41. Sorge im Unwetter
Mein Blick war vielleicht unbezahlbar und mein Gesicht komisch verzogen, aber all das war mir egal. Keno sagte das Alles so einfach und vielleicht war es das für manche auch, aber für mich war die ganze Angelegenheit nicht so einfach. Ich hatte erst seit kurzem mit der ganzen Glaubenssache zu tun und konnte, trotz der Wundheilung, nicht sofort eine perfekte Beziehung aufbauen.
„Keine Sorge, Ace, das kommt mit der Zeit", versuchte Keno mich wieder aufzumuntern. „Selbst ein paar in unserer Gemeinde haben damit Probleme...oder wollen gar keine so enge Beziehung."
Skeptisch sah ich ihn an. „Wieso gehen die dann überhaupt sonntags in die Kirche?"
Keno zuckte nur unwissend mit den Schultern. „Für ihr Gewissen? Ihr Ansehen?", riet er. „Keine Ahnung, Ace. Was den Glauben angeht hat jeder ne andere Auffassung, wichtig ist nur, was dich betrifft", Keno lachte, „Das heißt natürlich nicht, dass alle mit einer anderen Meinung falsch liegen und man einen Rat nicht annehmen sollte."
„Hm."
Mein Blick wanderte zum Himmel, der plötzlich seltsam zuzog. Keno war gerade dabei die Pferde in ihre Boxen zu bringen, während ich an der Stalltür lehnte und hinaussah. Es war noch gar nicht allzu spät, eben später Nachmittag, aber es sollte noch nicht dunkel werden. In den Bergen war das Wetter zwar unberechenbar und es kam auch schon mal vor, dass gewisse seltsame Dinge passierten, aber so langsam konnte ich verstehen, dass Aarón die Tiere drinnen haben wollte.
„Weißt du schon, was wir heute Abend machen, wenn wir im Haus hocken?", wollte plötzlich Cosmo neben mir wissen und ich unterdrückte krampfhaft ein Zusammenzucken. Da musste ich echt mal was dran ändern!
Ich sah zum Haus. „Ne. Du?"
„Also-"
„Aarón wollte, dass wir alle was zusammen machen", unterbrach Keno meinen Bruder.
Dieser sah entnervt zu mir und verdrehte die Augen. Da hatte wohl jemand andere Pläne, dachte ich mir belustigt, und zusammen liefen wir zum Haus. Zwei weitere Mitarbeiter des Hofes schlossen noch die Tür zum Schuppen und fuhren zwei Traktoren rein. Drinnen im Haus war ebenfalls reges Treiben. Julia machte in der Küche ein frühzeitiges Abendbrot und die Kids spielten irgendwas auf dem weichen Teppich im Wohnzimmer.
Nur einer fehlte. Aarón.
Doch der Hausherr kam auch in nächster Zeit nicht heim. Auf Julias Wunsch hin saßen wir versammelt am Esstisch. Das Abendbrot auf dem Tisch, doch keiner aß.
Starker Regen prasselte mittlerweile auf die Fensterbänke und das Dach, als wolle er das Haus erschlagen. Zudem war es in kürzester Zeit draußen unglaublich dunkel geworden. Mein Blick wanderte alle paar Minuten zur Uhr und in meinem Inneren machte sich eine Unruhe breit, die ich wirklich gut kannte. Sehr gut kannte! Sorge. Sorge, um ein Familienmitglied. Jemand, der mir wichtig war und den ich um jeden Preis beschützen musste.
Überrascht über meine eigenen Gedanken sprang ich vom Stuhl auf, was mir erschrockene Blicke aller einbrachte. War Aarón mir wirklich so ans Herz gewachsen?
„Wo willst du hin, Ace?", verlangte Julia zu wissen, als ich das Zimmer verließ.
Ich streifte mir eine der vielen Jacken im Flur über. „Ich schau nach, wo Aarón bleibt."
