3. Kapitel💙Samuel💙


"Diese dumme Ziege", grollte Samuel leise, als er mit seinem Koffer die Treppen zur zweiten Etage bestieg, nachdem er beim Schnick-Schnack-Schnuck als erstes verloren und Chloe eines von den Zimmern, ohne zu fragen, in Besitz genommen hatte. Immerhin kannte er jetzt schonmal ein paar von seinen neuen Klassenkameraden. Connor schien sehr hyperaktiv und laut. Ruben war eher der Ruhige und sehr schüchtern. Nava war wirklich sehr ehrgeizig, Natalia war ziemlich nett soweit und auch Ophelia schien sehr gescheit.

In der zweiten Etage angekommen erkannte Sam, dass drei von fünf Zimmertüren bereits geschlossen, und somit vermutlich besetzt, waren. Zwei hintere Zimmer schienen also noch frei zu sein, weshalb Sam erleichtert ausatmete. Somit musste er also nicht viele Treppen täglich laufen. Mit dem Koffer hinter sich her ziehend nahm er das zweite Zimmer rechts und schloss hinter sich die Tür. Erst musterte er das vor ihm liegende Zimmer, dann steckte er seinen Kopf kurz ins Badezimmer, ehe er sich seinem Koffer zuwendete und anfing, auszupacken.

Als er jedoch seine Jacke gerade in dem Schrank, der direkt an der Wand zum anderen Zimmer stand, aufhängen wollte, vernahm er ein leises Geräusch. War es ein Schluchzen? Ein Weinen? Oder doch ein Lachen? Vielleicht bildetet Sam es sich auch nur ein, weil er nach all der Lautstärke heute morgen die Ruhe nicht mehr gewohnt war? Verwirrt hing er die Jacke noch in den Schrank auf einen Kleiderbügel und presste dann sein Ohr an die freie Wand neben dem Kleiderschrank, doch auch das half nicht viel.

Nachdenklich zog er mit seinen Fingern an seiner eigenen Unterlippe und ging dann in sein neues Badezimmer um dort das umgedrehte Glas vom Waschbecken zu nehmen, das er eben beim reinsehen bemerkt hatte. Dieses Glas hielt er dann mit der Öffnung an der Wand und drückte sein Ohr gegen den Boden des Glases, um das Geräusch aus dem anderen Zimmer besser hören zu können. Ein wenig verzerrt und unklar, jedoch schon etwas lauter, Sam konnte es definitiv als Weinen zuordnen.

Sie waren seit einer halben Stunde erst hier im Wohnheim und schon war jemand am weinen?Hatte sein Zimmernachbar oder seine Zimmernachbarin etwa jetzt schon Heimweh? Oder war diese Person verletzt? Sam fielen noch ungefähr sieben andere, jedoch nicht weiter nennenswerte, Möglichkeiten ein, ehe er sich die Frage stellte, ob er denn rübergehen sollte. Dies beantwortete er sich jedoch ziemlich schnell selbst, als er ohne weiter darüber nachzudenken sein Zimmer verließ und bei dem Nebenzimmer an der Tür klopfte.
"Hallo?", fragte er dann laut und klopfte ein zweites Mal, "ist alles in Ordnung bei dir?", erkundigte er sich, doch bekam keine Antwort, was ihn noch mehr beunruhigte.

"Hallo??", fragte er nochmal etwas lauter und griff dann an die Türklinke. Langsam drückte er diese nach unten und die Tür öffnete sich leise. Zum Vorschein kam das exakte selbe, karge Zimmer mit dem selben großen Fenster am Ende des Raumes, nur war es im Gegensatz zu Sam's komplett geöffnet und eine Gestalt saß auf der Fensterbank. Einen Moment verharrte Sam an Ort und Stelle, öffnete seinen Mund ein wenig und ging einen Schritt nach vorne. Der Junge, wie Samuel im Sonnenlicht erkannte, drehte den Kopf zurück und riss die Augen auf, da er sich sichtlich, über Samuel's Anwesenheit, erschrak. Ein unterdrücktes Japsen kam aus ihm heraus, als er mit der Hand von der Fensterbank abrutschte und zu straucheln begann. 

Bei Samuel legte sich in dem Moment ein Schalter im Kopf um. Ohne zu zögern griff er in seine hintere Hosentasche und erfasste sein eingeklapptes Taschenmesser. Er setzte seine Besonderheit ein, die ihm ohne zu zögern ermöglichte, ein Lasso aus dem Taschenmesser zu formen. Dieses benutzte er sofort, das Lasso schlang sich um die dünne Statur des Jungen und mit einem großen Ruck zog er seinen Zimmernachbarn von der Fensterbank und in den Raum hinein.

"Sag mal, spinnst du eigentlich?!", schrie er dann den, auf dem Boden liegenden Jungen an, der vor Schock und Überraschung mit großen Augen nach oben zu Samuel sah, da dieser sich wütend und mit verschränkten Armen über ihn gestellt hatte. "W-Was machst du in meinem Zimmer?!", rief dann der Junge zurück und windete sich ebenso wütend aus dem Lasso heraus. Er besaß einen orange-roten Undercut, wobei seine längeren Haare teils sein rot angelaufenes Gesicht versteckten, ebenso wie seine grünen, verweinten Augen und die Sommersprossen, die auf seinen Wangen und seiner Nase verteilt waren.

