Kapitel 1
Es ist schon komisch, wie dein Leben von einer Sekunde auf die andere einfach so zerbrechen kann.
Heute früh bin ich aufgestanden und dachte, es wäre ein ganz normaler, letzter Schultag. Ich hatte mit meinem besten Freund Luke Scherze gemacht, uns über das Mensaessen beschwert und dann nostalgisch in alten Anekdoten des vergangenen Schuljahres geschwelgt.
Bis dahin hatte ich nicht gewusst, dass wir das nächste Schuljahr nicht zusammen verbringen würden.
Gerade lachten wir zu zweit über unseren Mathelehrer, als wir gleichzeitig das schwarze Auto vor meinem Haus entdeckten.
»Habt ihr Besuch vom FBI?«, witzelte Luke neben mir. Ich zuckte die Schultern.
»Keine Ahnung. Aber ich werde es heraus finden.«, versicherte ich ihm. Vor unserem Gartentor blieben wir stehen. Luke würde jetzt über die Straße gehen und ein paar Einfahrten weiter in seinem Haus verschwinden. So wie jeden Schultag. Wir umarmten uns.
»Schreib mir, okay?«, rief er noch zum Abschied und lief schon über die Straße.
Lachend und nichtsahnend winkte ich ihm hinterher und ging dann den kleinen Weg zu unserer Haustür.
Das Szenario drinnen war bizarr. Meine Mom saß auf der Couch und heulte, unsere Katze Pippa stupste sie mit der Nase an und schnurrte aufmunternd und mein Dad stand und diskutierte mit zwei Männern in Anzügen. Als ich hereinkam, verstummten sie.
»Was ist denn hier los?«, fragte ich irritiert und blieb an der offenen Tür stehen.
Meine Mom sah auf, konnte aber nichts sagen, da sie schon wieder von einem kräftigen Schluchzer geschüttelt wurde. Dafür übernahm mein Dad das Reden.
»Kate, Schätzchen. Komm rein und setz dich erstmal.«, meinte er und deutete lächelnd auf das Sofa.
»Nein danke. Ich bleibe genau hier, wo ich bin.«, lehnte ich ab. Der Fakt, dass mein Vater gequält lächelte, meine Mutter Rotz und Wasser heulte und zwei verdammte anzugtragende Bodyguards in meinem Wohnzimmer standen, lies meine Alarmglocken schrillen.
»Das war keine Bitte, Kate.«, schob mein Vater hinterher und an seinem Blick merkte ich, dass ich gefälligst das tun sollte, was er verlangte. Aber ich hatte noch nie gern etwas getan, bevor man mir nicht ausführlich den Grund erklärte.
»Was wollen Sie hier?«, wandte ich mich stattdessen an die zwei mysteriösen Typen.
»Wir sind von der ISAC. Der International Search Agent Company. Wir kooperieren mit allen nationalen Geheimdiensten. Unter anderem mit dem Ihrer Mutter, die uns -«, begann der eine, doch ich unterbrach ihn.
»Meiner Mutter?«, fragte ich und sah zu meiner Mom, die immer noch weinend auf dem Sofa saß. Doch als die Worte des Mannes bei ihr ankamen, sprang sie auf.
»Gehen Sie endlich! Sie weiß es nicht und so sollte es auch bleiben. Gehen Sie und lassen sie uns in Frieden!«, rief sie und funkelte die zwei Männer an.
»Ich bitte Sie. Das ist mein Haus und meine Familie. Lassen Sie uns Zeit, ihr alles zu erklären.«, erhob nun auch mein Vater das Wort. Der zweite Mann nickte und wandte sich an meinen Vater.
»Wir kommen morgen wieder. Dann werden wir Miss Hathaway alle Unterlagen mitbringen, die sie benötigt. Bis dahin überlasse ich es Ihnen, ihr alles weitere zu erklären.«, sagte er und schon wandten sie sich zum Gehen. Meine Mutter setzte sich wieder und mein Vater schloss die Haustür. Verwundert sah ich ihnen hinterher.
»Was ist hier los?«, fragte ich aufgewühlt. Mom schluchzte lauter.
»Kate, setz dich.«, sagte Dad und diesmal widersetzte ich mich nicht. Als ich neben meiner Mutter Platz nahm, ergriff sie meine Hand und klammerte sich an ihr fest. Mein Vater lief vor uns auf und ab.
»Was war das gerade? Wieso nennt er mich Hathaway?«, rief ich und als Dad schwieg, wurde ich ungeduldig. »Ich will alles wissen, Dad!« Dad blieb stehen und sah mir in die Augen. Er seufzte und eine Traurigkeit zeichnete sich auf seinem Gesicht ab, die mir Angst machte.
»Kate. Als Erstes sollst du wissen, dass wir dich lieben. Egal was passiert. Wir lieben dich. Du bist unsere Tochter, verstehst du das?« Zur Antwort nickte ich. Mein Vater lächelte mich warm und liebevoll an. Dann ließ er die Bombe platzen.
»Wir sind nicht deine leiblichen Eltern.«
Verwirrt blinzelte ich, unfähig etwas zu sagen. Meine Mom drückte meine Hand und ich drehte mich zu ihr um.
