»I'll come alone to a mob fight, swear none of this is born from spite (...)«
»I'll come alone to a mob fight, swear none of this is born from spite - any spark and I'll ignite« (I should stop with the long titles haha)
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O’Dowd hatte wahnsinnig viele Schlüssel an ihrem Bund und bis Sebastian den richtigen gefunden hatte, war seine Fahrerin bereits mit stotterndem Motor davongefahren. Er trat in den Hausflur, der holzverkleidet war und leicht nach Kohlsuppe roch, was Sebastian sich fast den Mottenkugelgeruch aus dem Auto zurückwünschen ließ.
Kaum hatte Sebastian die richtige Wohnungstür gefunden – es baumelte eine schwarze Katze aus Holz daran, die ihn Herzlich Willkommen ließ – klingelte sein Handy in seiner Jackentasche. Sebastian beeilte sich, den Anruf anzunehmen, bevor sämtliche Nachbarn durch den im Treppenhaus nachhallenden Klingelton auf ihn aufmerksam wurden.
Wenig überraschend meldete sich Moriarty, sein einziger Kontakt, am anderen Ende der Leitung: „Bist du da?“
Sebastian klemmte sich das Handy zwischen Ohr und Schulter und suchte nach dem richtigen Schlüssel, während er antwortete: „Ich stehe vor der Haustür.“ Er hatte den richtigen Schlüssel hervorgefischt; er passte ins Schloss und Sebastian konnte drehen.
„Gut. Dann tust du jetzt Folgendes-“
Sebastian hatte die Tür aufgestoßen und plötzlich rannte etwas Flinkes und Pelziges in Schwarz an ihm vorbei, gefolgt von zwei ebenso flinken und pelzigen Wesen in Grau. Überrascht stolperte er zurück und dabei fast über seine eigenen Füße, während er zusah, wie die Katzen sich im Haus aufteilten und dabei die Stufen hinauf oder hinunter rasten, als wäre der Teufel persönlich hinter ihnen her – was, wo Moriarty Sebastian hierher beordert hatte, vielleicht irgendwie stimmte. Langsam hob Sebastian das Telefon, welches er vor Überraschung an seine Brust gepresst hatte, wieder an sein Ohr und ignorierte Moriartys Worte, der noch immer redete: „Äh, gib mir kurz fünf Minuten.“
Moriarty unterbrach sich selbst. „Was ist passiert?“, fragte er mit warnendem Unterton und Sebastian konnte die finstere Miene, die er dabei machte, geradezu vor sich sehen.
„Fünf Minuten“, betonte er und legte dann auf, ehe Moriarty weiter nachfragen konnte. Eine der Katzen hatte die Richtung gewechselt und huschte an Sebastian vorbei ins Erdgeschoss. Er blickte ihr nach, steckte dann sein Handy weg und hinterfragte kurzzeitig seine gesamte berufliche Laufbahn. Dann gab er sich einen Ruck. „Bleib stehen!“ Sebastian setzte der Katze nach.
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Es dauerte beinahe zwanzig Minuten, alle Katzen einzufangen und zurück in die Wohnung zu verfrachten – einmal, als er die letzte der drei Katzen (die besonders bösartig fauchte und ihre Krallen an seiner Haut zu schärfen versuchte) in die Wohnung werfen wollte, rannten die anderen beiden einfach an ihm vorbei wieder nach draußen. Danach sperrte er sie in das Badezimmer. Dadurch lag dort zwar überall zerfetztes Toilettenpapier verteilt, aber es war immerhin nicht seine Wohnung und er könnte sich nicht weniger darum scheren, wie er sie hinterließ.
