Kapitel 33
Ich habe mich immer über die Leute in Filmen beschwert, die einfach ohne nachzudenken losstürmen. Die sich trennen und unbekannte Abkürzungen nehmen. Die nie mitdenken und nie Bescheid sagen. Ich habe mich immer über diese Leute beschwert.
Und jetzt war ich selbst eine dieser Leute.
Ich weiß, es war falsch dem Typen einfach so hinterher zulaufen. Und dumm. Gott, es war wirklich dumm. Aber ich kann nicht mehr sagen, warum ich das getan habe. In diesem Moment erschien es mir als das Logischste auf der Welt und nicht wie ein Himmelfahrtskommando.
Als ich aus dem Laden trat, nahm ich die Verfolgung auf und achtete darauf unsichtbar zu sein. Ich kam ein beachtliches Stück voran, ehe sich Jason in meinem Ohr meldete.
"Jerry, wo bist du?", fragte er und ich konnte mir bildlich vorstellen, wie er sich suchend in dem Buchladen umsah.
"Ich bin an ihm dran, Jason. An dem Angreifer mit dem Pferdeschwanz.", flüsterte ich und ließ besagten Typen nicht aus den Augen. Jason schwieg. Ich hatte auf eine Frequenz geschaltet, auf der ich nur Jason hören konnte. Und während ich in dieser Mall stand, mich versteckte und den Unbekannten beobachtete, kam es mir vor als würde ich eine Ewigkeit auf seine Antwort warten.
"Jase-", setzte ich an, doch er unterbrach mich plötzlich.
"Wo bist du?", knurrte er und jetzt war es an mir zu schweigen.
"Kate, es ist mein Ernst. Ich werde meinen Onkel verständigen. Wo bist du?", fragte er noch einmal.
"In der zweiten Etage, be Zara.", murmelte ich.
"Kate, hör mir zu!", befahl er mir harsch, "Du bleibst dort, verstanden? Ich komme und hole dich ab. Aber bleib verdammt noch mal dort, klar?"
Ich wusste nicht, wieso ich das tat, aber ich schüttelte meinen Kopf und hauchte ein "Nein" in das Headset.
"Kate!", drohte Jason und ich wusste, wenn ich mich jetzt nicht beeilte, würde er mich in den nächsten Minuten packen und wegzerren. Wie von selbst begannen meine Beine sich zu bewegen und ich lief weiter.
"Tut mir leid, Jason. Aber ich will Antworten.", erklärte ich und bog an der nächsten Ecke ab und nahm die Rolltreppe in die dritte Etage.
"Du hast gesagt Unwissenheit sei die größte Sicherheitslücke. Aber das ist falsch Kate. Du wirst immer weiter nach Antworten streben. Und das wird dir zum Verhängnis werden. Bleib bitte wo du bist. Ich komme und hole dich ab." Jason flehte mich jetzt schon an und ich war versucht ihm diesen Gefallen zu tun, doch ich entschied mich dagegen.
"Wir bleiben in Verbindung, Jason.", war alles was ich sagte, als ich von der Rolltreppe herunter stieg und weiter den Gang entlang lief. Links und rechts von mir kreischten Mädchen vergnügt auf, und ich hörte das Gedudel der Einkaufsmusik. Doch all das war wie ein eintöniges Hintergrundrauschen. Meine Gedanken galten einzig und allein dem Unbekannten vor mir und meiner jetzigen Aufgabe.
Als ich wieder abbog, sah ich dass Angreifer Nr. 2 stehen geblieben war und ein Schaufenster musterte. Augenblicklich schlug ich einen Haken und lief schnurstracks in einen Klamottenladen herein. Und während ich durch die Tür schlenderte, entdeckte ich Elyas. Zielstrebig ging ich auf ihn zu.
"Hey!", begrüßte ich ihn und lächelte ihn an.
"Kate.", sagte er überrascht und sah sich um. "Bist du allein?"
"Ja, ich hab Jason abgehängt.", meinte ich und grinste.
"Mit wem redest du da?", ertönte es zu gleichen Zeit in meinem Ohr, doch ich ignorierte Jason.
"Wieso das?", fragte Elyas weiter und hängte ein Kleidungsstück zurück. Verschwörerisch lehnte ich mich näher zu ihm.
"Ich hab einen der Angreifer aus der Schule gesehen und jetzt bin ich an ihm dran. Jason schmeckt das aber ganz und gar nicht."
"Ja, denn es schmeckt wirklich scheiße!", fauchte Jason in meinem Ohr und ich grinste nur noch mehr. Währenddessen leuchteten Elyas Augen auf.
"Ist das dein Ernst?", fragte er und sah sich unauffällig um. Ich nickte.
"Ja. Ich hab dich grade als Ablenkung gebraucht.", gestand ich und wurde ein bisschen rot. Doch Elyas grinste nur erwartungsvoll.
"Komm, dann halten wir deine Tarnung mal aufrecht." Mit diesen Worten packte er mich und zog mich aus dem Laden. Ich sah wie der Typ mit dem Pferdeschwanz gerade den breiten Gang hinunter verschwand und zeigte auf ihn.