„Ace!", rief Julia aus und ich hörte, wie im Nebenraum ein Stuhl ruckartig zurückgezogen wurde. „Du gehst nirgendwo hin. Aarón kommt schon noch. Sein Handy Akku ist vielleicht nur leer oder er ist noch bei jemanden", versuchte sie mich zu beruhigen, doch ich hatte das Analysieren von Menschen zu gut gelernt, um die Sorge in ihr zu erkennen.
„Ich such ihn trotzdem!", bestimmte ich.
Julia war durchaus eine Frau, die sich durchsetzen konnte und in der Lage war mich in die Schranken zu weisen, doch im Moment schien die Sorge über ihren Mann größer zu sein. Weswegen sie mich vermutlich gehen ließ. Nur Cosmo schien nicht begeistert. Keno schloss sich ihm an, mir machte dies jedoch nichts. Ihre Meinung war mir nicht unwichtig, aber Aarón war nicht ohne Grund weg!
Mit Schwung riss ich demonstrativ die Haustür auf und machte einen Schritt nach draußen, doch knallte frontal mit jemanden zusammen.
„Was zum- Ace?", stieß die Person überrascht aus und perplex machte ich einen Schritt nach hinten.
Ein klitschnasser Aarón stand mir gegenüber und sah mich mindestens genauso überrascht an. Äußerlich kaum sichtbar fiel mir ein Stein vom Herzen und meine Schultern sackten nach unten. Ihm ging es gut, realisierte mein Gehirn endlich als ich ihn von unten bis oben ansah. Und eben wahrscheinlich diese Erleichterung brachte mich dazu, mich in Aaróns Arme zu werfen, trotz der Nässe. Dort verweilte ich einen Augenblick.
Aarón schob mich nicht weg, er umarmte mich sogar zurück, nur irgendwann machte sich die peinliche Erkenntnis in mir breit und ich verzog mich wieder.
„Sorry, das war nur... Impuls." Innerlich klatschte ich mir gegen die Stirn.
Aarón lachte. „Dafür musst du dich nicht entschuldigen, es war nur... überraschend?"
Missmutig sah ich den Hausherrn an. Ich war keine Person, die gern auf Kuschelkurs ging und auch kümmerte mich das Schicksal anderer nicht. Aber Aarón war mittlerweile, so ungern ich mir das auch eingestand, keine andere Person. Auch Julia und die Kids. Sie waren Familie. Meine Familie.
Der Gedanke musste erstmal sacken.
„Wo warst du so lang?", fragte Julia vorwurfsvoll, um ihre Sorge zu tarnen und drängelte sich an mir vorbei, damit sie ihrem Mann die nasse Jacke abnehmen konnte.
„Der Jeep hat sich festgefahren. Der Regen hat den Straßenrand aufgeweicht und ich kam nicht mehr raus. Deswegen hat es etwas gedauert", erklärte er.
Julia nickte und wuselte um ihn herum. „Wusste ich's doch! Ace wollte schon raus und dich suchen, aber das hat sich ja erledigt." Peinlich berührt, als ich Aaróns verwunderten Blick auf mir spürte, senkte ich den Kopf. Der Boden war doch schrecklich interessant! Julia bekam dies jedoch überhaupt nicht mit. „Zieh dir trockene Sachen an und dann wird gegessen", ihr Blick wanderte abschätzend zu mir, „Und du solltest vielleicht das Shirt wechseln."
„Wird erledigt!", salutierte Aarón beim strengen Ton seiner Frau. Ich nickte nur und sah zu, dass ich wenig später mit trockenen Sachen wieder am Tisch saß.
Als Aarón auch dazukam, betete er kurz, und wenig später konnten wir endlich essen. So lecker das Essen aber auch war, mich beschäftigten ganz andere Sachen. Wenn mir Aaróns Familie wirklich so sehr ans Herz gewachsen war, dann war ich eine wandelnde Zielscheibe. Denn, egal wo der Mafiosi im Augenblick war, ich führte ihn direkt hier her!
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top