Nachdem er endlich, endlich die Wohnungstür hinter sich schließen und etwas zu Atem kommen konnte, rief er Moriarty zurück, der noch vor dem ersten Klingeln abnahm: „Muss ich dir sagen, in wie vielen Schwierigkeiten du steckst, Moran? Das ist dein Verständnis von fünf Minuten?!“
„Das war die Schuld dieser dämlichen Katzen, nicht meine! Hast du eine Ahnung, wie scharf ihre blöden Krallen sind?“
„Ich habe gerade weder die Zeit noch die Geduld für deine Ausflüchte. Hör mir jetzt ganz genau zu und beeil dich dieses Mal, verdammt nochmal: Ich will, dass du dir eine der Katzen schnappst und sie fotografierst. Am besten zeigst du auch dich und einen Teil der Wohnung.“
„Ist das dein Ernst? Du willst, dass ich ein Selfie mit einer Katze mache?“
„So wird O’Dowd am ehesten glauben, dass du in ihrer Wohnung warst.“ In Moriartys Stimme lag ein gereizter Unterton, aber Sebastian war noch immer skeptisch:
„Kann ich nicht einfach ein kurzes Video durch die Küche machen? Echt, du hast keine Ahnung, wie bösartig diese Katzen sind. Die eine hat mir beinahe ein Auge ausgekratzt.“
„Es geht nicht um O'Dowds Wohnung, sondern um ihre Katzen. Ich habe dir gesagt, wie sehr sie an ihnen hängt und sie braucht sie als Antrieb, uns sicher aus dieser ganzen Angelegenheit zu entlassen. Mach das Katzenselfie, Sebastian.“
Sebastian stöhnte leidvoll und näherte sich langsam der Badezimmertür, hinter der unheilvolles Poltern zu hören war. „Na schön. Aber wenn sie meine Halsschlagader zerfetzen, ist das deine Schuld.“
„Damit kann ich leben. Sei in einer halben Stunde beim Flughafen.“ Moriarty legte auf.
Sebastian versuchte für den Moment nicht zu hinterfragen, wie wahr Moriartys Aussage, er könne mit Sebastians Tod leben, sein mochte (immerhin hatte er noch in der Nacht eine geladene Waffe an Sebastians Stirn gehalten), sondern drückte nur langsam die Klinke herunter. Eine der Katzen schoss sofort an seinen Beinen vorbei ins Unbekannte der Wohnung, die zweite konnte er ergreifen, bevor sie es ihr gleichtat.
Bereits nach einer ersten Begegnung mit den Krallen der Katzen im Treppenflur hatte Sebastian seine eigentlich durch das Schussloch ruinierte Lederjacke angezogen, um sich zu schützen, aber die Ausgeburt der Hölle, die er da am Nacken gepackt hielt, schaffte es irgendwie ihre Pranke unter seinen Ärmel zu schieben und sich in seinem Handgelenk zu verhaken. Sebastian packte etwas fester zu und als Antwort darauf, bohrten sich auch die anderen fünf Krallen der zweiten Pfote in seinen Arm. „Du kleines Miststück“, zischte Sebastian. Die Katze blickte ihn aus riesigen Augen mit mondgroßen Pupillen an und fauchte einmal in sein Gesicht. Sebastian fauchte zurück. Davon ließ die Katze sich wenig beeindrucken.
Bevor sie ihm die Haut weiter zerfetzen konnte, hob Sebastian den Ballen grauer Wut in die Luft, zückte sein Handy und versuchte, mit seiner anderen Hand irgendwie ein Bild von sich und der Katze zu machen. Die Katze krümmte sich in seinem Griff und schlug nach dem Handy, wofür sie aufhören musste, Sebastian zu durchbohren, ihm aber auch beinahe das Handy aus der Hand fallen ließ. „Ich schwöre dir, ich breche dir das Genick“, presste Sebastian hervor, warmes Blut rann seinen Arm hinab und tropfte auf das helle Parkett zu seinen Füßen – großartig, dann durfte er also auch noch wischen, um keine Spuren zu hinterlassen.
Wie er Katzen hasste.
Irgendwie schaffte er es schließlich doch, ein Bild von sich und seiner neuen Erzfeindin zu machen – es war etwas verwackelt und Sebastian konnte nicht sagen, wer von ihnen beiden angepisster aussah. Aber es war ein Bild.
Sebastian schleuderte die Katze von sich, holte aus seiner Reisetasche das Handtuch, das durch seine nasse Kleidung ebenfalls feucht war, und wischte sein Blut vom Boden. Er sah sich einmal kurz um und erblickte aus einer dunklen Ecke funkelnde Augen, die ihn beobachteten, und einen schlagenden Schwanz, der sich bewegte wie eine Schlange.
Er warf das Handtuch zurück in seine Tasche und schloss sie mit einem Ruck. Dann blickte er sich in Richtung Dämon um: „Ich hoffe, ihr verhungert.“
Er blickte im Hinausgehen auf seine Uhr und beschloss, dass er nicht die Zeit hatte, auf ein Taxi zu warten. Stattdessen griff er in seine Tasche und zog wieder O’Dowds überdimensionalen Schlüsselbund hervor – zumindest ihr Autoschlüssel war einfach zu finden. Er hoffte, sie hatte keinen Ersatzschlüssel und ihr Auto würde ihm heute zur Verfügung stehen.
