Kapitel 51

Kate's POV

Ich wusste, dass Jason wütend war. Er hatte auch jedes Recht dazu. Ich wusste, dass wir zu weit gegangen waren und ich war froh, dass er sich für Chrissy eingesetzt hat. Aber verdammt, dass er mir nicht Bescheid sagte und somit hoffte, ohne mich auf diese Mission zu gehen, gab nun mir das Recht, wütend zu sein. Und ich war nicht nur wütend, ich war fuchsteufelswild!

Als Mr. Miller uns entließ war es schon etwas später. Die anderen Schüler waren in ihren Gemeinschaftsräumen und nur vereinzelt sah man noch welche auf den Fluren.

Ohne ein weiteres Wort packte ich Jason am Arm und zerrte ihn mit. Offenbar hatte ich ihn im ersten Moment ziemlich überrascht, denn er wehrte sich nicht. Er ließ es auch zu, dass ich ihn aus dem Schloss schleifen konnte. Immerhin wusste er, dass ich mit ihm reden würde. Und als wir uns der Turnhalle näherten, spürte ich, wie er sich anspannte. Ich glaube nicht, dass er wusste, was ihm blühte. Himmel, ich wusste es selbst nicht einmal! Es war, als würden meine Füße sich diesen Weg allein bahnen. Und ich ließ sie. Es gab keinen geeigneten Ort für diese Auseinandersetzung.

Ich stieß die Türen zur Turnhalle auf, die dunkel vor uns lag. Jason zog ich mit aller Kraft, die ich aufbringen konnte, an mir vorbei und grinste sogar ein bisschen, als er durch meinen Schwung etwas stolperte. Dann schaltete ich das Licht ein und blinzelte, als die Neonröhren aufleuchteten und uns im ersten Moment blendeten.

Und mit dem Umlegen des Lichtschalters war es auch, als hätte sich bei mir ein Schalter betätigt. Während Jason noch mit dem Rücken zu mir stand und sich nun fragend zu mir umwandte, ballte ich schon meine Fäuste und stürmte auf ihn zu.

Jason war immer noch größer als ich. Doch das hinderte mich nicht daran, ein paar Treffer zu landen, ehe er mich packte, von sich wegstieß und mich schwer atmend anstarrte.

"Oh, du willst also kämpfen, Katie? Na dann los.", zischte er und begann seinen Pullover über seinen Kopf zu ziehen. Auch ich entledigte mich einiger meine Kleidungsstücke und so standen wir Auge in Auge in der Mitte der Turnhalle, bereit zum Angriff.

Beim Kampf mit Jason war ich anfangs immer defensiv gewesen. Habe auf seinen ersten Schritt gewartet. Doch in diesem Moment wurde mir klar, dass man manchmal selber den Punkt setzen musste. Und das tat ich.

Wütend preschte ich wieder vorwärts, aber Jason erwartete mich diesmal. Er fing meine Fäuste ab, doch ich hatte damit gerechnet und jagte so mein Knie nach oben. Jason drückte es jedoch mit unseren Händen weg. Er nahm mir kurz das Gleichgewicht und nutzte das, um den Kampf auf den Boden zu verlegen, doch ich riss mich kurzerhand los.

"Wieso hast du deinem Onkel erzählt, ich wolle nicht mit? Warum hast du gelogen?", fauchte ich schließlich und sprang wieder auf ihn zu. Die Wut brannte in mir wie ein loderndes Feuer.

"Weil ich dich nicht dabei haben wollte!", entgegnete er scharf und ich stockte kurz. Eine Chance, die Jason nutzte, um mich auf den Boden zu schmeißen. Dann trat er einen Schritt von mir zurück und wartete, bis ich wieder aufgestanden war. Mir die Seite haltend stand ich vor ihm und starrte ihn wütend und verletzt ins Gesicht.

"Wieso? Hasst du mich jetzt so sehr?", flüsterte ich und zwang mich, mich vollends aufzurichten. Jason erwiderte meinen Blick unerbittlich. Ich sah nicht eine Spur von Widerspruch darin.

"Und wenn es so wäre?", fragte er abwertend. Ich zuckte zusammen. Vielleicht war es die Gewissheit, dass die Freundschaft, die wir beide nicht wollten und die dennoch entstanden war, nun komplett in Schutt und Asche lag, oder die unausweichliche Tatsache, dass wir bei der Mission zu ernsthaftem Schaden kommen konnten. Vielleicht war es auch die Angst, dass Chrissy schon tot war und wir zu spät kamen, die die Emotionen in mir die Kontrolle übernehmen ließ.

"Du Mistkerl!", schrie ich, stürtzte nach vorn und schlug ihm ins Gesicht. Sein Kopf ruckte nach hinten und er hielt sich sofort Mund und Nase. Blut rann ihm durch die Finger und das gab mir den Rest. Während Jason nach hinten taumelte, sackte ich auf meine Knie und sah nur noch verschwommen. Ich konnte die Tränen nicht mehr aufhalten, die mich einfach so überrollten und auch die Schluchzer ließen sich nicht zurückhalten. Ich schlug eine Hand vors Gesicht und versuchte krampfhaft, ruhig zu atmen. Auf keinen Fall wollte ich weiter so vor ihm heulen. Ich hasste das.

