9. K A P I T E L


~I am in love with the impossibility of us~

„Verdammt, Lou!", schrie eine Person aus weiter Ferne. Es war mir egal, mir war alles egal, ich wollte hier einfach nur liegen, für immer. Diese Welt... unsere Welt ist so verkorkst, voller Fehler und Problemen. Mir wurden die Augen von ihm geöffnet und mein Blick hatte sich auf all die Macken meines Umfelds gerichtet, doch ich hätte sie lieber für immer geschlossen gehabt.

Irgendetwas zog mich zu Boden und entließ mich nicht aus dessen klammernden Griff.

War es die Schwerkraft? Oder mein scheiß Herz, welches mir solche Schmerzen bereitete?

„Shit, shit, shit!", vernahm ich wieder diese Stimme. Bitte lass mich in Frieden. Ruhe war alles was ich brauchte. Ich, allein mit meinen quälenden Gedanken und meinem schweren Herzen.

Kalt. Alles war so kalt. Fest umklammerte ich die Rose in meiner Hand, ihre Dornen durchbohrten meine zarte Haut und warme Blutstropfen liefen über meine Handfläche.

Er hatte sie mir gegeben. Ein Abschiedsgeschenk? War das sein letztes Geschenk? Aber nein, seine Geschenke bestanden aus der unschönen Wahrheit, die er mir eiskalt auf einem silbernen Tablett servierte.

Warme Hände berührten meinen eiskalten Arm. Leicht zuckte ich zusammen und wollte mich zusammen rollen, als sich diese Hand unter meinen Rücken schob und begann mich in die Höhe zu heben.

Unvorstellbare Schmerzen ließen mich nicht vergessen wie lebendig ich leider doch war.

„Alles wird gut, Lou. Ich bin bei dir.", erklang abermals diese Stimme, wie ein Rettungsanker im wildesten Sturm auf hoher See.

Zitternd öffnete ich meine Arme und umschloss die Person wie eine Wärmflasche. Mein Körper fühlte sich taub an, alles was ich spürte war diese angenehme Wärme. Diese rettende Wärme. Alles was ich spüren wollte, war diese Wärme, im Innern und Äußeren. Auf meiner Haut und in meinem Herzen. Denn es war eiskalt, erkaltet, als er ging.

Leichtes Schaukeln und die Gewissheit, in so etwas wie Sicherheit zu sein, ließ mich in einen leichten Schlaf fallen.

Ein lautes Gekreische riss mich schließlich aus der Dunkelheit. „Lou, um Himmels Willen, was machst du für Sachen?", rief die schluchzende Stimme meiner Mutter. „Dein Vater und ich haben uns solche Sorgen gemacht!"

Sanft wurde ich von ihr vom Boden aufgezogen und direkt in eine feste Umarmung gezwungen. Wie bin ich denn auf den Boden gekommen?

„Ich lass dich nie wieder los, meine Kleine.", ließ sie mich voller Überzeugung wissen.

„Leg dich jetzt hin! Papa kommt auch bald von seiner Nachtschicht nach Hause."

Noch einmal streichelte sie mir über die eiskalte Wange und ließ mich dann in mein Zimmer gehen. Bei der ganzen Aufregung vergaß ich ganz mich nach meinem Retter zu erkundigen. Aber er war jetzt egal, alles was zählte war, mich unter der Bettdecke einmal fest aufzuwärmen und zu schlafen. Am besten nie wieder aufwachen.

-

„Ich habe dich eingerollt und zitternd vor der Haustür gefunden." Meine Mutter griff nach der Hand meines Vater und klammerte sich daran fest.

„Diese Angst. Um dich. Sie war so unvorstellbar groß!" Ihre Stimme bebte und einzelne Tränen tropften ihr über die Wange.

Das erste was ich getan hatte, nachdem ich aufgestanden war, war meine Mama mit dem gestrigen Geschehen zu konfrontieren.

„Du bist unser Ein und Alles, Krümel!" Selbst mein sonst immer fröhlicher Vater klang erschüttert. „Du kannst dich doch nicht einfach raus schleichen und dich dann vor die Tür legen!", schluchzte meine nun komplett aufgelöste Mutter.

Schuld machte sich in meinem Inneren breit und bereitete mir stechende Kopfschmerzen.

Aber ich wurde vor die Tür gelegt, ich kam nicht von alleine hierher. Ich wollte es meinen Eltern aber nicht sagen, um ihnen nicht noch mehr Sorgen zu bereiten.

„Ich mach's nie wieder versprochen!" Diese ganze Situation war doch absurd. Ich versprach meinen Eltern hier gerade, dass ich mich nie wieder raus schleichen und vor die Tür legen würde. Das mit dem in der Nacht raus schleichen stimmte schon, aber ich lag doch eigentlich am See und dann kam auf einmal diese bekannte Stimme und brachte mich nach Hause. Statt zu klingeln, ließ er mich einfach hier fallen.

Richtig unhöflich, wenn man darüber nachdachte.

„Es tut mir leid dir das sagen zu müssen, aber du hast Hausarrest, Schätzchen! Wir haben einfach Angst um dich und deshalb ist es sicherer, wenn du vorerst hier bei uns bleibst."