"Da. Das ist er." Elyas und ich folgten ihm und immer wenn er sich umdrehte, kicherten wir und beachteten ihn nicht weiter. Jason tobte in meinem Ohr weiter und mich juckte es schon in den Fingern, zu groß war die Versuchung das blöde Headset einfach heraus zuziehen.
Wir liefen dem Unbekannten nach und sahen, dass er das Dach anstrebte. Voller Eifer folgten wir ihm. Doch als wir auf dem Dach standen, uns der Wind ins Gesicht peitschte, war er verschwunden.
Plötzlich knallte hinter uns die große graue Schutztür zu und wir fuhren herum. Dort stand Angreifer Nr. 2 und grinste uns triumphierend an. Und trotz, dass wir erst so kurz an dieser Schule waren, begaben wir uns aus Reflex in Kampfstellung.
"Wollt ihr das wirklich. So ganz allein?", höhnte er und kam auf uns zu. Und auffällug linste ich über das Dach. Mr. Miller war nirgends zu sehen. Wahrscheinlich stand der Helikopter auf der anderen Seite der Mall.
"Du bist der einzige, der hier allein ist.", konterte Elyas grimmig. Doch der Pferdeschwanztyp blieb völlig ungerührt.
"Ach wirklich?", fragte er und sein Grinsen wurde noch breiter. Just in diesem Moment hörten wir Rotorengeräusche und als wir uns umdrehten, sahen wir einen Hubschrauber, mit offenem Körper auf uns zu fliegen. Sofort griff ich mir an mein Headset, doch durch den Wind hörte ich Jason nicht. Vielleicht war die Verbindung auch abgebrochen.
Aus dem Hubschrauber sprangen drei weitere Männer heraus und sie kamen bedrohlich auf uns zu. Verdammt. Ich fuhr herum zu dem anderen, der sich bislang nicht gerührt hatte. Doch jetzt kam er ebenfalls auf uns zu und sie begannen uns einzukreisen.
"Kate.", flüsterte Elyas und ich hörte die Panik in seiner Stimme. "Was jetzt?"
"Tu, was du gelernt hast.", schoss ich zurück und im Bruchteil einer Sekunde erinnerte ich mich an alles, was man mir in den vergangenen Monate beigebracht hatte.
Als die Angreifer auf mich zukamen, setzte mein Gehirn aus und mein Körper reagierte nur aus Instinkten heraus, dafür aber eindeutig schneller. Denn als eine Faust vorschnellte, duckte ich mich schon, ehe ich überhaupt realisierte, dass eine Faust auf mich zu kam. Schon in der nächsten Sekunde suchte ich mit meinen Augen nach einem Ausweg.
Reflexartig trat ich einem gegen das Bein und begann um mich zu schlagen und zu kämpfen. Ich achtete auch nicht auf Elyas. Denn er war nicht Jason und konnte mir nicht helfen. Er konnte nur dafür sorgen, dass sie mir vom Leib blieben und ich sie ausschalten konnte.
Dem einen schlug ich gegen die Kehle und in den Magen und schlug seinen Kopf gegen mein Knie. Er sackte bewusstlos zusammen.
Dennoch war ich zu schlecht. Der Pferdeschwanztyp bekam mich zu packen und verdrehte mir schmerzhaft die Arme auf dem Rücken. Ich schrie auf und versuchte mich loszureißen, aber keine Chance. Mir stiegen Tränen in die Augen, doch ich zwang mich stark zu bleiben.
Wütend trat ich ihm gegen sein Knie, riss mich los und wirbelte herum. Ächzend trat ich ihm gegen die Brust. Doch als er aufstand, schleuderte er mich wütend in den Schotter, der das Dach bedeckte und die kleinen Steinchen bohrten sich schmerhaft in meinen Körper.
"Und, was willst du jetzt machen?", lachte er und hob mich hoch. Völlog verzweifelt schrie ich in mein Headset.
"Jason!", brüllte ich. "Das DACH!!"
"Kate, was ... ist ...", hörte ich ihn, doch die Verbindung war zu schlecht.
"Das Dach!", brüllte ich wieder, ehe mir mein Kabel mit einem Ruck aus dem Ohr gerissen wurde. Ich sah mich um und entdeckte Elyas blutend auf dem Dack knien. Einer der Typen lag bewusstlos neben ihm, der andere hielt sich die Nase.
Angreifer Nr. 2 schleifte mich über das Schotterdach und übergab mich einem anderen Paar Hände, welche mich in den Helikopter hoben. Ich schrie und trat um mich und merkte wie der Hubschrauber losflog.
Doch nach langem Kämpfen kam ich an den Rand und klammerte mich dort fest. Der Wind peitschte mir ins Gesicht und trieb mir die Tränen aus den Augen. Ich sah über meine Schulter auf einen der Angreifer, der mich gerade wieder packen wollte. Im nächsten Moment aber griffen seine Hände ins Leere, als ich mich abstieß und aus dem Flugzeig sprang.
Entgegen der Freiheit.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top