Kapitel 62
Es war dunkel und wieder stand ich in schwarz gekleidet im Dunkel der Nacht. Doch diesmal war ich nicht allein und ich wusste, es hatte ein Ende, hier und heute.
Jasper, Jessy und ich hockten zwischen den Büschen vor dem Zaun und warteten auf das Okay von Alex, um loszulegen.
"Alles klar, ich bin soweit im Funk und kann euch zudem alle orten. Ihr könnt loslegen, Leute.", hörten wir da alle Alex' Stimme in unseren Ohren und Jasper zückte eine kleine Heckenschere.
"Na dann. Lasst uns den Zirkel in den Arsch treten!", grinste er, kappte den Zaun und kroch mit einer einzigen Bewegung hindurch. Jessy hob als nächstes den Draht an und kroch darunter hindurch. Sie hielt es für mich hoch, sodass auch ich ohne Probleme auf der anderen Seite zum Vorschein kam.
"Acht Sekunden bis zum nächsten Versteck in 3, 2, 1!", dirigierte Alex und wir sprinteten los und rollten und hinter einem Auto zusammen. Die letzten Sekunden nutzten wir, um nach einem neuen Versteck Ausschau zu halten.
"Acht Sekunden in 3, 2, 1." Erneut sprangen wir auf und flitzten auf die Garagen zu. Kurz davor duckten wir uns hinter die Mülltonnen.
"Der Weg wird eng, Leute.", murmelte Jasper. "Also nehmt die Beine in die Hand."
"Acht Sekunden in 3, 2, 1!" Unser Stichwort. Jessy und Jasper sprinteten sofort auf die Garage zu. Ich war hinter ihnen und versuchte alles an Schnelligkeit aus mir rauszuholen.
"Die Kamera erfasst euch in 5, 4.." Ich schluckte, zwang mich noch schneller zu rennen und sprang in der letzten Sekunde auf Jasper und Jessy hinter die Garage. Keuchend rollte ich mich zur Seite und atmete erleichtert aus.
"Oh Gott, ich bin jetzt schon erledigt.", keuchte ich lachend und hielt mir die Hände vors Gesicht.
"Süße, jetzt gehts doch gerade erst los!", sagte Jasper und wackelte mit den Augenbrauen. Im nächsten Moment hatte er mich gepackt und hochgezogen.
Zusammen stiegen wir die wackelige Treppe zur Garage hinauf. Jessy voran, in der Mitte ich und Jasper bildete die Nachhut. Die Garage hatte mehrere Stockwerke und bildete ein eigenes Miniparkhaus. Offenbar mussten einige Kleinlaster der Firma untergebracht werden. Oben angekommen, ließ ich meinen Blick schweifen. Hier oben fühlte ich mich nackt. Es gab keinerlei Schutz.
"Okay. Wir sind oben.", hörte ich Jasper in sein Mirkofon sprechen. Jessy hatte sich am Rand hingehockt und starrte auf den Abgrund.
"Es patroullieren Wachen.", sagte sie. "Zwei Stück auf jeder Seite. Alex hat uns den perfekten Weg gezeigt. Sie haben uns nicht entdeckt."
"Deshalb nicht die normale Feuertreppe.", murmelte ich und begab mich neben Jessy. Nur dass ich stand. Meine Haare wehten im Wind und ich sah hinab auf die Wachen. Sie fühlten sich so unbesiegbar, dass sie nicht einmal auf die Idee kamen, nach oben zu sehen.
"Okay, Alex. Ich hab das Seil. Ich melde mich, wenn wir auf der anderen Seite sind.", sagte Jasper. In der Hand hatte er ein Stahlseil, was man auch zum Klettern benutzen könnte, und drei Halterungen, die aussahen wie abstrakte Kleiderbügel. Er stellte sich an den Punkt des Daches, an dem er die kürzeste Entfernung zum Hauptgebäude hatte. Es waren nur ein paar Meter, aber ein paar zu viele, um zu springen. Jasper nahm das Seil und einen Stab mit einer Spitze, welchen er in das Dach rammte. Daran befestigte er mit Karabinerhaken das Stahlseil. In der nächsten Sekunde warf er das andere Ende des Seils auf die andere Seite. Geschockt starrte ich ihn an.
"Und jetzt?", fragte ich und befürchtete, dass die abstrakten Kleiderbügel als nächstes an die Reihe kamen. Jasper grinste nur und drückte Jessy und mir eine Halterung in die Hand.
