13 - Louis

[Louis]

Nur einen Tag später war die Zeit für die Heimreise gekommen. Ich war gerade dabei, alle Sachen im Auto zu verstauen, als Anne mit einer großen Dose zu mir kam.
Fragend sah ich sie an. „Da ist Essen drin. Eine Woche mindestens kommst du da gut mit hin." sagte sie liebevoll zu mir.
Sie rührte mich und ich nahm ihr die Box ab und umarmte sie. „Ach Anne..." flüsterte ich und sie strich mir über den Rücken.
„Komm bald mal wieder, ja? Und wenn etwas ist oder du Fragen hast, ruf mich an. Ich bin immer für dich da, mein Liebling." sagte sie leise und ich nickte leicht, löste mich von ihr und lächelte sie an.

„Was ihr für mich getan habt, werde ich euch nie vergessen. Danke für alles, Anne. Das bedeutet mir die Welt..." sprach ich und sah sie voller Dankbarkeit an, ihr Blick wurde ganz sanft und sie legte die Hand an meine Wange. „Achte auf dich, okay?"
Ich nickte sofort und verstaute die Box im Auto, dann wollte ich Grace holen, doch Harry kam bereits mit ihr in der Babyschale heraus.
„Hast du sie richtig angeschnallt?" fragte ich und er nickte. „So wie du es mir gezeigt hast."
„Perfekt!" sagte ich lächelnd, nahm ihm die Kleine ab und küsste seine Wange, ehe ich Grace im Wagen sicherte und den Gurt dennoch kontrollierte. Er hatte alles richtig gemacht und ich grinste stolz und stupste ihre Nase an, woraufhin Grace grinste. „Genau das." murmelte ich zu ihr und dann schloss ich die Autotür.

Ich drehte mich zu Harry und lächelte ihn an. „Können wir?"
Er nickte und verabschiedete sich von seiner Mom. Auch ich umarmte sie nochmal, bevor ich in den Wagen stieg.
Als wir vom Hof fuhren, ergriff ich Harry's Hand und lächelte. „Ich freue mich, dass du mitkommst."
„Und ich, dass du mich mitgehen lässt." antwortete er und ich sah kurz zu ihm. „Was denkst du, wird Stacey wohl sagen, dass du auftauchst?"
Harry zuckte mit den Schultern. „Vermutlich erstmal nichts, denn sie wird von mir die Ansage ihres Lebens bekommen für ihr furchtbares Verhalten." sprach er ernst.
Ich schmunzelte und nickte leicht. Genau das hatte ich bereits erwartet, jedoch war mir dabei nicht ganz wohl. Sie hatte ebenso wie ich Sorgerecht für Grace und ich machte mir Gedanken, was ihre Trotzreaktion sein könnte, falls sie sauer werden würde.
Doch ich sagte es ihm nicht und entschied mich dazu, abzuwarten.

Dass Harry mit zu mir kommen würde, hatte ich mir so gewünscht, denn ich wollte jetzt nicht von ihm getrennt sein, nicht einmal räumlich. Harry hatte jedoch gleiche Wünsche und hatte auf meine Frage hin sofort zugesagt. Er hatte einige Termine in London, weshalb es sich ohnehin anbot.
Nach unserem Date hatten wir noch einmal ein ernstes Gespräch, denn Harry wollte sicher gehen, was genau ich mir vorstellte und was er sich vorstellte.

