11. K A P I T E L

~own the strength in your softness~

Leises Vogelzwitschern holte mich aus der Stille. Als sich meine Augen langsam öffneten, sah ich auf die leere Seite meines Bettes. Er war gegangen. Erneut. Aber wie lange würde es diesmal dauern bis er wieder kommt? Vielleicht nie mehr?

Dieser Gedanke machte mich trauriger als er sollte. Alles war gesagt. Ich wusste nun um meine Familie Bescheid, um ihre Lügen und die Geheimnisse über die sie mich nie aufgeklärt hatten. Trotz all dem Schmerz, den dieses Wissen mit sich brachte, fühlte ich mich auch erleichtert.

Ich war nun im Bilde, kein Versteckspiel mehr, alle Karten waren nun offen auf den Tisch gelegt.

Seit langem wollte ich mir nicht eingestehen, das meine Eltern etwas vor mir verbargen. Dieses Ungewisse, hatte mich von Innen nach Außen zerfressen. Jetzt konnte ich sie endlich konfrontieren. Ich wollte die ganze Wahrheit, ich musste sie wissen.

Sie würden immer meine Eltern bleiben, ganz egal was mit meinen leiblichen Eltern war. Voller Liebe zogen sie mich groß und überschütteten mich mit Zuneigung. Durch sie war ich, ich, mag in der Geburtsurkunde etwas anderes stehen.

Mit dem festen Entschluss sich jetzt sofort mit ihnen darüber auseinanderzusetzen, schob ich meine Decke von mir.

Es galt keine Zeit zu verlieren.

Der angenehme Geruch von Kaffee trat mir in die Nase und vertrieb dabei etwas von meiner Nervosität. Es waren immer noch meine Eltern. Die Menschen die mich großgezogen haben, mir unendliche Liebe schenkten. Keine Monster vor denen ich Angst haben musste.

„Guten Morgen.", murmelte ich und beide sahen mich verdutzt an.

„So früh schon wach?", erklang die belustigte Stimme meiner Mutter. Leise fing mein Papa nun auch noch an zu lachen. Na toll. Immer gegen die Langschläfer.

„Ja, ich bin wohl zum Morgenmensch mutiert.", voller Ernst sah ich ihnen in die Augen, bis wir alle gemeinsam anfingen lauthals zu lachen.

Ich liebte es zu lachen, man fühlte sich so frei, so geborgen und aufgehoben. In den Momenten, in welchen man lacht, ist es das Gefühl pures Glück, welches unsere Herzen durchströmt. Strömen von Dopamin werden dabei ausgeschüttet.

Das Wohlfühlhormon, eines der Hormone, welches in der Nähe des Unbekannten meinen Geist völlig im Stich lässt. Böse grinsend, lässt es mich all meine Angst vergessen und das Verlangen sich an ihn zu kuscheln wird unermesslich. Ihn mit meinen Armen zu umschlingen und nie wieder loszulassen.

„Erde an Lou." Schnipsend versuchte meine Mama sich meine Aufmerksamkeit zu ergattern. Wie lang hatte ich in die Lift gestarrt? Sehr unangenehm.

Verwirrt blicke ich ihr in die liebevoll strahlenden Augen. Ein fragender Laut entwich meinen Lippen und ich zog dabei meine Augenbrauen zusammen.

„Ich hab dich gefragt, was du frühstücken möchtest, du Duzzel.", verständnisvoll blickte sie mich an. Ihr Lächeln erleuchtete das Zimmer und mein Herz erwärmte sich.

In diesem Moment wurde mir erst klar, wie viel mir meine Eltern überhaupt bedeuteten. Allein die Vorstellung, sie nicht mehr bei mir zu haben, nie mehr diese Gespräche am Morgen zu führen, brachte mich um den Verstand. Die Liebe der Kinder zu ihren Eltern, beruht auf mehr, als Respekt. Es ist eine Verbindung, pures Vertrauen. Die Sicherheit, dass dein Gegenüber immer für dich da ist, egal wann.
Eltern sind die Konstante in des Kindes Leben, für viele ist es natürlich das sie immer da sind. Viele halten es für selbstverständlich, geliebt und umsorgt zu werden, schätzen viel zu wenig das kostbare Gut, welches in ihre Wiege gelegt worden war.

Ich hatte es nun endlich begriffen.

„Wisst ihr eigentlich wie lieb ich euch habe?" Besorgt sahen mir meine Eltern entgegen. „Was ist los, Krümel? Ist etwas passiert, du bist so anders in letzter Zeit." Angst klang aus mein Vaters Stimme. Angst um mich. Ich wollte ihnen doch keine Sorgen bereiten?

Wäre es nicht besser, endlich damit herauszurücken, dass ich es wusste? Die Wahrheit nun endlich kannte?

Ja, vielleicht wäre es wirklich besser.

„Ich weiß es.", fest sprach ich aus, was mich oft ins Zögern brachte.

