Kapitel 25
Nach dem Frühstück hatten wir Chemie und wir lernten alles über Gefahrstoffe und explosive Gemische. Im Falle eines Falles kann dieses Wissen lebensrettend sein.
Ich arbeitete mit Amanda zusammen und wir experimentierten gerade mit verschiedenen Chemikalien. Voll bekleidet mit Kittel, Handschuhe und Brille brauten wir einiges zusammen.
"Wie viel Milliliter brauchen wir davon?", fragte Amanda und deutete auf eine Flasche. Darauf war das Symbol für leichtentzündliche Stoffe zu sehen.
"Keine Ahnung.", sagte ich, nahm die Flasche und schüttete eine große Menge in ein Reagenzglas.
"Kate!", rief Amanda sofort panisch. "Bist du verrückt?"
"Nein. Ich bin Makrochemiker.", entgegnete und grinste.
"Schütte was zurück!", sagte sie und wollte mir das Reagenzglas aus der Hand nehmen.
"Entspann dich Am. In der Schule haben Luke und ich das auch gemacht.", beruhigte ich sie und fügte die nächste Chemikalie dazu.
"In der Schule arbeitet ihr ja auch mit harmlosen Natriumchlorid-Lösungen und Kaliumpermanganat. Das ist ein Witz im Vergleich hierzu.", tadelte sie mich und versuchte erneut das Reagenzglas aus meiner Hand zu ziehen. Doch ich hielt es nur noch weiter von mir entfernt.
"Wenn es sich verfärbt, ist es richtig.", meinte ich überzeugt und betrachtete das Reagenzglas. "Siehst du, es wird schön grün."
"Es soll aber nicht grün werden!", rief Amanda und beugte sich nun vollends über mich.
"Was? Wieso nicht?", fragte ich und streckte das Gemisch automatisch noch etwas weiter weg. Amanda berührte es mit ihren Finger und schließlich rangeleten wir etwas, bis mir das Reagenzglas aus der Hand flog und kurzerhand auf Jason landete. Er saß am Nebentisch mit Jasper und experimentierte konzentriert.
"Oh.", machte ich und bekam große Augen. Als die grüne Pampe auf seinem Platz auftraf, zersprang das Gemisch und spritzte alle im Umkreis von zwei Metern voll. Und es stank fürchterlich.
"Gott, Kate. Was hast du da alles reingekippt?", fragte Amanda und hielt sich die Nase zu. Doch ich hörte ihr gar nicht richtig zu und beobachtete Jason, der kurz inne hielt und sich schließlich langsam zu mir drehte.
"Ist das dein Ernst?!", rief er und funkelte mich wütend an. Ich lächelte nur unsicher.
"Grün steht dir.", versuchte ich die Lage etwas zu retten. Jason öffnete schon seinen Mund, um eine Schimpftirade anzustimmen, als die Lehrerin auf uns zu kam.
"Was soll das? Wer war das?", bellte sie und ich wandte mich von Jason ab.
"Ich hab mich in der Dosierung geirrt.", gab ich kleinlaut zu. Neben mir hörte ich Amanda belustigt schnauben.
"Geht euch waschen!", befahl sie und deutete auf Jason und mich. Wir hatten das Meiste abbekommen. "Und danach macht ihr hier alles sauber."
"Was? Wieso ich?", fragte Jason sofort und sah ungläubig zu unserer Lehrerin.
"Weil ich so sage, Penhallow.", erwiderte sie in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete. "Los, ab mit euch in den Chemiewaschraum"
Resigniert stand Jason auf und ich tat es ihm gleich. Er lief in einen angrenzenden Waschraum, in dem es eine große Dusche mit einem gewaltigen Duschkopf gab. Außerdem gab es ein rießengroßes Waschbecken, ähnlich wie eine Tränke, mit fünf Wasserhähnen und einem großes Abfluss.
"Kannst du eigentlich auch ein was erledigen, ohne deine Mitmenschen zu verletzen, zu blamieren oder zu beschmutzen?", fragte Jason verärgert und streifte sich den Chemiekittel ab. Ich folgte seinem Beispiel und zusammen stopften wir sie in einen Müllbehälter, der extra für beschmutzte Kittel vorgesehen war.
"Entspann dich. Das kann doch jedem mal passieren.", ertönte es da von der Tür und wir drehten unsere Köpfe in diese Richtung. Im Türrahmen stand Elyas.
"Halt die Klappe.", zischte Jason und fing an sich Hände und Gesich zu waschen.
"Ich mein ja nur.", verteidigte sich Elyas und kam zu mir. "Hier ich hab dir einen neuen Kittel besorgt."
"Danke.", sagte ich und lächelte ihn an. Dann wusch auch ich mich. Ich hatte das Gemisch nur auf meine Hände und Handgelenke bekommen.
"Was hast du heute Nachmittag vor?", fragte Elyas und reichte mir ein Handtuch.
"Nichts, wieso?", antwortete ich und trocknete mich ab.
"Ich könnte Hilfe mit meinen Hausaufgaben gebrauchen und da du ja auch neu warst, dachte ich du würdest mir helfen."
"Ja klar, kann ich machen.", sagte ich und lächelte ihn an. Er lächelte dankbar zurück.
"Such die lieber jemand Ordentlichen.", meinte Jason verächtlich von hinten. "Sie ist jetzt schon fast ein halbes Jahr hier und ist immer noch schlecht."
