17. Februar 3087

Der Krieg ist vorbei. Mit ihm ist alles gegangen, was vorher war. Straßen sind zerstört, Menschen sind tot und die Technik habe ich abgeschafft, damit ein solcher Krieg nie wieder ausbricht. Es ist ein Wunder, dass es überhaupt noch Leben auf diesem Planeten gibt. Kalina besteht nur noch aus einer einzigen Stadt und alles andere ist trocken und unbewohnbar und dabei geht es und noch gut. Andere Länder sind vollkommen ausgelöscht. Wir haben den Krieg gewonnen, aber mehr auch nicht. Nichts hat es gebracht. Ich dachte, wir könnten einfach über unseren Gegner herfallen und ihn schnell vernichten, aber ich habe ihn deutlich unterschätzt. Immer mehr Länder haben sich eingemischt, bis ganz Andolia sich gegenseitig bekriegt hat. Alle Waffen, die man hatte, wurden aufeinander losgelassen und was jetzt noch von der Erde übrig geblieben ist, ist entweder radioaktiv verseucht oder von Menschen besiedelt, die an schrecklichen, tödlichen Krankheiten leiden. Seuchen, die sie zu Monstern mutieren lassen, die alles töten und fressen wollen, was sich bewegt. Ich dachte, der Krieg könnte den Menschen in Kalina helfen. Mehr Essen wollte ich ihnen geben, aber jetzt hat nicht einmal ein Drittel der Bevölkerung die Kämpfe überlebt. Nichts ist mehr übrig. Den Krieg hätte es niemals geben dürfen. Ich verstehe erst jetzt, warum man ihn nicht wollte. Tatsächlich habe ich mir eingebildet, dass ich die Welt verstehen würde, dass ich wissen würde, wie jeder denkt. Jetzt verstehe ich es, denn jetzt ist niemand mehr da, den es zu verstehen gilt. Das einzige noch funktionieren Königreich ist Kalina und funktionierend ist auch nur ein relativer Begriff. Rose erinnert mich daran, wie es mal war und wie ich wollte, dass es so wieder wird. Mauritius erinnert mich an das, was im Moment passiert, an das, was Realität ist. Manipulation, Verrat und Profitgier.
Vor mir steht ein Auto. Es ist aus Holz und ich weiß bis heute noch, wie viel es mich gekostet hat, aber es war jeden Cent wert. Wie viele Dinge in meiner Vergangenheit würde ich gerne rückgängig machen, aber niemals hätte ich dieses Spielzeug im Laden gelassen. Mein Bruder wollte es haben und ich habe es ihm gekauft. Das war das erste und einzige Mal, dass ich mit dem Kauf von Weihnachtsgeschenken schon im Sommer begonnen habe. Ich bin niemals wieder dazu gekommen, es ihm zu schenken. Vorher ist er gestorben. Jetzt muss ich immer an ihn denken, wenn ich dieses Auto ansehe. Niemals will ich ihn vergessen. Deshalb würde ich es immer wieder kaufen. Wie gerne hätte ich das Lächeln gesehen, wenn ich ihm sein Geschenk überreicht hätte. Selten hat er gelächelt, aber ich bin mir hundertprozentig sicher, dass er sich gefreut hätte. Seine kleine Nase hat er an der Scheibe platt gedrückt, weil er jede Feinheit des Fahrzeuges studieren wollte. Es lässt sich nicht beschreiben, wie sehr ich mich gefreut hatte, als ich in diesen Laden gehen und dieses Auto kaufen konnte. Den ganzen Tag habe ich gestrahlt. Jetzt hilft es mir, mich an die Zeit zu erinnern, in der alles in meinem Leben noch schön war. Vielleicht wäre ich Arzt geworden oder Mechaniker. Jetzt bin ich König. Die Menschen, die ich beschützen soll, hassen mich und planen die nächsten Aufstände, ich leide unter Anfällen, nach denen ich mich nicht mehr an das erinnern kann, was ich gemacht habe und die einzige Person, die mich wirklich mag, ist blind und noch ein Kind. Nicht, dass ich sie nicht lieben würde.. Sie ist wie eine Tochter für mich, auch wenn sie eher eine Schwester hätte sein können. Sie ist nur fünf