11 - Nie wieder
[Louis]
Grace weckte mich mitten in der Nacht mit lautem Geschrei aus dem Schlaf.
Wie automatisiert setzte ich mich in Bewegung, doch wurde zurückgehalten.
Harry hielt mich schlafend in seinen Armen. Ich musste sofort lächeln.
Sanft küsste ich seine Stirn, dann schob ich vorsichtig seine Arme weg und stand leise auf. Ich zog mir meine Unterhose und die Jogginghose an, nahm Grace aus dem Bettchen und ging nach unten in die Küche.
Ein Blick auf die Uhr sagte mir, dass es halb sechs Uhr morgens war, also doch nicht mitten in der Nacht. Ich war begeistert. Grace hatte die erste Nacht durchgeschlafen.
Für mich fühlte sich das nach einem riesigen Meilenstein an, auch wenn es in der Realität vermutlich nicht Besonderes war.
Doch ich war dennoch glücklich darüber. Gut gelaunt plapperte ich vor mich hin, erzählte Grace von irgendeinem Märchen, damit sie bei Laune blieb, während ich die Flasche bereitete.
Gerade als ich mich setzte, um sie zu füttern, kam eine müde Anne in die Küche, einen Morgenmantel über dem Schlafanzug.
„Guten Morgen!" sagte sie lächelnd und ich sah zu ihr.
„Guten Morgen. Ich hoffe, ich habe dich nicht geweckt?" fragte ich besorgt und sie schüttelte den Kopf.
„Du nicht, aber die Kleine." sagte sie lachend. „Ist lange her, dass Babygeschrei durch's Haus gehallt ist."
„Oh Anne, das tut mir leid!" entschuldigte ich mich sofort.
Harry's Mutter winkte sofort ab. „Nein, ich finde es schön! Erinnert mich an früher, außerdem ist sie nun wirklich kein Schreikind. Möchtest du auch Kaffee?"
Ich nickte sofort. „Bitte, ja!"
Sie lachte und bereitete Kaffee zu, stellte mir die Tasse danach auf den Tisch und setzte sich mir gegenüber.
„Harry schläft noch?" fragte sie, was ich bestätigte. „Er ist mit einem unglaublich schlechten Gehör gesegnet." antwortete ich und wir beide mussten lachen.
„Das war schon immer so. Wenn er geschlafen hat als Baby, konnte ich staubsaugen. Das war fantastisch!"
Anne lachte, ehe sie einen Schluck trank. Ich seufzte neidisch. „Das wäre schön. Da ist Grace anders, sie würde sofort aufwachen."
Wir unterhielten uns eine ganze Weile, Grace schlief in meinen Armen, und dann sah ich Anne an.
„Ich möchte dir keine Bürde sein, ich würde dich dennoch gern etwas fragen." begann ich und sie sah mich aufmerksam an.
„Also...ich war jetzt die letzten fünf Monate nicht wirklich...naja, ich konnte nicht weg. Und...ich würde gern mit Harry..." Ich wurde immer unsicherer und stoppte kurz, ehe ich weitersprach. „Ich vertraue dir. Und ich würde dich gern fragen, o-ob du eventuell eine Stunde auf sie aufpassen könntest. Ich würde Harry gern auf ein...ein Date bitten."
Anne strahlte mich an und nickte sofort. „Aber natürlich mach ich das! Meine Güte, Louis, du hast einen Abend Ruhe verdient, macht euch eine schöne Zeit!"
Sie schien begeistert von der Idee und ich musste lächeln. „Ich mache mein Handy laut, wenn etwas ist, dann kannst du anrufen, dann komme ich sofort."
„Selbstverständlich. Aber ich denke wir kommen zurecht." antwortete sie mit einem Lächeln zu Grace. Ich war erleichtert, dass Anne zugestimmt hatte, denn ich wünschte mir wirklich, mit Harry einen Abend zu verbringen, nur für uns.
Gestern Abend war er so schnell eingeschlafen, dass ich nicht sagen konnte, was ich wollte.
Heute Abend würde ich es tun.
