8. K A P I T E L

~Be at peace, not in pieces~

Die Sterne leuchteten an diesem Tag besonders hell, mit dem Vollmond kämpften sie um die Wette, wer am schönsten in dieser dunklen Nacht strahlte.

Ich mochte die Sterne lieber als den Mond, sie waren nie allein, sie drängten sich nicht zu aufdringlich in den Vordergrund und zeigten sich trotzdem in ihrer schönsten Pracht.

Stunden zu früh war ich gekommen, so hatte ich den Sonnenuntergang miterleben dürfen. Das Ereignis, in dem die Sonne ihre Macht an den eiskalten Mond abgibt. Um die Nacht in ihrer Schönheit aufblühen zu lassen.

Leise begann ich eine Melodie zu singen, die mir bei dieser Aussicht nicht mehr aus den Kopf gehen wollte.

„And if I could, I'd get you the moon
And give it to you-", ich verstummte als eine tiefe Stimme begann mitzusingen.

„-And if death was coming for you
I'd give my life for you." Wohltuend hallte der tiefe Bass in mir wieder, als auch er still wurde.

Auffordernd sah er mich an, ein Leuchten in seinen Augen, das selbst heller strahlte, als jeder Stern an diesem wunderschönen Nachthimmel.

„'Cause you are, you are
The reason why I'm still hanging on", sangen wir nun gemeinsam, ein Duett, das erklang voller Harmonie.

Ich fühlte etwas in mir, ich verstand nicht was es war, ich kannte diesen Jungen vor mir nicht. Aber warum ließ er mich so fühlen?

Tief sah ich in seine blauen Augen, in diese Tiefe voller Wärme und Glück. Die Trauer um Mara für eine lange Sekunde vergessen und mein Herz fühlte sich frei an in meiner Brust.

„'Cause you are, you are
The reason why my head is still above water.", beendeten wir unser gemeinsames Zusammenspiel.

Wir sahen uns nur in die Augen, er versank in meinem haselnussbraunen und ich in seinem saphirblauen.

Alles was man hören konnte, war das Rufen einer Eule aus der Ferne. Es war keine unangenehme Stille, die uns einnahm, im Gegenteil, es war angenehm, wir kommunizierten ohne Worte zu verschwenden.

Noch nie hatte ich so etwas gefühlt, schon garnicht für einen Fremden...für einen Mörder. Doch war er der Einzige, der mein Herz so schnell schlagen ließ.

„Lou?", unterbrach der Unbekannte plötzlich die Stille. „Hm?", ließ ich leise seufzend von mir.

„Empfindest du Wissen als Macht oder als Schmerz?" Mich überraschte seine Frage, denn ich wusste, dass er auf die Verbindung zwischen uns zwei ansprach.

Zweifelte er? Oder gar bereute er seine Taten? Ich musste es wissen.

„Empfindest du Reue gegenüber deinen Taten?", wagte ich mich an die Wahrheit.

„Wenn du die Morde meinst, dann sollst du wissen, dass ich sie nicht bereue.", gab er mit rauer Stimme zu.

Was bedauerst du dann? Was sind all deine Geheimnisse?

Ernst blickte er mir in die Augen, Sorge zeichnete sich in ihnen. Sorge? Um mich?

„Du hast nicht meine Frage beantwortet.", er klang leicht drängend, als müsste er die Antwort um alles in der Welt erfahren.

„Wie lautete sie nochmal?" Ich hatte sie nicht vergessen, doch wollte ich sie noch einmal von ihm hören.

„Empfindest du Wissen als Macht oder als Schmerz, meine Rose?" Langsam begann ich an meinem Spitznamen gefallen zu finden.

„Es gibt keine Macht ohne Schmerz.", kam meine schnelle Antwort, „Man muss es sich wie eine Rose vorstellen. Du kannst ihren Duft genießen, weil du die Macht dazu hast, aber trotzdem stichst du dich zuerst an ihren Dornen, während du sie zu deiner Nase führst."

Leicht lächelnd sah ich zu seinen Händen, welche eine rote Rose in der Hand hielten.

„Also wenn du mich fragst, empfinde ich Wissen als Beides. Macht sowohl, als auch Schmerz."

Er nahm meine Hände zwischen seine und sah mich voller Bewunderung, die Rose fiel dabei auf den Kiesboden. „Deshalb.", murmelte er, mehr zu sich selbst.

Die Wärme seiner Haut, taute mein Innerstes auf. Es tut mir leid, Mara. Ich kann nichts für mein Herz.

Fragend zog ich meine Augenbrauen in die Höhe. Ohne dass ich ein Wort sagen musste, kannte er die Frage, die ich mir gerade stellte.

„Du hast mich einst gefragt Warum? " Ein wunderschönes Lächeln zeichnete sich unter der Kapuze ab. „Warum du. Jetzt kann ich es dir beantworten." Seine Hände zogen mich an seine Brust und ich ließ es geschehen.