"Ich hab dir das scheiß Leben gerettet, das mache ich in deinem Zimmer!", giftete Samuel den unbekannten Jungen an, der sich nun aufraffte und somit zeigte, dass er ein paar Zentimeter kleiner als Samuel war, "Du hast geheult, die Wände sind sehr dünn, ich hab's gehört, hab geklopft, du hast nicht geantwortet, ich hab die Tür aufgemacht und hab dich vom Fenster weggezogen", erklärte Sam dann noch einmal ein wenig leiser und sammelte sein Lasso vom Boden auf. "Wegen dir wäre ich beinahe aus dem Fenster gefallen! Und wo zum Teufel kommt das Lasso her?!", erwiderte der Junge immer noch sauer.
"Ich kann mit meiner Besonderheit Waffen verändern. Das Lasso-", Samuel unterbrach sich selbst und verwandelte das Seil zurück in sein Taschenmesser, "ist eigentlich nur mein Taschenmesser."

Der Grünäugige schnaufte und blickte dann nach unten auf seine Socken und Samuel's Turnschuhe. "Okay, pass auf", seufzte Samuel und legte eine Hand auf die Schulter seines Gegenübers, "wir kennen uns nicht und mich geht auch nichts von all dem hier etwas an, aber wenn du nochmal versuchst, den Bordstein unten mit deinen Gliedmaßen und Innereien zu schmücken, werde ich dich eigenhändig mit meinem Lasso wieder nach oben ziehen, ist das klar?", sprach er auf den Kleineren ein.  "Ich bin abgerutscht, weil du plötzlich in meinem Zimmer standest, du Idiot! Wenn du willst, dass keine Unfälle passieren, dann bleib aus meinem Zimmer!", maulte der Junge mit den Sommersprossen.

"Du saßt so gefährlich nah auf der Fensterbank, ohne mich wäre sicher ebenso was passiert!", verteidigte Samuel sich, er spürte seinen Blutdruck wegen dem Jungen steigen. Er atmete mehrmals tief durch und beruhigte sich langsam. "Okay", murmelte Samuel dann, sein Gegenüber durchstocherte ihn immer noch mit bösen Blicken, "Versuch einfach ein bisschen besser aufzupassen."
"Du bist nicht meine Mutter! Wer bist du überhaupt?!"

"Samuel Tucker, mein Zimmer ist direkt neben deinem. Wie heißt du?"
"Daxton", kam es trotzig, fast schon schmollend zurück. "Darf ich dir eine Frage stellen, Daxton?", fragte Samuel mit ernster Tonlage, Daxton zog überrascht eine Augenbraue nach oben, doch nickte leicht. Er bereitete sich wohl in dem Moment auf sämtliche, mögliche Fragen vor.

"Ist das deine natürliche Haarfarbe?", platzte es jedoch unerwartet aus Samuel heraus, der erstaunt eine von Daxton's Strähnen in die Hand nahm, "ich meine, sie sind einfach orange! Sowas hab ich noch nie gesehen!"
Daxton blinzelte mehrmals überrascht, "Ja, ist es. Fast alle in meiner Familie haben so eine Haarfarbe. Hör auf meine Haare zu betatschen!", Daxton schlug Samuel's Hand weg, "ich stamme aus Schottland."

"Hätte nicht gedacht, dass es sowas gibt", murmelte Samuel nachdenklich und griff ein zweites Mal nach seinen Haaren. Daxton seufzte laut. "Jaja, du magst meine Haare! Verschwinde jetzt, ich will noch auspacken!"

"Du hättest deinen Koffer vielleicht bereits ausgepackt, wenn du dich stattdessen nicht aus dem Fenster stürzten hättest wollen."
"Ich hab mich nur hingesetzt! Du hättest mich fast umgebracht!"
"Na gut, ich lass dich dann mal alleine", Samuel musterte noch einmal kurz seine Haare und wendete sich dann zum gehen um. Nach all den Jahren wusste Samuel nur allzu gut, dass er nicht gut mit anderen Menschen war, aber zum Start der neuen Schule wollte er sich zumindest ein wenig mehr anstrengen.

"Mein... Zimmer ist direkt neben deinem-"
"Das sagst du jetzt zum DRITTEN Mal!"
"Ich will nur sagen, wenn was ist, dann... kannst du klopfen oder so."
"Klopfen oder so? Klingeln kann ich ja schlecht."
Samuel verdrehte die Augen, "Du kannst zu mir kommen, wenn was ist, okay?! Lass uns zusammen nachher in die Cafeteria gehen."
"Jaja, was auch immer."

Samuel lächelte leicht und verschwand endlich aus Daxton's Zimmer. Er hätte natürlich nur zu gerne gewusst, wieso Daxton geweint hat, allerdings standen sie sich dazu noch nicht nah genug, in Sam's Augen. Irgendwann würde er es schon noch herausbekommen, da war der Schwarzhaarige sich sicher.

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