Mein Vater wurde weiß um die Nase und meine Mama stützte sich erschöpft an der Kücheninsel ab. „Woher?", war alles was meine Mutter hervorbrachte. Sie klang müde. In ihren Armen war man immer sicher, sie war der Fels in de Brandung, den man nicht schaffte aus dem Gleichgewicht zu bringen. Allein, dass diese drei Worte sie so aus dem Gleichgewicht brachten, rüttelte an meinem 6-jährigen Ich, welches noch immer dachte ihre Mama wäre unbesiegbar.

„Könnt ihr mir bitte über sie erzählen?" Sichtlich überrascht über meine Frage blickten mir meine Eltern entgegen.

„Du bist uns nicht böse, dass wir es so lange vor dir geheim hielten?" Mein Papa klang zweifelnd.

„Ich bin zum Entschluss gekommen, dass es keinen Unterschied gemacht hätte." Fest atme ich aus. „Ob ihr mit mir Blut verwandt seid oder nicht, ändert nichts daran, dass ihr mich großgezogen habt. Alles für mich getan habt und tut." Meine Hände winkten sie zu mich und als sie beide mit vor Schuld verzogenen Gesichtern vor mir standen, nahm ich sie beide in meine Arme.

„Denn egal was passiert, ihr werdet immer meine Mama und mein Papa bleiben." Federleicht schlichen, sich Freudentränen meine Wange hinab.

Trotz alle dem wollte ich Antworten auf meine Fragen und ganz oben auf der Liste stand, was mit meinen Erzeugern passiert war.

Sanft, aber trotzdem mit Nachdruck, schob ich meine Eltern von mir und sah ihnen selbstbewusst entgegen.

„Was ist mit ihnen passiert?" „Willst du es wirklich wissen?" Verdammt nochmal ja. „Ja, bitte erzählt es mir endlich, ich will das nicht mehr. Ich habe euch verdammt lieb und weiß ihr wollt mich nur beschützen, aber bitte dafür brauche ich die Wahrheit und zwar die ganze."

Frustriert blies ich die aufgestaute Luft aus und merkte erst jetzt, dass ich sie während meiner Rede angehalten hatte.

„Nun gut." Hilfe suchend griff meine Mutter nach dem Arm meines Vaters und klammerte sich an diesen, wie an einen Rettungsanker.

„Wir und deine Eltern waren gut befreundet, hatten uns aber mit den Jahren auseinander gelebt. Als ich dann erfahren hatte, dass sie eine Tochter bekommen hatten, war ich unglaublich glücklich." Sie begann leicht zu lächeln und schien kurz in Erinnerungen zu schwelgen, bis sich mein Vater räusperte und sie wieder ins jetzt brachte. Sofort veränderte sich ihr Blick in pure Traurigkeit.

„Ich sollte deine Patentante sein." Tränen begannen sich ihren Weg über ihre schon leicht von der Zeit gezeichneten Haut zu bahnen. Zärtlich strich mein Papa ihr über den Rücken und sprach dann anstatt meiner Mutter weiter.

„Vier Jahre verbrachtest du bei ihnen, du warst so ein glückliches und offenes Kind. Deine Angst, zu dem Frust Amelies und Georges, deiner leiblichen Eltern, gegenüber fremden Menschen hielt sich in Grenzen. Fröhlich nahmst du einfach jeden in den Arm der es brauchte."

Ein trauriges Schmunzeln zierte sein Gesicht und der Schmerz war ihm anzusehen.

Der Kloß in meinem Hals vergrößerte sich mit jedem Wort, dass er sprach. Es war als würde sich seine Trauer auf mich übertragen.

„An jenem Tag, an dem das Unglück passierte waren wir gerade auf dem Weg euch besuchen zu kommen. Doch schon von der Ferne sahen wir Rauch über die Dächer steigen. Als wir dann realisierten, dass es das Hochhaus war, in dem ihr damals gelebt habt, wussten wir schon, etwas Furchtbares muss geschehen sein." Er verstummte und spielte mit der Hand meiner Mutter.

„Wir fanden dich dann auf der Bank vor dem Gebäude sitzend, die Hand von einem kleinen Jungen haltend." „Die Feuerwehr konnten deine Eltern nicht finden und erkannten sie so als tot an.", erklang nun die schmerzverzerrte Stimme meiner Mama.

„Miranda und ich wussten sofort das wir dich aufnehmen würden, in dem Vorhaben, all das Leid hinter uns zu lassen und neu zu starten. Als kleine Familie."

Die Gefühle übermannten mich und unendliche Zuneigung für diese zwei wundervollen Menschen mir gegenüber entfachte mein Herz.

Schnellen Schrittes rannte ich auf sie zu und flog in ihre Arme. „Vielen Dank.", flüsterte ich in die Umarmung. Vielen Dank für die Jahre voller Glück, vielen Dank dafür, dass ihr mein sicherer Hafen seid. Ich schuldete ihnen so viel und noch mehr. Sie waren meine Lieblingsmenschen.

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