6. Kapitel - Was play my guitar and sing

05. November 1955, Samstag 08:47 Uhr

Marty und ich beobachteten George nicht gerade unauffällig. Deswegen wunderte es mich nicht, als er sich zu uns drehte und gereizt „Was?", fragte.

„Du bist George McFly", kam es von Marty wie aus der Pistole geschossen.

George blickte Marty genervt an und betrachtete dann auch mich. Er wurde leicht rot, weswegen ich versuchte ihn nicht mehr so intensiv anzustarren.

„Ja! Und wer bist du?"

Bevor Marty eine Antwort geben konnte, kam ein Mann zu George und sprach ihn an. Er war ein paar Jahre älter als Marty und ich. Vielleicht Mitte zwanzig.

Er fing an George zu raten, sich gegen seine Peiniger zu wehren. George sprach aber immer dagegen.

Diesmal brauchte ich nicht so lange, um zu verstehen wer da gerade sprach. Goldie Wilson. Zukünftiger Bürgermeister.

„Wehr dich Mann! Wie sollst du sonst Respekt vor dir selbst bekommen? Wenn du jetzt nichts unternimmst, werden diese Leute ein Leben lang auf dir rumtrampeln"

Goldies Rede war wirklich gut. Ich verstand, weshalb er Bürgermeister geworden war. George hörte ihn aber nur halbherzig zu, da er immer wieder zu uns rüber linste.

„Sieh mich an! Glaubst du ich will den Rest meines Lebens in diesen Schuppen verbringen?", schimpfte Goldie weiter.

Er ignorierte den Kommentar seines Bosses und fügte noch hinzu: „Nein, Sir. Ich mach was aus mir. Ich gehe zur Abendschule und irgendwann werde ich es zu etwas bringen!"

„Das stimmt! Er wird Bürgermeister!", platzte es aus Marty raus.

Ich drückte etwas Martys Hand und zischte: „Psst. Das kannst du nicht einfach so sagen"

Goldie war aber schon ganz beflügelt von der Idee. Marty und ich beobachteten Goldie wie er darüber träumte und sich etwas mit seinen Boss zankte.

Dafür bekamen wir nicht mit, wie George neben uns verschwand. Erst als George draußen mit dem Fahrrad fuhr, rafften wir wo er war.

Marty ließ meine Hand los und sprintete aus dem Café.

Stöhnend folgte ich Marty, der seinen Vater hinterherrief und schließlich auch hinterherrannte. Ich sprintete so gut es ging und versuchte das Brennen an meiner Seite zu ignorieren.

Ich folgte Marty bis zu einen Baum. Er blieb dort stehen, kaum aus der Puste. Ich jedoch keuchte etwas als auch ich beim Baum stehen blieb.

„Bitte renn nicht einfach so davon", sprach ich nach Luft schnappend und stützte mich mit einer Hand am Baum ab.

Schuld flackerte in Martys Augen auf und er nickte sofort.

„Hier ist sein Fahrrad. Aber ich weiß nicht, wo er hin verschwunden ist", gestand Marty und deutete auf das rote Fahrrad, welches am Baum angelehnt war.

Ein Rascheln oberhalb von uns brachte Marty und mich dazu aufzuschauen und ich konnte mir einen blöden Kommentar nicht verkneifen.

„Gefunden"

Marty kniff die Augen zu und blickte von seinem Dad zum Haus gegenüber.

George McFly lag auf einen Ast, ein Fernglas vor den Augen und beobachtete grinsend ein Mädchen wie es sich umzog.

Als Marty auch das Mädchen entdeckte, verzog er angewidert das Gesicht und schaute fassungslos zurück zu seinen Dad.

„Mein Alter ist ein Spanner"

„Das liegt doch nicht in der Familie, oder?", rutschte es mir raus.

Nun war ich es, die von Marty fassungslos angestarrt wurde. Meine Wangen wurden warm und ich wich Martys intensiven Blick aus.

Ein Keuchen brachte Marty und mich dazu uns umzudrehen. George verlor die Balance und flog vom Ast direkt auf die Straße. Ein Auto kam näher und bevor ich reagieren konnte, schrie Marty und rannte selbst auf die Straße. Er stieß George weg und wurde selbst vom Auto angefahren.

Mir entwich ein Schrei als Marty mit dem Kopf auf dem Asphalt aufschlug. Sofort schmiss ich mich neben Marty und griff ihn an den Schultern.

