4. Kapitel💙Richard💙
Richard fühlte sich, als wäre er ein Elternteil bei einer Krabbelgruppe, als er in dem Pausenraum der 1er Lehrer ankam. Alle Elternteile erzählten sich gegenseitig, dass ihr Kind ja das beste und schlauste von allen sei, wegen irgendwelchen banalen Gründen. Kopfschüttelnd ließ er sich an den Tisch auf einen der freien Stühle nieder. "Meine neue Klasse hat während des Rundganges nicht einmal gestört! Niemand hat geredet und alle haben mir zugehört!", lobte die alte Lily Culverwell ihre 1-A in den Himmel, weshalb Richard innerlich die Augen verdrehte. "Aber solches Verhalten ist von einer Klasse der Moorewood Privatschule eigentlich auch zu erwarten!", fügte sie dann noch mit einem stechenden Blick zu Richard hinzu.
"Spielst du auf irgendwas an?", fragte Richard freundlich und lächelte die alte Dame mit der großen, runden Brille gespielt unwissend an. "Das Verhalten deines Schülers vor dem Schulgebäude vorhin war komplett inakzeptabel, Richard! Ich habe wirklich keine Ahnung, was dich an dieser Chaotenklasse so reizt!"
"Also erstmal bin ich immer noch dein Vorgesetzter, also heißt das Mr. Moore und zweitens haben wir öfters Schüler hier, die sich während der Schulzeit falsch verhalten, wie zum Beispiel Prügeleien. Ich erinnere mich da letztes Jahr an zwei Schüler aus deiner Klasse, Lily... du auch noch?", faltete er sie zurecht, weshalb Lily nur schnaubte und nichts darauf erwiderte.
"Aber Mr. Moore", mischte sich nun auch Billy Chapman, Klassenlehrer der 1-B ein, "sie müssen uns doch zustimmen, dass ihre Idee nicht umbedingt rational-betrachtet die beste war. Wird Ihnen das nicht zu viel, sowohl Klassenlehrer als auch Leiter zu sein?", fragte er ihn gut gemeint, weshalb Richard nun freundlich antwortete: "ich verstehe deine Sorge, aber mach dir keine Gedanken darum, Billy. Ich habe alles im Griff."
Billy nickte daraufhin nur, man sah ihm an, dass er dem Jüngeren nicht wirklich glaubte, doch widersprach ihm nicht, wofür Richard ihm wirklich dankbar war.
Man konnte also meinen, dass wirklich jeder Lehrer an dieser Schule gegen Richard's Idee war. Verständlich auf der einen Seite, nervig auf der anderen. Das würde ein sehr nervenaufreibendes Jahr werden. Vor allem musste Richard es irgendwie schaffen, seine neuen Schüler durch die Prüfungen im Frühjahr zu quetschten. Sowohl die schriftliche, die mündliche und die Besonderheiten-Prüfungen. Diese drei Arten gab es auch bei den Aufnahmeprüfungen, nur waren sie natürlich anders aufgebaut.
Auf der Moorewood META gab es insgesamt drei Schuljahre. Nach jedem Halbjahr werden Zwischenprüfungen geschrieben, doch nur im ersten Halbjahr musste man drei Prüfungen durchstehen. Die mündliche Zwischenprüfungen musste man nämlich in den darauffolgenden Jahren nicht wiederholen, nur beim Abschluss im dritten Jahr. Richard vermutete jetzt schon, dass er seinen Schülern vermutlich viel Nachhilfe und eine Menge Hausaufgaben auftragen werden musste.
War es vielleicht doch keine gute Idee gewesen? Verlangte er zu viel von den Schülern ab? Durch diese alte Fledermaus Lily Culverwell war er nun komplett deprimiert. "Ich muss noch mit Mr. Sawyer reden", sprach Richard dann und stand von seinem Platz auf. "Natürlich musst du mit Paul reden", seufzte Lily und legte ihre Brille theatralisch auf den Tisch, "du verschwendest immer deine eigentlich so wertvolle Zeit damit, mit diesem Flegel zu plauschen! Ich verstehe wirklich nicht, warum dein Bruder das Heldenministerium so eifrig dazu gebracht hat, dich als Leiter der Schule einzustellen, kaum, nachdem diese gebaut worden war. Aber dein Bruder wird es als Bürgermeister und Superheld schon wissen."
Richard atmete tief ein und leckte sich über die Lippen, um sich keines zynischen Spruches zu entladen, "vielen Dank für deine ehrliche Meinung, Lily", sprach Richard überfreundlich und lächelte gezwungenermaßen, "aber diese interessiert mich keines Weges und wenn dir meine Entscheidungen nicht passt, dann unterrichte doch an einer anderen Schule."
"Ich an einer anderen Schule? Das wäre komplett vergeudetes Können und Talent."
"Ob ihr Talent und Können wirklich vergeudet wäre, sehe ich dann, wenn sie meine Klasse erfolgreich in Biologie und Chemie unterrichten können, in Ordnung? Vielen Dank, bis später."
Kaum hatte Richard die Zimmertür hinter sich geschlossen und stand nun auf dem leeren Flur, da schrie er kurz unterdrückt auf. Dann rieb er sich jedoch seine Stirn und beruhigte sich, ehe er zum Treppenhaus lief. Er wusste, dass Paul zwar eine dritte Klasse hatte, die 3-A, die sogar zu einer der besten im Jahrgang zählte, aber trotzdem so gut wie nie im Lehrerzimmer der Dreier Klassen verweilte. Er hockte lieber alleine in seinem Büro ganz oben im Schulgebäude, gegenüber von Richard seinem und zum ersten Mal konnte Richard es nun auch nachvollziehen, weshalb Paul das immer tat.
