Tag 73 ~Vormittag
„Du hast ihm wie viel gegeben?", rief Thoran und schlug mit einer Faust gegen die Scheibe. „Das ist viel zu wenig, ich hätte ihm mehr versprochen." Wieder schwieg er, während er seinem Geschäftspartner beim Sprechen zuhörte. „Ja, ich verstehe das... nein... ja."
Da läutete das Telefon in seinem Büro und er seufzte auf. „Wir sprechen nachher weiter." Dann legte er auf und drückte auf den blinkenden Knopf, um den Anruf seiner Sekretärin entgegen zu nehmen.
„Brienna, was gibt's?", fragte er und rieb sich müde über die Stirn. Er war einfach jetzt am Vormittag bereits zu müde und fragte sich unwillkürlich, wie er den Rest des Tages überleben sollte. Der einzige Lichtblick war Fae. Sie und ihr Team hatten mittlerweile das Corporate Design abgeschlossen und das Ergebnis war absolut sehenswert. Nicht nur, dass sie es in so kurzer Zeit geschafft hatten, auch, dass Fae seinen Vater überzeugen konnte, war bemerkenswert.
In seinen Augen zeigte das Logo die Zusammenarbeit und das Gelingen und wenn man ein Kompliment von Thomas Flux bekam, dann fühlte man sich einfach geehrt. Er sollte ich langsam echt von der Einladung seines Vaters erzählen, der endlich die Freundin seines Sohnes bei einem Essen kennenlernen will, aber bis jetzt hatte er das noch verschieben können.
„Hier ist jemand, der mit Ihnen sprechen will, Sir. Ein gewisser Mr. Sánchez."
Thoran stieß die Luft aus und setzte sich auf seinen Stuhl, der aus edlem schwarzen Leder bestand und schlug eine Akte auf. „Schick ihn rein," sagte er wie nebenbei und die Tür ging auf, doch anders, als er erwartet hatte, kam nicht Thiago, sondern Joaquin durch die Tür und Thoran zog missmutig eine Augenbraue hoch.
„Was willst du?", fragte er und in ihm kam die Eifersucht hoch, wenn er daran dachte, dass er mit Fae verlobt gewesen ist, weshalb auch die Frage mehr gezischt war, als alles andere und Joaquin eine Augenbraue hochzog. Vor kurzem hatte sie ihm gestanden, dass das, was sie jetzt für Joaquin empfand keine Liebe war, aber er ihre erste große Liebe gewesen ist und sie ihn nie vergessen würde und er hatte es verstanden. Anhand von Natalias Beispiel hatte er es verstanden. Denn er würde sie auch nie vergessen können.
Soweit er wusste, hatte Natalia ihre Modelinie jetzt offiziell vorgestellt und wurde in den Medien gefeiert. Sie hatte ihn nicht mehr kontaktiert und Thoran hoffte, dass sie ihn endlich in Ruhe lassen würde.
Der Spanier kam weiter auf ihn zu und Thoran bemerkte die dunklen Ringe unter den Augen und die Müdigkeit, die er ausstrahlte. „Darf ich mich bitte setzen?", fragte er und ignorierte die Frage seines Gegenübers und Thoran nickte.
„Natürlich, ich entschuldige mich wegen meinem Ton." Joaquin nickte nur und strich sich durch die Haare. „Ehrlich gesagt, ich brauche deine Hilfe," begann er zögernd und Thoran begegnete mit gemischten Gefühlen seinen Blick. Wieso sollte er, Joaquin Sánchez, erfolgreicher Sänger und Schauspieler, etwas von ihm brauchen?
Aber vielleicht hatte es etwas mit Fenris Nikaelson zu tun, vielleicht brauchte er seine Hilfe ja wirklich. Umso mehr er darüber nachdachte, umso logischer erschien ihm diese Schlussfolgerung. Immerhin sah er total erledigt aus.
„Also gut," sagte Thoran schließlich. „Erzähle."