»Ich kann keine Kinder bekommen, Kate. Und als Jim und ich von dieser Diagnose erfuhren, waren wir am Boden zerstört. Doch unser Arzt empfahl uns ein Adoptionsunternehmen und kurz darauf stellten wir einen Antrag auf dich.« Sie lächelte. »Sie machten einen riesigen Wirbel um dich, und wir wurden hart geprüft, damit du unser Kind werden konntest. Aber letztendlich haben wir es geschafft und du hast uns doch noch zu Eltern gemacht. Wir lieben dich, Kate und du bist unsere Tochter. Nichts und niemand kann das ändern, hörst du?«
Ich lies ihre Hand los und sah zu meinem Vater.
»Was?«, hauchte ich perplex. Ich schaute zwischen meinen Eltern hin und her. »Das ist ein Witz, oder?« Aber niemand lachte.
»Und was hat das mit diesen Männern zu tun? Warum hat er mich Hathaway genannt und nicht Watson?«
»Deine Mutter ist speziell, Kate.«, begann mein Vater. »Sie ist Agentin.« Und das war die nächste Bombe. »Du wurdest zur Adoption freigegeben, weil sie nicht wollte, dass du in ihren Reihen aufwächst. Wir haben dich bei der Adoptionsagentur gesehen und uns sofort in dich verliebt. Und dann haben wir alles daran gesetzt, dass wir dich mit nach Hause nehmen durften. Es gab nur einen Haken.«
»Es gab eine Bedingung, die wir erfüllen mussten. Als wir mit der Leiterin sprachen, waren zwei Agenten von ISAC anwesend, die uns deine Herkunft erklärten und uns einen Antrag vorlegten. Wir mussten unterschreiben, dass du einen Platz an der Agentenschule deiner Mutter sicher hast, den sie jederzeit für dich aktivieren konnte, sollte sie es für nötig halten.«
»Agentenschule?«, fragte ich verwirrt. Dann lachte ich hysterisch. »Das muss echt ein Witz sein.« Mom schüttelte den Kopf.
»Leider nicht, mein Schatz.«
»Aber wenn ich adoptiert bin, dann hat sie nicht mehr zu melden.«, sagte ich bestimmt. Meine Eltern jedoch schwiegen und tauschten einen Blick aus.
»Was?«
»Das war Teil der Bedingung, Kate. Deine leibliche Mutter würde sich aus deinem Leben heraushalten, außer aus dieser einen Sache. Wir haben es unterschrieben und die zwei Männer von eben haben uns gerade daran erinnert. Deine leibliche Mutter hat von diesem Vertrag Gebrauch gemacht.«, erklärte mein Vater leise.
»Und ihr wusstet davon?«, rief ich. »Die ganze Zeit über?« Mom und Dad nickten vorsichtig.
»Warum habt ihr mir nie davon erzählt? Von der Adoption? Von der Agentenschule?« Ich stolperte über das letzte Wort. Schon allein es auszusprechen, war falsch.
»Wir hatten gehofft, dass dieser Moment nie kommt. Dass deine Mutter aus deinem Leben verschwinden und nie wieder kommen würde.«, schniefte Mom geknickt. »Es tut uns leid, mein Schatz.«
»Und was heißt das jetzt?«, blaffte ich und schlang die Arme um mich. Dad räusperte sich.
»Sie will, dass du auf die Akademie gehst, an der sie gelernt hat.«, meinte er leise.
»Nie im Leben!«, rief ich.
Dad griff hinter sich und reichte mir einige Papiere.
»Hier. Das haben die zwei Männer uns mitgebracht.«, sagte er. Es waren eine Kopie einer Geburtsurkunde sowie ein Bild und ein Brief. Auf dem Foto war eine Frau, ein Mann und ein Baby zu sehen. Vermutlich ich mit meinen Erzeugern.
Als ich den Brief aufmachte, entpuppte er sich als ein handschriftlicher Brief meiner leiblichen Mutter.
Meine liebe Katherine,
ich weiß es muss schwer für dich sein, diese neuen Information zu verarbeiten, aber ich weiß auch, dass du das schaffst. Weil du stark bist. Weil du meine Tochter bist.
Es ist an der Zeit, dass du deine Herkunft kennen lernst. Und die Arbeit deiner Eltern. Dass du verstehst, warum wir dich weggeben mussten, obwohl wir dich lieben.
Deine Zeit für die Akademie ist gekommen. Ich weiß, dass du dich schnell zurechtfinden wirst. Das Agent sein liegt dir im Blut.
Harvey und Charles werden dich zur Akademie bringen. Du kannst ihnen vertrauen.
Es tut mir leid für die Umstände, die ich bereitet habe, aber es ist zu deinem Besten.
deine dich liebende Mutter
Clarisse Hathaway
»Aber das kann sie nicht machen!«, rief ich und starrte meine Adoptiveltern an.
»Leider doch.«, sagte mein Dad.
»Und das bedeutet, ich muss in diese Schule und Agent werden?«, schrie ich.
Mein Vater sah mir in die Augen und blickte dann stumm auf den Boden.
»Ich geh zu Luke!«, war alles, was ich sagte und stürmte schon aus dem Haus.
Hinter mir fing meine Mutter wieder an zu weinen.
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