„Marty! Oh mein Gott! Wach bitte auf"

Der Fahrer des Autos kam an Martys andere Seite gerannt und fragte schockiert: „Was ist passiert? Wer seid ihr?"

Ich wollte antworten, doch wurde ich von George abgelenkt, der zu seinem Fahrrad flüchtete und davoneilte. Ich warf Martys Dad einen vernichtenden Blick hinterher und wandte mich dann an den Fahrer des Autos.

„Ich weiß nicht. Es ging so schnell. Dieser Junge war auf einmal auf der Straße und ..."

Ich brach ab. Ein Knoten bildete sich in meinem Hals und ich drehte mich wieder zu Marty. Ich nahm sein Gesicht in meine Hände und bettelte: „Komm schon. Wach auf!"

Der Mann kniete sich hin und legte seine Hand auf meine Schulter. Nebenbei blickte er in die Richtung in die George verschwunden war.

„Feiges Kind. So dankt man seinen Retter eigentlich nicht"

Ich brachte nur ein Nicken heraus. Vorsichtig griff ich Marty an den Hinterkopf und seufzte erleichtert, als ich kein Blut spürte.

„Ist er dein Freund?"

Mein Blick wanderte wieder zum Mann und ich schüttelte leicht meinen Kopf.

„Wir sind Freunde. Nicht zusammen"

Er nickte und sprach dann: „Ich wohne gleich hier. Wir sollten ihn hineinbringen. Zumindest bis er aufwacht"

Ich nickte wieder und versuchte den Kloß in meinen Hals so gut es geht runterzuschlucken.

Der Mann nahm Marty hoch und rief nach einer Frau namens Stella. Ich blieb an der Seite des Mannes und betrachtete die ältere Frau, die aus dem Haus gerannt kam.

„Oh Gott. Was ist denn passiert?", fragte sie verdattert und blickte zwischen uns hin und her.

„Er ist mir vors Auto gerannt, als er einen anderen Jungen davor gerettet hat. Ich bringe ihn rein, bis er aufwacht. Die Kleine ist eine Freundin"

Stella nickte und führte ihren Mann ins Haus. Ich schenkte den Kindern des Paares nur wenig Beachtung. Der Mann trug Marty die Treppen nach oben und legte ihn in ein Bett. Ich trat sofort an Martys Seite und schaute zum Pärchen.

„Danke. Tut mir leid für die Umstände"

„Keine Sorge Schätzchen. Uns tut es leid. Ihr könnt bleiben, solange ihr wollt. Du kannst auch gerne runterkommen, aber ich schätze du willst lieber bei deinem Freund bleiben. Falls etwas ist, ruf einfach"

Ich bedankte mich noch einmal und setzte mich an die Bettkannte, sobald die beiden verschwunden waren. Ich rieb mir übers Gesicht und warf Marty dann einen vorwurfsvollen Blick zu.

„Findest du das in Ordnung? Dich einfach so anfahren zu lassen und zu schlafen, während wir in der Scheiße stecken?"

Es klopfte an der Tür und Stella kam noch einmal herein. Sie lächelte mich freundlich an und reichte mir dann eine Schüssel mit einen Lappen.

„Zum Kühlen", erklärte sie. Ich bedankte mich erneut und sie verließ den Raum wieder. Ich stellte die Schüssel auf das Nachtkästchen und stand auf, um die Tür zu schließen.

Danach blickte ich mich im Raum um. Es war ein typisches Mädchenzimmer. Also typisch für das Jahr 1955. Zwei Einzelbetten standen dicht nebeneinander. Marty lag am linken Bett. Das rechte Bett befand sich direkt unter dem Fenster.

Ich schenkte dem Zimmer keine weitere Beachtung, sondern ging wieder auf Marty zu. Er lag auf der Seite und hatte den Mund leicht geöffnet. So wie immer, wenn er schlief.

Wie ferngesteuert setzte ich mich zurück aufs Bett und lehnte meinen Rücken gegen die Wand. Ich machte es mir mit ein paar Kissen bequemer und bettete Martys Kopf dann vorsichtig auf das Kissen, welches ich mir in den Schoß gelegt hatte. Ich nahm den Lappen aus der Wasserschüssel, wrang ihn aus und drückte ihn sanft auf die sich schon bildende Beule.

Lange betrachtete ich Marty schweigend, bis ich erneut seufzte und leise wisperte: „Sorry. Ich habe auch geschlafen, als wir hier angekommen sind. Einigen wir uns einfach darauf, dass wir quitt sind, ja?"

Ich bekam keine Antwort.