Jahre jünger und doch liegen zwischen uns Welten. Vielleicht sind es die Dinge, die ich gesehen und erlebt habe, die uns unterscheiden, als wäre ich mindestens dreißig Jahre älter. Egal was es ist, als ich sie das erste Mal gesehen habe, wusste ich, dass ich sie nicht in diesem Waisenhaus lassen kann. Später habe ich daran gedacht, was meine Entscheidung für dieses Kind bedeuten würde, aber da hatte ich sie bereits adoptiert. Sie hat sich sowieso besser an alles gewöhnt, als ich und sollte ich aus welchen Gründen auch immer sterben, dann mache ich mir keine Sorgen um ihre Existenz. Rechtlich wäre sie die Thronfolgerin, aber man würde es ihr natürlich schwer machen. Trotzdem bezweifle ich nicht, dass sie sich durchsetzt. Sie ist viel schlauer, als ihr gut tut. Allerdings würde ich ihr auch durchaus zutrauen, dass sie jemanden im Schlaf erdrosselt, wenn sie sich sicher ist, dass es ihr oder irgendwem etwas bringt und es unausweichlich ist. Auch sie würde ich immer wieder aufnehmen.
Den Krieg würde ich nicht noch einmal beginnen, meinen Vater würde ich nicht noch einmal umbringen. Ich bereue nicht, ihn getötet zu haben, aber eine Verhaftung und die Strafe für häusliche Gewalt wären besser gewesen. Ich würde jederzeit wieder für den alten König arbeiten, aber Mauritius würde ich zu der erstbesten Gelegenheit umbringen. Ihn die Treppe hinunterstoßen oder ähnliches. Wie viel hätte ich mir erspart, aber jetzt ist es zu spät. Wenn ich ihn jetzt umbringe, dann bin ich in den Augen der Menschen nur noch grausamer. Sie glauben es so oder so schon. Der 31. März ist der schlimmste Tag im Jahr. Als Figur werde ich gezwungen zu kommen und ich soll so tun, als würde ich entscheiden, wer stirbt und wer nicht. Die Menschen sehen mich und denken genauso, wie sie denken sollen. Sie haben keine Ahnung, wie die Regierung wirklich funktioniert und man kann es ihnen auch nicht verübeln, denn woher sollen sie es wissen? In jeder Schule bekommt man gelernt, wie Monarchien funktionieren und da entscheidet nur einer. Das sagt jedes Geschichtsbuch. Nur die Realität funktioniert so nicht. Nicht meine. Vielleicht war es so, aber hier nicht. Hier kontrolliert mein Schreiber. Er zieht aus dem Hintergrund die Fäden und niemand beschuldigt ihn, denn niemand sieht ihn als etwas anderes als meine Marionette, die ausführt, was ich sage. Niemand bemerkt die verdrehten Rollen. Niemand außer Mauritius, Rose und mir. Ich bin mir sicher,  dass Rose wüsste, wie sie herauskommt aus dieser Situation., aber ich weiß es nicht und ich will sie nicht belasten. Sie muss nicht noch weiter in mein zerstörtes Leben hereingezogen werden, als sie muss. Ein Vater, so jung ich auch bin, sollte stark sein und nicht Hilfe von seiner Tochter annehmen müssen. Wenn ich Schwäche zeige, dann macht sie sich unnötig Sorgen.
Ein neues Leben und es wäre besser. Fehler mache ich nicht zweimal. Ich würde wieder welche machen, aber nicht die gleichen. Mir bleibt eine Traumwelt. Das, was ich jetzt lebe, lässt sich nicht mehr reparieren. Meine Anfälle sind nicht therapierbar und niemand würde mich wieder als einen normalen Menschen akzeptieren. Alle kennen mich so, wie Mauritius will, dass sie mich kennen. In meiner Traumwelt ist alles perfekt. Rose ist an meiner Seite. Ich habe vielleicht eine Frau und noch ein Kind. Nicht alle Menschen hassen mich und ich lebe ein normales Leben. Ich hoffe, dass mein Bruder sein Leben besser gelebt hätte als ich. Wenn ich gefallen wäre und nicht er. Wie hätte er gelebt?

Krestor

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