„Du, weil deine Gedanken, so ehrlich und unschuldig sind.
Du, weil du so stark bist und selbst wenn du am Boden bist, anderen hilfst wieder aufzustehen.
Du, weil dein Lächeln, selbst den dunkelsten Fleck der Welt erleuchtet." Er atmete tief ein.

„Vor allem erleuchtet es mein Herz. Mein Herz blüht wie eine Rose. Und das dank dir. Meiner Rose." Er ließ meine Hände los, um mit seinen Handrücken, über meine Wange zu streicheln, unbemerkt hatte sich auf diese eine Träne geschlichen.

„Wie kannst du gleichzeitig so gefühlvoll und dabei ein Mörder sein?" Verzweifelt stolperte ich zwei Schritte zurück. „Ich habe Angst."

Nicht vor ihm, sondern vor mir. Vor meinen Gedanken, Gefühlen. Sie erdrückten mich. Ich wusste nicht mehr was richtig und was falsch war.

Ich konnte das nicht tun, ich konnte mich nicht von meinem Herzen leiten lassen. Ich durfte nicht. Bent, Garry, Mara, wer sagte mir nicht, dass meine Eltern die Nächsten sind? Jeder hat ein böses Geheimnis, mag es noch so gut verborgen sein.

Er verzog seinen Mund und ich konnte seine Traurigkeit spüren. Es war wie ein Dolch der mir in die Brust gerammt wurde. Ich wollte nicht der Grund seiner Trauer sein. Er dachte ich hätte Angst vor ihm. Vor ihm und nicht vor mir.

„Du leidest wegen mir." Es war keine Frage, eher eine Feststellung. Allein, dass er das dachte schmerzte. Aber war es denn nicht die Wahrheit? Mein Mund blieb geschlossen und ich presste meine Lippen fest aufeinander.

Ich fand keine Worte.

„Es tut mir leid." Er klang ehrlich betroffen. „Nicht für die Morde, sondern für deinen Kummer."

Verzweifelt fuhr er sich über die Kapuze. „Ich mache dir ein letztes Geschenk, danach versuche ich fern von dir zu bleiben."

Ein letztes Mal strich er mir mit seiner rauen Handfläche über die zarte Haut meiner Wange.

„Kein Mord?", meine Stimme klang erschreckend schwach und leise. „Kein Mord." Ein Versprechen, dass ich hoffte er würde es halten.

Alles war nun gut. Warum liefen die Tränen dann in Strömen über mein Gesicht? Warum zitterte ich am ganzen Leib? Und warum war da dieser Schmerz in meiner Brust?

„Lebewohl, Lou. Meine Retterin." Diese Worte klangen unendlich traurig, sie zeigten seine maßlose Verzweiflung.

Mit wenigen Schritten war er im Wald verschwunden. Verschwunden aus meinem Leben. Mit ihm nahm er mein Lächeln.

Einsam und allein stand ich nun am See. Eine Wolke hatte sich über den Mond geschoben und nahm sein Licht. Die nun herrschende Dunkelheit, beschrieb mein Innerstes in diesem Moment perfekt.

Leer.

Ich fühlte nichts mehr, weder Trauer noch Glück. Mein Herz war abgestumpft mit dem Moment als mein Unbekannter ging.

Dabei kannte ich ihn nicht, weder sein Gesicht, noch seine wahre Persönlichkeit.

Oder war vielleicht ich die einzige die hinter seine kalte Maske sah? Denn eines stand fest, ich konnte ihn lesen wie ein offenes Buch. Aber das vielleicht nur, weil er mich ihn lesen ließ. Weil er mir gegenüber seine kalte Maske fallen ließ.

Aber das war doch absurd. Er ist so vieles und noch mehr und ich bin eben...nur ich.

Kopfschüttelnd ließ ich mich in den Kies fallen und machte es mir in einer liegenden Position bequem.

Mit einem Kopf voller Qualen, ließ ich meinen Blick über den weiten Himmel schweifen. Immer mehr dunkle Wolken trieben zusammen und versperrten mit dabei die Sicht auf die Sterne. Auf meinen Anker.

Ein Tropfen landete auf meiner Unterlippe, zuerst dachte ich es wäre eine unbemerkt geflossene Träne, aber nein es war ein Regentropfen vom Himmel geschickt.

Immer mehr des Wassers landete auf meinem Körper, schenkte mir eine innere Ruhe. Ich streckte meinen Kopf in die Höhe, um alle aufzufangen, um mich zu reinigen. Um all diese Gefühle abzuwaschen. In diesem Moment fühlte ich mich so schwach, so einsam. Erschöpft ließ ich meinen Kopf wieder auf den Kies fallen. Meine Augen wurden so schwer und meine Sicht immer dunkler.

Bitte Schlaf, nimm mich in deine beschützenden Arme. Er folgte meinem Flehen.

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