32. Kapitel💙Jasmin💙
Die erste Runde der Einzelkämpfe endete gerade, die ersten vier Sieger standen somit fest, die in der dritten Runde gegen die Sieger der zweiten Runde antreten mussten.
"Was hast du denn mit deinem Schützling angestellt?", Naomi, Leo's Mentorin, gesellte sich zu Jasmin, die auf ihrem Platz saß und ruhig darauf wartete, dass Liam's erster Kampf began. Ihre braunen, dünnen Haare verliefen ihr bis um Kinn, weshalb sie immer wieder vor ihre blauen Augen fielen. "Wieso fragst du?", antwortete Jasmin zurück, fixiert auf das Spielfeld vor ihr. "Ich hab mit Leo kurz geredet, weil er immer noch etwas niedergeschlagen von seinem Platz in der Rangliste war. Er meinte, Liam wäre ungewöhnlich still, seitdem er mit dir trainiert hat", gab Naomi zu und blickte zu der 1-E auf der anderen Seite der Tribüne. Liam saß inzwischen wieder auf seinem Platz, er war kurz zuvor erst wieder reingekommen.
"Selbst jetzt sieht er irgendwie demotiviert aus", kommentierte Naomi nachdenklich. "Ich hab ihm die Frage gestellt, wieso er ein Held werden will. Er konnte mir kaum darauf antworten, also meinte ich, wenn er keinen guten Antrieb hat, solle er lieber den Weg des Helden aufgeben", gab Jasmin ehrlich zu. "Sowas sagst du einem Erstklässler kurz vor einem großen Kampf? Ich wusste garnicht, dass du so böse sein kannst", empfand Naomi, klang nicht sehr begeistert von Jasmin's Vorgehen, "der Arme wird jetzt ganz durch den Wind sein."
"Als Held darf dich nie etwas aus dem Konzept bringen, das muss er lernen", gab Jasmin entspannt zurück, "wenn er wegen seinen Zweifeln jetzt aufgibt, hätte er eh keine Chance. Es wird sich jetzt zeigen, ob er als Held was taugt oder nicht."
"Ich glaube, Bailey färbt langsam auf dich ab", schmunzelte die Braunhaarige, "kaum zu glauben, dass ihr jetzt seit über einem Jahr schon zusammen seid. Wisst ihr schon, was ihr nach der Moorewood META macht?"
"Voraussichtlich werden wir in der selben Heldenagentur als Sidekicks arbeiten. Später wollen wir dann ein Team bilden, aber das wird dauern."
"Bailey als Teamkollegin ist ziemlich anstrengend", schnaubte Naomi belustigt.
"Nein, Bailey an Wochenenden um sieben Uhr morgens in meinem Bett ist anstrengend. Vor elf Uhr kriegst du sie nie aus den Federn."
Ein Gong ertönte, dann eine Ansage, dass die nächsten Schüler sich auf ihre Plätze begeben sollen. Blue Saviour und Snow Storm auf Feld A und Alpha Beast und Night Watcher auf Feld B. "Jetzt wird's interessant", kommentierte Naomi aufgeregt, während Bailey sich grummelnd durch die Reihen quälte und sich neben Jasmin auf ihren Platt fallen ließ. "Gerade noch rechtzeitig", sprach Jasmin zu der Blonden.
Die Gelockte beobachtete, wie ihr Schützling von seinen Freunden nochmal in ein paar Umarmungen gezogen wurde, ebenso wie von Mr. Moore, ehe er auf das Spielfeld trat. In den Einzelkämpfen war fast alles erlaubt, es gab kein Zeitlimit und man gewann entweder, indem einer der beiden die Feldabgrenzung überschritt oder nicht mehr kampfbereit war. Wenn die Situation zu brenzlig wurde, würde der Kampf selbstverständlich unterbrochen werden.