Grace schlief in ihrem Bettchen, als wir ankamen und Anne berichtete uns von einem absolut problemlosen Abend, den sie gemeinsam mit ihr verbracht hatte. Meine Sorgen waren umsonst gewesen und ich vertraute Anne, sodass in dieser Hinsicht der Abend ein voller Erfolg gewesen war. Und in jeder anderen Hinsicht natürlich auch.
Oben schaltete ich das Babyfon aus und setzte mich auf Harry's Bett, nachdem ich bei Grace kurz die Lage überprüft hatte. Doch sie schlief wie ein Stein.
Harry setzte sich neben mich und sah mich ernst an. Mein Blick wurde sofort besorgt. „Was ist los? Hast du es dir anders überlegt?" fragte ich leise und er schüttelte sofort den Kopf.
„Auf keinen Fall. Nie wieder. Ich würde nur gern das Offensichtliche ansprechen."
„Und das wäre?" fragte ich leise.
„Nun, ich würde dir gerne auch mit Grace helfen. Ich möchte nicht nur dein Freund sein. Ich würde gern eine echte Unterstützung für dich sein, ganz ernsthaft."
„Meinst du das ernst?" Ich sah ihn fragend an und Harry nickte. „Gracey gehört zu dir und sie wird nicht wieder verschwinden. Und das will ich auch gar nicht! Versteh mich nicht falsch..." Er sah mich eindringlich an. „Deshalb möchte ich gerne eine ernstere Rolle spielen, wenn ich das darf. Das wollte ich gern noch mit dir besprechen einfach. Alles natürlich, wie du es dir wünschst, Louis, es ist dein Kind."

„Louis?" fragte ich.
Er nickte. „Ernste Themen erfordern den vollen Namen."
Ich lachte und umarmte ihn. „Ich würde das nie verlangen, aber ich bin froh, dass du das möchtest. Es macht mich glücklich, dass du diesen Teil von mir anerkennst..."
„Lou, natürlich. Wie könnte ich nicht? Sie ist so fantastisch und ich bin schon ganz vernarrt in die Kleine. Ich kann die Zukunft gar nicht mehr abwarten." antworte er leise und es rührte mich. Ich hatte in Harry einfach den perfekten Mann gefunden, einfach so. 
Wir küssten uns zärtlich, ehe wir uns auszogen und im Bett unter die Decke kuschelten. Harry zog mich in seine Arme und ich küsste seine Brust, ehe ich den Kopf darauf ablegte und die Augen schloss.

***

Als wir in London ankamen und die Wohnung betraten, war es still. Von Stacey keine Spur, stattdessen fand ich eine riesige Unordnung vor. Die Gegenwart, meine Gegenwart, holte mich mit riesigem Schwung ein.
„Verdammt..." murmelte ich leise, stellte die Babyschale ab und holte Grace auf meinen Arm, sah mich um und war für einen Moment ratlos.
Harry, der einen Moment nach mir mit dem Gepäck durch die Tür kam, stockte und sondierte den Raum mit großen Augen.
„Seid ihr überfallen worden?" fragte er und ich schüttelte den Kopf.
„Willkommen in meiner Realität..." sprach ich leise und sah ihn nicht mehr, so sehr war es mir peinlich. Ich ging zuerst in die Küche, die genauso schlimm aussah und bereitete für Grace eine Flasche vor.

Harry folgte mir. „Lou?"
Ich nickte leicht. „Ja?"
„Hey, mein Schatz. Rede mit mir." bat er mich und ich seufzte leise.
„Was soll ich sagen?" fragte ich kaum hörbar und prüfte die Temperatur der Milch. Als ich sie für gut befand, setzte ich mich und fütterte Grace, die sofort begeistert an der Flasche nuckelte. Dann sah ich zu Harry.
Er lehnte an der Kücheninsel und musterte mich. Es war offensichtlich, dass ihm mein Stimmungswandel zu Denken gab, was mir nur noch unangenehmer war.
Es war diese Wohnung. Sobald ich hier hinein kam, fühlte ich mich allein und alles wirkte ein wenig dunkler, als würde sich ein Schatten über mich legen.
„Ich räume hier auf, sobald ich sie ins Bett gelegt habe. Entschuldige das Chaos." sagte ich zu ihm und er legte den Kopf schief. „Es ist alles okay. Ich urteile nicht. Du bist sowieso ein kleiner Chaot." sagte er schmunzelnd, doch ich konnte nicht darüber lachen.
„Aber nicht so. Die Klamotten unordentlich in den Koffer räumen hat nicht das gleiche Ausmaß wie das hier."
„Lou, ich weiß. Entschuldige. Ich wollte dich aufmuntern. Es war ein blöder Scherz." sagte er sofort und setzte sich zu mir an den Tisch.
Ich lächelte ihn leicht an. „Es liegt nicht an dir." sprach ich leise, woraufhin er nickte. „Ich weiß, Baby. Ich helfe dir beim Aufräumen, okay?"
Sofort schüttelte ich den Kopf.
„Auf gar keinen Fall wirst du mir helfen, die Wohnung aufzuräumen. Das ist Stacey's Chaos." sagte ich ernst.
„Aber Lou..."
„Nein! Ich lasse dich nicht die Drecksarbeit machen für meine unfähige Exfreundin!" Ich sah ihn ernst an und er gab nach und nickte. „Alles okay, ich verstehe es."
„Trotzdem danke." murmelte ich und sah ihn unsicher an. Harry lächelte mich liebevoll an. „Dann geh ich aber jetzt einkaufen und koche uns was Feines."
Sofort musste ich lächeln und nickte. „Das hört sich doch fantastisch an."
Harry stand auf und küsste mich, dann nahm er seine Geldbörse und verließ die Wohnung.

