Kapitel 29
Als ich meine Augen das nächste Mal öffnete, blinzelte ich die weißen Neonröhren unseres Krankenflügels. Oh Gott, das stach in den Augen.
Ich drehte meinen Kopf zur Seite und sah eine schlafende Christal die ihre Arme (und ihren Kopf darauf) auf mein Bett gelegt hatte. Jessy schlief auf einem Stuhl dahinter.
"Kate.", flüsterte eine andere Stimme und ich drehte meinen Kopf auf die andere Seite. Dort sah ich Amanda. Sie saß in einem Stuhl und las ein Buch.
"Am.", krächzte ich und hustete im nächsten Moment.
"Warte.", sagte sie und holte sofort ein Glas Wasser, welches ich in einem Zug leerte. Sie stellte es zurück und wandte sich dann wieder mir zu.
"Wir sind schon die ganze Zeit hier. Wir wechseln uns ab, damit jemand da ist, wenn du wach wirst." Ich nickte nur stumm, gerührt von ihrer Sorge.
"Hast du Schmerzen?", fragte sie leise und blickte mich aus ihren großen braunen Augen fragend an.
"Ich hab Fragen.", meinte ich und sah sie nur an. Amanda lehnte sich seufzend zurück.
"Du solltest dich ausruhen. Ich gehe und hole Madame Triffey. Sie gibt dir etwas gegen deine Schmerzen.", erklärte sie ausweichend und erhob sich im nächsten Moment von ihrem Stuhl.
"Am!", krächzte ich wieder und wollte mich aufsetzen, doch sie drückte mich behutsam wieder zurück in die Kissen.
"Ich bin die falsche Person für deine Fragen, Kate. Und jetzt ruh dich noch etwas aus.", sagte sie und lächelte mich entschuldigend an, ehe sie aus dem Raum rauschte. Müde schloss ich meine Augen und legte einen Arm über sie. Und ehe ich mich versah, war ich auch schon wieder eingeschlafen.
Als ich das nächste Mal aufwachte, waren meine Freundinnen weg und statt ihrer sah ich Elyas an meiner Seite sitzen.
"Hey.", flüsterte er und lächelte mich warm an. "Wie geht es dir?"
"Jason.", murmelte ich und setzte mich auf. "Ich will Jason sehen." Elyas' Gesicht schlief ein und er sah mich grimmig an.
"Er ist bei seinem Onkel.", meinte er und ich sah ihn erschöpft an.
"Ich muss ihn sehen.", beharrte ich.
"Du kannst es aber gerade nicht.", widersprach er und sah mir durchdringend in die Augen.
"Du hast sie doch gehört, Chase.", ertönte es da von der Tür und ich entdeckte Jasper. Unwillkürlich lächelte ich. Jasper war immerhin schon etwas näher an Jason dran, als Elyas oder Amanda.
"Los, geh und nerv jemand anderen. Ich bin jetzt dran.", erklärte Jasper weiter und stand jetzt schon neben Elyas. Dieser erhob sich und funkelte Jasper wütend an, ehe er sich mit einem "Gute Besserung, Kate" verabschiedete. Jasper blickte ihm grimmig nach, ehe er sich mir zuwandte.
"Na kleine Kate?", begann er, "als deine erste Verletzung hast du dir ja was ganz Schönes raus gesucht." Er grinste und zwinkerte mir spielerisch zu. Ich fasste mir grinsend an meinen Kopfverband. Ich hatte eine Gehirnerschütterung und eine Wunde am Kopf, die immer noch weh tat.
"Ich hätte auch lieber ein blaues Auge genommen, aber was soll man machen?", spielte ich mit und wir beide prusteten los.
"Jasper, wo ist Jason?", fragte ich nun und Jasper rutschte noch etwas näher zu mir heran.
"Elyas hatte Recht. Er ist bei Mr. Miller und dem MI6. Fragen beantworten. Das wirst du auch noch machen müssen, wenn sich dein Zustand verbessert."
