11. Kapitel - Gotta get back in time
08. November 1955, Dienstag 18:01 Uhr
Nicht lange nachdem Daisy aus der Garage gestürmt war, war auch Marty wütend von dannen gezogen. Ich wusste, dass keiner von beiden die Worte wirklich ernst gemeint hatte. Ich hoffte nur die beiden wussten das auch.
Es war nicht wirklich schwer gewesen herauszuhören, worum es in diesen Streit wirklich ging. Daisy war eifersüchtig auf Lorraine und Marty war eifersüchtig auf George. Ich konnte mich noch gut an meine erste Jugendliebe erinnern. Ich war damals auch ahnungslos gewesen.
Und weil ich weder wollte, dass meine Tochter, noch Marty litt, beschloss ich den beiden etwas zu helfen. Meine Tochter... Diese Situation war immer noch gewöhnungsbedürftig.
Ich ging die Treppen hinauf und blieb zwischen den beiden Zimmertüren stehen. Hinter Daisys Tür konnte ich ein Schluchzen hören. Bei Marty war es still.
Ich beschloss zuerst bei Daisy zu klopfen. Selbst wenn ich nicht wüsste, wer sie war, würde mir dieses Geräusch das Herz brechen.
Nach meinem Klopfen wurde es kurz still. Sie dachte vermutlich ich wäre Marty.
„Daisy? Darf ich reinkommen?"
Ich versuchte so sanft wie möglich zu sprechen. Ich kannte mich nicht wirklich mit solchen Situationen aus. Ich wusste nicht wie man mit Kindern, geschweige denn mit Teenagern umging.
„Ist offen"
Ich hatte sie fast nicht verstanden. Langsam öffnete ich die Tür und blickte mich im Raum um. Sie saß vor ihrem Bett. Das Gesicht in ihren hochgezogenen Knien vergraben. Leise schloss ich die Tür wieder und setzte mich neben sie.
„Er meint es nicht so, weißt du?"
Sie hob ihren Kopf und sah mich ungläubig an.
„Hat aber nicht so gewirkt", schluchzte sie und wischte sich eine Träne weg.
Ich legte leicht meinen Kopf schief und sprach ehrlich: „Ihr beide habt euch da ein paar unschöne Dinge an den Kopf geworfen, aber ich bin mir sicher, dass nichts davon wirklich wahr ist. Ihr habt euch wegen etwas ganz anderem gestritten"
„Und wegen was haben wir uns dann gestritten?", fragte sie kleinlaut.
Ein Lächeln stahl sich auf mein Gesicht.
„Ihr seid auf Martys Eltern eifersüchtig. Ihr beide"
Sie schüttelte den Kopf und blickte zur Tür.
„Weshalb sollte ich auf Lorraine und George eifersüchtig sein?"
„Auf Lorraine, um genau zu sein. Und ganz einfach. Du magst Marty. Und du willst nicht, dass er mit seiner Mum zu diesem Ritual geht"
Sie öffnete den Mund, vermutlich um zu widersprechen, aber ich kam ihr zuvor.
„Leugne es erst gar nicht. Ich kann sehen wie ihr euch anseht. Oder wie ihr die Nähe zueinander sucht. Es ist wie ein Paarungstanz bei Tieren. Wenn ich falsch liege, dann korrigiere mich"
Es bildete sich eine kleine Falte zwischen ihren Augenbrauen, als sie mich stur musterte. Schließlich seufzte sie aber ergeben und legte ihren Kopf auf meine Schulter.
„Ich hasse das. Ich hab eh schon so viel im Kopf, da möchte ich nicht noch mit sowas umgehen müssen. Wie soll ich meinen besten Freund sowas erklären. Vor allem nach so einem Streit"
Ich kicherte leicht und tätschelte ihren Arm.
„Sprecht euch einfach aus. Ich bin vielleicht schon älter, aber ich kann sehr wohl erkennen, wenn ein Junge ein Mädchen mag"
Ich drehte mich zu ihr und stupste ihre Nase an.
„Und jetzt lächle ein bisschen. Mach etwas was dich aufheitert"
Sie lächelte tatsächlich etwas und fragte dann leise: „Hast du vielleicht eine Gitarre?"