„Sofern er überhaupt mit mir ausgehen will." rutschte es mir heraus und ich lächelte traurig. Ich hatte ihm wehgetan, für mich galt es nun, das wieder gut zu machen, irgendwie.
„Er wird begeistert sein!" sagte Anne und zwinkerte mir zu. „Er hat dich sehr vermisst. Er hat gelitten."
Ich sah Anne wieder an. „Ich weiß...ich hab einfach nur alles verbockt." antwortete ich leise und sah zu Grace.
„Naja, bis auf Gracey...die ist gut gelungen."
Anne lachte und nickte. „Sie ist wirklich wunderschön und so lieb! Da hast du Glück gehabt. Harry war ein Schreihals, meine Güte! Der konnte wirklich brüllen."
Wir beide lachten gemeinsam und ich fühlte mich wieder etwas befreiter.
„Was erzählst du wieder über mich?" murrte Harry, der soeben die Küche betrat und noch völlig fertig aussah.
„Das Übliche. Peinliche Geschichten aus der Kindheit." neckte Anne ihn lächelnd.
„Meine Güte..." murmelte er, lief an mir vorbei und gab mir einen Kuss auf den Kopf, bevor er sich Kaffee nahm und die Tasse sofort ansetzte.
„Müde?" fragte ich ihn amüsiert.
Er nickte und ließ sich neben uns auf einen der Stühle sinken.
„Wie kannst du so früh wach sein?"
„Ich habe durchgeschlafen. Ich bin fit." sagte ich ein wenig stolz und Harry sah mich fragend an, weshalb ich leise lachen musste. „Das war die erste Nacht, die Grace durchgeschlafen hat."
„Wow..." murmelte Harry und sah zu Grace. „Glückwunsch." Er grinste mich schief an und ich musste wieder lachen und schüttelte den Kopf. „Vielleicht solltest du nochmal schlafen."
Harry nickte nur und gähnte. „Also daran muss ich mich erstmal gewöhnen."
„Hör auf zu jammern! Du hattest Grace einen halben Tag, ich bitte dich!" mahnte Anne ihn amüsiert und Harry zog eine Schnute.
Ich beobachtete ihn amüsiert. Er hatte ja keine Ahnung, das war offensichtlich. Anne verabschiedete sich und verließ die Küche, um ins Bad zu gehen, wir blieben am Tisch sitzen.
„Haz?" fragte ich und er sah zu mir. „Ja, Lou?"
Ich schmunzelte und dann atmete ich tief durch. „Würdest du heute Abend mit mir essen gehen?" fragte ich ihn einfach gerade heraus.
Harry's Augen leuchteten auf und er nickte. „Oh, sehr gern, Lou!"
Sofort lächelte ich und nickte. „Perfekt. Deine Mom ist so lieb und nimmt Gracey."
„Also ein Date?" fragte er und grinste.
Ich wurde leicht rot, nickte aber und sah ihn fest an. „Ja...genau. Wenn du, also wenn du magst. Dann könnten wir es Date nennen..."
Ich nannte es in meinem Kopf jedenfalls so. Harry sah glücklich aus und nickte.
„Hatten wir je eins? Ein richtiges?"
Ich schüttelte den Kopf und schmunzelte. „Das eine Abendessen, wo ich dir gesagt hab, dass ich verliebt in dich bin, zählt nicht. Da war Lottie dabei."
Er lachte und nickte. „Dann haben wir jetzt unser erstes Date!"
Ich sah ihn an und konnte nicht anders, als einfach nur zu lächeln, auch wenn ich plötzlich unglaublich nervös war. „Das gestern Nacht, das war wunderschön."
Harry beugte sich zu mir und küsste meine Wange. „Mehr als das." flüsterte er und lächelte mich liebevoll an.
***
Am Abend betraten Harry und ich ein kleines Lokal, dass recht abgeschieden am Stadtrand war und außer uns keine Gäste hatte, als wir eintraten.
Mir fiel sofort ein Stein vom Herzen. Das war einfach perfekt.
Wir setzten uns und ich sah Harry immer wieder an, was er irgendwann bemerkte.
„Was ist los, Lou? Du denkst schon wieder." fragte er mich schließlich.