"Ersteinmal habe ich Fragen.", entgegnete ich. Jasper lehnte sich zurück und machte es sich bequem.
"Schieß los.", meinte er und ich bekam große Augen.
"Ist das dein Ernst?", fragte ich aufgeregt und setzte mich erwartungsvoll auf.
"Ja.", meinte er nur und betrachtete deutlich seine Fingernägel.
"Wer waren diese Leute?", fragte ich sofort und sah Jasper eindringlich an, um auch ja keine Regung seines Gesichts zu verpassen, für den Fall, dass er log oder mir etwas verschwieg.
"Keine Ahnung.", antwortete er und sah noch immer auf seine Nägel.
"Was? Aber hast du -", setzte ich an, doch er unterbrach mich.
"Ich habe zugestimmt, dass du Fragen stellst, aber nicht zugesichert, dass ich sie auch beantworten werde geschweige denn könnte.", erklärte er und lächelte mich jetzt verschmitzt an. Mit einem Aufschrei des Entrüstens ließ ich mich zurückfallen.
"Warum verheimlicht ihr mir alle das? Ich war dabei! Und ich habe ein Recht darauf, zu erfahren, was passiert ist!", rief ich aufgebracht und starrte ihn wütend an.
"Das mag sein, kleine Kate, aber Jason hat uns allen sehr deutlich gemacht, dass wir dir nichts sagen sollen. Zumal wir auch nicht alles wissen. Niemand weiß alles."
"Oh, ich bin mir sicher der Mistkerl kennt die Antworten auf meine Fragen.", fauchte ich und verschränkte trotzig die Arme vor der Brust.
"Ohhh", machte er und zog gespielt überrascht seine Augenbrauen nach oben, "wenn du schon wieder so reden kannst, dann bist du ja schon fast wieder die Alte."
"Halt die Klappe!", rief ich und warf eins meiner unzähligen Kissen nach ihm. Er fing es lachend und warf es zurück. Dann stand er auf und lehnte sich zu mir.
"Ich gehe jetzt. Schlaf noch etwas, damit du so schnell wie möglich wieder bei uns bist, kleine Kate.", sagte er und gab mir einen Kuss auf die Stirn. Dann verließ er den Krankenflügel und ich blieb alleine in meinem Bett zurück.
Und wieder ließ ich mich zurück auf die Matraze fallen. Das Kissen drückte ich auf mein Gesicht. Es gab nichts schlimmeres, als Fragen, die einem nicht beantwortet werden konnten. Morgen - das schwor ich mir - würde ich Jason finden und Antworten verlangen, und wenn ich sie aus ihm rausprügeln musste, ja selbst wenn ich zu ihm hin kriechen musste, ich würde es tun!
Entschlossen drehte ich mich auf die andere Seite und sah auf den Wecker, der dort stand. Es war 21 Uhr und ich war immer noch müde. Also schloss ich meine Augen erneut und fiel bald darauf in einen traumlosen Schlaf.
Stimmen weckten mich. Laute Stimmen. Wütende Stimmen. Ich schlug meine Augen auf und fand mich noch immer in der Position vor, in der ich eingeschlafen war. Auf der Seite, mit Blick zu meinem Wecker. Es war kurz nach Mitternacht.
"Clary, ich kann dir versichern, dass alles okay ist.", erklärte eine Stimme. Mr. Miller. Sofort war ich hellwach.
"Ich sehe es doch. Ich sehe die Wunden und ich habe außerdem das Blut draußen im Wald gefunden.", fauchte die andere Stimme zurück. Es war eine Frau.
"Clary, bitte. Beruhige dich. Sie wird wieder.", erklärte der Direktor der Unbekannten. Moment mal, sie? Redeten die etwa über mich?
"Nein, Cal, das werde ich nicht! Ich habe sie nicht hierherschicken lassen, nur damit sie dann blutend und verletzt im Krankenflügel liegt.", tobte die unbekannte Frau. Mr. Miller seufzte nur. Ich spürte die Blicke der beiden in meinem Rücken.
