14. K A P I T E L

~Touch her and I'll break your neck~

-A-

Sich einen Fehler einzugestehen ist oftmals schwer. So viel schwerer als man denkt, aber ich hatte es nun begriffen. Es war alles ein Fehler. Sie aufzusuchen. Sie überhaupt nach dieser langen Zeit wieder zu sehen, aber nun konnte ich es eben nicht mehr rückgängig machen. Alles würde ich dafür tun, um die Zeit zurück zu drehen, um ihr all dieses Leid zu ersparen, aber nun war es zu spät und ich konnte nur mehr versuchen, die von mir verursachten Scherben wider zusammenzusetzen.

Was blieb mir denn anderes übrig?

Nachdenklich betrachtete ich das Gebäude vor mir, für viele repräsentierte es Sicherheit, aber wenn diese Menschen nur wüssten. Wenn sie nur wüssten, was hinter diesen Mauern in Wirklichkeit alles ablief, würden sie es sich zweimal überlegen, dort hineinzugehen. Korruption stand ganz oben auf der Liste ihrer Straftaten.

Mittlerweile hatte sich eine gewisse Nervosität in mir aufgebaut und ich wusste wirklich nicht, was mit mir los wahr. Immerhin war es richtig was ich gleich tun würde. Es war doch richtig? Für Lou ist es richtig, für sie ist es überlebens wichtig, denn irgendwann könnte ich mich vielleicht nicht mehr beherrschen und würde sie verletzten. Jahre lang hatte ich versucht diese Dunkelheit in mir zu unterdrücken und sie zu ersticken. Ihr keinen Raum zu geben, keine Luft zum Atmen, aber selbst die kleinste Unannehmlichkeit konnte sie hervorrufen und alles um mich herum vergessen lassen.

Nur sie konnte mich beruhigen. Leider. Ich brauchte sie und genau das wäre unser Untergang. Was wäre wenn ich mich vergessen würde und sie dabei verletzte? Was wäre wenn sie mir nie wieder ohne Angst mit ihren unschuldigen braunen Augen entgegenblicken konnte?

Wollte ich das wirklich riskieren? Die Antwort war klar: Auf keinen erdenklichen Fall, sie war mein Alles, meine Welt, mein Herz, mein Leben.

Mit dem festen Entschluss meinen Plan endlich durch zu ziehen, atmete ich noch einmal fest aus und begann mich Richtung Eingang zu bewegen.

Nachdem ich zwei Schritte gelaufen war, stoppte ich. Verdammt. Mein Verstand wollte weitergehen, weiter in mein Verderben, aber da war noch mein verficktes Herz, welches mich so zweifeln ließ. Voller Verzweiflung fuhr ich mir durch meine schwarze Haare und versuchte mich irgendwie zu beruhigen.

Es war der einzige Weg. Ich wusste das. Nur warum konnte ich nicht noch einen weiteren Schritt machen?

Ich will das hier.

Lüge.

Oh was für eine Lüge.

Jede einzelne Faser meines Körpers streubte sich gegen mein Vorhaben.

Mein Blick schweifte über den Parkplatz, es war fast als würde ich etwas suchen, oder besser gesagt auf jemanden warten. Jemand der mich von dem hier abhielt und mir sagte es gäbe eine andere Lösung.

Niemand kam. Niemand würde kommen.

Ich ließ ein leises Seufzen von mir und wendete mich wieder dem unheilvollen Gebäude vor mir zu.

Nun gab es kein Zurück mehr. Festen Schrittes marschierte ich immer weiter gen Untergang. Kurz bevor ich den Türknauf ergreifen konnte, ertönte das laute Quietschen von Autoreifen. Ruckartig blieb ich stehen und sah mich um.

Der Wagen mir gegenüber war mir durchaus bekannt und innerlich fluchte ich darüber, so lange gezögert zu haben, nun wurde mir meine Entscheidung nochmal um einiges schwerer gemacht.

Konnte denn nicht einmal etwas so verlaufen, wie ich es mir vorstellte? Eine kleine Welle von Zorn schwappte über mich und um das aufkeimende Gefühl, jemanden verletzten zu wollen, zu unterdrücken, formte ich meine Hände zu einer Faust.

Dann eben auf die harte Tour.

Die Autotüren flogen nur so auf und dann stand sie da. Ihre honigblonden Haare umrahmten ihr herzförmiges Gesicht, wie das eines Engels. Für mich zumindest, war sie ein Engel. Mein Engel.

Mit schnellen Schritten kam sie auf mich zu gestolpert und legte sanft ihre Handfläche auf meine rechte Wange. Bei niemanden sonst hätte ich diese Schwäche gezeigt, hätte ich den kleinen Jungen von damals die Kontrolle übernehmen lassen. Aber es war Lou. Sie selbst war meine Schwäche und so schmiegte ich mein Gesicht vertrauensvoll gegen ihre Hand. Unglaubliche Wärme breitete sich in jeder Faser meines Körpers aus, so frei und gelassen fühlte ich mich nur wenn sie bei mir war.

Dabei vergaß ich, dass sie nun das erste Mal mein ganzes Gesicht erblickte.

„Wolltest du mich jetzt wirklich verlassen?" Ihre Stimme war nicht mehr als ein Flüstern, ein wispernder Lufthauch an meinem Ohr.

Mein Atem stockte. Hätte ich es wirklich geschafft sie zu verlassen, wenn sie jetzt nicht gekommen wäre? Hätte ich es geschafft sie hinter mir zu lassen? Ich wusste es nicht.

„Nach alle dem was passiert ist?", fügte sie verwundert hinzu. Ihre Fingerspitzen strichen zärtlich über meine raue Wange und ließen meinen Puls weiter herunterfahren.

