20. April 3091
18.45 Uhr An wen auch immer,
Seit unserer Flucht vor drei Tagen sind Lijah, Lui und ich zusammen unterwegs. Wir haben uns entschlossen, dass es für alle das Beste ist, wenn keiner mehr alleine durch die Gassen wandert. Ich habe keine Ahnung, was besser ist, aber ich denke, es ist keine schlechte Idee zusammen zu bleiben. Nach dieser kurzen Zeit kann man denke ich sogar behaupten, dass Lui und ich gute Freundinnen geworden sind. Vielleicht liegt das auch einfach nur an den Umständen, aber sicher bin ich mir nicht. Dank Lijah habe ich jetzt Krücken. Sie sind aus Holz und ungleichmäßig hoch, aber sie helfen mir trotzdem. Es ist etwas zum Abstützen und das reicht mir schon aus. Lui macht sich Sorgen um mich. Sie sagt, dass mein Bein schon längst hätte verheilt sein müssen, aber das ist es nicht. Die Wunde eitert noch immer und die Schmerzen sind mittlerweile Alltag geworden. Auch tägliche Verbandswechsel machen es nicht besser und ich frage mich, für wie viele Tage die restlichen Binden noch halten werden, die Luisa in dem kleinen Köfferchen bei sich trägt. Ich will ihr sagen, dass sie sie besser aufheben soll für Notfälle, aber sie winkt jedes Mal ab und erwidert nur, dass das hier doch ein Notfall ist. Wenn sie das so sagt, macht mir das Angst. Wird mein Bein nie wieder verheilen? Werde ich nie wieder richtig laufen können? Das wäre ein Albtraum. Lijah behauptet, das wäre dann mein Markenzeichen, aber ich möchte gar keins. Jedenfalls nicht so eins. Ich hoffe einfach, dass es nicht so kommt. Lieber trage ich ein Leben lang eine Narbe mit mir herum, als dass ich niemals richtig rennen, ja nicht einmal gehen kann. Es lässt sich eigentlich nicht in Worte fassen, wie verheerend das wäre. Vermutlich denken sich andere: was hat sie nur? Besser nicht gehen können, als nicht sehen. Aber das stimmt nicht. Wenn ich nicht sehen könnte, kann ich trotzdem davonlaufen. Ich kenne diese Stadt und würde sogar blind meinen Weg finden, aber wenn ich nicht rennen kann, dann kann ich nicht fliehen und das bedeutet schneller den Tod, als man vielleicht glaubt. Ich kannte einen Jungen. Er war gerade zehn geworden und kletterte voller Freude and den Gassenwänden empor. Seine blonde Haare waren lang genug, um ihm ins Gesicht zu wehen. Wenn man in seine strahlenden grünen Augen gesehen hat, mochte man sich nicht vorstellen, dass er abstürzen könnte, doch genau das ist passiert. Er hat sich das Bein gebrochen. Schlimm. Die Mutter schrie so entsetzlich, dass einem das Blut in den Adern gefrieren konnte. Später stellte sich heraus, dass der Knochen regelrecht zersplittert gewesen war und man sein Bein knapp über dem Knie amputieren musste. Von da an hatte jeder, der den Jungen jetzt sah und diese gebrochene Lebensfreude erblickte, Tränen in den Augen. Doch es sollte noch schlimmer kommen. Eines morgens kam der Kleine nicht mehr von einem Zug zurück. Er sollte zum Markt und etwas Essen kaufen mit dem Geld, das er sich erbettelt hatte. Irgendwann machte seine Mutter sich Sorgen und begann verzweifelt nach ihm zu suchen. Niemand hat ihn jemals wieder gesehen. Vielleicht lebt er noch und muss jetzt in einem reichen Haushalt als Bediensteter sein Brot verdienen oder er ist im Soldatenstand. Allerdings ist es wahrscheinlicher, dass ihn jemand für das bisschen Geld oder Essen getötet hat. Nie wieder werde ich seine glänzenden Augen vergessen. Manchmal sehe ich ihn in meinen Träumen. Deshalb habe ich Angst. Man ist wehrlos, wenn man nicht laufen kann und ich hasse es, nicht entscheiden zu können, was mit mir und meinem Leben passiert. Menschen haben ein Recht auf Leben und ein Recht auf Entscheidungen. Ohne ist man nicht lebendig. Man fühlt sich, wie eine Maschine, die nur tun kann, was man ihr befiehlt.
Hope
Hey Leute,
Da bin ich wieder. Leider hat es mal wieder etwas länger gedauert. Momentan habe ich Ferien und ich bin die ersten drei Wochen mit meinen Eltern campen, weshalb nur bei schlechtem Wetter Zeit zum Schreiben ist (so wie heute). Ich hoffe euch gefällt das neue Kapitel.
Miracleworld
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