Kapitel 4

Wir waren alle wach und bereiteten unser Frühstück zu. Wir brieten lediglich die Fleischreste von gestern ab, welche wir glücklicherweise in einer Kühlbox gelagert hatten, und tranken Bier. Wir aßen still unsere Mahlzeit. Hin und wieder wechselten wir einige Blicke. Niemand wollte so recht über das reden, was wir gestern erlebt hatten, beziehungsweise glaubten erlebt zu haben. Ich war der Erste der die Stille durchbrach. "Wir müssen da nochmal rein", sagte ich entschlossen.

Ausgerechnet ich.

Die Person die gestern am längsten gezögert hatte. Die anderen beiden sahen mich nur unsicher an, doch ich überlegte nicht weiter. Ich schlang die letzten Reste meines Frühstücks herunter und begann damit, den Inhalt einer meiner Taschen vor mich zu entleeren. Schnell hatte ich alles Nützliche zusammen gesammelt und ordnete es in die zahlreichen Fächer der grün-braunen Tasche. Der Stoff war an manchen Stellen bereits ausgeblichen und hatte einige Löcher, durch die ein paar wenige Böller sichtbar waren. Zuletzt rollte ich ein langes Seil zusammen und stopfte dies gemeinsam mit einer Taschenlampe in das letzte leere Außenfach. Mit einer geübten Bewegung schwang ich mir den Rucksack auf den Rücken und sah meine Freunde erwartungsvoll an. Sie hörten für einen Moment auf zu essen, sahen mich an, dann sich gegenseitig und setzten ihr Frühstück fort. "Jetzt kommt schon. Wollt ihr nicht auch wissen, was da gestern vor sich ging? Wir sind hier her gekommen, um herauszufinden, was es mit dem Waisenhaus und der Legende darüber auf sich hat, und jetzt wollt ihr mir erzählen, dass ihr nicht rein gehen wollt?", fragte ich sie verständnislos. Ich erntete für meine Rede nur ein Augenrollen und ein genervtes Stöhnen. "Das Summen. Wir haben es alle gehört. All die Dokumente, die trotz des Feuers gänzlich unversehrt geblieben sind. Denkt ihr es ist ein Zufall? Denn dieser Meinung bin ich nicht", fuhr ich fort. Diesmal ließ ich meine Worte jedoch ein ganzes Stück aggressiver klingen. Erneutes Augenrollen. "Na gut. Dann gehe ich alleine. Bleibt ihr ruhig hier. Wo es sicher und langweilig ist. Ich will da jedenfalls nochmal rein, aber ihr könnt gerne hier bleiben, wenn ihr nicht mitkommen wollt", gab ich spottend von mir. Insgeheim hoffte ich, dass dies ihre Meinung ändern würde, da ich niemals den Mut aufbringen könnte, alleine dieses Haus zu betreten. Mein Plan ging auf und auch sie begannen sich auszurüsten.

Da standen wir also alle. Wir hatten uns nebeneinander vor der Tür aufgestellt und starrten auf die Tür des alten Anwesens.
Nach einem Moment des Zögerns trat ich einen Schritt nach vorne. Langsam, Schritt für Schritt, bewegte ich mich auf die schwere Eingangstür zu. Wie bereits zuvor ließ sich diese schwer öffnen und gab letztendlich mit einem Quietschen nach. Entschieden schritt ich über die Türschwelle, drehte mich um und winkte meine Freunde zu mir herüber. Zaghaft setzten auch sie sich in Bewegung. Ich drehte mich also wieder um. Es kam mir zwar merkwürdig vor, dass keine der Unterlagen, die uns gestern heruntergefallen waren, noch auf dem verwitterten Dielenboden lagen, aber ich dachte nicht weiter darüber nach. Meinen Freunden schien es nicht aufgefallen zu sein. Sie griffen nach ihren Taschenlampen und begannen den großen Saal erneut abzuleuchten. Ich erstarrte in der Bewegung und spürte, wie sich jedes Haar meines Körpers aufstellte. Jede Faser meines Körpers war wie elektrisiert. Ich wollte meinen Freunden mitteilen, was ich entdeckt hatte, doch mein Mund war staubtrocken und mein Hals wie zugeschnürt. Ich schluckte schwer und nach wenigen Sekunden, die sich jedoch anfühlten wie eine schiere Unendlichkeit, hatte ich es geschafft die Stummheit zu überwinden. "Schaltet eure Taschenlampen aus!", befahl ich ihnen. "Ähh nein?!", kam aus einer Ecke des Raumes zurück. "Schaltet eure Taschenlampen aus!!", wiederholte ich, gab meinen Worten diesmal jedoch mehr Ausdruck. Aus der selben Ecke kam ein genervtes: " Ok ok" und ich konnte das Augenrollen förmlich hören, doch die Taschenlampen gingen aus. "Jetzt sagt mir was ihr seht", forderte ich angespannt. "Man du wolltest, dass wir die Taschenlampen ausmachen und es ist stockfinster hier drin ohne Licht. Was sollen wir bitte sehen?", kam nun von meiner linken Seite her, aber mit dem gleichen genervten Ton. "Eben. Wir sehen nichts. Es ist früher Morgen und die Sonne hat auf die Hauswand gebrannt. Außerdem hat doch niemand die Tür geschlossen, oder? Weder zu den Fenstern, noch zur Tür scheint Licht in das Haus!"

Stille.

Ich fand als erster meine Worte wieder: "Irgendetwas geht hier vor sich", ich schaltete meine Taschenlampe wieder an, "Und ich werde herausfinden was".

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top