2 - Eine zu hohe Hürde

[Louis]

Mein Handy klingelte am nächsten Tag, während ich mit Grace auf dem Boden saß. Sie lag auf dem Bauch zwischen meinen Beinen und spielte mit einem Buch, das Knistergeräusche machte. Viel mehr nahm sie es in den Mund und griff danach, aber dennoch war es unheimlich niedlich, sie zu beobachten.

Ich nahm den Anruf an.
„Tomlinson?"
„Louis!" Das war Nick. Leicht musste ich lächeln.
„Hey Nick. Wie geht's dir?"
„Es würde mir besser gehen, wenn ich endlich eine Antwort von dir bekommen würde."
Irritiert runzelte ich die Stirn. „Was?"

„Die Hochzeit? Ich hab dir die Einladung vor über einem Monat geschickt!"
Scheiße. Das war total untergegangen und ich realisierte, dass ich es vollkommen vergessen hatte. „Mein Gott, sorry Nick. Hier ist es etwas stressig im Moment." entschuldige ich mich sofort.
„Alles gut. Du kommst aber, oder?"
Ich blieb still, denn eigentlich fühlte ich mich gar nicht danach, eine Hochzeit zu besuchen. Oder überhaupt irgendein soziales Event, wenn man es genau betrachtete.
„Lou?" hakte er nach.
„Ähm...ich weiß nicht..."
„Ach komm! Bitte! Ich würde mich so freuen, Loreen auch! Wir wollen dich dabei haben!"

„Ich hab sicher keinen Babysitter..." sagte ich leise und sah auf den Kalender. Die Hochzeit war diesen Samstag. In drei Tagen. So schnell konnte ich niemanden organisieren.
„Äh...was ist mit Stacey?" fragte er deutlich irritiert, woraufhin ich seufzte. „Ich würde einiges darauf setzen, dass sie genau dann was vorhat." antwortete ich leise.
„Bitte komm, ja? Sie wird doch wohl mal auf ihr Kind aufpassen können!"
In mir wuchs die Angst, dass sie das eben nicht konnte.
„Ich lass mir was einfallen, okay? Wieso heiratest du überhaupt in England? Du bist doch gar nicht von hier?" fragte ich ihn.
„Nein, aber meine Zukünftige."
Es war mir unangenehm, dass ich das vergessen hatte. Wir drei hatten viel Zeit miteinander verbracht während The Voice und ich mochte sie gern.

„Mir fällt was ein."
„Gut so! Wir sehen uns Samstag!" Nach einer kurzen Verabschiedung legten wir auf und ich schnappte mir Grace und hob sie hoch, küsste sie auf die Wange.
„Und du mein Schatz, gehst jetzt mit mir spazieren. Du brauchst frische Luft." sagte ich lächelnd und sie tätschelte mir die Wange, ehe sie grinste und gluckste.
Genau in solchen Momenten spürte ich wieder etwas. Sie machte mich glücklich.

Ich zog sie an, legte sie in den Kinderwagen, dann warf ich mir eine Jacke über und zog ein Basecap an. Ich hoffte inständig, nicht erkannt zu werden. Es gab so viele Paparazzi und sie waren alle scharf auf ein Foto von Grace, was ich unbedingt vermeiden wollte. Wenigstens ihr Gesicht sollte unerkannt bleiben, wenn ich schon keinen Schritt mehr vor die Tür machen konnte, ohne belagert zu werden.
Ich hatte gehofft, dass das Interesse an mir abflauen würde, doch das war nicht der Fall. Im Gegenteil, sie wurden immer penetranter, jetzt wo auch meine Adresse bekannt war.

Mit dem Kinderwagen trat ich vor die Tür und lief in gemäßigtem Tempo die Straße entlang zum Park, in dem ich viel mit Grace herumwanderte in den letzten Wochen. Heute war es sonnig, endlich.
Wir gingen eine lange Zeit, bis ich mich schließlich auf eine Bank setzte. Der plötzliche Stillstand war für meine Tochter überhaupt nichts, weshalb sie direkt anfing zu schreien. Ich nahm sie aus dem Wagen, versuchte sie zu beruhigen, doch sie brüllte mittlerweile lautstark und ein Ende war nicht in Sicht.
„Gracey, komm schon..." sagte ich sanft und wiegte sie leicht, dann stand ich auf und ging ein paar Schritte mit ihr hin und her.
Es waren die Momente, in denen ich hilflos war, weil ich nicht wusste, wie ich sie beruhigen konnte.

„Louis?"
Ich versteifte mich sofort. Langsam fuhr ich herum und blickte direkt in das Gesicht von Harry's Mutter.
„Anne..." hauchte ich erschrocken und starrte sie an.
Ein ohrenbetäubender Schrei kam in diesem Moment aus meiner Tochter und ich zuckte leicht zusammen, drückte sie sanft an mich und schloss die Augen, summte beruhigend. Innerlich schrie ich nach Hilfe.

„Darf ich?" fragte Anne.
Ich sah unsicher zu ihr, doch sie sah mich sanft an, weshalb ich ihr Grace übergab. Was auch immer Anne tat, Grace wurde sofort ruhiger und als Anne sie in den Wagen zurück legte, schlief sie fast sofort ein.
Fassungslos sah ich sie an. „Wie?"
Anne lächelte mich an, dann musterte sie mich. „Wie geht's dir mein Lieber?"
„Gut" sagte ich und nickte. Die Frau vor mir wirkte nicht überzeugt und legte die Hand an meine Wange.
„Wollen wir einen Kaffee trinken? Ich hab ein bisschen Zeit."
„Ich kann..." Ich seufzte leise. „Ich werd hier permanent von Journalisten gefunden. Ich würde lieber nicht..."
„Verstehe." Sie lächelte mich liebevoll an. „A-aber...wenn du willst...ich wohn gleich hier." Ich zeigte in die Richtung und sah sie fragend an. Mein Herz klopfte wie wild, denn ich war unsicher ihr gegenüber. Ich hatte ihren Sohn verlassen. Ich hatte ihm weh getan.
„Gern, Louis." antwortete sie freundlich.