"Die Garage ist größer als das Hauptgebäude. Nicht viel, aber trotzdem groß genug. Wir werden mit dem Seil hinüberkommen. Spannt eure Haken um das Seil und dann gleiten wir rüber.", erklärte er in ruhigem Ton. "Jessy, du als Erste."
Ohne zu zögern, ging Jessy zum Seil, hockte sich hin, ließ die Halterung einrasten und schob diese so weit vorwärts, bis Jessy auf der Dachkante hockte, mit ausgestreckten Armen vor sich. In der nächsten Sekunde ließ sie sich nach vorn fallen und rauschte durch das seichte Gefälle in mäßiger Geschwindigkeit auf das Hauptgebäude zu.
"Spitzenmäßig, wie aus dem Lehrbuch.", kommentierte Jasper, packte mich im nächsten Moment und schob mich an die Stelle, an der Jessy nur einige Sekunden zuvor hockte. Jasper befestigte die Halterung für mich und hielt mich fest, während meine Zehenspitzen schon in der Luft waren, und nur meine Fersen auf festem Grund standen. Hockend blickte ich auf den Untergrund unter mir. Meine Finger krallte ich in das Metall der Halterung, als klebten sie fest.
"Nicht schreien, kleine Kate.", raunte mir Jasper ins Ohr, ehe er mich sanft stieß und ich vornüber fiel. Ich presste die Lippen zusammen und rauschte auf das andere Haus zu. Dort angekommen hing ich in der Luft und wusste nicht, was ich als nächstes tun sollte, als Jessy mich packte und nach oben zog. Ich hievte mich auf das Dach, als auch schon Jasper neben mir auftauchte. Mit geübten Bewegungen schnallte er die Halterungen ab und legte sie neben sich.
"Das Seil lassen wir dran. Es ist relativ dünn, sie dürften es von unten aus nicht sehen.", sagte er und sah uns dann mit einem hinterhältigen Grinsen an. "Und selbst wenn, sind wir schon längst da, wo wir sein wollen."
Wir hatten noch eine Stunde und 23 Minuten, ehe die geplante Verstärkung des Iniuria-Zirkels anrückte. Laut Alex lagen wir im Zeitplan. Jasper, Jessy und ich standen an der Tür, die ins Treppenhaus führte und Jasper sah uns eindringlich an.
"Jetzt muss alles ganz schnell gehen. Alex leitet uns zum Kontrollraum, dort schalten wir jeden aus, der uns in die Quere kommt." Jessy nickte entschlossen und ich tat es ihr gleich. Dann drückte Jasper die Tür auf und wir glitten zusammen in das düsterte Treppenhaus.
"Die Treppen runter, dann nach links. Der Kontrollraum liegt zentral. Ich leite euch durch ein paar Umwege, damit ihr den meisten Kameras entgeht.", erklärte Alex und dirigierte uns dann durch das Gebäude. Jasper ging diesmal voran und Jessy bildete die Nachhut.
Wir schlichen durch die Korridore und merkten schnell, dass der belebte Teil sich in den zwei untersten Stockwerken befand, neben der großen Lagerhalle.
"Wenn ihr in den nächsten Gang biegt, gibt es eine Kamera, aber ihr kommt um die nicht drum herum. Gebt mir 5 Sekunden und ich schalte ein Bild von dem Gang dazwischen, dann dürftet ihr ungesehen passieren können.", ertönte Alex' Stimme in unseren Ohren. Jasper linste um die Ecke und zählte laut bis 5. Dann wartete er noch eine Sekunde und schließlich bogen wir in den Gang ab. Mein Herz hämmerte in meiner Brust und Adrenalin rauschte durch meinen Körper. Dabei hatten wir noch nicht einmal die erste Aufgabe bewältigt.
Wir schlichen durch den Korridor, aber nichts regte sich. Alles war so wie vorher. Ich blickte nach links und rechts und konnte in die vergläserten Konferenzräume sehen, die jetzt im Dunkeln vor uns lagen.
"Ihr müsst an der nächsten Ecke nach links und dann seid ihr am Kontrollraum.", erklärte uns Alex und blieb dann stumm. Alles weitere mussten wir erledigen.
Jasper spähte wieder um die Ecke, gab uns dann ein Zeichen und wir schlossen zu ihm auf. Jasper machte keine Anstalten weiter zu gehen und ich wollte gerade Luft holen, um ihn zu fragen, was los sei, als er sich an sein Headset griff.
"Alex, lock die Wachen aus dem Kontrollraum nach draußen. Am besten so, dass sie einzeln gehen. Also kein großes Ablenkungsmanöver.", sagte Jasper und griff sich an den Colt. Mit der anderen Hand langte er in seine Jackentasche und reichte Jessy und mir zwei kleine elektronische Geräte, einem elektrischen Männerrasierer nicht unähnlich.
