38. Kapitel💙Liam💙
Liam fühlte diese angenehme Schwärze um sich herum, die ihn einnahm und bei sich behielt. Nicht, dass er eine wirkliche Wahl hatte. Seine Glieder waren an Steine gebunden oder in Beton gegossen. Er konnte sie zumindest keinen Millimeter bewegen, da sie sich zu schwer anfühlten oder Liam schlichtweg zu schwach war.
"Liam", vernahm er eine leise Stimme, die er nicht zuordnen konnte. Ein sanftes Licht verband sich mit dem Schwarz, welches langsam in Grautöne überging und ihn blendete. Das Gefühl in seinen Fingerspitzen und Zehen kehrte wieder. Ein Stechen im Brustkorb breitete sich aus, bis es zu zerbersten begann, doch war er nicht fähig, vor Schmerzen aufzuschreien.
"Liam!", verzweifelt wollte ich sich irgendwo krampfhaft festhalten, doch fand nichts. Das Licht wurde immer prominenter. Er kniff die Augen zusammen und schnappte nach Luft.
"Verdammt, Liam!"
Keuchend erwachte Liam im Krankenzimmer und riss die Augen auf, die sofort panisch den Raum scannten. Er wollte sich trotz der Schmerzen aufsetzen, doch Ravin drückte ihn direkt wieder zurück auf die Matratze, "bleib liegen, du Idiot!", zischte der Blonde und ließ sich seufzend auf den Stuhl zurückfallen, der an seiner Bettseite stand.
"Was-wo-", stotterte Liam benommen, musste die Szenerie noch verarbeiten. "Krankenzimmer der Schule. Ich hab dich platt gemacht und du wurdest ohnmächtig", erklärte Ravin seufzend, der sich breitbeinig und entspannt zurücklehnte.
Der Blauhaarige versuchte seine Atmung zu verlangsamen und wollte sich durch die Haare fahren, doch die Müdigkeit war noch zu groß, "okay", murmelte er nur, versank tiefer im Kopfkissen und sah seinen Gegenüber aus halb-geschlossenen Augen an, "und das Sportfest?"
Ravin schnalzte mit der Zunge und zog ein Band mit einer goldenen Medaille aus seiner Hosentasche. Wortlos hielt er es ihm unter die Nase, präsentierte ihm somit die große 1 auf beiden Seiten.
"Du hast es geschafft", keuchte Liam erschöpft und gab sein bestes Grinsen, als er das hübsche Metall musterte, "Ich wusste, dass du es schaffen würdest. Du bist einfach der Beste."
"Ich weiß", kam es von Ravin zurück, der sich die Medaille umhing, "Du wurdest Dritter, zusammen mit irgendeinem anderen Jungen."
Liam lachte leise, sein Brustkorb glühte auf, die Wangen schmerzten vom Grinsen, "ich hab mein Bestes gegeben", antwortete Liam leise und leckte sich über die trockenen Lippen, sein Lächeln verzog sich, "leider war es wohl nicht genug. Du hast mich besiegt."
Ravin wusste, dass er auf ihren Deal anspielte. Der Blonde hatte gewonnen und somit würde Liam ihn nicht weiter nerven.
"Ich hasse Schwächlinge", verkündete Ravin, der abwesend seine Medaille drehte, "Idioten, die sich keine Mühe geben oder sich alles in den Arsch schieben lassen. Idioten, die aufgeben, ständig rumheulen und die man ständig beschützen muss. Denen man rund um die Uhr helfen muss."
Liam nickte verstehend und wandte seinen Blick zur Decke, "tut mir leid", entschuldigte er sich niedergeschlagen. Ein leises Rascheln hallte im kleinen Raum wieder, ehe ein Schlag folgte und Liam sich schmerzhaft krümmte. "Au!", schrie der Blauhaarige und hielt sich den Bauch, den Ravin eben einen guten Schlag verpasst hatte, "Du hast mir in den Magen geschlagen!", beschwerte Liam sich grollend, während Ravin sich wieder hinsetzte. "Selbst schuld."
"Ich glaub, ich muss kotzen", kam es jedoch nur krächzend von Liam zurück. "Wehe", drohte Ravin, "ich bin weder dein Pfleger, noch deine Putzfrau."
Liam wimmerte leise, der Schmerz ließ wieder nach, weshalb er sich vorsichtig entspannte und Ravin wieder ansah, "ich wollte immer nur dein Freund sein", kam es ehrlich vom Blauhaarigen, "Du bist so toll und gut in allem. So selbstbewusst und cool und hübsch. Ich wollte nur, dass du mich genauso respektierst, wie ich dich respektiere."