"Liam's Gegner ist aber 'n Brocken", gab Naomi von sich. "Scheiß drauf", antwortete Bailey, "in einem Kampf zählt viel mehr als nur der Körperbau." Jasmin nickte als Zustimmung, innerlich hoffte sie natürlich, dass Liam nicht aufgegeben hatte. Sie wusste, wieviel Potential in ihm schlummerte.
Auf dem Monitor waren sowohl die richtigen, als auch die Heldennamen der Kämpfenden zusehen. Sobald die Kämpfe starteten würden auch verschiedene Kameraansichten darauf erscheinen, das wusste Jasmin von den vorherigen Festen. "Komm schon, Liam", hauchte Jasmin leise, "bitte gib unsere harte Arbeit nicht einfach auf."
"Du hast den Kleinen wirklich ins Herz geschlossen, huh?", fragte Bailey, als der Gong ertönte und die Kämpfe begangen. Ravin stürmte sofort auf seine Gegnerin zu, wohingegen Liam sich von Greg angreifen ließ. Jasmin antwortete daraufhin nicht, schmunzelte nur ein wenig. "Ravin hat recht. Mit seinen merkwürdigen, blauen Haaren sieht er aus wie ein Schlumpf", kommentierte Bailey, Jasmin rollte mit den Augen. "Aber die Schlümpfe haben doch alle weiße Kappen auf, oder? Keiner von denen hat blaue Haare", wunderte sich Naomi. "Ist das jetzt das einzige, was euch interessiert?", fragte Jasmin nun die beiden Mädchen.
"Leo ist nicht in den Top 16", meinte Naomi.
"Ravin wird den Jungen eh platt machen", Bailey zuckte mit den Schultern und lehnte sich gelangweilt an Jasmin ran, "bei deinem Schlumpf bin ich mir allerdings nicht so sicher", gab sie ehrlich hinzu. "Wieso?", fragte Jasmin ein wenig gereizt, als sie zum Spielfeld blickte und mitbekam, wie Liam zu langsam einen von Greg's Schlägen auswich und nach hinten strauchelte, "halt die Klappe", murmelte sie ihrer Freundin zu, die nur belustigt schnaubte.
"Liam hat doch eine echt gute Besonderheit für den Nahkampf", bemerkte Naomi, "eigentlich könnte er wirklich gut gegen seinen Gegner ankommen."
"Liam hat leider noch viele Problem mit seiner Besonderheit", Jasmin seufzte niedergeschlagen, "außerdem lässt er sich zu leicht ablenken."
"Es ist merkwürdig", murmelte Bailey konzentriert auf Liam, weshalb Naomi und Jasmin verwirrt zu ihr blicken, " er koordiniert seine Besonderheit nicht gut."
"Wie meinst du das?", wollte Naomi neugierig wissen. Jasmin zog eine Augenbraue nach oben. "Liam unterschätzt oder überschätzt ständig seine Besonderheit. Er kalkuliert seine Stärke falsch ein. Obwohl man sowas bereits in Kindertagen lernen. Es sieht so aus, als wüsste er gar nicht, wie er am besten seine eigene Besonderheit nutzt."
"Was du dir wieder für Schwachsinn in den Kopf setzt!", schnaubte Jasmin und verschränkte ihre Arme. "Du solltest das doch am ehesten mitbekommen haben!", verteidigte Bailey sich, "viele von unseren Schützlingen haben natürlich noch nicht ihr volles Potenzial der Besonderheiten ausgeschöpft, die meisten haben noch gewisse Macken, aber Liam scheint eine der Schwächsten in dem Hinblick zu sein."
"Ich hab keine Ahnung wovon du redest", widersprach Jasmin, langsam wurde sie wütend. "Ich meine, er muss die Materie erst ablecken, bevor er sich in sie transformieren kann. Manchmal schafft er es nicht mal, sich zurück zu transformieren. Seine blauen Haare sind angeblich eine Nebenwirkung, dabei stehen sie in keinem Bezug zu seiner Besonderheit. Liam hat sich zwar definitiv verbessert, aber er hängt im Fortschritt hinter den anderen her."