"Elektroschocker?", fragte Jessy verblüfft. Kurz blickte Jasper uns an.
"Wir Jungs waren uns einig, dass ihr Mädchen die Waffen im Ernstfall nicht benutzen solltet. Der Schocker stellt die Angreifer für locker 10 Minuten ruhig.", erklärte er.
"Denkt ihr, wir können nicht mit Waffen umgehen?", fauchte ich automatisch und kniff die Augen zusammen. Jessy blieb dagegen merkwürdig still.
"Nein, aber wir wollten euch die Schuldgefühle, die mit dem Benutzen einer Waffe einhergehen, nicht auflasten." Jasper blickte mir in die Augen. "Sieh mich an und sag mir, dass du bereit bist, mit deiner Waffe einen Menschen umzubringen." Ich öffnete den Mund, schloss ihn aber gleich darauf wieder. War ich dazu wirklich in der Lage? Für Jasper war mein Schweigen wohl genug.
"Dann wäre ja alles geklärt.", sagte er süffisant und sah wieder nach vorn. In dem Moment öffnete sich die Tür zum Kontrollraum und der erste Mann trat auf den Flur. Er machte Anstalten in unsere Richtung zu gehen, als wir alle drei synchron zurückwichen. Jasper wollte schon in Position gehen, um den Gegner bewusstlos zu schlagen, als Jessy sich vor ihn drängte. Sobald der Mann um die Ecke kam, betätigte sie den Elektroschocker und feuerte ihn mitten auf den Hals des Mannes. Dieser ging auf der Stelle zuckend zu Boden. Seine Augen verdrehten sich und er blieb still liegen.
"Funktioniert.", stellte Jessy fest und betrachtete nickend das kleine Gerät in ihrer Hand. Jasper förderte zwei Kabelbinder aus seiner Hosentasche und schnürte ihm Hände und Füße zusammen.
Wir ließen den Mann liegen und begaben uns vor den Kontrollraum. Ohne eine Warnung stieß Jasper die Tür auf und sprintete in den Raum. Jessy und ich folgten ihm, aber der zweite Mann lag schon bewusstlos am Boden. Mehr waren nicht in diesem Zimmer gewesen.
"Fesselt ihn.", befahl Jasper und sah dann mich an. "Kate, gib mir den Stick." Ich warf ihm den roten Stick zu und schnürte mit Jessy zusammen auch die Hände und Füße dieses Mannes zusammen.
"Alex, der Stick steckt.", meinte Jasper und starrte auf die Bildschirme. Auch ich ließ meinen Blick jetzt umher gleiten. Es gab viele Computerbildschirme, einer größer als der andere. Überall blinkten Lichter ... bis auf einmal alles schwarz wurde.
"Geschafft", hörten wir Alex stolz sagen und auch wir mussten lächeln. "Sucht Chrissy. Die andere Gruppe kommt jetzt rein."
Jasper, Jessy und ich verschwendeten keine Zeit, ließen den Mann gefesselt zurück und liefen zurück auf den Flur. Ich weiß nicht, was ich erwartet hatte. Eine Meute aufgebrachter Zirkelisten vielleicht, die sich auf uns stürzten, oder jemanden der nach dem Rechten sah. Ich hatte allerdings nicht damit gerechnet, dass alles ruhig blieb. Nirgends war etwas zu hören. Es war, als wäre nichts passiert.
"Es wird eine Weile dauern, bis die anderen merken, dass die Türen nicht mehr mit ihren elektronischen Karten aufgehen.", meinte Jessy und lachte. "Los, gehen wir."
Wir rannten durch das Gebäude, immer weiter nach unten. Wir trafen dabei auf keine Menschenseele und ich begann so langsam misstrauisch zu werden. Wo waren die alle?
Schließlich gelangten wir in den Keller. Es gab modrig riechende Abstellkammern, aber nur eine Tür, die wie neu aussah. Jasper zog seine Waffe und auch Jessy und ich griffen an unsere Jeans. Jetzt hatten wir keine Taktik. Wir mussten einfach auf Angriff setzen.
Japser stieß die Tür auf, stürmte in das Zimmer und hielt die Waffe drohend vor sich. Jessy und ich folgten ihm augenblicklich, um als Verstärkung zu dienen. Was wir vorfanden, war jedoch bizarr.