Ich zuckte mit den Schultern. „Ich seh dich eben gern an." sagte ich und er lachte, nahm sich die Karte und schien meine Ausrede so hinzunehmen, denn er fing an die angebotenen Speisen zu studieren.
„Kann ich dich was fragen?" sagte ich schließlich und er schmunzelte, sah mich amüsiert an. „Na schieß schon los!"
„Wolltest du je Kinder?"
Harry nickte ohne zu zögern. „Absolut." antwortete er mir.
Ich sah ihn weiter an. „Und..." Ich wollte die mir wichtigste Frage stellen, doch die Kellnerin unterbrach uns.
Wir bestellten eine Flasche Wein und die Gerichte, die wir essen wollten - für Harry ein Steak mit Gemüse, für mich eine Pasta mit Hähnchen.
Als wir wieder allein waren, sah Harry zu mir und lächelte. „Also?"
Ich nickte. „Sollen es denn eigene sein?" fragte ich ihn. Der Lockenkopf schmunzelte und seine Augen blitzten auf.
„Ich bin schwul, Louis. Wird schwierig mit eigenen Kindern."
Ich musterte ihn einen Moment, nickte dann. „Ja, ich weiß schon..." murmelte ich und war froh, als nur Augenblicke später die Kellnerin den Wein brachte und uns einschenkte.
„Auf unser Date?" fragte ich und er nickte, wir stießen an und ich trank das halbe Glas leer. Irgendwie war ich auf einmal schrecklich nervös und so atmete ich tief ein und aus, sah auf mein Glas und fuhr mit dem Finger am Rand entlang.
„Da du dich nicht zu trauen scheinst, möchte ich gern etwas sagen." sagte Harry in die eingetretene Stille und ich sah zu ihm.
„Ich hätte ohne mit der Wimper zu zucken an deiner Seite gestanden, vor und nach Grace's Geburt. Aber du hast mich nicht gelassen. Du hast mir nicht zugetraut, dass ich mit der Situation zurecht komme."
Seine Worte trafen mich und ich sah ihn mit großen Augen an. „So war das nicht." sagte ich leise und sein Blick wurde fragend. „Was war es dann?"
„E-es war anders. Ich hatte eine scheiß Angst vor allem. Bei mir ist...Ich dachte, du wirst irgendwann gehen, weil es zu viel ist. Und ich hatte so eine große Angst davor, dass du mich verlässt, dass ich lieber zuerst gegangen bin."
Harry zog die Augenbrauen zusammen und sah mich an, als würde er die Welt nicht mehr verstehen.
„Das ergibt doch überhaupt keinen Sinn." sprach er leise und ich nickte, spielte mit meinen Fingern. „Ich bin einfach wieder geflüchtet. Ich habe das sofort bereut, aber mich auch nicht getraut, dich um Verzeihung zu bitten. Das tue ich aber hiermit, Haz. Ich bitte dich, mir mein Verhalten zu verzeihen. Ich war, ich bin, überfordert mit der Tatsache, dass mein Leben jetzt so anders ist." erklärte ich ihm und sah ihn nicht an, zu groß war die Angst vor seiner Reaktion, vor der Zurückweisung.
Ich hörte sein leises Schnauben, weshalb ich ihn doch ansah.
Er schüttelte den Kopf. „Ich will glücklich mit dir sein, Lou. Das ist alles, was ich will. Bei dir sein, mit dir zusammen sein."
Ich schluckte, sah ihn weiter an und blieb stumm. Er schien auf eine Reaktion zu warten, wirkte enttäuscht, als sie nicht kam.
Harry lehnte sich zurück und sah sich suchend nach der Kellnerin um.
„Willst du gehen?" fragte ich ihn deshalb schnell und spannte mich an. Er sah sofort zurück zu mir und schüttelte schnell den Kopf. „Ich würde niemals gehen."
„Haz..." flüsterte ich, fixierte seinen Blick und hoffte, er würde jetzt nicht wegsehen. Er tat mir den Gefallen und ich schluckte.
„Ich will auch nie wieder weg..." gab ich zu und sah ihn weiter an. „Ich liebe dich noch immer."
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