Nur wenige Zeit später machte ich für Anne einen Kaffee in meiner Wohnung, sie hatte Grace auf dem Arm, die tief schlief und sich wohl zu fühlen schien.
Ich stellte die Tasse vor ihr ab und setzte mich gegenüber. Es war mir peinlich, wie es hier aussah, überall lag Zeug herum, das meiste von Grace und Stacey.
Ich schaffte es nicht mehr, auch noch immer alles aufzuräumen. Grace war ein Vollzeitjob, den ich beinahe allein schaffen musste.

„Also, wie geht es dir wirklich?" fragte Anne mich. „Es ist okay. Grace ist eine Herausforderung."
Sie nickte. „Kinder können anstrengend sein, ja! Und wie läuft sonst alles?"
Ich zuckte mit den Schultern und sah sie an. „Es gibt sonst nichts."
„Kein neues Album?"
Sofort schüttelte ich den Kopf. „Ich hab die Zeit nicht." Und die Kraft, doch diesen Teil ließ ich weg.
Anne sah sich um. „Gibt es nicht auch noch eine Mutter? Stacey war ihr Name, oder?"
Ja, meine Ex die erneut auf einem Job war. Oder wo auch immer.
„Keine so große Hilfe..." sagte ich leise und sah mich auch um. „Es tut mir leid dass es hier so aussieht. Ich...es ist ein bisschen viel und ich habe noch nicht den Bogen raus."
„Ich verstehe das. Du hast ja niemanden, der es dir beibringt..."

Meine Augen füllten sich mit Tränen und ich sah nach unten.
„Nein..." murmelte ich und schluckte. Brich jetzt nicht in Tränen aus, nicht vor Anne.
Ich gab mein Bestes, schniefte leise und sah sie nicht mehr an.
„Wenn du Hilfe brauchst, kannst du mich gern anrufen, Louis."

Ich schüttelte den Kopf. „Wieso denn? Ich hab...wir kennen uns doch kaum..." sagte ich mit zitternder Stimme.
Anne stand auf und legte Grace in den Wagen vorsichtig, dann kam sie zu mir und legte die Arme um mich.
„Ich weiß. Aber ich habe dir damals an Weihnachten gesagt, dass du zu uns gehörst, erinnerst du dich? Und wenn ich sehe dass jemand Hilfe braucht, dann helfe ich. Egal, was zwischen dir und meinem Sohn vorgefallen ist." sagte sie sanft und ich konnte nur nicken.
„Es tut mir so leid, Anne." sagte ich plötzlich leise, mein ganzer Körper fing an zu zittern. Doch anstatt mich ihr zu öffnen, tat ich, was ich immer tat. Ich löste mich von ihr und zog mich zurück.

Sie strich mir über den Rücken. „Alles gut, Louis. Niemand ist dir böse, Schatz."
Ihre Worte trafen ins Schwarze. Ich wusste, dass ich am Ende war. Ich konnte einfach nicht mehr, ich wollte nicht mehr.
Alles was mich hier hielt, war Grace.
Ich sah Anne an und lächelte schwach. „Ich hab deine Hilfe nicht verdient."
Ihr Blick wurde besorgt und sie schüttelte den Kopf. „Doch, natürlich, Louis. Wie kommst du nur darauf?"
Leicht schüttelte ich den Kopf, dann zuckte ich hilflos mit den Schultern.

„Ich muss leider los, aber....Louis, kann ich dich was fragen?"
Ich nickte. „Natürlich."
Sie sah mich einen Moment an. „Hast du einen Vaterschaftstest machen lassen?"
„Ja..." sagte ich leise und sah zu Grace. „Stacey hat einen machen lassen und ihn mir gegeben. Die Kleine ist mein Kind."
Anne nickte, sah zu Grace und lächelte. „Sie ist zauberhaft. Ein ganz hübsches Kind, Louis."
„Danke..."
Ich stand auf und umarmte sie, dann verabschiedeten wir uns und sie sagte mir noch einmal, dass ich mich melden sollte.
Ich wusste genau, dass ich das nicht tun würde. Die Scham war zu groß und Harry's Mutter anzurufen eine zu hohe Hürde.

Ich gab Grace die Flasche und dann brachte ich sie zu Bett, als Stacey wieder nach Hause kam. „Hey" sagte sie knapp und ich nickte ihr zu.
„Wie geht's ihr?" fragte sie mich.
„Gracey geht's gut. Sie schläft schon. Hör mal, Samstag bin ich nicht da. Da musst du sie nehmen bis Sonntag, ja?"
Stacey nickte, ehe sie mich musterte. „Wo wirst du sein?"
„Geht dich nichts an." antwortete ich und nahm mir ein Bier aus dem Kühlschrank, welches ich öffnete und einen Schluck trank.

Sie seufzte genervt. „Du solltest duschen. Du siehst aus wie ein Obdachloser." bemerkte sie, ehe sie im Bad verschwand und die Tür abschloss.
Ich lehnte mich gegen die Küchenplatte und seufzte innerlich, ehe ich mir über die Augen wischte, mit dem Bier in mein Schlafzimmer ging und mich ins Bett legte. Um zu duschen, dafür musste ich erst die Kraft aufbringen und das war heute nicht mehr drin.
Innerlich wünschte ich mir, dass ich nie mehr aufstehen müsste. Einfach für immer hier liegen und Frieden haben.

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