Tag 4

Mitten in der Nacht, An die Sterne

Ich glaube an fernes Leben irgendwo in den unendlichen Weiten des Universums. Vielleicht gibt es dort irgendwo Wesen, die so sind wir wir; so denken wie wir. Wer weiß das schon. Vielleicht beobachten sie uns sogar und verzweifeln an unserer Dummheit, mit der wir uns gegenseitig umbringen und unsere Leben zerstören. Es könnte sogar sein, dass sie auf dem Weg hierher sind, um uns zu zeigen, wie kindisch wir uns aufführen. Sollte dem so sein, dann hoffe ich, dass sie die Erde noch rechtzeitig erreichen werden, um sie nicht schon in Schutt und Asche liegen zu sehen. Nicht noch mehr, als sie ohnehin schon ist. Es ist schrecklich traurig, die Welt um einen herum zusehen und zu wissen, wie schön sie einmal war und wie schnell die Menschen sie in ihrem Zorn und in ihrem Stur vernichtet haben. Wie lange brauchte es, um die Erde so zu formen, wie sie heute ist?Mehrere Milliarden Jahre. Und wie viele Jahre hat es gebraucht, um sie fast vollständig zu zerstören? Nicht einmal zwanzig. Wenn man es jetzt so betrachtet, dann ist die Menschheit mit Sicherheit dem Untergang geweiht, denn wie soll schon etwas wieder aufgebaut werden,für das die Natur so viel Zeit benötigt hat? Es ist ein Ding der Unmöglichkeit und es ist nicht vorstellbar. Ich glaube nicht daran.Allerdings glaube ich an die Möglichkeit, dass der Tod nicht das endgültige Ende auf der Reise eines jeden Menschen ist, aber ich zweifle an der Unendlichkeit. Irgendwann muss alles einmal aufhören,egal wie groß es ist. Manchmal kann es so lange andauern, dass sich niemand mehr an den Anfang zu erinnern vermag und nirgendwo ein Wort darüber geschrieben steht, wann dieser gewesen sein mag, aber es wird dennoch zu Ende gehen. Nichts ist unendlich. Keine Qual und kein Leid, aber auch kein Glück und auch kein Leben. Vielleicht werden wir alle Millionen von Malen wiedergeboren, aber es wird ein Ende geben. Ich frage mich täglich, wie viel ich bis dahin erlebt haben werde und was mir in meinen möglichen vorherigen Leben bereits widerfahren ist, von dem ich nichts weiß, weil ich mich nicht mehr daran erinnern kann. Es wäre interessant zu erfahren, in welchen Rollen man schon einmal gesteckt hat oder ob man sein Leben, so wie es jetzt ist, einfach nur zig Male durchleben muss, als Strafe für etwas, das man getan hat. Ich bin nicht gläubig. Schon vor dem Krieg habe ich aufgehört an Gott zu glauben, aber es scheint mir nicht ausgeschlossen, dass es durchaus jemanden gibt, vor den wir nach dem Tod treten müssen und der dann das Urteil verhängt. Wiederholen oder nicht. Vielleicht richten die Sterne über uns. Sie sind für mich schon immer etwas ganz besonderes gewesen. So weit von uns entfernt, irgendwo in einer fremden Galaxie, leuchten sie auf uns herab und wenn ihr Licht uns hier erreicht, dann sie selbst schon längst erloschen. Trotzdem waren sie für mich auch immer ein Zeichen Stärke, Macht und ganz besonders Vergänglichkeit. Auch Sterne sind vergänglich. So eisige, kalte Lichter und doch so atemberaubend schön. In ihnen funkeln so viele Geheimnisse. Sie haben so vieles gesehen und sie wissen alles, was wir nicht wissen können. Und doch, sind sie einsam. Andere Sterne sind so weit von ihnen entfernt, dass sie ihnen niemals begegnen. Ihr ganzes Leben lang schweben sie nur im Raum, umgeben von Dunkelheit. Manchmal denke ich, dass sie weinen. Sie flimmern und flackern an manchen Tagen anders als an anderen. Dann trauern sie. Um sich selbst, um die Menschen oder um irgendetwas, das ich mir nicht einmal in meinen Träumen ausmalen könnte. Es gibt keinen wirklichen Moment in ihrem Dasein, in dem sie glücklich sein können. Ob ihre Tränen wohl eines Tages auf die Erde auftreffen werden? Vielleicht sind sie wie ein Regen aus Licht oder aus Feuer. Tödlich für alle, die für ihr Leid verantwortlich sind. Für ihren Kummer über die vielen Toten.Die Menschen. Tränen aus Licht. Wunderschön traurig. Wie schön es wäre, das Licht einfach in den Händen auffangen zu können und einfach nur hineinzusehen. Welche Geschichten könnte es wohl erzählen? Vielleicht ist es ja wie Wasser, das die Handflächen wärmt anstatt kühlt und sich langsam an die Haut schmiegt. Tropfen für Tropfen rinnt es aus den Händen und befreit sich aus der Gefangenschaft. Ein winziger Wasserfall aus goldenem Licht fließt durch die einzelnen Finger; schmiegt sich an sie und verlässt sie mit einer letzten Berührung. Erst, wenn alles verschwunden ist,merkt man, wie leer man selbst tatsächlich ist. Menschen können nichts weiter tun, als zuzusehen und zu töten. Sie haben nicht die Macht etwas anderes zu sein oder etwas an dem zu ändern, was ihre Nachkommen später einmal sein werden. Das einzige, was sie machen können, ist dafür zu sorgen, dass es keine Erben der Welt mehr geben wird. Wer stirbt, hat keine Kinder und ohne Kinder wird die Menschheit früher oder später zu Grunde gehen, ob durch Waffengewalt oder nur durch deren Folgen. Wie viele könnten das begreifen, wenn sie das Licht nur berühren könnten? Alle? Genug?Niemand? Ich weiß es nicht, aber ich möchte gern ein einziges Mal diesen schimmernden Fluss in Händen haben. Wenn auch nur in meinen kurzen Träumen. In den glänzenden Wellen, die auf meiner Haut einen fantastischen Tanz vollführen, kann ich alle sehen, die mir wichtig sind; die mir etwas bedeuten. Lijah, Lui, Hannah. Sogar meine Eltern kann ich sehen. Sie lachen mich an und winken. Ich kann ihr Lachen von weitem erkennen. Beide haben sie kleine Fältchen um den Mund.Ihre Augen strahlen vor Freude und Kraft. Wenn ich all das einfach nur sehen kann, dann möchte ich lieber ein einsamer verlassener Stern sein, als ein Mensch, umgeben von den falschen Leuten; den bösen Menschen. Ich strahle lieber weit entfernt von allem, in einer eisigen ewigen Nacht, als mit anzusehen, wie jeder den anderen vernichtet, denn Sterne sind frei. Gekettet an eine Position im Himmel, aber dennoch frei. Sie müssen nicht entscheiden. Einfach nur zusehen. Stumme Beobachter in der Nacht und unsichtbar am Tag.

Hope


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