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Sebastian war kaum am Flughafen angekommen, da schickte Moriarty ihm eine Adresse, zu der er stattdessen fahren sollte. Er biss sich auf die Zunge, um Moriarty nicht anzufahren, weil er so dringend zum Flughafen hatte kommen sollen und dann doch wieder weggeschickt wurde. Stattdessen folgte er seinem Navi zu der Adresse, parkte den Wagen drei Straßen weiter und positionierte sich wie von Moriarty befohlen an einer Straßenecke.
Er stand direkt vor einem Kiosk, der Zigaretten verkaufte, und da seine restlichen Zigaretten noch immer auf dem Parkplatz vor dem Haus lagen, in dem Willard seinen Geburtstag gefeiert hatte, schien es ihm plötzlich unabdingbar, sich noch neue zu holen, bevor er Irland verlassen konnte.
Gerade als er sich eine der neu erstandenen Zigaretten angezündet hatte, sah er etwas, das ihm diese sogleich beinahe aus dem Mund fallen ließ – oder eher jemanden.
Medea lief die Straße entlang. Medea – wohlauf und finster dreinschauend wie Sebastian sie kennengelernt hatte und nicht tot – lief die Straßen entlang.
Natürlich hatte er gewusst, dass es Medea den Umständen entsprechend gut gehen musste, immerhin hatte sie mit Moriarty telefoniert. Aber er hatte eben doch nie selbst von ihr gehört und auch, wenn er nicht davon ausgegangen war, dass Moriarty ihn angelogen hatte, war es beinahe surreal, Medea hier wieder zu sehen. Auf offener Straße und ohne Begleitung und nicht mehr verschollen.
Der Part, dass sie ohne Begleitung war, ließ ihn aufmerksamer werden. Er versuchte, sein anfängliches übermäßiges Starren in Medeas Richtung mit einem betont gleichgültigen Blickschweif zu neutralisieren und bemerkte dabei, dass etwa zwanzig Meter hinter ihr ein Mann lief, der Medea etwas zu genau im Blick behielt und der die Schultern angespannt hatte und der sich immer wieder umsah, als würde er nach etwas suchen.
Sebastian nahm einen Zug von seiner Zigarette, blinzelte kurz in den stahlgrauen Himmel auf, und entdeckte dann zwei weitere Männer auf der anderen Straßenseite, die nebeneinanderliefen und immer wieder zu Medea sahen. Der eine ließ seine Hand dort an seiner Hüfte ruhen, wo Sebastian eine Waffe vermutete.
Beinahe hätte er geschmunzelt. Egal, wen O’Dowd da zur Überwachung von Medea geschickt hatte, sie waren definitiv keine Profis.
Medea war es schon. Sie musste ihn ebenso aus der Ferne gesehen haben wie er sie, aber ihre Miene betrog kein Anzeichen von Erkennen. Sie musterte ihn genauso lang wie man jeden fremden Menschen musterte, den man passierte, und dann lief sie an ihm vorbei.
Sebastian erlaubte es sich, ihr kurz nachzusehen – es hätte ebenso wegen ihrer neongrünen Haare sein können, die Sebastians Augen sicherlich nicht vermisst hatten. Dann lehnte er sich an die Gebäudewand gegenüber des Kiosks und rauchte seine Zigarette weiter.
Kurz darauf passierte auch der erste von Medeas Bewachern ihn; er schenkte Sebastian keinerlei Beachtung. Sebastian hingegen machte einen gewagten Schritt: Er trat ihm in den Weg und hielt ihm seine offene Packung Zigaretten hin. „Zigarette?“
Einen Moment blieb der Mann verdutzt stehen. Er war kleiner als Sebastian und etwas jünger und er verlor Medea nicht aus den Augen, sondern blickte ihr noch über Sebastians Schulter hinweg nach. Als Medea um eine Ecke verschwand und er sie nicht mehr sehen konnte, stieß er Sebastian unsanft von sich. „Lassen Sie mich!“
„Okay.“ Sebastian schenkte ihm ein langsames Lächeln, vermerkte sich, dass er eine Pistole auf der rechten Seite trug und sein linker Arm etwas langsamer war, als der rechte.