Jason schmierte sich das Blut an seiner Hose ab und ging dann zu seinem Pullover, mit dem er sich über das Gesicht wischte. Dann betrachtete er mich und, wie ich dort saß, von Schluchzern geschüttelt. Und vielleicht wurden alle Kerle beim Anblick von abartig heulenden Mädchen schwach, aber Jason kam zu mir und setzte sich neben mich.

"Ich war ein Arschloch, was?", fragte er und zog mich zu sich heran.

"Du bist noch eins, Penhallow.", korrigierte ich ihn und lehnte meinen Kopf gegen ihn. Wieder schluchzte ich auf.

"Schhht, Katie.", flüsterte Jason und strich mir über den Kopf. Mit dem Klang meines Spitznamens, gab ich mich geschlagen. Atemlos sackte ich gegen ihn und Jason fing mich auf. Dann hob er mich hoch und setzte mich an der Turnhallenwand wieder ab. So konnten wir uns beide noch nach hinten anlehnen.

Jason hielt mich weiter im Arm, vergrub sein Gesicht in meinen Locken und murmelte mir beruhigende Worte zu. Nach und nach beruhigte ich mich und merkte, wie meine Lider vor Müdigkeit bleischwer wurden.

"Warum hast du zugesagt, Kate?", fragte Jason schließlich leise. Ich gähnte, schüttelte den Kopf und schlief auch schon ein.


Am nächsten Morgen wurden wir von Jasper im Morgengrauen geweckt.

"Oh hier seid ihr.", rief er und stieß die Tür ganz auf. Kalte Luft flutete in den Raum und ich begann augenblicklich zu zittern. Blinzelnd sah ich mich um und stellte fest, dass ich halb auf Jason lag. Sein Pullover war über uns ausgebreitet und diente vermutlich als obligatorische Decke. Ich rutschte von ihm weg und schlang die Arme um mich.

"Ihr seid ja noch angezogen.", stellte Jasper verblüfft fest und starrte uns - insbesondere mich - mit großen Augen an. Notdürftig versteckte ich mich hinter Jasons Pullover und wurde rot.

"Jason?", fragte ich leise und stupste ihn ins Bein.

"Halt die Klappe, Alter.", meinte Jason an seinen besten Freund gewandt und setzte sich auf. Er bog seinen Kopf hin und her und man hörte die Knochen knacken.

"Ich will euch beiden ja nur ungern stören, aber in einer Stunde ist Abfahrt.", informierte uns Jasper und besaß sogar den Anstand uns allein zu lassen. Immer noch rot im Gesicht stand ich auf und streckte meine steifen Glieder.

"Tut mir leid.", entschuldigte sich Jason. "Aber er ist es gewohnt, nach einer gemeinsamen Nacht mit einem Mädchen nackt zu sein." Aha. Zu viel Detail. Einmal nickend wandte ich mich ab und gab Jason schließlich seinen Pullover. Ich sah das Blut darauf und biss mir auf die Lippe. Leid tat es mir jetzt schon einwenig, aber entschuldigen würde ich mich trotzdem nicht. Er hatte es verdient.

"Komm gehen wir und packen unsere Sachen. Jetzt wird's ernst.", sagte Jason und so liefen wir hinauf zum Schloss.


Eine Stunde später standen wir an zwei Autos der Akademie und verstauten unsere Taschen. Die Lehrer standen bei uns und gaben noch letzte Anweisungen. Jason und Sam würden fahren. Sie waren die ältesten. Jasper, ich und Amanda fuhren bei Jason mit, der Rest bei Sam. Wir verabschiedeten uns von den Lehrern und nahmen nacheinander in den Fahrzeugen Platz. Jasper saß schon auf dem Beifahrersitz und Amanda hinter ihm. Ich stand gerade an meiner Tür, als Jason zu mir trat.

"Du hast mir gestern Abend nicht auf meine Frage geantwortet. Warum hast du zugesagt?", erinnerte er mich und ich lächelte.

"Ich weiß es nicht.", antwortete ich. Jason lächelte kurz, öffnete die Tür und ich setzte mich auf den Sitz.

"Ich hoffe du findest die Antwort bald.", sagte er und in seinen Augen schimmerte eine Spur Traurigkeit. Dann schlug er die Tür zu und setzte sich hinters Steuer. Wir schnallten uns alle an und atmeten noch einmal tief durch. Durch die offenen Fenster sowohl im Auto, als auch im Schloss, hörten wir die Schulklingel. Jason trat aufs Gas und während für die restlichen Schüler ein neuer Schultag begann, starteten wir in eine völlig andere Welt. Nämlich in die Realität. Wir brausten davon, der Wind wirbelte unsere Haare auf und im Radio ertönten Oldies, die wir ab und an mitsangen. In diesem Moment fühlte es sich so an, als wären wir ganz normale Teenager auf einem Roadtrip. Doch das waren wir nicht. Wir waren auf einer Mission. Einer Mission, zu der ich ja gesagt  hatte.

Ich weiß nicht warum ich zusagte. Ich weiß nicht, warum ich nicht mal mit der Antwort zögerte. Wahrscheinlich weil ich immer das Mädchen war, das nie bemerkt wurde, dass jeder übersehen hat. Mein Gesicht hat wahrscheinlich etwas an sich, was alle davon abhält ein zweites Mal hinzuschauen. Und jetzt bin ich in etwas hineingeraten, wo genau das mein Vorteil ist. Ich hatte etwas gefunden, wo mein Handicap zum Nutzen wurde, und genau das fand ich aufregend.

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