„Vor einigen Wochen habe ich meinen Fotografen gefeuert und Fenris Nikaelson eingestellt. Er hatte einen tollen Lebenslauf, bereits für meinen Bruder fotografiert und die Rückmeldungen von allen waren toll. Also habe ich ihn eingestellt. Vor einer Woche war ich in einer Bar und habe eine junge Frau kennengelernt. Sie hatte blondes Haar und blaue Augen und nein, sie ist nicht Fae. Von hinten sieht sie ihr nur wirklich extrem ähnlich. Sie hat mich abgefüllt und wir sind in einem Hotel gelandet." Als er Thorans Blick begegnete, lächelte er leicht, aber es war kein glückliches, sonder vielmehr ein zerstörtes Lächeln, als würde all das keinen Sinn mehr machen. „Glaub mir, du willst das wissen. Was ich nämlich nicht wusste ist, dass sie alles aufgenommen hatte und ich war schon so weg und habe es nicht mitbekommen. Später habe ich erfahren, dass Fenris sie auf mich angesetzt, sie bezahlt hat um mit mir zu vögeln und erpresst mich seitdem mit dem Videomaterial."
„War sie eine Prostituierte?", fragte Thoran, der den Zusammenhang nicht verstand. „Wie kann er dich erpressen?"
„Sie ist keine Prostituierte, aber ich habe ja erwähnt, dass sie wie Fae aussieht, oder? Ich meine... die Haare sind praktisch gleich und von hinten... sieht es auf dem Video so aus, als würde ich mit meiner Ex-Verlobten schlafen und sie dich betrügen, aber dem ist nicht so," fügte er schnell hinzu.
„Also, nur damit ich das richtig verstehe: Du hast mit einer Frau geschlafen, die aussieht wie Fae?"
Joaquin nickte. „Nur im Entferntesten vom Gesicht und Körperbau her, aber ansonsten, ja. Und frag jetzt nicht, was mein betrunkenes Unterbewusstsein von mir will, ich habe nämlich ehrlich gesagt keine Nerven um mich damit auseinanderzusetzen."
„Sie ist keine Prostituierte?"
Der Sänger schüttelte den Kopf.
„Wieviel hat Fenris schon verlangt?"
„Zu viel. Aber ich kann nicht aufhören, das kann ich nicht tun, ich kann Faes Leben nicht wieder über den Haufen hauen. Wir wissen beide, dass sie das nicht verkraften würde. Aber ich bin auch nicht mehr bereit, diesen Betrag zu zahlen. Ich will einfach nur das es aufhört und ich vertraue meinem Bruder zu wenig. Er würde an die Öffentlichkeit gehen. Aber von dir weiß ich, dass du das tun würdest, was für Fae am besten wäre. Und ich will nur, dass es ihr gut geht."
„Wieso warst du in der Bar?", fragte Thoran und legte die Stirn in Falten, stützte sein Kinn auf seinen Händen auf und die Ellbogen auf dem Mahagonitisch. Hinter ihm fiel die helle Vormittagssonne herein und seine Gedanken schweiften ab, als Joaquin überlegte und unruhig auf dem Ohrensessel, auf dem er saß, hin und her rutschte.
„Der Tag, an dem ich mich in der Bar betrunken habe, ist der Tag gewesen, an dem ich vor drei Jahren Fae einen Antrag gemacht habe," sagte er schließlich mit schwerem Herzen und wartete gespannt auf die Reaktion seines Gegenübers, doch Thoran ließ sich nichts anmerken, überlegte nur, ob ihm etwas an Fae aufgefallen ist, was anders gewesen wäre, als sonst.
Wie hatte sie sich vor einer Woche verhalten? Doch dann erinnerte er sich, dass es noch in der Zeit war, in der sie sich angeschwiegen hatten und auch die Zeit, in der sie ihre Einweihungsfeier gefeiert hatte.
Was sollte Thoran jetzt also machen? Immerhin würde er, wenn er Joaquin ohne Hilfe zur Tür raus lässt, eventuell Faes emotionalen Zustand nur wieder zerstören. Und damit auch seinen.
Und auch wenn er Joaquin nicht mochte war es doch das mindeste, was er tun konnte. Er half Fae, auch Joaquin, aber vor allem Fae, zumindest redete er sich das ein.
Und mit Erfolg. „Also gut, wie kann ich dir helfen?", fragte er schließlich und lehnte sich in seinem Stuhl zurück.
„Zu allererst möchte ich dich um einen Gefallen bitte," begann er und setzte sich aufrechter hin. „Kein Wort, unter keinen Umständen, zu Fae Gilbert."
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