Der Mann schüttelte den Kopf über Sebastians Verhalten und eilte weiter. Sebastian zog unterdessen sein Handy hervor und rief Moriarty an. Er hob noch vor dem ersten Ton ab.
„War sie da?“, fragte Moriarty und es wunderte Sebastian kein bisschen, dass sein Boss bereits wusste, wieso Sebastian ihn anrief. Immerhin hatte er ihn hier positioniert.
„Eine Vorwarnung wäre nett gewesen.“ Sebastian zog an seiner Zigarette. „Soll ich ihr folgen?“
„Nein, ich weiß, wohin sie geht. O’Dowd hat den Treffpunkt in letzter Sekunde geändert. Wie viele Personen waren bei ihr?“
Sebastian ließ seinen Blick schweifen. „Ich habe drei gezählt, die sich sehr amateurhaft verhalten haben. Mindestens zwei von ihnen sind bewaffnet.“ Ein weiterer Zug und er ließ den Zigarettenstummel fallen, um ihn zu zertreten. Dabei fiel sein Blick auf eine Frau mittleren Alters auf einem Roller, die sich gerade ihren Helm aufsetzte, um dann kurz in die Richtung der anderen beiden Männer zu blicken, wie zufällig, die jetzt ungefähr auf gleicher Höhe mit Sebastian waren und der Frau auf wenig subtiler Weise zunickten. Und ihre Deckung für Sebastian sofort auffliegen ließen. „Eine vierte, die sich etwas besser angestellt hat, aber dämliche Kollegen hat“, zählte Sebastian also weiter für Moriarty auf.
„Ich gehe davon aus, dass die vier kein Problem für dich darstellen werden?“
Die Frau fuhr davon und bog in die gleiche Straße ein, in die auch Medea gebogen war. Die Männer taten es ihr kurz darauf nach – sie waren etwas größer als der Kerl, dem sich Sebastian in den Weg gestellt hatte, aber weniger athletisch gebaut. Stattdessen waren sie einzige Berge an Muskeln, was sie bereits beim Gehen langsamer machte. Sebastian grinste. „Nicht einmal der Ansatz eines Problems. Darf ich jetzt erfahren, wie der Plan lautet?“
Und dieses Mal weihte Moriarty ihn tatsächlich ein.
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Der Treffpunkt war ein eingeschlossener Innenhof, umgeben von Wohnhäusern. Es war kein idealer Treffpunkt: Geräusche hallten nach und der Platz war begrenzt. Doch zumindest schienen die meisten Wohnungen leer zu stehen und viele Bewohner dürften bereits auf der Arbeit sein, was bedeutete, dass, sollte Sebastian nicht für zu viel Aufsehen sorgen, es keinen Ärger geben dürfte.
Nun, zumindest keinen Ärger mit der Polizei; immerhin war er doch hier, um Ärger für Medeas Bewacher zu machen.
Als man ihm das Scharfschützenprogramm ans Herz gelegt hatte, da war Sebastian zunächst verunsichert gewesen; es war ihm wie die feigste Position in der Army vorgekommen, eine Stellung, die von Gegnern sowie teilweise von den eigenen Verbündeten verabscheut wurde. Er hatte nie der sein wollen, der sich irgendwo versteckte und aus dem Hinterhalt angriff, er hatte der sein wollen, dessen Gesicht das letzte war, das der Feind sah.
Aber er war gut im Schießen gewesen – genauer gesagt, war er sogar der beste Schütze der British Army gewesen – und er hatte sich der Herausforderung gestellt. Und dann hatte er bemerkt, dass er es falsch verstanden hatte: Es war keine Feigheit, kein Hinterhalt. Es war eine andere Art von Nervenkitzel, es war, sich immer wieder zu übertreffen, es war, den Widrigkeiten zu trotzen und eine Macht von oben oder aus den Schatten zu sein, der kaum jemand etwas entgegensetzen konnte; es war der Gedanke, dass, wenn es einen Gott gab, Sebastian seine Waffe in den Himmel richten und ihn aus den Wolken schießen könnte.
Er hatte nie bereut, Scharfschütze geworden zu sein – es war das, was ihn am besten kleidete und es war das, in dem er am besten war.