Mit der Zeit wurde das Sonnenlicht immer schwächer. Ich blickte hin und wieder aus dem Fenster, hin und wieder auf Marty. Um meine Gedanken vorm Wandern zu schützen, sang ich leise vor mich hin.

Irgendwann hatte ich angefangen mit Martys Haaren zu spielen und der Idiot hatte es sogar gewagt zufrieden zu seufzen. Auf meinen bösen Blick hatte er nicht reagiert.

05. November 1955, Samstag 18:21 Uhr

Es war schon dunkel und es regnete draußen, als ein Klopfen an der Tür erklang. Vorsichtig bewegte ich Martys Kopf samt Kissen von meinem Schoß und stand dann auf. Ich streckte mich kurz bevor ich die Tür öffnete.

Ich bekam fast einen Herzinfarkt. Vor mir stand Lorraine. Martys Mum. Sehr viel jünger. Und sie sah gesünder aus. Sie lächelte schüchtern und legte leicht ihren Kopf schief. Sie musterte mich kurz und sprach dann zart: „Das Abendessen ist fertig. Ich soll euch holen kommen"

„Aha..."

Ich konnte nicht anders als sie anzustarren. Was war bitte mit Lorraine passiert? George hatte sich in den Jahren kaum verändert, aber Lorraine? Dieses Mädchen hatte nichts mit ihrem zukünftigem Ich gemeinsam.

Ich merkte erst jetzt, dass ich absolut unhöflich war und sprach schnell: „Ich komme. Er ist immer noch nicht aufgewacht"

Sie blickte über meine Schulter auf Marty und lächelte etwas breiter.

„Ich kümmere mich um ihn. Du kannst hinunter gehen"

Ich wollte etwas einwerfen, aber Lorraine hatte sich schon grazil an mir vorbeigedrängt und mir die Nase vor der Tür zugemacht. Dabei hatte sie eine Eleganz besessen, die ich nicht einmal, wenn ich wirklich wollte, hervorbringen konnte.

Ich beschloss trotz meines mulmigen Gefühls hinunter zum Rest der Familie zu gehen. Lorraine war Martys Mum. Was sollte denn schon passieren?

Unten angekommen hieß Stella mich sofort Willkommen. Sie stellte mir ihre Kinder vor. Und man konnte sagen, sie hatte eine Menge Kinder. Ich setzte mich gegenüber von Milton, der mich angrinste. Ich kannte nur ein paar der Geschichten von Martys Familie, aber ich hatte schon von Joey dem jüngsten Kind gehört. Er saß im Gefängnis.

Etwas verstört blickte ich mich um. Wie hoch waren die Chancen, dass Marty und ich zuerst in seinen Vater und dann in seine Mutter reinrannten? Anscheinend sehr hoch.

„Wie heißt du eigentlich, Liebes?", fragte mich Stella und stellte immer mehr Essen auf den Tisch.

„Daisy. Mein Name ist Daisy"

„Schöner Name. Ich hoffe du hast Hunger, Daisy"

Eigentlich nicht, aber ich nickte trotzdem brav. Ich blickte mich noch einmal im Haus um und bemerkte so nicht, dass Stella die Stiegen raufging, um nach Lorraine zu rufen.

Sally, Stellas jüngste Tochter starrte mich die ganze Zeit an. Etwas unwohl lächelte ich und winkte sogar leicht.

Statt zurückzulächeln fragte das Mädchen: „Wieso siehst du so zerrupft aus?"

Ich erstarrte und blickte dann an mir hinunter. In meiner Sorge um Marty hatte ich gar nicht darauf geachtet, wie ich aussah. Verdammt, ich hatte sogar vergessen, dass ich theoretisch eine Schusswunde besaß. Meine Haare glichen vermutlich einem Vogelnest und Marty hatte auf den Weg in die Stadt erwähnt, dass ich einen großen blauen Fleck auf der Stirn trug.

„Ich bin sehr tollpatschig"

Die dümmste aber leider erst beste Ausrede die mir eingefallen war. Das Mädchen gab sich aber zum Glück damit zufrieden und hakte nicht weiter nach.

Ich hörte Stella wieder zurückkommen und ein Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus, als ich auch Martys Stimme hörte.

Stella, Lorraine und Marty kamen um die Ecke und Stella fing an Marty ihre Kinder vorzustellen. Marty passte am Anfang nicht auf, da er zuerst nur mich musterte, aber als Stella Joey vorstellte, wanderte Martys Aufmerksamkeit zu dem Kleinkind.