"Paul!", mit einem Ruck öffnete Richard die Bürotür, nachdem er die Treppen nach oben geeilt war. Paul zuckte überrascht zusammen und hatte vor Schock seinen Kugelschreiber hinter sich geworfen, "Richard, meine Güte", murmelte er dann fertig und fasste sich an seine Brust. "Tut mir Leid, ich bin nur gerade etwas aufgebraust. Ich hätte niemals gedacht, dass die Lehrer anstrengender als die Schüler seien würden", beschwerte er sich bei ihm und setzte sich auf einen der beiden Stühle vor Paul's Schreibtisch.
"Naja, ich bin mir sicher, dass deine Schüler noch um einiges anstrengender werden", kommentierte der Schwarzhaarige daraufhin und hob seinen Stift wieder auf. "Jetzt fang du nicht auch noch damit an. Ich dachte, wir sind Freunde! Du solltest mich aufbauen und nicht fertig machen!", jammerte der Schulleiter und knallte seinen Kopf auf die Tischplatte. "Ich bin nur ehrlich, Richard", verteidigte Paul sich. "Ich weiß", seufzte Richard und hob seinen Kopf, "ich wollte dich fragen, was du von der Idee von Nachhilfe halten würdest."
"Laut meinen bisherigen Noten brauche ich eigentlich keine Nachhilfe, danke", scherzte Paul und lächelte Richard sogar kurz an.
"Sehr witzig", grummelte Richard jedoch nur, "du weißt, wie ich das meine."
"Ist ja gut, mach dir nicht so einen Stress", winkte Paul ab, "Nachhilfe für die Chaoten klingt doch gut, aber überlaste sie nicht direkt am Anfang, zumindest diese Woche. Danach werden sie bestimmt sowieso Überstunden gebrauchen. Von mir aus, kann ich Ihnen auch manchmal Nachhilfe geben."
"Das wäre perfekt, danke!", freute Richard sich erleichtert, "vielleicht kannst du ihnen ja sogar noch in anderen Fächern etwas beibringen, abgesehen von Mathe, wo du sie eh schon unterrichtest? Ich weiß, Naturwissenschaften waren nie deine Stärke, aber zum Beispiel Englisch oder Erdkunde warst du doch auch immer sehr gut! Und ich gebe Ihnen dann noch ein wenig zusätzlichen Unterricht und Melinda kann ich bestimmt auch dazu überreden und-"
"Schalte mal einen Gang runter, Rambo", unterbrach Paul ihn, "ist ja süß, dass du dich so um deine Schüler sorgst, aber es ist erst der erste Schultag und noch nicht mal Mittag, du machst dir zu viele Sorgen. Du hast schon so vieles geschafft, da schaffst du es auch, diese Klasse irgendwie durchzubringen und das ohne, dass du dich dabei zu Tode arbeitest", munterte Paul ihn ernst auf, weshalb Richard nickte und dann lächelte. "Du hast recht, ich hab ein wenig die Nerven verloren, danke", bedankte er sich bei dem Kleineren. "Natürlich hab ich recht, das hab ich immer", kam es gelassen zurück, weshalb Richard schnaubte. "Die Frühstückspause für meine Klasse ist gleich zu ende, ich sollte langsam los", meinte Paul dann und klappte sein Notizbuch zu, das bis eben noch geöffnet auf seinem Schreibtisch lag.
"Das stimmt," Richard kratzte sich am Nacken und stand vom Stuhl auf, während Paul weiter seine Sachen einpackte. "Und ich ähm- also erstmal nochmal danke, Paul", stotterte er kurz vor sich hin und stützte sich am Schreibtisch am, "und ich wollte dich fragen, ob du vielleicht heute bei mir zu Abend essen willst?"
"Du willst kochen?", Paul zog eine Augenbraue nach oben. "Eigentlich würde eher meine Köchin kochen", bekam er verlegen als Antwort zurück, weshalb Paul mit den Augen verdrehte, "aber ich kann auch selber kochen, natürlich!"
"Oh nein, ich hab einmal dein Gekochtes gegessen. Zweite Klasse auf der Heldenschule. Einmal und nie wieder", widersprach er Richard sofort und lächelte ihn dann an, "aber das mit dem Abendessen klingt gut."
Paul schulterte seine Tasche auf und lief dann zur Tür seines Büros, während Richard versuchte, seine Freude zu unterdrücken. "Das Wichtigste ist, dass du dich um jeden deiner Schüler einzeln und individuell kümmerst. Mir ist nämlich aufgefallen, dass du sowohl Schüler genommen hast, die nur knapp durchgefallen sind, als auch welche, die große Probleme hatten. Manche haben es auch nicht geschafft, weil sie von Melinda als zu labil eingestuft wurden", gab Paul ihm noch denn Tipp. "Warte- du hast dich über meine Klasse informiert?", fragte Richard grinsend und lehnte sich an die Wand neben der Tür. Daraufhin zuckte Paul nur mit den Schultern, "natürlich, schließlich unterrichte ich sie selber bald und mir war schon klar, dass du vermutlich ein wenig Hilfe gebrauchen könntest."
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