Tag 40 ~Nacht

Der Flieger flog bereits seit zwei Stunden durch die Luft und doch hatten Fae und Thoran noch kein Auge zugemacht.

Fae, weil sie den ganzen Nachmittag verschlafen hat und Thoran, weil er nicht anders konnte, als alles zu überdenken.

Er hatte seine Chance verspielt jemals das Geheimnis zu erfahren, denn in weniger als vier Tagen würde Fae wieder zurück in Massachusetts sein. Er mümmelte sich wieder in die Decke und schaltete seinen Laptop ein, ging sofort auf die Website der Nachrichten und klickte sich durch. Zuerst durch die Nachrichten, dann die Aktienkurse der Firma und so weiter, ehe er schließlich auf der „Gossip" Seite landete, auf der gerade ein Interview life gestreamt wurde, doch noch ehe er es näher betrachten konnte, unterbrach ihn Fae, die die ganze Zeit geschwiegen hatte, seit sie das Hotel verlassen hatten. Was verständlich war, denn sie musste sich, so wie er sie einschätze, für ihr Verhalten ziemlich schämen. Außerdem hatte sie erfahren, dass ihr Ex sie selber betrogen hatte. Genauso wie Natalia ihn. In seinem Herzen wurde es warm. Es konnte nicht so schlimm gewesen sein, vielleicht hatte Joaquin Fae verlassen, weil er sie betrogen hatte. Krampfhaft versuchte er die Tatsache, dass sie gesagt hatte, dass es ihre Schuld war, auszublenden, doch es kam ihm immer wieder dazwischen.

„Hörst du mir eigentlich zu, Thoran?", fragte Fae und verschränkte die Hände vor ihrer Brust, dort wo Thoran sie die ganze Zeit angestarrt hatte. „Meine Augen sind hier oben."

„Aber da unten sitzen auch zwei..."

„Thoran. Ich habe dich was gefragt."

„Entschuldigung, könntest du das bitte wiederholen?" Er lächelte leicht und zog einen Mundwinkel hoch. „Ich wurde abgelenkt."

Fae verdrehte nur die Augen und hielt dann eine Zeitschrift hoch. „Ich hab hier einen ziemlich interessanten Artikel. Über die Verarbeitung von Trauer. Besser gesagt die fünf Phasen der Trauer."

„Und du glaubst du kannst einen auf Möchtegernpsychiater machen und mich analysieren wie so ein Häschen, Pornosternchen? Nachdem du mir deinen Traum gebeichtet hast."

Sie zog nur eine Augenbraue hoch, fuhr aber fort. „Hör mir einfach einmal zu, Thoran. Also, die erste Phase ist Verweigerung. Hast du das irgendwie... erlebt."

Thoran zog eine Augenbraue hoch, spielte aber mit. „Wenn du damit meinst, dass ich es nicht glauben konnte, mich immer wieder gefragt habe, warum und dass das unmöglich war, dann ja."

Sie nickte nur und legte ihre Stirn in Falten. „Wut?"

„Oh ja. Ich habe die gesamte Dekoration zerstört, einen Stuhl zertrümmert und den Hochzeitskuchen in mein Apartment liefern lassen und ihm vom Balkon geschmissen."

Fae beugte sich interessiert vor. "Du wohnst doch in einem Penthouse." 

Thorans Gesichtsausdruck veränderte sich nicht, sondern blieb ruhig. Still verschränkte er die Hände vor der Brust. Die Erinnerung an diesen... Vorfall war ihm nur allzu gut in Erinnerung. Die wunderschöne Torte, die er nicht angeschaut, sondern sofort vernichtet hatte. "Eben." 

Fae legte ihre Stirn in Falten, aber beließ es dabei. „Ok, Verhandlung?"

„Wenn du damit meinst ihr kitschige Nachrichten zu schreiben? Ja, eine einzige. Aber dann hab ich eine alte Freundin angerufen, zu mir eingeladen, sie dazu gebracht sich in ihren E-Mail Account zu hacken und die Nachricht löschen lassen. Und ja, dann hatten wir Sex."

„Depression?"

„Ich hab mich anschließend für drei Wochen in mein Apartment mit Pornos eingesperrt. Beantwortet das deine Frage?"

Fae schluckte und ihre Stimme zitterte, als sie schließlich das letzte Wort vorlas. „Akzeptanz."

Auch Thoran zögerte jetzt und fuhr sich durch die dunklen Haare, versuchte den Blick in ihre Augen zu vermeiden. „Ich glaube ich bin am besten Weg über sie hinwegzukommen. Immerhin... vermisse ich sie nicht mehr..."

„Was ist dann das Problem?"

„Ich werde dich mehr vermissen, als ich sie jemals könnte, Fae." Er hatte es ohne nachzudenken gesagt und ihre geweiteten Augen verrieten ihm, dass sie nicht damit gerechnet hatte. Sie kannten sich jetzt fast zwei Wochen und beide wussten, dass in diesen beiden Wochen mehr passiert war, als jemals einer von ihnen gedacht hätte. Doch dieser Urlaub, diese Zeit hatte ein natürliches Ablaufdatum. Und das war eben bald, viel zu bald. Sie würden sich nie wieder sehen, wenn es das Schicksal so wollte, nie mehr würden Fae in Thorans Augen sehen und er würde sie nie wieder Pornosternchen nennen. Dabei würde sie den Namen fast vermissen. 

„Oh."