Er kniete sich vor das Laufgitter und sprach den Jungen an.

„Also du bist Onkel Knastbruder Joey. Ja gewöhn dich schon einmal an die Gitter, Junge"

Ich lächelte leicht, welches aber noch größer wurde als Stella erklärte, dass Joey die Gitter liebte und weinte, wenn man ihn rausnehmen wollte.

Stella forderte Marty auf sich hinzusetzen und bevor Marty protestieren konnte, drückte Lorraine ihn schon in den Sessel neben mir.

Während Stella ihren Mann zum Kommen aufforderte, drehte ich mich zu Marty.

„Wie geht es dem Kopf?"

„Besser"

Er brachte nur ein leichtes Lächeln hervor, bevor er weitersprach: „Wir sollten lieber schnell weiter"

Ich wollte ihn schon zustimmen, aber Sam, Stellas Mann schob einen Fernseher heran und Lorraine setzte sich auf Martys andere Seite.

Meine Augen wurden schmäler als ich beobachtete, wie nahe Lorraine Marty war. Sie erklärte gerade, dass das ihr neuer Fernseher war und fragte Marty, ob er auch einen besaß.

Marty erklärte, dass sie sogar zwei Fernseher hatten, was die Familie nicht so ganz glauben konnte. Ich tippte Marty an, um seine Aufmerksamkeit zu bekommen, aber er starrte nur immer wieder zu Lorraine.

Als Marty sich auch noch mehr auf den Film als auf mich konzentrierte wurde ich frustriert. Ich wollte ihn gerade kneifen, da wurde ich schon wieder unterbrochen. Diesmal von Stella.

„Wissen Sie Marty, Sie kommen mir so bekannt vor. Kenne ich vielleicht Ihre Mutter?"

Ich musste jeden Instinkt in mir bekämpfen, um zu verhindern, dass ich zu Lorraine blickte. Marty erklärte, dass das möglich wäre und Stella fragte, ob sie seine Mutter anrufen sollte. Marty versuchte irgendeine Ausrede zu stammeln, die ich aber unterbrach.

„Wir sind Austauschschüler. Wir sollen eigentlich wo unterkommen und suchen den..."

„Den Riverside Drive", rettete mich Marty.

Ich nickte bestätigend und log weiter: „Wir wissen nicht, wo der liegt. Dort wohnen wir für die nächste Zeit"

Sam erklärte uns, wo wir ihn finden würden, doch etwas hörte sich nicht richtig an. Als Marty fragte, ob dort nicht der John F. Kennedy Drive kommen würde, fragte Sam verwirrt wer das wäre.

Unauffällig verhalten. Nicht gerade unsere Stärke.

Zum Glück zog Lorraine die Aufmerksamkeit von uns.

„Mutter? Wenn die beiden noch keine Unterkunft haben, sollten sie dann nicht lieber hier übernachten? Immerhin wäre Marty fast von Pap getötet worden"

Ich nahm alles zurück. Lorraine durfte nie wieder sprechen!

Stella stimmte Lorraine auch noch zu und ignorierte Martys Widersprüche. Lorraine schlug vor, dass Marty in ihrem Zimmer schlafen könnte, was mir etwas seltsam vorkam.

Ich zuckte zusammen, als Marty neben mir aufsprang und mich an meinen Ellenbogen hochzog.

„Wir müssen jetzt los. Vielen Dank für alles. Und es war wunderbar. Ihr wart alle fantastisch und wir sehen uns dann später!"

Marty öffnete die Tür und schubste mich schon aus dem Haus.

„Viel später", fügte er noch hinzu und schloss die Tür hinter uns.

„Was ist denn passiert?"

Ich musterte Martys verschreckten Blick, als er mich zur Straße schob. Zum Glück hatte es aufgehört zu regnen, sonst wären wir jetzt klitschnass.

„Ich weiß nicht. Meine Mum...Lorraine...ich musste da einfach raus", stammelte Marty und fuhr sich durch die Haare. „Dir geht es gut?"

Langsam nickte ich, musterte ihn aber immer noch streng. Alles da drinnen war absolut seltsam gewesen, aber Martys Gefühlsausbruch war die Krönung gewesen.

Marty seufzte und legte mir dann eine Hand auf den Rücken, um mich voranzuführen. Eine Geste, die er schon dutzend Mal gemacht hatte, seit wir hier angekommen waren.

„Suchen wir einfach deinen Dad, ok?"

Ich lächelte leicht und nickte. 

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top