"Leg nicht so viel Wert auf andere, Schlumpfhaar. Du musst dich niemandem beweisen", schnaubte Ravin bloß. Liam brummte bloß jammernd, "das fällt dir wohl leichter als mir, Ravin."
Ravin schnalzte mit der Zunge und schüttelte fassungslos mit dem Kopf, "was ist denn los mit dir, Schlumpfhaar?! Du bist kein dämlicher Schwächling, also stell dich nicht wie einer an!"
"Huh?", murmelte Liam verwirrt und blinzelte mehrfach, "nicht? Was sollte dann eben die Rede darüber?"
Ravin stöhnte genervt und rieb sich die Schläfen, da Liam es wohl nicht verstand, "du hast dein Bestes gegeben", wiederholte er seine Worte von eben, "Du hast dir Mühe gegeben und nicht aufgegeben. Du bist zwar dumm aber hartnäckig.
"Hey", murmelte Liam leise und versuchte nach Ravin zu greifen, was nicht klappte, "ich bin nicht dumm."
"Doch", widersprach Ravin ihm, "deine Noten sind grottenschlecht. Du musst besser in den Klausuren werden. Morgenabend bring ich dir Mathe bei. Mein Zimmer, komm nicht zu spät."
"Warte!", rief Liam, als Ravin vom Stuhl aufstand, "was meinst du damit? Ich hab den Deal verloren."
Ravin grollte laut, "soll ich es dir wirklich lautstark Buchstabieren?!"
Leise lachend nickte Liam, "ja, bitte. Sag das F-Wort."
Ravin seufzte und schloss kurz die Augen, ehe er sich vor Liam's Bett stellte. Sofort schossen die grauen Augen nach oben und erwiderten den Augenkontakt, "Du...", zögerte Ravin, "bist ganz okay. Du darfst in der Cafeteria an meinem Tisch sitzen, wenn du mich nicht nervst."
Das Grinsen von Liam wurde größer, "weil wir was genau sind?", stichelte Liam weiter. "Übertreibs nicht", grollte Ravin. "Ich wusste immer, dass wir Freunde sind, Beasty. Du bist der Beste."
Ravin zögerte, öffnete sogar seinen Mund, doch schloss ihn dann wieder. Kopfschüttelnd lief er zur Tür, "ich geh jetzt."
"Nein", jammerte Liam und haute wütend auf die Matratze, "bleib. Wir sind Freunde, du musst bleiben."
"Ich muss gar nichts", kam es vom Ravin ruhig zurück, "beweg deinen Hintern schnellstmöglich aus dem Krankenbett", befahl er ihm noch, ehe der Blonde das Zimmer verließ. Liam seufzte leise, doch ein Lächeln schlich sich auf seine Lippen, ein wohliges Gefühl in seinem Bauch, das die Schmerzen übertönte.
Das Schmunzeln wurde ungewollt größer, weshalb Liam sich auf die Unterlippe biss. Ravin wollte trotzdem noch etwas mit ihm zu tun haben. Jetzt konnte der Blonde es nicht mehr abstreiten, sie waren Freunde.
Erschrocken zuckte der Blauhaarige zusammen, als die Tür aufgestoßen wurde und Ace, Gemma und Leo zum Vorschein kamen, gefolgt von Mr. Moore.
"Liam!", riefen Ace und Gemma aufgeregt, stürzten nach vorne und umarmten den Verletzten. "Zum Glück geht es dir gut!", sprach der Kubaner und musterte seinen Freund. "Wir haben uns voll die Sorgen gemacht als du umgekippt bist!", stieg Gemma mit ein, Leo winkte ihm im Hintergrund zu, wollte Liam nicht noch mehr einengen. "Tut mir leid", entschuldigte Liam sich leise.
"Kommt schon, Kinder, lasst ihm ein bisschen Luft zum Atmen", sprach Mr. Moore, weshalb die Beiden von ihm abließen. Mr. Moore trat weiter nach vorne, musterte für einen kurzen Moment verwirrt den leeren Stuhl neben dem Bett und widmete sich dann Liam. "Die Monitore haben den Ärzten mitgeteilt, dass du endlich aufgewacht bist. Du warst fast 3 Stunden bewusstlos."
"Vorher durften wir dich leider nicht besuchen", fügte Ace noch hinzu. Liam blinzelte überrascht, da Ravin bis eben noch da war, doch sprach es nicht an. "Sobald es dir wie der gut genug geht, darfst du zurück ins Wohnheim", erklärte Mr. Moore, "aber eigentlich wollten wir dir nur kurz den hier zeigen", fügte er hinzu und zog den goldenen Pokal hinter seinem Rücken hervor.