Das bedeutete allerdings nicht, dass er den Nahkampf jemals vernachlässigt hatte. Das bedeutete nicht, dass er keine Auseinandersetzungen mit blutigen Knöcheln und gebrochenen Knochen gehabt und gelernt hatte, auch dort der Überlegene zu sein. Das bedeutete nicht, dass er kein Ventil für all die gefühlte Hilflosigkeit oder Ohnmacht im Laufe seines Lebens gefunden hatte.
O’Dowd wollte ein Treffen und stattdessen würden Sebastian und ein Kampf auf sie warten.
Für den Moment wartete sie auf Moriarty, im Zentrum des Innenhofs.
Er wusste nicht, wie er sich O’Dowd vorgestellt hatte, aber er war verwundert, als er sie sah: Sie war sehr groß, beinahe so groß wie er selbst, und ihre blonden Haare waren von kleinen Zöpfchen durchflochten und fielen ihr über die Schultern wie ein Umhang aus Löwenfell. Sie stand aufrecht und selbstbewusst und an ihrer Hüfte hing ihre Waffe deutlich sichtbar neben ihrer Polizeimarke; diese Zuschaustellung war ziemlich ironisch, wo sie sich in der Verbrecherwelt einen Namen als korrupter Detective gemacht hatte. Insgesamt hatte sie etwas von einer Wikingerin und sie war deutlich jünger als Sebastian geschätzt hätte: vielleicht gerade Ende zwanzig.
Sie lächelte ihm entgegen, als Sebastian in den Innenhof trat, und breitete einladend die Arme aus. Hinter ihr stand Medea und warf so giftige Blicke in alle Richtungen, dass Sebastian mit Schaum vor dem Mund zu Boden hätte sinken müssen. Sebastian zwinkerte ihr grinsend zu und sie konzentrierte all ihre Todesblicke auf ihn. „Es freut mich, dich endlich hier zu treffen. Das war schon längst überfällig, nicht wahr, Moriarty?“ O’Dowd ließ ihre Arme sinken und aus den Schatten der Gebäude traten die vier, die Medea zuvor gefolgt waren. Sebastian sah den Moment, in dem der Mann, dem er in den Weg getreten war, ihn erkannte, und zwinkerte auch dem Überraschten zu.
„Niedlich, dass du denkst, er würde sich dazu herablassen, selbst hierher zu kommen“, wandte er sich dann an O’Dowd, deren Mimik sich bereits bei den ersten Tönen seiner Stimme verfinsterte – er klang eben ganz und gar nicht wie Moriarty und selbst eine Frau, die bisher nur mit ihm telefoniert hatte, dürfte dadurch erkennen, dass er nicht der Erwartete war.
„Es war nicht abgemacht, dass er jemand anderen schickt.“
Sebastian hob die Schultern und streckte dann seine Arme, ließ seine Fingerknöchel knacken. „Ja, naja, es war immerhin auch abgemacht, dass ihr beide euch allein trefft, richtig? Ich rechne es dir an, dass du mittlerweile weißt, dass man in diesem Business auf keine Abmachungen vertrauen darf.“
O’Dowd knirschte sichtbar mit den Zähnen und blickte sich zu Medea um, der, wie Sebastian bei genauerem Hinsehen bemerkte, Handschellen um die Hände gelegt worden waren und deren Beine mit Kabelbinder zusammengeschnürt waren (was übertrieben wirkte, aber Sebastian konnte sich vorstellen, dass es aus einem Fluchtversuch seitens Medea veranlasst worden war). Kein Wunder, dass sie so angepisst dreinsah; es musste unglaublich demütigend sein, wie Ware auf einem antiken Sklavenmarkt zur Schau gestellt zu werden. Sebastian sah erneut zu Medea und versuchte, ihr zu verstehen zu geben, dass, wenn ihr funkensprühender Blick ihre Fesseln nicht bald schmelzen würde, er ihr gleich aus der Patsche helfen würde. Er wusste nicht, ob Medea das verstand, denn sie verdrehte nur scheinbar genervt die Augen.
„Ich hoffe, du hast dann wenigstens meine versprochene Bezahlung dabei. Ohne die könnt ihr euren Rückflug nämlich vergessen.“ Sebastian richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf O’Dowd, die demonstrativ die Arme vor der Brust verschränkte. Neben ihr hatten ihre Begleiter die Hände an den Waffen.