Überrascht nickte ich.
„Unten im Wohnzimmer. Etwas versteckt in der Ecke neben der Stehlampe"
„Danke"
Sie gab mir einen Kuss auf die Wange, stand auf und machte Anstalten das Zimmer zu verlassen, aber ich sprach schnell: „Du wurdest adoptiert, oder?"
Sie erstarrte und wisperte: „Ja, woher weißt du das?"
„In der High School hast du ein Kommentar dazu abgegeben"
Sie nickte, drehte sich aber nicht zu mir um. Langsam stand ich auf und ging auf sie zu.
„Du weißt es, oder?"
Sie drehte sich zu mir um und musterte mich verschreckt. Sie hatte Angst, dass ich die Zukunft ändern würde, jetzt da ich es wusste.
„Dass du die hübsche Tochter des genialen Wissenschaftlers, der Zeitreisen erfunden hat, bist?"
Sie lächelte leicht und nickte dann.
„Magst du mich vielleicht über irgendwas vorwarnen? Allergien oder so?"
Sie warf sich in meine Arme und fing wieder an zu schluchzen. Leicht überfordert erwiderte ich die Umarmung und lächelte leicht als sie „Gräser" murmelte.
„Ok. Ich sorge dafür, dass ich genügend Allergiemittel habe"
Sie lachte leicht und drückte sich etwas weg.
„Und jetzt geh ins Wohnzimmer. Ich rede mit Marty und du sagst mir nichts Weiteres. Ich weiß jetzt schon zu viel. Aber keine Sorge... ich werde dich finden"
Sie nickte schnell und erst als ich hörte, dass sie die Treppen runter gegangen war, verließ ich das Zimmer und blieb vor Martys Tür stehen.
Vor einer Woche hatte ich nicht damit gerechnet zwei Teenagern Liebestipps zu geben. Vor allem, dass einer davon auch noch meine Tochter war.
Erneut klopfte ich an einer Zimmertür und erklärte, dass ich es war. Diesmal jedoch wurde mir die Tür geöffnet.
Marty stand vor mir, seine Augen waren gerötet und seine Haare zerzaust. Anscheinend hatte er sich ständig die Haare gerauft und selbst damit gekämpft, die Tränen zurückzuhalten.
„Darf ich reinkommen?"
Nickend trat Marty zur Seite und ich setzte mich auf sein Bett. Eigentlich war es einmal mein Bett gewesen, aber dass tat jetzt nichts zur Sache.
Marty schloss die Tür und lehnte sich dann mir gegenüber an die Wand. Seine Hände steckte er in die Hosentaschen.
„Geht es ihr besser?", war das Erste was Marty von sich gab.
„Ja. Ich konnte sie beruhigen. Sie ist jetzt unten im Wohnzimmer"
Marty nickte leicht und seufzte dann.
„Ich habe es nicht so gemeint, Doc! Ich weiß nicht was über mich gekommen ist. Ich war auf einmal so sauer auf sie. Dass war nicht fair. Ich wollte mich eigentlich gleich entschuldigen, sobald sie aus der Garage gestürmt ist, aber als ich sie weinen gehört habe..."
Marty raufte sich wieder die Haare und fing an vor mir auf und ab zu tigern.
„Ich hab sie noch nie zum Weinen gebracht, Doc"
Er blickte geknickt zu Boden und blieb vor mir stehen.
„Kann es vielleicht sein, dass du gar nicht auf Daisy wütend warst? Sondern eher auf deinen Dad?"
Martys Blick schoss zu mir und er raufte sich erneut die Haare.
„Ist es so offensichtlich?"
„Bei dir schon, ja", gestand ich lächelnd.
Seufzend setzte sich Marty neben mich und fing an zu erklären: „Ich weiß auch nicht, wann es angefangen hat. Irgendwann war es einfach da"
„Wie hast du es gemerkt?", fragte ich neugierig.
Auch wenn Daisy theoretisch noch nicht meine Tochter war, wollte ich sie dennoch beschützen. Und wenn Marty wirklich der Junge war, den sie mochte, dann wollte ich wissen, wie es dazu gekommen war.
