23. Mai 3091

6.38 Uhr  An das Schicksal,

Vor etwa einem Monat habe ich Gott als herzloses Wesen bezeichnen, aber jetzt muss ich eine weitaus schlimmere Bezeichnung finden. Ich verstehe nicht, wie man so grausam sein kann. Seit heute morgen weine ich. Meine Augen brennen und ich habe schreckliche Kopfschmerzen. Die letzten Tage habe ich mich so schrecklich gefühlt. Kein einzigen Bissen Brot habe ich hinunterschlucken können. Lijah sah so verzweifelt aus. Eine Krankheit wäre das Schlimmste, was jetzt passieren kann. Dachte ich jedenfalls. Jetzt weiß ich, warum ich mich fast stündlich übergeben habe. Es ist schlimmer. Ich bin schwanger. In mir wächst ein Kind. Es geht mir zwar besser, aber ich weiß nicht, wie ich jetzt weitermachen soll. Das hätte niemals passieren dürfen. Dieses Kind wird kein Leben haben. Es wird ihm schlecht gehen. Das will ich nicht. Ich kann das keinem Baby antun. Diese Stadt ist nicht für Familien bestimmt. Warum? Warum nur? Ich wollte Kinder haben, ja, aber doch nicht jetzt. Nicht hier. Ich zittere am ganzen Körper. Wie soll ich dieses kleine Wesen in meinem Bauch, denn überhaupt versorgen? Ich habe selbst kaum genug zu essen, ich werde nicht stillen können. Es wird in meinen Armen sterben. Das kann ich nicht. Es ist so schrecklich. Selbst, wenn ich es irgendwie schaffen sollte, wird es ihm schlecht gehen. Ich werde es niemals lachen hören. Keine strahlenden Kinderaugen. Vor mir sehe ich Lijahs Gesicht. Er wird mich hassen. Wir hätten vorsichtiger sein sollen. Ich hätte aufpassen sollen. Vielleicht kann er mir helfen es loszuwerden. Aber das will ich hat nicht. Ich weiß, dass ich gesagt hatte, dass ich es nicht haben wollte, aber jetzt will ich auch nicht, dass es stirbt. Da ist Leben in meinem Bauch. Für das Kind wäre es aber das Beste. Es würde sich nur quälen. Aber ich kann nicht unschuldiges Leben auslöschen, schon gar nicht, wenn es mein Kind ist. Mein Kind. Diese Worte sind so unwirklich und dennoch irgendwie schön. Sie sind schrecklich und machen mir Angst, aber sie sind auch so wundervoll. Ein kleiner Funke Hoffnung in der trüben Stimmung. Ich sollte aufhören zu weinen. Irgendwann werde ich es auch Lijah sagen müssen. Schließlich wird er Vater, aber noch kann ich es nicht. Lui kann ich es auch nicht verraten. Sie wird mich genauso hassen, wie Lijah, weil ich nicht vorsichtig war. Es ist mein kleines Geheimnis. Trotzdem will ich beide nicht verlieren. In dem letzten Monat sind sie für mich unverzichtbar geworden. Mir bleibt nichts anderes übrig, als zu hoffen, dass sie es irgendwann akzeptieren und nicht versuchen werden es zu töten. Dann müsste ich sie verlassen und ich weiß, ich würde es auch tun. Ich verstehe jetzt, warum Mütter nicht an sich denken, wenn es darum geht, etwas Gutes für ihre Kinder zu tun. Es wäre falsch, für sich etwas zu verbessern ohne an die Kleinen gedacht zu haben.
Trotzdem ist das Schicksal nicht mein Freund. Der Moment ist so ungünstig, wie es noch nie ein Moment war. In neun Monaten ist es noch immer kalt. Der Sommer ist vorbei und es wird noch härter werden, etwas essbares aufzutreiben. Trotzdem hoffe ich, dass alles irgendwie gut wird. Wie weiß ich nicht. Ich glaube einfach ganz fest daran.

Hope

Hey,
Das dritte Kapitel nun schon. Irgendetwas sagt mir, dass zu spüren ist, dass es hier regnet.
Miracleworld

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