Kapitel 15: Das Schicksal ist ein mieser Verräter
Liebes Tagebuch,
ich weiß nicht was ich sagen soll. Eigentlich wollte ich heute etwas über meinen morgigen Geburtstag schreiben, aber mein Arztbesuch gestern in der Klinik in Sendenhorst hat alle meine Pläne überfahren. Nicht nur für heute, sondern auch für nächste Woche und für eine unbestimmbare Zeit danach. Aber alles von Anfang: Ich war gestern wie immer alle drei Monate zur Kontrolle in der Rheumaklinik in Sendenhorst, bei der ich schon seit sieben Jahren bin. Ich hatte einen normalen Kontrolltermin erwartet, wie wir ihn schon seit ca. 4 Jahren nur noch haben: Hinfahren, warten, Untersuchung, der Arzt sagt alles bestens und wir gehen wieder. Aber gestern war das nicht der Fall. Ich habe ehrlich gesagt nicht mit den gestrigen Ereignissen gerechnet und bin darum immer noch in einer Schockstarre. Hab ich im letzten Eintrag nicht noch gesagt, sei ehrlich zu dir selbst? Das hätte ich wohl besser machen sollen, dann wäre ich nicht so überrascht gewesen. Dann hätte ich den Tatsachen schon viel früher ins Auge gesehen. Dann hätte ich wahrgenommen, dass alles Bergab ging. Die Knie sind seit einem Jahr dick und ich wurde vor einem Monat punktiert. Das erste mal nach 6 Jahren, ja richtig, 2014 wurde ich zuletzt punktiert. Ich habe mich nach der Punktion wohl in der Illusion eingehüllt, jetzt würde wieder alles gut, aber das war es nicht. Mein linker Daumen macht mir schon seit einigen Monaten beim schreiben Probleme, bis jetzt wurde das von den Ärzten immer als Überlastung abgestempelt, aber gestern wurde dort eine Entzündung gesehen, genauso wie in beiden Knien. Die Punktion, die ich das erste mal in meinem Leben bei vollem Bewusstsein hatte über mich ergehen lassen, weil die Beruhigungstabletten nicht gewirkt haben (und glaub mir das will ich nicht nochmal erleben) war also zwecklos. Nicht die beste Nachricht, wenn man bedenkt was ich mir alles von der Punktion erhofft hatte, besonders als diese so schmerzhaft verlaufen ist. Auch in beiden Kiefergelenken haben die Ärtze Entzündungen gesehen, obwohl noch vor drei Monaten gesagt wurde, sie wären in Ordnung. Ja, ich habe dort schon länger Schmerzen und habe mich bei den letzten Kontrollen sowohl beim Daumen als auch beim Kiefer gewundert, dass dort alles in Ordnung sein soll. Jedenfalls lief der Termin nicht besonders, was logisch ist wenn einem zuerst gesagt wird, das die Punktion sinnlos war und man noch dazu in sechs Gelenken wieder eine rheumatische Entzündung hat. Das das zuletzt 2014 der Fall war macht die Situation nicht besser. Und auch nicht die Tatsache, dass bei meinem letzten Augenarzttermin in Münster wieder mehr Entzündungszellen in meinem linken Auge gesehen wurden. Das alles wurde aber noch getoppt von der Entscheidung die dann getroffen wurde: ich muss wieder ein Basismedikament gegen Rheuma und die Augenerkrankung nehmen und nicht länger nur Schmerzmittel. Ich hatte die Wahl zwischen MTX, einem Klassiker, dem Goldstandard in der Behandlung von Rheuma, oder einem Biologikum, einem modernen Medikament. Bei zweiterem viel die Wahl auf Tocilizumab, was ich bis 2015 schonmal bekommen und auch sehr gut vertragen hatte. Keine Nebenwirkungen (typisch für Biologika) und die Entzündungen sind dadurch verschwunden. Bis gestern, oder genauer gesagt bis vor ca. 1 1/2 Jahren, da haben die Schmerzen begonnen. Ich habe mich dann auch für das Biologikum entschiedne, weil ich mit MTX keine guten Erfahrungen gemacht habe (es hat nicht nur nicht gewirkt sondern hatte auch enorme Nebenwirkungen). Jetzt denkt man sich: ist doch toll! Warum ist die gegen das Medikament was ihre jahrelange schlimme Erkrankung gegen die scheinbar nichts geholfen hat gelindert hat. Ganz einfach: Das Medikament ist eins der stärksten Medikamente in der Behandlung bei Rheuma und darum nicht als Tablette erhältlich. Bis 2015 habe ich es darum als Infusion bekommen, für die ich einmal im Monat für eine Nacht ins Krankenhaus musste. Ich wurde an Monitoren überwacht, weil es eben so ein starkes Mittel ist. Das war keine schöne Zeit für mich, aber umso schöner war es, als es dann endlich abgesetzt wurde.
Heute gibt es das Medikament auch als Spritze oder Pen, es heißt dann nur anders weil es von einer anderen Firma stammt, nämlich RoActemra (so viele Namen wie ich immer nenne klinge ich wie so jemand von der Pharmaindustrie der Werbung dafür macht). Das muss ich jetzt alle zwei Wochen als Pen nehmen, ab der Volljährigkeit, also ab ziemlich genau heute in einem Jahr, einmal pro Woche. Mein Problem: 1. Als Diabetikerin spritzte ich bereits fünf mal am Tag und da muss eine sechste Spritze nicht unbedingt sein. 2. mein noch viel großeres Problem ist, dass ich für die erste Gabe ins Krankenhaus muss (wie bei allen Medikamenten) um auszuschließen, dass ich allergisch darauf reagiere. Für eine Nacht, dass ist jetzt nicht so schlimm, aber wegen Corona darf man keinen Besuch erhalten. Meine Mutter dürfte mich also nur dort abliefern und müsste dann wieder gehen. Das bedeutet ich muss das Medikament das erste mal ohne meine Eltern, also alleine bekommen und bin auch bei einer möglichen allergischen Reaktion alleine. Gut, ich bin dann nächste Woche 17 und das schaffe ich in dem Alter schon alleine, aber trotzdem habe ich irgendwie Angst vor der ersten Gabe und den Auswirkungen. Jedenfalls ist bereits nächsten Dienstag der Termin, weil die Therapie so schnell wie möglich beginnen sollte. Meine dritte Sorge ist, dass ich ab dann wieder immunsupprimiert bin, denn das Medikament dämpft das Immunsystem, das bei Rheuma überreagiert. Angesichts der aktuellen Lage ist ein nicht voll funktionstüchtiges Immunsystem nicht gerade wünschenswert, ich muss also enorm aufpassen, dass ich mich nicht mit irgendwelchen Viren infiziere, weil mein Körper sich nicht so gut gegen diese wehren kann. Aber ich sehe auch etwas positives, nämlich das ich danach wieder ohne Schmerzen leben kann und das steigert den Lebenswert doch deutlich.
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