Ich wollte aufspringen und Antworten verlangen. Ich wollte fragen, warum sie über mich redeten. Ich wollte schreien, dass sie gefälligst ihre Klappe halten sollten, doch ich tat nichts dergleichen. Stattdessen starrte ich in die verglaste Tür am Ende des, mit Betten gesäumten, Saals. Die Tür spiegelte leicht das gedimmte Licht und ich erkannte Mr. Miller und eine Frau. Sie trug ihre Haare kurz und war einen Kopf kleiner als ihr Gegenüber. Aber an ihrer Körperhaltung erkannte man, dass sie dennoch eine gewisse Autorität ausstrahlte.
"Es ist meine Schule. Und sie ist Schülerin hier. Und du bist nicht mal für sie zuständig.", Mr. Miller blieb sachlich. Sachlich, aber distanziert.
"Ich bin ihre Mutter!", rief die Frau und ich riss schlagartig meine Augen noch weiter auf. Und dann - im nächsten Moment - vergaß ich meine Tarnung, und dass ich eigentlich weiter zuhören sollte. Stattdessen richtete ich mich so ruckartig auf, dass die Erwachsenen verstummten.
Mr. Miller sah mich mit einem undefinierbaren Blick an und schüttelte leicht den Kopf, als hätte er wissen müssen, dass ich zuhörte. Doch meine Aufmerksamkeit galt auch nicht ihm. Ich richtete sie einzig und allein auf die Frau vor mir, die mich mit einem ebenso geschockten Blick ansah. Ihre Harre waren von einem etwas helleren Ton, als meine und hatten im Licht sogar einen leichten rötlichen Schein in dem Braun. Ihre Augen waren von dem gleichen grünbraun wie meine. Auch ihr Gesicht war dem meinen ähnlich. Meine Mutter.
"Catheriné.", flüsterte sie und streckte eine Hand nach mir aus, doch ich zuckte unwillkürlich zurück. Und plötzlich kam alles hoch.
Angefangen bei Charles und Harvey, die am letzten Schultag in meinem Wohnzimmer standen und die Tränen meiner Mom. Der Abschied von Luke, meinen alten Freunden und meinem früheren Leben. Die ersten harten Wochen hier in End's Abbey und dem Messerwurf von Jason, sowie die Angst vor der Rache der Jungs. Über die verpatzte Stadtübung, das Ende der zweiten und der Kampf von Jason und Elyas bis hin zu dem Angriff der Unbekannten Spione. All diese Empfindungen schwappten in einer plötzlichen Welle über mich und trieben mir die Tränen in die Augen.
"Fass mich nicht an.", zischte ich und schwang die Beine aus dem Bett. Die Kanüle zog ich mir mit einem Ruck aus dem Handgelenk und schmiss sie auf das Bett. Dann wich ich vor ihnen zurück - in Richtung Ausgang.
"Catheriné, bitte. Du braucht Ruhe.", bat sie mich erneut und kam wieder auf mich zu.
"Was geht's dich an?", fauchte ich und verschwand auf dem Gang. Ich hörte ihre Stimmen, die mir nachriefen, doch ich ignorierte sie. Stattdessen trieb ich meine Beine dazu an, schneller zu laufen. Obwohl ich immer mal wieder stolperte und jede Faser meines Körpers nach Ruhe schrie, rannte ich weiter. Ich achtete gar nicht darauf, wohin ich rannte. Erst als ich vor dem Zimmer von Jason stand, realisierte ich meinen Weg.
Zu müde, zum umkehren hämmerte ich gegen die Tür und stützte mich atemlos am Türrahmen an. Dann ging die Tür auf und Jason stand darin. Nur mit einer Boxershorts bekleidet.
"Kate!", rief er verwirrt aus und ich keuchte nur zur Antwort. Ich richtete mich wohl etwas zu ruckartig auf, denn Jason's Gesicht verschwamm vor mir und ich brach das zweite Mal in seinen Armen zusammen.
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