Kapitel 13
Die vielen Lichtquellen wurden zu einer einzigen, die mit der Zeit immer heller wirkte. So hell, dass ich sogar durch meine Augenlider geblendet wurde. Plötzlich wurde das Licht gedimmt und ich hörte Kinderlaute. Als ich meine Augen öffnete, erkannte ich die Sonne am Himmel, die auf meiner Haut brannte. Konfus und hastig schaute ich mich in der Gegend um. Ich war tatsächlich draußen, im Hinterhof des Waisenhaus, aber etwas war anders...ALLES war anders. Das Gebäude sah frisch restauriert aus, der Hof gepflegt mit gemähtem Rasen und alles war so friedlich. Erneut vernahm ich das Gelächter, doch konnte niemanden sehen. Das Einzige, was ich erspähen konnte, waren komische leuchtende Auren, die durch die Gegend flogen und einen Rauchfaden mit sich zogen. Nach wenigen Minuten verwandelten sich diese Wesen zu Kindern. Es waren die einzelnen Waisen. Ich war wieder in der Scheinwelt, in die mich die Maske vor einiger Zeit gebracht hatte. Eine freundliche Stimme rief die Kleinen zum Essen. Sie kam mir bekannt vor und als sie ein zweites Mal erklang, wurde mir klar, dass es Abigail war.
„Na kommt, das Essen ist fertig. Ihr wollt doch nicht, dass Benjamin alles alleine isst.“ Anschließend kicherte sie. Die Kinder stürmten alle gemeinsam zu ihr. Ich blieb einen Moment stehen, bis ich beschloss hinterher zu gehen. Drinnen angekommen schlenderte ich durch die Gänge, bis ich im großen Esszimmer war. Dort saßen sie alle gemeinsam an den Esstischen. Benjamin schlich an den Jungen und Mädchen vorbei und schenkte jedem nach und nach eine Schüssel Suppe ein. Bei den Kleinsten tat er so, als würde er ihnen das Essen klauen. Sie klatschten und lachten als Reaktion darauf.
Ich erwischte mich, wie ich anfing zu lächeln. „Abigail?“ sagte ein kleiner Knabe. Ich kannte diese Stimme, sie gehörte zu der verirrten Seele, die uns die Spieluhr zurückgelassen hatte.
„Ja Alec?“ Alec, so war sein Name. „Hast du Hoppel gesehen? Er will bestimmt auch was Essen und in der Suppe sind doch so schöne Möhrchen, wie er sie am liebsten hat.“, sagte er in einem besorgten Ton. „Ich guck mal, ob ich ihn finde. Iss aber bitte in der Zeit, du kannst ja die Möhren für ihn aussortieren.“ Dabei wuschelte sie ihm durch die Haare und gab ihm anschließend einen Kuss.
Hoppel, der Hase, der in meinem Rucksack lag. Bevor Abigail aufstehen und suchen konnte, ging ich eilig aus dem Raum, griff in meine Tasche, nahm das Plüschtier heraus und legte es auf eine Kommode.
Ich suchte mir ein Versteck, von dem aus ich alles überblicken konnte. Sie kam summend in den Gang und schaute sich um. Und tatsächlich, als sie den Plüschhasen sah, ging sie auf ihn zu und nahm ihn mit. Ich folgte ihr vorsichtig und lauschte wieder dem Gespräch zwischen ihr und Alec.
„Captain Hoppel zu Dienst, um die gemeinen Vitamine auszulöschen“, grummelte sie mit verstellter Stimme. Alec antwortete nur mit einem großen Grinsen und griff nach dem Hasen. Plötzlich huschte etwas zwischen den Beinen der Kinder umher. Als das Etwas auf einen Tisch sprang, konnte ich erkennen, dass es ein kleiner Fuchs war. Es war derselbe, wie ich ihn schon mehrmals gesehen habe. Das konnte nicht sein. Wie konnte der Fuchs der gleiche sein, wenn zwischen jetzt und damals knapp 100 Jahre liegen? Die Kinder riefen laut seinen Namen, bevor sie anfingen ihn zu streicheln. Sie nannten ihn Kami. Er drehte und wendete sich, es schien ihm zu gefallen. Als Benjamin ihn hoch hebte, sah mich der Fuchs konzentriert an, ließ aber von mir ab, als er zu seinem Futternapf gesetzt wurde.
Inzwischen waren die Waisen fertig und entfernten sich nacheinander aus dem Raum. Übrig blieben nur noch Abigail und Benjamin, die sich an einem Tisch gegenüber saßen und nun selbst aus ihren Schüsseln schlürften. Abigails anscheinend typischer Gesichtsausdruck wurde mit einmal bedrückt. Benjamin sah sie besorgt an und legte seine große Hand auf ihr Schulter. „Alles wird gut, er ist bei dir in sicheren Händen.“ Doch bevor sie weiterreden konnten, fing Kami an, sich wie eine Katze an ihr Bein zu schmiegen. Sie schaute ihn an und fing wieder an zu lächeln, während jedoch eine Träne ihre Wange runter kullerte. Plötzlich blickte der Fuchs wieder zu mir und es wirkte so, als könnte er in meine Seele starren. Abigail streichelte ihn, kicherte und sagte: „Da ist doch nichts du kleiner Trottel oder siehst du etwa Gespenster?“
Ich entfernte mich langsam wieder und streifte durch das Gebäude. Dabei gingen mir viele Gedanken durch den Kopf. „Wieso bin ich hier? Wie bin ich hier gelandet? Wie komme ich wieder zurück? Was hat es mit dem Fuchs auf sich?“ waren nur wenige von ihnen. Ich schlenderte weiter und spähte auf die Zahlen der großen Uhr in der Eingangshalle. Es war bereits 19:27 und ich hörte die lauten Schritte von Benjamin. Er lief entspannt durch den Flur zum Hinterhof. Er rief die Kinder, da sie sich bettfertig machen sollten. Währenddessen besuchte Abigail Alec in seinem Zimmer. Ich folgte ihr und blieb im Eingang stehen. Alec saß einsam auf seinem Bett und spielte mit seinem Stofftier. Sie setzte sich neben ihn und fragte ihn mit dem selben besorgten Blick wie am Esstisch, was er denn mache. Er meinte, dass Hoppel lernt, wie man fliegt. Sie lachte, gab ihm einen Kuss auf die Stirn und wieder rollte ihr eine Träne aus dem Auge. Er wischte ihr die Träne weg und meinte, dass er und Hoppel nicht möchten, dass sie weint. Ich war immer noch verwirrt, da ich nicht wusste, was los war...ich wusste nichts von dem was abging. Es wurde später und inzwischen lagen alle Kinder in ihren Betten. Auch die beiden Betreuer machten sich fertig, um schlafen zu gehen. Sie gingen noch einmal durch das große Haus und schalteten dabei alle Lampen und pusteten jede Kerze aus. Es war dunkel und ich stand dort ganz allein auf dem Gang, ohne zu wissen, was ich nun machen sollte. Ich zog meine Taschenlampe aus dem Rucksack und beschloss, die einzelnen Zimmer zu durchsuchen, in der Hoffnung, dass ich irgendwas finde, das mir in der anderen Zeitlinie weiterhelfen könnte.
Plötzlich kam mir ein Gedanke. Als ich mich vor einiger Zeit unter der Treppe vor Benjamin versteckt habe, hat er einen Raum betreten, den ich erst da bemerkt und sofort wieder vergessen hatte. Zum Glück hatte ich den Schlüsselbund dabei und konnte den Raum hoffentlich somit betreten.
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