Lou überraschte mich immer wieder. Wie konnte sie mich nur mögen? Alle anderen, wären schon nach dem ersten Mord davongerannt, aber sie war geblieben. Immer.

„Warum bist du hier?" Meine Zunge fühlte sich schwer an und die Worte kamen nur mühevoll über meine Lippen.

„Wegen dir." Kamm ihre Antwort prompt und ließ mich Dinge fühlen, wofür mich meine Männer auslachen würden und ich mich früher wahrscheinlich auch.

Ihr sanftes Lächeln verwandelte sich in einen ernsten Ausdruck, als sie mit ihren weichen Fingerkuppen über mein Gesicht fuhr.

Als sie dabei den Teil berührte, wegen welchen ich mein Gesicht immer vor ihr verborgen hatte, zuckte ich zusammen und packte sie etwas unsanft am Handgelenk, um sie davon abzuhalten dieses hässliche etwas in meinem Gesicht zu berühren.

„Bitte... nicht", flüsterte ich fast tonlos.

Ihre warmen Augen betrachteten mich nachdenklich und sie ließ schlussendlich von mir ab, nur um einen kleinen Kuss darauf zu drücken.

Ein erstauntes Keuchen entwich meinen Lippen und ich zog sie mit meinen Armen fester an meine Brust. Ein Glücksgefühl, wie ich es noch nie gespürt hatte, ließ mich in eine Geborgenheit fallen, die am liebsten nie mehr enden soll.

„Wir müssen reden."

Sobald diese drei Worte ausgesprochen waren, veränderte sich die Stimmung und ihre kleinen Hände stemmten sich gegen mich.

Dieses Mädchen, mein Mädchen überraschte mich immer wieder aufs Neue.

„Über was willst du den reden?" Ich versuchte erst garnicht meine Neugierde zu verstecken, denn sie war definitiv rauszuhören.

„Über uns..." Mit einer allumfassenden Geste drehte sie sich im Kreis. „Über das alles hier"

Es war wohl zwecklos jetzt einfach mit ihr in den siebten Himmel zu fliegen ohne ein ernsthaftes Gespräch zu führen.

Resigniert seufzte ich, nahm sie dabei an der Hand und führte sie zu einer Bank, welche einen Ausblick auf einen kleinen Bach bot.

Stumm saßen wir eine Weile da und warfen kleine Kieselsteine in das Gewässer.

Keiner von uns wollte diese entspannende Stille unterbrechen, im Hintergrund das Rauschen des Wassers und das Vogelzwitschern, der freien Tiere.

Früher wollte ich immer so fliegen wie die Vögel, so frei sein, wie sie. Das Fliegen hatte mich schon immer fasziniert, aber jeder hatte nur über mich gelacht, sie hatten über die Träume eines innerlich sterbenden Jungen gelacht.

Dieser Gedanke brachte mich schlagartig wieder ins hier und jetzt. Meine Gestalt versteifte sich und ich richtete mich kerzengerade auf der Bank auf.

„Alles okay?" Besorgt sah sie mich an. Ihre großen Augen voller Zuneigung auf meine gerichtet. Wie konnte sie sich nur zu mir hingezogen fühlen? Zu mir, einem Monster.

Zwang ich sie? Vielleicht hatte ich sie so sehr manipuliert, dass sie jetzt glaubte mich zu lieben, dabei ist das unmöglich. Nach alle dem was ich getan hatte.

Meine Entscheidung stellte sich immer mehr als richtig heraus. Mein jüngeres- Ich konnte stolz aus mich sein, auf meinen Entschluss.

„Möchtest du darüber reden?" Ihre Stimme klang so samtweich und einfühlsam, wie ihre Person selbst. Neben ihrer zierlichen Gestalt sah ich plump und fehl am Platz aus.

Stumm nickte ich und nahm ihre Hände zwischen meine, nachdenklich begann ich mit meinen schwieligen Daumen über ihre Knöchel zu streicheln. Nicht um sie zu beruhigen, sondern mich.

Ihre Finger waren so klein und zerbrechlich in meiner groben Hand, wie leicht es doch wäre sie einfach zu zerbrechen. Es wäre so einfach ihr weh zu tun, obwohl sie es am wenigsten verdient hatte. Trotzdem habe ich, der sie eigentlich beschützen sollte, sie verletzt und im Stich gelassen, aber beginnen wir von vorn.

„Es war vor vielen Jahren", begann ich nun meine Erzählung, sah ihr dabei, so feig wie ich war, aber nicht ins Gesicht sondern weiter auf unsere verschränkten Hände.

„Ich war gerade mal neun und du drei. Damals hatten wir noch diese kindliche Unbeschwertheit. Vor allem du." Leicht schief lächelte ich sie an.

Als ich ihr entgegen blickte konnte ich ihre merkwürdig verzogene Miene erkennen, es war als wüsste sie bereits etwas, aber das war ausgeschlossen, sie war viel zu jung damals, um sich noch daran erinnern zu können. Ein unheilvoller Schauer lief mir den Rücken hinunter und mir wurde klamm ums Herz.

„Wir waren gut befreundet früher, nicht wahr?", stellte sie die Frage, auf die ich eigentlich hätte vorbereitet sein müssen, sie mich aber trotzdem aus der Fassung brachte. Warum weiß ich bis heute nicht, aber vielleicht lag es an ihrem wissenden Ton.

„Ja.", beantworte ich ihre Frage. „Wir spielten jeden Tag gemeinsam und ich war total vernarrt ihn dich, als deine Eltern dich vom Spielen abholen wollten, wollte ich dich garnicht mehr gehen lassen." Ein leises Lachen entkam mir, bei dieser schönen Erinnerung und selbst Lou musste leicht Lächeln.

„Aber dieser eine Tag traf uns alle unvorbereitet."

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