"Woher weißt du das alles überhaupt? Müsstest du dich nicht lieber um deinen eigenen Schützling kümmern, anstatt meinen die ganze Zeit zu analysieren?", keifte Jasmin fast schon, weshalb sowohl Naomi als auch Bailey kurz die Luft wegblieben. "Jas...", murmelte die Blonde zu ihrer Freundin und griff nach ihrer Hand, "was ist denn los mit dir? Ich bin mir sicher, du hast die Mängel auch bereits bemerkt."
"Natürlich hab ich das", Jasmin atmete mehrmals tief durch, um sich zu beruhigen, "aber Liam ist ein guter Kämpfer. Er hält durch und gibt nie auf. Er wird das schaffen."
"Da hab ich doch auch nie was gegen gesagt", man hörte immer noch Bailey's Verwirrung aus ihrer Stimme heraus, "nach allem, was ich mitbekommen habe, sind zwar weder Liam's Muskeln noch seine Besonderheit aus Stahl, dafür aber definitiv seine Nerven. Er scheint auch das Herz am richtigen Fleck zu haben, das zählt doch auch."
"Das stimmt", Jasmin lächelte leicht, schien wieder ein bisschen heruntergekommen zu sein und drückte liebevoll Bailey's Hand, "aber wieso hast du so ein Auge auf Liam gelegt? Sowas bemerkt man nicht einfach so."
"Ich hab kein Auge auf ihn gelegt", erklärte Bailey, ihre Hand immer noch verflochten in Jasmine's, "Ravin aber. Von ihm weiß ich das meiste. Kann natürlich sein, dass er Liam auch komplett falsch eingeschätzt hat. Manchmal sitzt er einfach viel zu weit oben auf seinem Ross."
"Von Ravin?", fragte Jasmin überrascht, "wie genau meinst du das?", wollte sie unbedingt wissen, als Bailey's Augen zu glitzern begannen und sie von ihrem Platz aufsprang, um sich ans Geländer zu hängen. Lautes Jubeln brach aus und neugierig blickte Jasmine auf's Spielfeld.
Sie erkannte, dass Ravin seine Gegnerin vom Spielfeld befördert und somit den Kampf gewonnen hatte. "NA ENDLICH!", schrie Bailey mit einem fetten Grinsen, "WURDE ABER AUCH MAL ZEIT, DU FAULPELZ!"
Bailey war wohl so laut, dass Ravin es trotz des vielen Jubelns der Zuschauer mitbekommen hat und ihr den Mittelfinger zeigte.
"Ich hab ja gesagt, dass er das locker schafft! Was hast du nochmal gefragt?", zufrieden fiel Bailey wieder auf ihren Platz. "Ach ja, genau!", Bailey klatschte in die Hände, als es ihr selber wieder einfiel, "naja, Ravin und ich trainieren halt oft, auch außerhalb der Schulzeit. Er macht noch viele Anfängerfehler."
"Wirklich? Ich finde, Ravin könnte jetzt schon gegen manche Drittklässler ankommen", gab Jasmin zu. "Klar kann er das!", stimmte Bailey ihr zu, "aber das heißt noch lange nicht, dass er auf der faulen Haut herumliegen kann! Sobald er mich im Zweikampf besiegen kann, darf er sich vielleicht mal ein wenig Ruhe gönnen. Wo waren wir nochmal? Ach so, stimmt-"
Bailey räusperte sich kurz, wagte noch einen kurzen Blick auf Ravin's Kampf, ehe sie sich mehr zu Jasmin drehte, "Normalerweise ist Ravin nicht wirklich gesprächig, aber wenn wir nach der Schulzeit auf dem Gelände trainieren, muss ich ihm immer sagen, dass er endlich mal die Klappe halten und sich mehr konzentrieren soll. Ihn frustrieren immer viele Dinge, wenn er zum Beispiel im Unterricht Probleme hat oder seine lauten Klassenkameraden ihn stören. Er kotzt sich dann immer bei mir darüber aus, das nervt manchmal zwar etwas, aber es ist gut, dass er den Frust loslässt."