„Ja, oh." Er sah sie unruhig an, knackste mit den Knöcheln und legte den Kopf schief, wartete auf eine Antwort.

„Ich werde dich auch vermissen, Thoran," flüsterte sie. „Und ich will dich immer noch, Thoran. So sehr."

„Wir haben noch vier Tage Zeit, Pornosternchen. Und du schuldest mir einen dieser Abende."

„Ich weiß, wo willst du hingehen?"

Thoran lächelte nur zweideutig und krempelte sein Hemd hoch. „Überlass das Planen mir. Und Fae, sorry wegen gestern Nachmittag. Ich wollte nur sagen... ich wollte dich so sehr, aber nicht so. Du warst vollkommen weg."

„Ich weiß, es tut mir leid."

„Nein, ich wollte nicht... ich wollte nicht, dass du dich nicht begehrenswert fühlst, das bist du, ich wollte nur..."

„Thoran." Fae legte ihre Hand auf seinen Oberschenkel und er verstummte, als ihre Berührung ihm einen Stromschlag verpasste. „Ich verstehe schon." Sie lächelte leicht und ließ sich dann wieder in ihren Sessel zurücksinken. „Du weißt schon, dass Economyclass auch gereicht hätte, oder? Ich meine, ich kann mir First Class leisten, aber trotzdem."

Thoran schnaubte nur. „Fae, du bist selber wie groß? Einen Meter achtzig? Ich bin fast einen Meter fünfundneunzig. Ich quetsche mich sicher nicht in einen dieser Sitze."

„Auch wieder war." Ihre Mundwinkel zuckten und sie stöpselte sich ihre Ohrenstöpsel in die Ohren und schloss die Augen. Auch Thoran lehnte sich zurück und sah sich jetzt endlich das Video an.

Joaquin enthüllt Geheimnis um seine Trennung

Für mehr als fünf Minuten starrte Thoran auf das Video und versuchte zu überlegen, was er jetzt tun sollte. War das Schicksal? Vorher hatte er noch darüber gerätselt, wie er das Geheimnis herausfinden würde und jetzt das. Mit zitternden Fingern klickte er den Link an und wartete bis das Video geladen hatte.

Willkommen zurück, meine Damen und Herren, bei mir zu Gast ist der Sänger Joaquin Sánchez, der gerade durch ganz Amerika tourt. Joaquin, es ist mir eine Ehre."

„Mir eine noch viel größere. Es freut mich unglaublich hier zu sein."

„Also gut, Joaquin. Was halten sie so weit von Los Angeles. Haben Sie bereits Engel getroffen?"

„Nur einen, auch wenn es mehr eine Fee war."

„Wie meinen Sie das?"

„Nun ja, vielleicht kennen Sie Hada, mein Lied, Robert, hada bedeutet übersetzt Fee, doch habe ich damit nicht die bildliche Fee gemeint, sondern meine ehemalige Verlobte."

„Sie haben für ihre Verlobte ein Lied geschrieben?"

Joaquin starrte direkt in die Kamera, seinem Gesicht waren keine Regungen zu entnehmen.

„Ja, ich habe ihr damit einen Antrag gemacht."

Ein Flüstern ging durch das Publikum, gemeinsam mit Applaus.

„Aber es hat nicht lange gehalten, oder?"

„Zwei Jahre, John."

„Aber trotzdem habt ihr euch getrennt und bis heute weiß niemand genau wieso."

„Nun ja, es gab damals viele Gerüchte, dass Fae den Druck nicht aushielt, war wahrscheinlich die bekannteste These, gefolgt davon, dass sie mich betrogen hatte, dass sie ein Sextape von uns gedreht hatte und es drohte zu veröffentlichen, so viele. Und trotzdem gab es nie wirklich Theorien, dass ich die Schuld haben könnte."

Im Saal war es ganz still geworden, jeder, sogar John Singer hing an seinen Lippen, doch als Joaquin nicht weitersprach, fragte er schließlich nach. „War es denn ihre Schuld?"

„Ich... weiß nicht, wie viel ich hier erzählen darf, ohne dass meine Manager mich fressen, aber einen Teil darf ich offenbaren: Unsere Beziehung war nicht immer einfach gewesen und als ich einen Auftritt in Mexico hatte... nun ja... es war eine Frau involviert und Fae war nicht beteiligt."

Thoran drückte auf Pause und schaute zu Fae hinüber, die aus dem Fenster schaute. Joaquin hatte es gerade geschafft, sich und Fae in die Nachrichten zu katapultieren, ohne zu wissen, wie sehr er Fae dabei verletzt hatte. Er wusste bereits von dem Betrug, deswegen war es nichts Neues für ihn und auch das Geheimnis, das ach so umschwiegene Geheimnis, war nicht gelüftet worden. 

Thoran spürte die Wut in seinem Bauch und versuchte mit einem Atemzug durch die Nase diese unter Kontrolle zu halten. Verdammte Scheiße, er hatte Joaquin extra noch gesagt, dass er die Öffentlichkeit vermeiden sollte, wenn es um eine Sache zwischen ihm und Fae ging, doch dieser hatte nur gelacht und ihn mit funkelnden Augen angestarrt. Genau den Blick, den er jetzt auch gerade im Interview in den Augen gehabt hatte. Er führte etwas im Schilde. 

Und jetzt gerade hatte er es geschafft, Fae erneut zu verändern. Obwohl sie fast keinen Kontakt mehr hatten, beeinflusste er dennoch ihr Leben.  


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