Sebastian summte nachdenklich und legte den Kopf schief. „Weißt du, die Sache ist die: Er zahlt wirklich, wirklich ungern Erpressungsgeld, weil, naja, es Erpressung ist. Aber er lässt mich ausrichten, dass er dir diese unverschämte Forderung verzeiht, solltest du Medea und mich friedlich gehen und uns den Flieger nach England nehmen lassen.“
O’Dowd lachte auf. „Niedlich, dass du denkst, ich würde mich dazu herablassen.“ Sebastian setzte ein kaltes Lächeln auf, als sie ihn nachahmte, obwohl ihm sehr danach war, die Sache kurz zu halten und ihr eine Kugel durch den Schädel zu jagen. Aber Moriarty hatte ihn ermahnt, dass sie nur unversehrt von Nutzen sein würde. „Aber weißt du, so laufen Geschäfte nicht. Entweder ich sehe mein Geld oder Moriarty bekommt demnächst die Köpfe zwei seiner Angestellter statt eines Tickets nach London.“
„,Oho. Hast du das gehört, Medea?“ Sebastian blickte zu Medea, die die Mundwinkel noch unzufriedener nach unten gezogen hatte. Es verwunderte ihn, dass sie bisher nichts gesagt hatte. Vielleicht war ihr nicht danach, sich in die Szenerie einzumischen und die Stimmung noch weiter kippen zu lassen. „Sie will unsere Köpfe verschicken. Meinst du, das geht per Expresslieferung?“
„Ich hätte gern, dass du selbst mal auf Expresslieferung machst und dich etwas beeilst“, war Medeas Antwort mit dunkler, unheilschwangerer Stimme.
„Okay, du hast natürlich Recht.“ Sebastian wandte sich wieder an O’Dowd, deren Lächeln wieder erloschen war. Auch er ließ die Maske fallen. „Das Geschäft ist hiermit abgeblasen.“
Er zog seine Pistole – frisch mit Silencer versehen – und erschoss die beiden, die am nächsten bei O’Dowd standen: die Frau und einen der beiden Muskelberge.
Die anderen beiden reagierten schnell und zogen ebenfalls ihre Waffen und auch O’Dowd tastete nach der Pistole an ihrer Hüfte, aber sie waren nicht schnell genug für Sebastian. Er war in Sekundenschnelle bei ihnen, verpasste dem anderen Muskelberg einen Kinnhaken, dass der wie ein Brett nach hinten fiel, und drehte sich im selben Atemzug, um O’Dowds Waffe selbst aus dem Holster zu greifen und wegzuschleudern. O’Dowd schlug nach ihm und es war ein guter Schlag, aber Sebastian konnte ihn leicht mit dem Unterarm abfangen. O’Dowds letzter Begleiter versuchte indessen an ihr vorbei freies Schussfeld auf Sebastian zu erlangen und als das nicht funktionierte, richtete er seinen Blick stattdessen auf Medea, die sich in weiser Voraussicht als Schutz vor vom Weg abgekommene Kugeln zu Boden sinken lassen hatte und fluchend an ihren Handschellen zerrte.
Sebastian packte O’Dowd bei ihrem Wikingerhaar und zerrte sie zur Seite, woraufhin O’Dowd einen erstickten Schmerzenslaut von sich gab. Sebastian achtete nicht auf sie, sondern stieß sie zu Boden und vollführte einen Hechtsprung in Richtung des Mannes, der gerade im Begriff war, seine Waffe auf Medea zu richten.
Sie gingen zusammen zu Boden und ein Schuss löste sich. Da niemand aufschrie und er selbst keinen Einschlag gespürt hatte, hoffte er, dass niemand getroffen worden war, der nicht getroffen werden sollte, und dass der Schuss und sein Echo nicht sogleich halb Dublin auf den Plan rufen würden.
Der Mann versetzte ihm einen Schlag in die Nieren und Sebastian schluckte einen Fluch und einen Anflug von Übelkeit herunter, packte den rechten, dominanten Arm des Mannes und drehte ihm diesen auf den Rücken, ehe er sich herumwälzte, sodass er den Mann unter sich beim Kragen packen konnte, um ihm dann eine Kopfnuss verpasste. Die Augen des Mannes verdrehten sich leicht nach hinten und Sebastian wollte ihm gerade den Rest geben, als Medea seinen Namen rief.