„Die kleinen Dinge, Doc. Welche Halskette sie trägt. Dass sie immer ihre Augenbraue hebt, wenn sie etwas klarstellt oder ich einen blöden Witz mache. Das dämliche Grinsen was ich immer bekomme, wenn sie ihre ganze Aufmerksamkeit mir widmet"
Lächelnd musterte ich den Jungen. Es hatte ihn voll erwischt.
„Warum hast du dann dieses Date? Mit dem Mädchen, was dir ihre Nummer gegeben hat?"
„Jennifer?"
Marty dachte kurz nach und sprach dann weiter: „Ich weiß es nicht. Es war ein schlechter Tag gewesen und ich hatte mich einfach gefreut, dass ein Mädchen mich anscheinend mochte. Vielleicht wollte ich auch schauen, ob Daisy vielleicht eifersüchtig wird. Auf jeden Fall bin ich ein totaler Arsch"
„Kein totaler, Marty", grinste ich und klopfte den Jungen auf die Schulter.
„Du solltest zu ihr gehen. Mit ihr reden"
„Mich entschuldigen", murmelte er zustimmend und stand auf.
„Danke Doc. Ich schulde dir was"
Lächelnd winkte ich ab und schaute Marty hinterher, wie er das Zimmer verließ. In dreißig Jahren würde ich zuschauen wie die beiden sich langsam ineinander verliebten.
Mein Lächeln wurde größer und ich verschwand in mein eigenes Zimmer.
∞
08. November 1955, Dienstag 18:33 Uhr
Er wusste es. Mein Dad wusste es. Und dennoch würde er mich behalten. Wenigstens musste ich das jetzt nicht mehr geheim halten. Ich musste ihn aber dennoch noch vorwarnen. Ich würde lieber hierbleiben, als in eine Zukunft zurückzukehren, wo mein Dad tot war.
Aber egal wie ich es drehte und wandte... ich würde in eine Zukunft zurückkehren in der Marty und ich keine Freunde mehr waren.
Ich wusste, dass die Nerven blank lagen und dass man da blöde Sachen sagte, aber es war ja nicht nur der Streit.
Wie sollte ich seine Freundin bleiben, wenn ich ihn mehr mochte? Und er Interesse an Jennifer hatte? Nach allem konnte ich das nicht so runter spielen. Konnte nicht so tun, wie als wären die Umarmungen nicht passiert. Konnte nicht so tun, wie als wäre er nicht immer das Beste am ganzen Tag.
Schlurfend ging ich auf die Gitarre zu, schnappte sie mir und setzte mich auf den bequemen Couchsessel.
Ich war nicht so talentiert darin auf der Gitarre zu spielen, aber unkompliziertere Lieder konnte ich ganz passabel spielen.
Ich griff den ersten Akkord und holte tief Luft. Wie von selbst spielte sich The Power Of Love und nach kurzer Zeit fing ich leise an dazu zu singen. Ich schloss die Augen und für einen kurzen schönen Moment steckte ich nicht in der Vergangenheit fest. Ich verlor auch nicht gerade meinen besten Freund.
Nein!
Ich saß mit meinen Dad am höchsten Hügel von Hill Valley und blickte auf die Stadt hinunter. Wir stopften uns mit Süßigkeiten voll und blieben dort, bis es dunkel wurde.
∞
08. November 1955, Dienstag 18:41 Uhr
„Daisy. Es tut mir leid was ich... nein! Daisy. Kannst du mir verzeihen? Ich bin ein kompletter Idiot und habe dich nicht verdient..."
Seufzend fuhr ich mir durch die Haare. Sonst war ich doch auch gut mit Worten. Warum fiel mir das so schwer? Ich würde ihr einfach die Wahrheit sagen.
Ich blieb abrupt stehen, als ich das Wohnzimmer betrat. Ich war so abgelenkt gewesen, dass ich die Musik nicht gehört hatte.
Daisy saß im roten Sessel und hatte eine Gitarre in der Hand. Sanft spielte sie The Power Of Love und sang dazu. Sie sang!
Ich hatte Daisy noch nie singen gehört. Oder ein Instrument spielen. Sie hatte eine wunderschöne Stimme. Sie hatte die Augen geschlossen und ein trauriges Lächeln auf den Lippen.
Wieso hatte sie mir nie erzählt, dass sie gerne sang?