Ich machte unterdessen Grace eine frische Windel, dann brachte ich sie ins Bett und sang ihr noch etwas vor, bis sie eingeschlafen war. Es waren diese ruhigen Momente, wenn ich mit ihr war und die Zeit irgendwie wie angehalten wirkte. Als ob gerade nichts auf der Welt einem wehtun könnte.
Ich genoss es unheimlich.
Als sie dann wirklich fest schlief, ging ich zurück in die Wohnküche und begann, das Chaos zu beseitigen.
Irgendwann fand ich einen Haufen Zettel, die ich durchsehen wollte, bevor ich sie wegschmiss. Ganz oben lag ein gefalteter Zettel, denn ich öffnete. Stacey schien ihn geschrieben zu haben und es war eine Notiz an mich.

Die Agentur hat uns alle nach Mauritius eingeladen für ein Event.
Ich bin in einer Woche zurück. Danke fürs Aufpassen.
- S

Fassungslos sah ich den Zettel an. Sie war wieder abgehauen und ich konnte wieder keine Unterstützung von ihr erwarten. Wie konnte sie so wenig Interesse an ihrer eigenen Tochter haben? Grace wusste vermutlich bald gar nicht mehr, wie sie überhaupt aussah oder wer sie war. Es nahm mich emotional mit, was sie mit ihr machte, denn ich wünschte mir, dass ich überhaupt noch eine Mutter hätte, die ich besuchen könnte. Wenn Stacey nicht bald endlich umdenken würde, würde Grace ebenso wenig eine Mutter in ihrem Leben haben. Und das brauchte man doch, man brauchte seine Mutter.

In mir kochte Wut und Enttäuschung hoch und ich wusste nicht, wohin damit. Ich ballte die Fäuste und in diesem Moment ging die Tür auf. Voll bepackt mit Tüten kam Harry hinein und sah lächeln zu mir.
Als er mein Gesicht sah, verschwand das Lächeln und er stellte die Tüten ab, kam zu mir und sah mich fragend an. „Was ist los?"
Ich zeigte ihm die Notiz. „Sie ist im Urlaub." war meine schlichte Antwort.
Er riss die Augen auf und sah mich erschrocken an. „Ist das ihr Ernst?!"
Ich nickte nur. „Wir rufen morgen das Jugendamt an, Louis." sagte er und ich schüttelte sofort den Kopf.
„Wieso denn nicht?"
„Weil sie sie mir dann wegnehmen! Das sind keine Zustände für ein Kind, Harry. Ruf sie nicht an, bitte! Sie nehmen mir Grace weg!" sagte ich und wurde beinahe panisch.

„Lou, alles gut!" sagte er sofort und zog mich in seine Arme. „Niemand würde sie dir wegnehmen,  mein Schatz. Dafür machst du deine Sache zu gut."
Ich schlang die Arme um ihn und vergrub mein Gesicht an seiner Brust.
„Nicht anrufen.." flüsterte ich und er strich mir durch die Haare.
„Mach ich nicht, versprochen. Ich mache uns jetzt erstmal was zu essen und dann machen wir einen Schlachtplan, okay?" Seine Stimme war sanft und ich sah hoch zu ihm.
„Okay."

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