„Links von dir!“
Sebastian konnte gerade noch rechtzeitig zur Seite rollen, dann schlug auch schon ein Schuss in den Stein neben ihm ein. Er richtete sich neben Medea wieder auf, die noch immer fluchend an ihren Handschellen zerrte. „Erschieß ihn einfach, du Trottel!“, fuhr sie ihn an. Sebastian war zu beschäftigt damit, einem weiteren Schuss aus O’Dowds Richtung um Haaresbreite zu entkommen. Medea rollte sich zu einer möglichst kleinen Zielscheibe zusammen und Sebastian ließ sich zu Boden fallen und rutschte auf den Knien an O’Dowd heran, die ihn erneut nur knapp verfehlte. Bevor sie einen vierten Schuss abgeben konnte, griff Sebastian nach ihrer Waffe, packte sie am Arm und drehte ruckartig ihr Handgelenk nach hinten. Es knackte laut und O’Dowd schrie auf, sank auf die Knie.
Neben ihm rollte der Mann sich langsam auf den Bauch, um aufzustehen, aber Medea robbte zu ihm heran und trat ihm mit ihren schweren Boots unerwartet gegen den Kopf, sodass er sogleich wieder zusammensackte. Sebastian griff nach seiner eigenen schallgedämpften Waffe und erschoss den am Boden Liegenden kurzerhand, wie Medea es zuvor von ihm verlangt hatte.
O’Dowd nutzte den Moment unterdessen aus, um mit ihrer gesunden Hand nach einem Funkgerät an ihrer Brust zu greifen und schnell hineinzusprechen: „Hier O'Dowd. Ich brauche dringend Unterstü-“ Sebastian nahm sich ein Beispiel an Medea und trat nach ihr. Er traf sie an der Schulter und nahm ihr somit ihre Stütze; als sie instinktiv ihre gebrochene Hand ausstreckte, um den Fall aufzufangen, schrie sie erneut und schlug hart mit dem Oberkörper auf dem Asphalt auf. Sebastian riss ihr das Funkgerät von der Brust und schleuderte es gegen die nächstbeste Wand, wo es in seine Einzelteile zersprang.
Er wandte sich O’Dowd zu: „Wo sind die Schlüssel für die Handschellen?“
O’Dowd wimmerte nur auf und hielt sich das Handgelenk. Sebastian trat einen Schritt vor, vielleicht um sie zu packen und zu schütteln, bis der Schlüssel zu Boden fiel, da meldete sich Medea hinter ihm wieder zu Wort: „In ihrer linken Jackentasche.“
Er drehte O’Dowd unsanft auf die Seite (sie hielt ihre Hand schützend an den Bauch gepresst und wäre deshalb beinahe darüber gerollt) und griff in ihre Jackentasche, in der er tatsächlich die Schlüssel fand. Er nahm sie an sich und lief damit zu Medea, die noch immer auf dem Boden saß und ihm auffordernd die Hände hinhielt. „Wieso hast du sie nicht gleich erschossen?!“, fauchte sie dabei und Sebastian gab sich große Mühe, möglichst unbeeindruckt von ihrer Wut zu sein. „Nur, weil du unbedingt deine Fäuste benutzen wolltest, bist du ein völlig unnötiges Risiko eingegangen! Man könnte meinen, du denkst nicht nach!"
Kaum waren ihre Hände frei, riss sie Sebastian seine Waffe aus der Hand und feuerte auf den Muskelberg, den Sebastian zuvor durch einen Kinnhaken ausgeschalten hatte: „Und dann lässt du auch beinahe noch einen Zeugen leben! Wirklich, Sebastian, hast du dein Gehirn gegen einen Batzen Putengeschnetzeltes eingetauscht?!“
„Ich habe dich gerade aus der Gefangenschaft gerettet. Ein ‚Dankeschön‘ wäre vielleicht angemessen.“ Sebastian biss die Zähne zusammen und versuchte, seinen Zorn irgendwo in seine Magengrube zu drücken. Medea entfernte die Fußfesseln selbst; sie schnaubte ob seiner Worte nur abfällig.
Sebastian wandte sich demonstrativ von Medea ab und wieder O’Dowd zu, welche sich gerade mit verzerrtem Gesicht aufrichtete. Er ließ Medeas Handschellen um seinen Finger kreisen und blickte bezeichnend auf O’Dowds Handgelenke, woraufhin diese ihr gebrochenes noch näher an sich zog und blass wurde. Sebastian beschloss, die Spielchen sein zu lassen und ließ die Handschellen in seiner Jackentasche verschwinden.