Sie sah wunderschön aus. Ihr Haare fielen ihr leicht ins Gesicht und die Beleuchtung ließ ihre Locken golden schimmern.
Ihre Augen zuckten leicht hinter ihren Lidern, fast so wie als würde sie etwas sehen, was eigentlich nicht da war.
Wann hatte sie angefangen so bezaubernd zu sein?
Ich war ein hoffnungsloser Romantiker, dass wusste so ziemlich jeder. Aber es konnte doch kein Zufall sein, dass sie hier saß und genau dieses Lied spielte!
Ich räusperte mich leicht als sie endete, damit sie meine Anwesenheit bemerkte. Ich hatte eigentlich erwartet, dass sie sich erschrecken würde, aber sie öffnete einfach nur ihre Augen. Ihre wunderschönen Augen, die leuchteten wie geschmolzene Schokolade.
Ich schüttelte leicht den Kopf, um mich zu konzentrieren und setzte mich ihr gegenüber.
„Ich wusste nicht, dass du gerne singst"
„Es ist ein Hobby nur für mich"
Ich nickte leicht und es herrschte wieder Schweigen. Gott wie ich das hasste. Ich suchte in ihrem Gesicht irgendein Anzeichen, dass sie mich jetzt nicht komplett hasste, aber sie starrte mich nur ausdruckslos an.
„Es tut mir leid, Daisy. Ich habe komplett überreagiert und eigentlich nichts davon gemeint", nuschelte ich leise und vergrub mein Gesicht in den Händen.
„Ich weiß, dass ist eine lausige Entschuldigung, aber ich möchte nicht länger warten, um mir irgendwas Besonderes auszudenken. Ich will, dass du jetzt sofort weißt, wie schrecklich leid es mir tut!"
Als sie endlich sprach hatte ich endlich wieder das Gefühl atmen zu können.
„Mir tut es auch leid"
Ich blickte wieder auf und sprach sofort: „Du hast dich nur verteidigt! Ich war ein totaler Arsch und dabei war ich nicht einmal auf dich sauer. Ich wurde so sauer auf meinen Dad, dass ich es einfach an dir ausgelassen habe"
„Wieso bist du sauer auf deinen Dad?"
Verwirrt musterte sie mich und ich erinnerte mich wieder an meinen Vorsatz. Die Wahrheit sagen!
„Weil er es mir wirklich schwer macht. Nicht nur, dass er mit seinen Verhalten meine Existenz anscheinend wirklich vernichten will, er macht sich dann auch einfach noch an mein Mädch..."
Ich hatte mich wieder so in rage geredet, dass ich erst zu spät stockte, um zu verhindern, dass dieser Satz so aus meinem Mund kam.
Ertappt blickte ich zu Daisy, die nun langsam anfing zu lächeln.
„Ich finde Lorraine auch schrecklich. Ich halte es wirklich nicht aus, wie sie sich an dich schmeißt"
Nun fing ich an zu lächeln.
„Schön zu wissen, dass wir beide eifersüchtige Arschlöcher sind"
Sie lachte! Ich hatte sie zum Lachen gebracht.
„Ich gehe nicht mit George zum Ball", stellte sie dann klar und strich sich lächelnd eine Haarsträhne hinters Ohr.
„Und ich nicht mit Jennifer"
Nun riss sie die Augen auf und öffnete leicht ihren Mund.
„Aber du hast dich doch so gefreut!"
Mit den Schultern zuckend grinste ich: „Sie ist nicht die richtige Begleitung"
Leicht nickte Daisy und spielte etwas mit der Gitarre in ihren Händen.
„Kannst du noch etwas singen?"
Zögernd nickte sie und lehnte sich etwas nach vorne. Sie schloss wieder ihre Augen und als ihre sanfte Stimme an mein Ohr schallte musste ich jeden Instinkt in mir unterdrücken. Jetzt war definitiv nicht der richtige Zeitpunkt.
Wir saßen noch stundenlang im Wohnzimmer. Hin und wieder sang Daisy. Hin und wieder sang ich. Und manchmal sprachen wir. Wir redeten zwar nie über das Offensichtliche. Aber ich hatte nicht das Gefühl, dass das gerade notwendig war.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top