Ich konnte meine Eltern ja verstehen, aber war es wirklich sinnvoll mich einzusperren? Bringt mich das denn nicht auf noch blödere Gedanken?

„Ich verstehe, ich bin euch nicht böse.", sprach ich sanft. Es stimmte, ich hatte ihr Vertrauen verspielt und sollte mich jetzt den Konsequenzen meines Handelns stellen. Alles andere wäre unverantwortlich und kindisch gewesen.

Fest drückte ich sie nochmal an mich und schritt dann in Richtung meines Zimmers.

Der Weg fühlte sich wie eine Qual an und als ich dann endlich über die Schwelle trat, viel ich erschöpft keuchend auf mein Bett.

Meine Finger, meine Nase und meine Zehen, taten mir immer noch weh. Sie waren starr vor Kälte gewesen und jede Bewegung hatte sich wie ein Hammerschlag angefühlt.

‚Du bist Schuld, einzig und allein du bist Schuld, an deiner Situation.', schelte ich mich innerlich immer wieder.

Mein Herz, dieses verräterische Ding, bereute es keine Sekunde, den Unbekannten, wieder gesehen zu haben. Selbst wenn es ein Abschied gewesen sein könnte.

Ein Abschied. Ein kleiner Stich durchzog meinen Brustkorb. Das wird es wohl gewesen sein.

Mein Verstand, wäre froh gewesen, wenn ich so vernünftig gewesen wäre zu Hause in meinem gemütlichen Bett zu bleiben. Aber meine Gefühle hatten die Kontrolle an sich gerissen. Geleitet von Naivität.

Es brachte ja alles nicht, nun lag ich hier, mit dem Kopf auf meinem weichen Kissen, den Blick gen Decke gerichtet. Alles war in dem Moment so kompliziert. Ich blickte nicht mehr durch, langsam verlor ich die Kontrolle über mein Leben.

Aber nein, ich hatte sie bereits verloren.

Das klügste wäre es jetzt, mir ein heißes und entspanntes Bad zu gönnen, um mich aufzuwärmen und endlich meine Gedanken zu entwirren.

Das heiße Wasser umschmeichelte meinen Körper, heizte ihn auf und flickte dabei meine gebrochene Seele. Stück für Stück.

In meinen Händen hielt ich ein Buch, einen Liebesroman. Die Liebe klang in diesen so einfach. Natürlich gibt es ein oder zwei Dramen, aber sie alle haben eines gemeinsam und zwar ein Happy End.

Doch mein Leben war ein niemals endendes Drama, es riss mich immer weiter in dieses dunkle Loch. Jedes Mal, wenn ich denke ich habe das Ende erreicht, falle ich tiefer. Immer wieder, immer weiter.

Ich war irgendwie in den Mörder verliebt, obwohl ich ihn nicht kannte. Er war besonders, er war einzigartig. In dem Moment den ich neben ihm stand, fühlte ich mich geborgen und gleichzeitig so frei, als könnte ich alles schaffen, wenn nur er bei mir war.

Die Verbindung zwischen ihm und mir erinnerte mich an einen Liebesroman. Nur dass unsere Liebe kein Happy End finden wird. Sie basiert auf Mord und Intrigen. Verluste und Kummer.

Aber er, der all diese Gefühle auslöste, entlockte mir meine größte Sünde. Die Liebe zu dem Mörder meiner besten Freundin.

Schuldgefühle, sind schlimmer als alles. Nicht im Glauben einschlafen zu können, alles im Leben richtig gemacht zu haben, ist das Schlimmste.

Vielleicht würde ich alles anders machen, wenn ich zurück reisen könnte. Vielleicht würde ich jetzt zu Hause bleiben am ersten Schultag und all das Geschehene rückgängig machen.

Vielleicht würde ich all das tun, aber ich wäre nicht glücklich dabei. Ich würde abermals eine Person verlieren. Ihn.

Ein unangenehmes Gefühl breitete sich in meinen Fingerspitzen aus und ich merkte wie schrumpelig sie bereits waren. Wie lange war ich schon baden?

Ich hatte die Zeit komplett aus den Augen verloren, zu vertieft in die Therapiestunde mit mir selbst.

Schnell stand ich auf und griff nach dem neben mir liegenden flauschigen Handtuch. Nachdem ich mich abgetrocknet hatte, zog ich mir etwas bequemes an und ließ mich erneut auf mein Bett fallen.

Gerade als ich meine Augen schließen wollte, vibrierte mein Handy. Es war der Unbekannte.

Er schrieb:

Meine liebe Rose,

Ich habe dir ein letztes Geschenk, eine letzte Wahrheit versprochen, nun sollst du sie erhalten.

Gehe in das Büro deines Vaters und schaue in der rechten untersten Schublade seines Schreibtischs, nach einem Ordner, mit der Aufschrift „Geburtsurkunde". Die Lade wird wahrscheinlich verschlossen sein, also besorge dir zuerst den kleinsten Schlüssel von seinem Schlüsselbund, um sie zu öffnen.

Ich hoffe du findest Antworten auf einige deiner Fragen.

Selbst, wenn das ein Lebewohl sein sollte, vergiss bitte nicht, meine Liebe zu dir. Sie sollte wohl so nicht sein.

~A

Er sprach in Rätseln.

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