Kapitel 7

Ich wurde durch ein lautes Knallen aus dem Schlaf gerissen. Ich schreckte sofort auf, atmete schnell und hastig. Anschließend schaute ich mich im Zelt um und mir lief ein Schauer über den Rücken, als ich sah, dass einer meiner Freunde fehlte.
Mein anderer Freund schlief noch, er schien das laute Geräusch gar nicht mitbekommen zu haben. Ich weckte ihn, in dem ich ihm mehrfach schnell ins Gesicht klatschte. „Ey, was soll den das, hast du sie nicht mehr alle?“, erwiederte er. „Halt die Klappe und schau mal nach rechts du Vollidiot! Er ist weg!“. Mein Freund drehte sich zu dem leeren Schlafsack, der unserem Partner gehörte, und ihm fiel die Kinnlade runter.
Das Einzige, was er von sich gab, war nur Gestotter und Gebrabbel. „V...V...Vielleicht ist er ja nur mal aufs stille Örtchen oder so...“
„Na und? Selbst wenn, wir müssen ihn suchen. Es ist zu gefährlich hier allein zu sein.“
Ich zog ihn hoch, wir nahmen unsere Sachen und stürmten aus dem Zelt. Wir rannten, schauten uns um, es war weit und breit niemand. Ich sprintete auf den Eingang zu und rammte mit voller Kraft gegen die große Tür, doch sie rührte sich nicht. Ich versuchte es immer wieder und wieder, aber anscheinend war die Tür abgeschlossen. Ich hatte vor zu brüllen, jedoch wurde mir bewusst, dass es nicht gut wäre, noch mehr Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen.
„Hey, komm mal her. Das musst du dir ansehen.“, rief mein Freund in einem leisen Ton. Ich ging zu ihm und er zeigte in Richtung eines Dornenbusches. „Sieh doch, da führt ein schmaler Weg durch und es sieht aus, als wäre da jemand lang gegangen.“
Ich ging vor, ich war wütend und entschlossen zugleich. Ich bemerkte auf dem Weg durch das Gestrüpp gar nicht die Dornen, die sich wie Klingen in meine Haut und Klamotten ritzten. Am Ende des Weges lag der Hinterhof des Grundstückes. Es war ein beunruhigender und zugleich deprimierender Anblick. Auf dem Hof standen mehrere rostige und eingestürzte Klettergerüste, sowie Rutschen, ein Sandkasten und zwei große Schaukeln, die sich langsam mit dem Wind bewegten.
Und da war er wieder, der Fuchs, dem ich vor einer Weile schon begegnet bin. Diesmal fraß er etwas, aber es war nicht zu erkennen was. Er spitzte die Ohren und schaute zu uns auf. Seine ganze Schnauze war mit Blut übersät von seinem Festmahl. Er knurrte wieder, doch diesmal nicht wegen uns. Er knurrte in Richtung des Hauses und rannte kurz daraufhin wieder in die Böschung.
Wir drehten uns um und sahen das Schimmern von Kerzenlicht aus einer kleinen Nische an der Unterseite des Hauses.
Gemeinsam gingen wir weiter am Rand des Hauses entlang. Wir kamen an einer ebenfalls verschlossenen Hintertür vorbei, aber als wir um die Ecke des Gebäudes guckten, sahen wir eine Bodenluke an der Wand, daneben eine Mauer, die Vor- und Hinterhof trennte. Es war der Eingang in den Keller. Ich hob die eine Hälfte der Doppeltür an und mein Kumpel die andere. Darunter lag eine Treppe aus Stein, welche ins Dunkle führte. Ich ging natürlich wieder vor, diesmal jedoch langsam und vorsichtig, denn die Stufen waren feucht, glitschig und mit Moos bewachsen. Bei den letzten drei Stufen merkte ich, dass der Keller geflutet war, denn ich stand bis zu den Knien in Wasser und es roch nach Schimmel. Bei dem Brand damals ist wahrscheinlich eine Leitung gebrochen oder zumindest beschädigt worden. Das Wasser war trüb, man hat nicht mal eine Spiegelung gesehen. Wir gingen vorsichtig durch den Vorraum des Kellers, da wir nicht sehen konnten, worauf oder gegen was wir laufen könnten.
Beim Durchleuchten des Raumes viel mir einer kleine Holztür zu meiner Linken auf. Ich ging darauf zu und öffnete sie langsam. Durch das Wasser fiel es schwer, aber nicht unmöglich. Wir leuchteten anschließend den Raum aus, es war ein Vorratsraum voller Konserven. Wir entschlossen uns ein paar einzupacken, da wir ja kaum noch Essen hatten und die Nahrung in solchen Dosen ewig hält. Wir schlichen weiter durch den Keller. Plötzlich stolperte mein Freund über etwas, konnte sich jedoch noch halten. Er griff daraufhin in die grün-bräunliche Suppe, die unsere Beine umschloss. Als er seine Hand wieder erhoben hatte, bekamen wir Gänsehaut, es war nämlich ein langer und leicht vermoderter Oberarmknochen. Er warf ihn weg und guckte mir panisch in die Augen. Auf einmal hörten wir von der anderen Seite des Meter langen Ganges Gerede. Wir vergaßen den Knochen und bewegten uns auf das Geräusch zu, jedoch verstummte es schnell wieder. Nach ein paar Metern folgte eine Erhöhung, sodass wir nicht mehr in Wasser standen. Anschließend bemerkten wir die große stählernde Schiebetür, die uns den Weg versperrte, und auf der linken Seite war eine Holztreppe, die nach oben, zurück in das Haus, führte. Wir blickten nur kurz die Treppe hoch, merkten aber dabei, dass die Tür am Ende der Stufen geöffnet war. Wir schauten zurück zu der Stahltür. Hinter ihr müsste die Quelle des Geräusches und des vorhin erwähnten Kerzenleuchtens sein. Wir lauschten eine Weile und hörten gedämpfte Laute aus dem Raum dahinter. Und mit einmal eine tiefe brummende Männerstimme, die ein paar einzelne, unverständliche Worte rief und danach immer wieder summte. Es war die gleiche Melodie, die auch die Frau von sich gab.
Als das Summen langsam immer mehr verstummte, hörten wir, wie sich in dem Raum eine Tür schloss. Nach ein paar Augenblicken zogen wir an der Tür, doch sie war fest verriegelt. An der Tür war ein Schloss, jedoch keines, was man mit einem Dietrich öffnen konnte, also brauchten wir den Schlüssel. Das Wesen, dem die Stimme gehörte, musste einen bei sich haben und es war ausgeschlossen, dass wir versuchten, ihm diesen zu entwenden. Aber normalerweise müsste ein Generalschlüssel auch Zugang haben. Wir überlegten kurz, schauten uns danach an und flüsterten beide „Im Büro.“ Wir liefen die Treppe hoch und standen in einem Gang im Erdgeschoss des Waisenhauses. Dort angekommen merkten wir, das wir eine sehr wichtige Frage komplett vergessen haben:
Wo war unser Freund?
Die Lösung auf diese Frage musste in Verbindung mit dem verschlossenen Raum stehen, denn der Keller war der einzige offene Eingang in das Haus. Wir schauten uns in die Augen, nickten und durchkämmten das Gebäude nach dem Büro.

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