Es gab ein sauberes Bett in dem Raum und helles Licht. Chrissy saß auf dem Bett, die Hände neben sich abgestützt und ließ die Füße baumeln. Ein Typ lehnte in einiger Entfernung an der gegenüberliegenden Seite an einem Metalltisch, auf dem eine Waffe lag. Der Junge hatte die Arme vor der Brust verschränkt und blickte jetzt auf, als wir herein stürmten. Jasper zielte auf ihn und erdolchte ihn mit seinen Blicken.
"Keine Bewegung!", zischte er bedrohlich und mir lief ein Schauer über den Rücken. Ich würde jetzt nicht mit dem Typen tauschen wollen. Chrissy dagegen sah uns ungläubig an und hielt sich dann die Hand vor den Mund.
"Oh mein Gott.", hauchte sie und sah uns alle blinzelnd an. "Ihr seid wirklich gekommen."
"Aber natürlich!", verischerte ich ihr und lief zu ihr. Sofort nahm ich sie in den Arm und auch Jessy schlang augenblicklich ihre Arme um mich.
"Wenn du sie angefasst hast, reiße ich dir Arme und Beine ab.", drohte Jasper unterdessen dem Kerl. Dieser lehnte nach wie vor lässig am Tisch. Er grinste arrogant und machte nicht mal Anstalten nach seiner Waffe zu greifen.
"Sieh sie dir an. Sieht sie aus, als sei sie schlecht behandelt worden?", fragte er und zog die Augenbrauen nach oben.
"Jessy", knurrte Jasper nur und ließ Mr. X nicht aus den Augen.
Wir beide musterten Christal. Ihr Haar war etwas verfilzt und könnte mal eine Bürste vertragen, aber sonst sah sie in Ordnung aus. Etwas fahl im Gesicht vielleicht, aber die Gefangenschaft hatte dem Strahlen in ihren Augen keinen Abbruch getan.
"Sie ist okay.", sagte ich zu Jasper und wandte mich dann an den Typen. "Und wer bist du?"
"Ich bin Ashton.", sagte er und sein Blick schnellte zu mir. Kurz musterte er mich, ehe er wieder zu Jasper sah. "Wir haben sie anständig behandelt. Haben ihr Essen und Trinken gegeben, sie durfte ins Bad, wann immer sie wollte und Klamotten hab ich ihr auch gegeben. Es hätte ihr auch schlechter gehen können."
"Gebt mir den Schocker.", meinte Jasper und streckte fordernd eine Hand aus. Ashton lachte.
"Was? Hast du nicht den Arsch in der Hose, um abzudrücken und mich umzulegen?", höhnte er. Jaspers Körper spannte sich an, aber bevor er noch irgendetwas tun konnte, sprang ich nach vorn und verpasste dem Typen eine saftige Ohrfeige, ehe ich wieder aus seiner Reichweite trat.
"Nur weil wir nicht jedes Menschenleben auslöschen, das uns über den Weg läuft, heißt das noch lange nicht, dass wir dazu nicht in der Lage sind! Du wirst uns jetzt nach draußen bringen, unbeschadet, sonst wirst du ganz schnell Bekanntschaft mit einer Pistole machen, klar?", blaffte ich ihn an. Ashton lachte wieder und sah an mir vorbei zu Chrissy.
"Sind deine Freunde immer so aufbrausend?", fragte er feixend und ich verspürte große Lust, ihm die Nase zu brechen.
"Hör auf mit ihr zu reden, du verdammter Bastard!", fauchte Jessy und stellte sich vor Christal, die Hände in die Hüften gestemmt. Sie ließ ihren gnadenlosesten Blick auf ihn niederprasseln.
"Dieses Mädchen braucht lange nicht so viel Schutz, wie ihr vielleicht denkt. Sie ist gerissen genug, um ein Messer mitgehen zu lassen und stark genug, um damit auf mich los zugehen.", sagte Ashton in nun etwas barscherem Ton und nahm Jessy etwas den Wind aus den Segeln. Jessy wollte gerade ansetzen, um zu kontern, als wir näher kommende Schritte hörten.
Plötzlich wurde die Tür aufgestoßen und Jason, Amanda und Sam standen in der Tür.
"Chrissy", hauchte Amanda und sah ihre Freundin einen Moment lang nur an. Tränen schwammen in ihren Augen. Chrissy lächelte warm zurück.
"Wir müssen verschwinden.", sagte Jason und zerstörte damit die wunderschöne Szene zwischen Amanda und Chrissy, die ich Amanda so von Herzen gönnte. "Die Verstärkung ist angerückt und sie beginnen uns einzukesseln."
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top