Jasmin hörte der Kleineren gespannt zu, war dabei wirklich fasziniert, dass Ravin mit Bailey über seine Probleme redete. Er schien mehr so wie der Typ, der alles selber lösen wollte. Zudem freute es sie, dass Bailey sich so sehr um ihren Schützling kümmerte.
"Auf jeden Fall-", kam Bailey wieder zum Punkt, "hat er sich anfangs auch viel über Liam aufgeregt, weil dieser ihn wohl nie in Ruhe gelassen hat. Liam sei ja so nervig und so laut und so hyperaktiv und er klopfte jeden Tag mindestens drei Mal an seiner Tür blablabla. Mit der Zeit wurden die Beschwerden allerdings weniger und sind in eine andere Richtung abgedreht. Liam müsste da mehr tun und das sollte er verbessern und das sollte er mehr lernen. Daher weiß ich soviel über Liam. Ich vermute sogar, dass Ravin ihm manchmal sogar in der Schule hilft, zumindest weiß er ziemlich genau, was Liam in Mathe alles nicht versteht."
Jasmin nickte wortlos, war wirklich erstaunt, dass ihre Freundin so gut und aufmerksam ihren Schützling zuhörte.
"Ich hab einen Fehler gemacht", murmelte die Gelockte und stand von ihrem Platz auf, ihre Hand entzog sich Bailey's. "Was meinst du?", fragte Bailey verwirrt und riss die Augen auf, als Jasmin plötzlich losstürmte. "Wa- Jasmin! Wo willst du hin?!"
Jasmin stolperte unbeholfen zu den Treppen, rempelte dabei ein paar Leute an, bei denen sie sich zügig entschuldigte. Oh, sie war zu weit gegangen, dabei hatte sie Liam versprochen, eher eine Freundin als Mentorin zu sein. Sie hätte erkennen müssen, dass irgendwas nicht stimmte.
Liam lag mit dem Rücken im Dreck, Greg direkt über ihm. Der Blauhaarige versuchte zwar, sich zu befreien, doch sein Gegner war körperlicher Stärker als er, zudem nutzte dieser seine eisige Besonderheit, um Liam zuzusetzen.
Jasmin rannte immer weiter nach unten, bis sie gegen die Barrikaden der Felder prallte, die 1-C um sie herum starrte vor Überraschung Löcher in ihren Rücken. "LIAM!", schrie sie sich die Seele aus dem Leib, sprang wild auf und ab, betete dabei, dass ihr Schützling sie hören konnte.
"Liam, du schaffst das! Ich-Ich glaub an dich, Liam!"
"Miss Wilson", erklang die Stimme von Stan Laura, dem Lehrer der 1-C und einer ihrer alten Lehrer, weshalb er sie wiedererkannte, "die Sektion hier ist nur für den ersten Jahrgang während der Kampfzeiten."
"Ja ich weiß, nur ein kurzer Moment- LIAM!", winkte Jasmin ab, "LIAM ICH LAG FALSCH! DU WIRST EIN GROßARTIGER HELD!"
"Miss Wilson, Jasmin. Du musst wieder zurück auf deinen Platz."
"Nur einen kurzen Moment, Mr. Latura", bat Jasmin, Liam lag weiterhin in der ungünstigeren Position, "LIAM, GIB BITTE NICHT AUF! GIB UNS NICHT AUF!"
"Jasmin, es tut mir wirklich leid, aber es ist untersagt", Mr. Latura sah sie mit einem sympathischen Blick an und legte seine Hand auf ihre Schulter. "Ich weiß, ich weiß", murmelte Jasmin und ließ von der Bande ab, "ich geh schon", fügte sie mit einem letzten, besorgten Schulterblick zu Liam hinzu.
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