Kapitel 1: kurze Bestandsaufnahme
Liebes Tagebuch,
Das ich bis vor einem Jahr in einer perfekten Welt gelebt habe würde ich nicht sagen. Vielleicht habe ich ein Kokon um mich gesponnen, um nichts an mich heran zulassen. Aber dieses Kokon ist heute vor einem Jahr geplatzt. Bei mir wurde Diabetes Typ eines diagnostiziert. Nichts schlimmes, das haben viele Menschen und auch Kinder. Aber ich habe vier Krankheiten. Rheuma, eine Krankheit bei der das Immunsystem die gesunden Gelenke angreift und Entzündungen entstehen, Uveitis, eine Augenkrankheit so ähnlich wie der graue Star durch Rheuma bedingt, Gluten Unverträglichkeit und eben Diabetes. Wenn mich jemand fragt, welche Krankheit ich am ehesten loswerden möchte, hätte ich früher gesagt Diabetes. Heute bin ich mir nicht mal sicher, ob es überhaupt die Krankheiten sind, die das schlimmste sind, oder eher die kleinen Dinge die damit einhergehen. Ich erinnere mich noch gut daran, dass ich früher oft von den anderen Kindern ausgeschlossen wurde und nicht mitspielen durfte, weil ich nicht so schnell laufen konnte wie die anderen. Hört sich nicht so schlimm an, aber für ein kleines Mädchen ist es das schlimmste auf der Welt.
Aber am Schlimmsten ist die Dummheit der Anderen. Wenn ich erzähle, dass ich wegen Diabetes fünf mal am Tag spritzten muss, was ich selten mache weil es mir peinlich ist, höre ich oft "Wie schaffst du das nur? Ich könnte das nicht". Manchmal frage ich mich ob die Leute überhaupt nachdenken. Ich habe doch gar keine Wahl. Aber die Leute haben keine Ahnung, sie wissen nicht wie es ist krank zu sein, ständig Schmerzen zu haben oder beim Bäcker vorbei zu gehen und nichts davon essen zu können. Aber ich kann es ihnen nicht übel nehmen. Wenn es nach meiner Mutter ginge müsste ich eigentlich dankbar sein, dass ich nur solche Krankheiten habe, schließlich bin ich nicht Behindert oder habe Krebs. Natürlich kann man das so sehen. Aber manchmal wünsche ich mir einfach nur, genauso wie die anderen zu sein, keine Krankheiten zu haben,das zu machen wozu ich Lust habe und nicht immer zum Arzt zu müssen.
Wenn mich jemand fragt, was die größte Herausforderung für mich war würde ich antworten: nach den Ferien als ich wegen der Entdeckung von Diabetes im Krankenhaus war, wieder in die Schule zu gehen. Meine Gedanken kreisten um diese eine Sache : verstecke was du hast. Es ist mir bis heute peinlich zu sagen was ich habe. Vielleicht liegt es daran, dass ich in der Grundschule schon immer geärgert wurde.Ich verstecke mich und versuche so zu sein wie alle anderen.
Aber eigentlich ist Diabetes nicht mein einziges Problem. Ich habe Gluten Unverträglichkeit, dass heißt ich vertrage kein Weizen. Das Essen war bei mir früher noch stärker ein Problem als heute. Zum Beispiel bei langen Tagen in der Schule.Das heißt essen mitnehmen oder nichts essen. Ich kann mir nichts bei Aldi kaufen wie meine Freunde. In der Mensa würde ich nie essen gehen. Mir ist es schon peinlich genug an der Theke zu stehen und vor allen anderen ein anderes Essen zu bekommen. Das ein Mädchen aus meiner Klasse immer angeekelt auf meinen Teller schaut und sagt "Igitt was hast du denn da. Das sieht ja noch ekliger aus als unser essen. Also ich würde das nicht essen" macht es auch nicht besser.
Mittlerweile nehme ich immer ein Brötchen mit in die Schule, das halbwegs Ok schmeckt und esse dann Zuhause etwas warmes. Wahrscheinlich sollte ich mich nicht beschweren, denn im Vergleich zu früher gibt es heute viele glutenfreie Sachen. Es ist aber auch eine Modeerscheinung glutenfrei zu essen. Ich kann aber immer noch nicht verstehen, warum Menschen freiwillig auf so etwas verzichten. Mir fällt es noch bis heute schwer.
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