelte ich leise und seufzte. Lottie sah hoch zu mir. „Wenn das hier durch ist, Lou, dann fängt deine Zeit an. Dann geht es nur noch nach oben." sagte sie sanft.
„Gott, Lottie, ich hoffe es." Ich schloss die Augen. „Ich kann langsam nicht mehr."
Sie nickte und streichelte über meinen Arm. „Wir schaffen das schon, Lou. Wir sagen alle für dich aus und wie fantastisch du das machst als Papa. Du bist schließlich ihr Papa. Sie liebt dich, du liebst sie."
Ich nickte nur. „Ich wünsche mir nichts mehr, als dass das alles gut wird. Und dann will ich mit Harry leben."
Sie lächelte und nickte. „Dann wird's jetzt Zeit, dass du den Hintern aus dem Bett bekommst und dich dafür einsetzt, ja? Hör auf dich hängen zu lassen. 6 Tage sind genug, jetzt ist Schluss mit Selbstmitleid. Mom hätte dich schon an Tag 2 aus dem Bett gezerrt." Ich musste lächeln, dann sah ich Lottie an. „Hör auf so wie sie zu sein. Das macht mir Angst."
Lottie lachte und küsste meine Wange. „So sind wir erzogen wurden. Du übrigens genau so! Also...keine Ausreden mehr!"
Sie löste sich von mir und dann fingen ihre Augen an zu strahlen. „Anne ist übrigens toll. Du hast großes Glück, solche tollen Menschen gefunden zu haben."
Ich umarmte sie noch einmal und drückte sie fest. „Ich hab dich lieb, Lottie. Danke für deine Hilfe."
„Immer gern. Ich liege gern neben dir und halte Händchen." antwortete sie lachend und brachte mich damit ebenso zum Lachen.
„Kommst du mit runter?" fragte sie mich und ich schüttelte den Kopf.
„Ich bleib noch kurz." sagte ich nickend und sie lächelte mich an, ging dann nach unten. Ich blieb stehen und schrieb Harry, ob er mir Gesellschaft leisten wolle.
Es kam keine Antwort, doch nur zwei Minuten später trat er durch die Tür auf die Terrasse und musterte mich. „Das meinte Lottie." sagte er und kam zu mir.
„Was meinst du?" fragte ich verwirrt und sah ihn fragend an.
„Lottie hatte kurz Panik, hat sie gesagt. Jetzt weiß ich wieso. Du stehst viel zu nah an der Reling." Er griff an meine Seite, dann zog er mich näher an sich und weg von dem Geländer, ich prallte leicht gegen seine Brust und sah hoch zu ihm, während seine Arme sich um mich schlangen.
„Hi." sagte er leise und ich bekam eine Gänsehaut.
„Hey."
Er lächelte und küsste meine Nasenspitze. „Wie fühlst du dich? Ein bisschen besser?"
Ich zuckte mit den Schultern. „Ich komm nicht drüber weg, dass sie zu solchen Lügen fähig ist. Ich meine, wir waren bevor all das passiert ist, lange zusammen. Ich bin so blind gewesen, so verdammt blind."
Er küsste meine Stirn sanft. „Ach Baby, mach dir keine Vorwürfe. Sie ist eine sehr gute Schauspielerin, das ist leider so." sagte er, was ich nickend zur Kenntnis nahm.
Ich lehnte mich an ihn und schloss die Augen. „Ich weiß nicht, wie ich je wieder gut machen soll, was du mit mir durchmachen musst. Ernsthaft. Ich habe so ein schlechtes Gewissen, weil du immer nur erlebst, wie ich traurig im Bett liege. Ich war nie so..."
„Lou, hör auf. Jeder in deiner Situation wäre so drauf. Dass du so reagierst, zeigt nur wie viel dir Grace bedeutet." sprach er leise. „Dafür liebe ich dich übrigens."
Ich sah wieder hoch zu ihm. „Ja?"
Harry nickte fest. „Ja. Dir ist es egal, ob Grace biologisch zu dir gehört oder nicht. Das ist mir sofort klar gewesen. Womit du nicht zurecht kommst, ist die Lüge und der Vertrauensbruch. Aber hast du an deiner Liebe zu Grace gezweifelt?"
Ich schüttelte sofort den Kopf.
„Siehst du? Das meine ich. Gott Lou, du bist so wundervoll." Er küsste mich mit einem Mal und ich erwiderte sofort.
Ich war gerührt von seinen Worten, noch dazu hatte er absolut recht. Ich zweifelte keine Sekunde daran, dass Grace für mich meine Tochter war. Es floss nicht mein Blut durch ihre Adern, doch das trübte meine Liebe zu ihr nicht. Womit ich nicht klar kam, war Stacey und ihre Bemühungen, mein Leben zu zerstören. Gott sei Dank hatte sie das nicht geschafft, doch sie hatte mich psychisch gebrochen.
Ich spürte, dass meine Verlustängste schlimm waren und ich wusste auch, dass ich etwas dagegen tun musste. Doch solange Grace nicht auf dem Papier meine Tochter war und dieser Prozess abgeschlossen war, konnte ich mir nicht selbst trauen. Es ging mir nicht gut, und das sagte ich Harry auch.
„Deine Ängste sind normal, aber sie werden mit der Zeit besser, das verspreche ich dir. Ich passe auf dich auf, ich werde dich nicht verlassen. Und Grace wirst du auch nicht verlieren." sagte er sanft und sah mir tief in die Augen. „Vertrau mir, Lou."
Ich wollte es sehr, doch es fiel mir unheimlich schwer, positiv nach vorne zu sehen. Statt etwas zu sagen, legte ich die Lippen auf seine und gab ihm einen gefühlvollen Kuss.
Er erwiderte, dann legte er die Arme um mich und ließ den Blick über die Stadt schweifen. Für einen Moment war alles ruhig auf der Dachterrasse, die sich einmal mehr anfühlte, wie eine Insel, auf der uns niemand stören konnte.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top