„Wenn ihr mich tötet“, presste O’Dowd da hervor, „werdet ihr nicht von hier wegkommen. Der Flieger hebt nur ab, sollte ich wohlauf sein.“
Sebastian hob die Schultern. „Das haben wir uns bereits gedacht. Deshalb wirst du uns nach London begleiten.“
O’Dowd wich einen Schritt zurück. „Was?“
Sebastian hob einen Mundwinkel. „Ein wenig mehr Begeisterung darfst du ruhig zeigen. Außerdem darfst du mir auch verraten, wo deine Leute auf dem Flughafen verteilt sind. Wir wollen ja in keine Hinterlist geraten, nicht wahr?“
O’Dowd schüttelte den Kopf. „Ich muss euch nicht helfen. Ihr könnt mich nicht töten, weil ich euer einziger Weg zurück nach England bin. Das heißt, ich habe noch immer die Oberhand.“
„Ich könnte dir noch das andere Handgelenk brechen“, bot Sebastian an und O’Dowds Gesicht nahm dieses Mal einen leicht grünlichen Ton an. „Oder ich könnte das einzige in die Luft sprengen, das dir in deinem erbärmlichen Leben etwas bedeutet.“ Er zog sein Wegwerfhandy hervor und wedelte damit in der Luft herum. Ob O’Dowds verwirrten Gesichtsausdruck entsperrte er den Bildschirm und warf ihr das Handy zu, das sie ungeschickt mit einer Hand auffing, um sich das Bild zu besehen, welches Sebastian aufgerufen hatte: das Selfie mit einer ihrer grässlichen Katzen in ihrer Wohnung.
Sebastian sah, wie O’Dowd sich fest auf die Lippe biss, dann warf sie ihm sein Handy vor die Füße; der Bildschirm zersplitterte, aber Sebastian würde es bald sowieso nicht mehr benötigen. Unbeeindruckt bückte er sich also danach und schob es zurück in seine Jacke. „Du hast eine Bombe in meiner Wohnung platziert?“
Um Sprengstoff zu besorgen, war wirklich nicht genügend Zeit gewesen und auch nicht dafür, dass Sebastian eine Bombe in der Wohnung platzierte (Himmel, er hatte schon so lang gebraucht, diese blöden Katzen wieder einzufangen – jetzt fragte er sich, wieso er das überhaupt getan hatte), zumal das nicht gerade sein Fachgebiet war. Aber das wusste O’Dowd ja nicht. Sie kannte vermutlich nur Moriartys Ruf und das, wozu er imstande war und das würde hoffentlich ausreichen, um die Drohung glaubhaft zu machen.
Sebastian lächelte schmallippig. „Den Zünder habe natürlich nicht ich, sondern der Boss. Du wolltest ihn doch treffen. Ihr könnt euch auf dem Flug nach London sicher gut kennenlernen.“
O’Dowd sah aus, als würde sie sich doch lieber das zweite Handgelenk brechen lassen. Sebastian konnte sie verstehen: Jetzt war sie in Moriartys Netz gegangen und sie musste wissen, dass es daraus kein Entkommen gab.
Sie war jetzt in den Händen des Teufels.
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Hellooo
Tut mir leid, dass ich das zweite Kapitel letztens einfach vergessen habe - irgendwann werde ich lernen, mir Erinnerungen hierfür zu stellen ':)
Erst einmal gibt es aber ein wenig Sebby-Power - bei solchen Szenen merke ich, dass ich mit Marvel- Filmen aufgewachsen bin. Es macht einfach solchen Spaß, Kampfszenen zu schreiben und das hier ist das erste Buch, in dem ich das so richtig ausleben kann. Ich hoffe, ich bringe es einigermaßen gut herüber :D
Ich bin jetzt erst einmal auf dem Weg, um die Störtebeker-Festspiele anzuschauen. Vielleicht bekomme ich da ja noch ein wenig mehr Inspiration, sodass ich hoffentlich ganz viel schreiben werde ^^
Bis dahin wünsche ich euch allen eine entspannte Woche und würde mich freuen, euch in den Kommentaren zu lesen!
Bye Bye! :)
~ Tatze.
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