"Nicht zu schlecht, um dir eins auszuwischen.", fauchte ich beleidigt und zog Elyas mit mir aus dem Raum.
Nach dem Mittagessen hatten wir Sportunterricht und mussten wieder mit verschiedenen Partnern Kämpfe veranstalten. Ich musste mich gegen Mike behaupten und schlug mich ganz gut, verlor aber trotzdem. 80 Kilo Muskelmasse waren dann doch noch zu viel.
"Gut. Jetzt Elyas und Jason.", ordnete Coach Crown an. Ich schnappte nach Luft und sah wie Jason auf die Matte trat, seine Augen vor Vorfreude nur so funkelnd. Ich wollte mich gerade zu Elyas umwenden, als dieser schon auf der Matte stand. Schlagartig hatte ich ein De-ja-vú. Auch ich stand ganz am Anfang mit Jason im Ring und verlor gnadenlos.
Die beiden Jungen begannen sich zu umkreisen und Jason lachte verächtlich.
"Worauf wartest du?", fragte er spottend und stellte sich nun gerade auf und streckte die Arme von sich. So hatte es den Eindruck, als wäre er vollkommen ohne Abwehr, aber ich durchschaute seine Strategie.
"Elyas, nicht!", brüllte ich, just in dem Moment, als Elyas seine angebliche Chance nutzte und zuschlug. Doch Jason hatte genau darauf gewartet, denn jetzt packte er ihn und schlug ihm in den Magen. Im nächsten Moment schleuderte er Elyas über seine Schulter auf den Boden.
Einen kurzen Moment dachte ich, er würde jetzt von ihm ablassen, doch Jason kniete sich auf ihn und hielt ihn so am Boden. Elyas versuchte sich zu wehren, bekam Jason aber nicht von ihm runter. Jason hob die Hand und schlug ihn ins Gesicht. Direkt auf sein Auge.
"Jason!", schrie ich erneut. Schläge ins Gesicht waren tabu, aber er saß mit dem Rücken zum Coach, der sich zudem noch mit einem Schüler unterhielt und so gar nicht richtig auf den Kampf achtete.
Wütend fuhr ich zu meinen Freunden herum. Christal hatte sich die Hände vor das Gesicht geschlagen und konnte offensichtlich nicht zusehen. Jessy und Amanda waren ebenso wütend wie ich, doch ich konnte Angst in ihren Augen sehen. Angst vor dem Jungen, der sie schikanierte.
Hilflos drehte ich mich wieder um und sah zu Jason's Freunden. Sie alle standen da und verzogen keine Miene. Währenddessen schlug Jason ein weiteres Mal zu. Doch Elyas schrie nicht.
Plötzlich erblickte ich die Kampfstäbe. Damit sollten wir als nächsten trainieren. Ohne nachzudenken lief ich zu ihnen, zog einen heraus und wandte mich wieder dem Kampf zu.
Gerade als Jason ein drittes Mal zum Schlag ausholte, positionierte ich mich hinter ihm und zog ihn den Stab über seinen Schädel. Jason fiel zwar nicht - wie gehofft - bewusstlos um, hielt aber trotzdem inne. Er wandte sich um und als er mich sah, sprang er auf die Füße.
"Was soll das?", knurrte er und baute sich vor mich auf.
"Das gleiche könnte ich dich fragen, du Mistkerl.", fauchte ich zurück und schwang meinen Stab. Jason fing ihn ab und entwand ihn mir. Damit meine Arme nicht aus ihren Gelenken sprangen, ließ ich den Stab los. Jason schleuderte ihn beseite und drehte sich wieder zu mir. Währenddessen halfen Jessy und Amanda Elyas auf.
Zögere nicht, hörte ich Mr. Miller's Stimme in meinem Kopf. Und das tat ich auch nicht.
Als Jason sich vollends zu mir drehte, sprang ich ihn an und durch den Überraschungseffekt und den Schwung fielen wir beide in den Dreck. Sofort drückte ich seinen Körper mit meinen Knien in den Boden, holte aus und verpasste ihm einen ordentlichen Kinnhaken.
Im nächsten Augenblick wurde ich weggezerrt und fand mich in Jaspers Griff wieder. Meine Hand schmerzte höllisch von dem Schlag, aber ich ignorierte es. Coach Crown half Jason auf und funkelte uns nun wütend an.
"Ihr meldet euch beim Direktor, alle beide. Und zwar sofort!", bellte er und deutete Jasper an, mich loszulassen. Mürrisch stieß ich Jasper von mir weg und wandte mich von der Gruppe ab, um meine Sachen zu holen.
"Kate!", hörte ich Elyas hinter mir. Ich drehte mich um und sofort sprang mir sein Auge entgegen, was schon leicht anschwoll und sich blau verfärbte.
"Bleibt es bei heute Abend?", fragte er und ich nickte.
"Kannst du knicken.", meinte da plötzlich Jason und kam in unsere Richtung. "So wie ich meinen Onkel kenne, müssen wir heute ein Straftraining absolvieren."
"Wir können uns danach trotzdem noch treffen.", rief ich Elyas zu und lächelte ihn aufmunternd an. Jason lief an ihm vorbei und stieß ihn absichtlich an. Dann rauschte er auch an mir vorbei, nicht ohne mir noch einen tödlichen Blick zu zuwerfen.
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