Liam klappte fassungslos der Mund auf, als er unten auf der Plakette las, dass sie den ersten Platz im Sportfestival gemacht hatten. "Wir haben ganz knapp gewonnen, weil Ravin im finalen Einzelkampf als Sieger hervorging", schilderte Leo ihm. "Unfassbar!", hauchte Liam und nahm den Pokal zittrig in die Hände, um ihn genauestens anzuschauen.
"Du hättest sehen müssen, wie die anderen Klassen bei der Siegerzeremonie geguckt haben!", freute Gemma sich, doch stockte dann, "nur schade, dass du nicht dabei sein konntest."
"Ich werd es mir nachher im Fernsehen anschauen", winkte Liam ab, obwohl das Stechen im Brustkorb andeutete, dass es ihn definitiv ärgerte, doch dafür konnten seine Freunde natürlich nichts.
"Liam", mischte Leo sich ein und drängte sich nun auch etwas in den Vordergrund, "was genau ist denn auf dem Feld passiert, dass du bewusstlos geworden bist?"
Liam hielt inne und biss sich auf die Unterlippe, "passiert manchmal, wenn ich meine Fähigkeit zu sehr ausreize."
Der Feuerjunge nickte verständlich und schien sich mit der Aussage zufrieden zu geben, Ace klopfte Liam mitfühlend auf die Schulter. "Nun gut, Kinder", sprach Mr. Moore schließlich, "ihr solltet besser mal wieder zurückgehen. Ich werde noch kurz mit Liam reden."
Seufzend verabschiedeten sich somit die Drei von ihrem Freund, der ihnen zum Abschied noch kurz zuwinkte, ehe die Zimmertür hinter ihnen zuging und somit Liam mit Mr. Moore alleine ließ.
"Tut mir Leid, Mr. Moore", entschuldigte Liam sich direkt und starrte bedrückt auf seine Hände, "ich wollte ihnen und den anderen keine Umstände machen oder euch beunruhigen."
"Bei Gott, Liam", seufzte der Held daraufhin und ließ sich auf den Stuhl fallen, auf den Ravin noch bis vor kurzem gesessen hatte, "entschuldige dich niemals für sowas. Du bist aufgrund deiner Fähigkeit umgekippt, dafür kann man nichts. Besonders du kannst absolut nichts dafür, das weißt du."
Zögerlich nickte der Blauhaarige, seine Hand glitt unweigerlich zu seinem Herzen und griff dort am Stoff seines Oberteils. Das Dröhnen im Kopf wurde immer präsenter und hämmerte gegen seine Schädeldecke, versuchte ihn zum ausruhen zu überreden. "Sie erinnern sich noch?", murmelte Liam leise und sah vorsichtig auf, Mr. Moore musterte ihn mit einem fürsorglichen Blick. "Natürlich tue ich das", antwortete sein Vorbild seit Kindheit an, "deine blauen Haare habe ich bei dem Bewerbungsfoto direkt wiedererkannt. Ich muss zugeben, dass ich nicht damit gerechnet habe, einen von euch dabei zu haben."
Brummend nickte Liam ein weiteres Mal, ein sanftes Lächeln bildete sich auf seinen Lippen, bei Mr. Moores aufbauenden Worten, "ich hatte Glück", zuckte Liam mit den Schultern. "Du hattest alles andere als Glück, Liam", widersprach Mr. Moore ihm jedoch, "dafür hast du aber durchgehalten und nicht aufgegeben. Du solltest Stolz auf dich sein."
"Danke", kam es hauchzart zurück, ein warmes Bauchkribbeln durchfuhr Liam bei dem Kompliment seines Kindheitshelden, "ich gebe mein Bestes."
"Das weiß ich", lächelte Mr. Moore und stand von dem Stuhl auf, "Du solltest dich noch etwas ausruhen, ich schicke einen Arzt zu dir, der dich nochmal durchcheckt."
Liam nickte und beobachtete wie nun auch Mr. Moore sein Krankenzimmer verließ. Immer noch das Lächeln auf den Lippen, die Hand am schmerzenden Brustkasten. Ungewollt entkamen ihm ein paar Tränen, ob vor Trauer oder Glück konnte der Blauhaarige nichtmal sagen. Er war zu erschöpft von diesem einen einzigen Tag, vom gesamten Sportfest eigentlich, um sich sonderlich darum zu kümmern. Pure Erleichterung, da er sich endlich ausruhen konnte, überkam ihn, als er sich tiefer im Kissen versinken ließ und die Augen schloss.
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