29. Das war ein Foul!

Cosmos Ausrutscher war schnell vergessen und alle waren wieder in Gespräche vertieft. Außer wir. Manuel hatte den Blick gesenkt, Cosmo aß, Keno stocherte im Essen herum und ich beobachtete alle.

Irgendwie hatte es bei uns die Stimmung ruiniert.

Aber Manuel konnte ja auch nicht wissen, aus welchen Verhältnissen wir kamen. Das wusste ja noch nicht einmal Keno. Keiner hier. Und das sollte auch so bleiben. Jedenfalls schmeckte das Essen echt wunderbar und ich war wieder einmal fasziniert, wie viele verschiedene Geschmacksrichtungen es gab. Cosmo ebenfalls. Dieser kratzte gerade den letzten Rest der Aioli aus.

„Hat es denn allen geschmeckt?", fragte Julia an alle, während sie schon einmal die leeren Teller und Schüsseln abräumte. Natürlich stimmten alle zu. Als ob hier einer sie kritisieren würde. Ich nickte nur.

Ein paar andere Frauen aus der Gemeinde räumten mit ab und Aarón verschwand im Haus. Anschließend kam er mit dem Fußball wieder und Keno sprang begeistert auf. Schnell waren die Tore aufgebaut und Teams gebildet.

„Spielst du mit, Ace?", wollte Manuel grinsend wissen.

Doch ich verneinte. Mir gefiel es nicht, wie fixiert er auf mich war. Irgendetwas stimmte da nicht. Er kannte mich nicht und rückte mir einfach zu sehr auf den Pelz. Außerdem konnte ich ohnehin nicht mitspielen. Meine Verletzung durfte nicht wieder schlimmer werden. Die Heilung lief super und sollte durch so eine Aktion nicht stagnieren.

„Ach, komm schon!", versuchte er mich zu überreden. Finster kniff ich die Augen zusammen. Was verstand der unter einem Nein nicht?

Auch Keno schien genervt. „Er will nicht."

„Schon klar, er kann selber sprechen", fauchte Manuel.

„Aber du akzeptierst ja nichts!"

Ich seufzte. Wenn Keno meinte, mich verteidigen zu müssen, dann sollte er das ruhig tun. Was auch immer die beiden miteinander hatten, ihre Streitigkeiten sollten sie unter sich klären. Es war nicht mein Problem und deshalb würde ich mich auch garantiert nicht einmischen.

Auch Aarón schien nicht erfreut. „Jungs, jetzt reist euch mal am Riemen."

Beide sahen ihn gereizt an, gaben aber keine Widerworte. Aarón, der alte Mann, war offenbar hier das Alphatier. Bei der Vorstellung musste ich leicht schmunzeln. Er machte nicht wirklich einen dominanten Eindruck und dennoch hörte selbst ich auf ihn.

Cosmo jedenfalls spielte bei Keno mit und schien auf dem provisorischen Feld verloren. Auch nahm nicht wirklich jemand auf ihn Rücksicht, weswegen er es letztlich aufgab und sich zu mir setzte.

„Du gibt's schon auf?"

Mein Bruder stieß frustriert einen Stein weg. „Das ist nichts für mich!", jammerte er. „Selbst Adrian kann besser spielen als ich. Und die spielen gar nicht ab. So wird das nichts."

„So hab ich dich aber nicht erzogen", meinte ich und wusste wie sehr er diesen Satz hasste.

„Man, Ace!", knurrte er. „Die paar Jahre Unterschied."

„Ich hab dich trotzdem aufgezogen, ob du willst oder nicht. Du weißt, dass ich recht hab. Und neun Jahre sind nicht gerade wenig", entgegnete ich schulterzuckend.

Niedergeschlagen seufzte er. „Hast ja recht." Er legte den Kopf in den Nacken und drehte ihn zur Seite, um mich ansehen zu können. „Aber ich häng einfach zu sehr hinterher."

Seine Worte bohrten sich schmerzhaft in mein Herz und ich bekam sofort ein unangenehmes Engegefühl im Brustbereich. Es machte mir einfach zu deutlich, was er alles verpasst hatte. Auch hatte ich nie darauf geachtet. Andere Dinge waren eben wichtiger. Für manche Dinge brauchte man natürlich auch etwas Begabung, aber Fußballspielen lernte man nicht in einer Nacht. „Du kannst dafür aber andere Sachen gut, Cosmo."

„Ja, stehlen, lügen und Sex haben. Das meiste hab ich von dir und stell dir vor, jetzt bringt mir das leider nichts mehr."

Da hatte er recht. Durch meinen Fehler waren wir in eine andere Welt katapultiert wurden. Eine, auf die wir nicht angepasst waren und nicht jeder hatte dafür Verständnis. „Du musst anpassungsfähig sein."

„Was meinst du denn, was ich die ganze Zeit versuche?"

Ich seufzte. „Gib dir selber Zeit, Cosmo." Humorlos lachte ich auf. „Du schlägst dich immerhin schon mal besser als ich."

„Ey, das war ein Foul!", rief jemand von weiter weg und unterbrach somit Cosmo, der gerade antworten wollte. Sofort wanderte mein zum provisorischen Feld. Keno stand Manuel gegenüber und entlastete sein linkes Bein, während er ihn wütend ansah.

„Laber doch nicht. Nicht meine Schuld, wenn du nicht laufen gelernt hast", wetterte Manuel zurück.

Keno knirschte mit den Zähnen und murmelte wieder etwas in seiner Muttersprache. Manuel schien das alles egal und als sich der Braunhaarige abwandte, sah ich ihn böse grinsen. Was ein Arsch. Selten schaffte es jemand so viele Minuspunkte bei mir zu sammeln in so einer kurzen Zeit.

Das Spiel ging zwar weiter, aber Keno hatte die Hoffnung auf einen großen Moment aufgeben. Er hatte offenbar Schmerzen und ihm fehlte die Motivation. Bei mir hingegen wuchs die Neugier. Ich wollte unbedingt wissen, warum die beiden sich nicht leiden konnten. Als sein Team dann auch noch verlor kam er zu uns, machte Max los und ließ sich auf den Stuhl neben mich fallen.

„Was eine Scheiße", fluchte er. Cosmo nickte bestätigend und nahm sich etwas von dem Saft auf dem Tisch. „Dieser Typ kann einfach nicht fair spielen, was hat er bitte davon?!", sprach Keno aufgebracht weiter.

Ich zuckte mit den Schultern. „Vielleicht sollte ich mal mit ihm reden", schlug ich vor.

Augenblicklich spuckte Cosmo die gelbe Flüssigkeit wieder aus. „Bist du bescheuert?!", hustete er.

„Wieso nicht?"

Mein Bruder sah mich entgeistert an. „Wer weiß wo das endet!"

„Er wird ihn schon nicht im Wald verscharren", lachte Keno. Cosmo blieb still. Ich hingegen zog die Mundwinkel schief hoch. Der hatte ja keine Ahnung. Aber ich wollte dieses Leben weitestgehend hinter mir lassen und garantiert hier keinen töten oder verletzen.

„Dann halt nicht", grummelte ich. „Warum hasst ihr euch eigentlich so sehr?"

Keno stöhnte genervt auf und fuhr sich durch seine verschwitzten Haare. „Lange Geschichte, aber die Kurzfassung ist: Manuels Eltern sind reich, reicher als der Durchschnitt. Nur weil sein Vater im Ausland als Tour Guide arbeitet und das reibt er mir ständig unter die Nase."

„Aber das kann doch nicht der Grund sein, weswegen ihr euch jedes Mal an die Kehle springt", argumentierte Cosmo.

„Doch", widersprach Keno. „Er hat angefangen auf meiner Mutter herumzuhacken, weil wir ärmer sind und sie nicht mehr arbeitet. Irgendwie hat sich das dann hochgeschaukelt und auch beim Arbeiten auf den Höfen geraten wir aneinander."

„Und in der Gemeinde", fügte ich hinzu.

Keno nickte. „Genau. Es kommt halt nicht jeder mit jedem klar."

Da konnte ich ihm nur zustimmen. Dennoch steckte meiner Meinung nach mehr dahinter. Arroganz und Überheblichkeit konnten nicht der einzige Grund sein. Und von seinem Vater hatte Keno bisher auch kein Wort erzählt.

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