Kapitel 11

Kurz nachdem wir die Tür hinter uns geschlossen hatten, schoss mir ein Gedanke in den Kopf. Ich habe bei den ganzen Gedanken um die Spieluhr und die Maske Hoppel komplett vergessen. Ich legte meine Hand wieder auf den Knauf der Tür und versuchte sie zu öffnen, aber sie war verschlossen. Ich rüttelte immer heftiger an der Tür, bis mein Freund mir auf die Schulter klopfte und sagte „Du hast doch die Schlüssel“. Er hatte recht. Ich griff in die kleine vordere Tasche meines Rucksacks und holte den Schlüsselbund, den wir zuvor im Büro gefunden hatten, hervor.
Ich probierte nach und nach jeden der vielen Schlüssel, es waren weitaus mehr, als wir bisher an Räumen entdeckt haben. Schließlich passte einer und ich drehte ihn im Schloss. Als ich dann das typische Klacken hörte, öffnete ich die Tür. Als sie offen war, leuchtete mein Freund mit seiner Taschen in den Raum und dort stand er. Er, unser Freund den wir suchten. Er stand mit einem zum Fenster hinaus gerichteten Blick da, komplett regungslos. Wie war er nur in den Raum gekommen? Wir waren doch eben noch selber drin.
Wir fingen an, leise nach ihm zu rufen, doch er reagierte nicht, er stand weiterhin da, wie angewurzelt. Als wir einen Schritt weiter in seine Richtung gingen, hob er seinen Kopf. Anschließend drehte er sich zu uns um und was wir dann sahen, ließ uns das Blut in den Adern gefrieren. Er hatte eine Maske auf, jedoch keine von denen, die in den Kinderbetten lagen, es war seine eigene. Sie saß fest auf seinem Gesicht und spiegelte seine uns bekannten Züge wieder. Er starrte uns an und kippte seinen Kopf nach rechts. Mit einmal fing er an zu reden, jedoch nicht mit seiner Stimme, sondern mit der eines kleinen Mädchens. „Habt keine Angst, sie tun euch nichts“, kam hinter der Maske hervor. Er neigte seinen Kopf nach links und sprach mit einer anderen Stimme. „Sie wollen, dass ihr sicher seid.“ Der Kopf ging wieder nach rechts. „Ja sie beschützen euch, uns alle.“ Wir gingen langsam, Schritt für Schritt, rückwärts durch die Tür und als wir draußen waren, knallte sie wie von Zauberhand zu. Das Knallen hallte durch das gesamte Haus. Nun mussten die Betreuer wissen, dass jemand in ihrem Haus war, das Geräusch war unüberhörbar. Trotz der Dinge, die die Stimmen gesagt hatten, hatte ich keine Lust ihnen in nächster Nähe zu begegnen.
Wir vernahmen ein lautes Rumpeln hinter der Tür, durch die der Mann vor einer Weile gegangen ist. Bevor wir irgendwas mitbekommen konnten, liefen wir zu der Kellertür. Nun da wir die Schlüssel hatten, konnten wir endlich die große Schiebetür dort unten öffnen und nach weiteren Hinweisen suchen. Auf dem Weg musste ich an den Plüschhasen und den Anblick unseres Freundes denken. Wir mussten ihn retten, egal wie, es war unsere Pflicht. An der Tür angekommen, stiegen wir langsam die alten Stufen der Treppe hinab. Und da war sie, die riesige Tür aus Stahl. Wieder suchte ich den passenden Schlüssel für das große Schloss. Als ich den richtigen unter ihnen fand, bemerkte ich, dass der Kopf des Schlüssels die Silhouette eines Fuchses darstellte. Ich untersuchte ihn genaustens, bis mein Freund mir gegen die Schulter boxte. „Wird das heute noch was?“, fragte er in einem gernervten, jedoch auch angsterfüllten Ton. Ich schüttelte meinen Kopf und schloss die Tür auf. Es war ein Kraftakt, die Tür aufzuschieben. Doch als wir es endlich geschafft hatten, offenbarte sich uns der geheimnisvolle Raum. Ich hätte mit einem Raum voller Waffen und Folterinstrumente gerechnet, mit denen unser Freund gequält wurde, aber wahrscheinlich war es nur mein jugendlicher Gedankengang. Aber entgegen meinen Erwartungen war der Raum sehr sparsam eingerichtet. Das Einzige in dem Raum waren ein Sessel, ein kleiner Beistelltisch, auf dem eine Kerze stand, ein einziges Bücherregal, welches vor Inhalt geradezu überquillte und auf dem Boden ein Grammophon mit ein paar alten Platten daneben. Ich überlegte eine Weile, bis mir ein Gedanke in den Kopf kam. Als wir das letzte Mal an dem Raum gelauscht haben, haben wir das Schließen einer weiteren Tür gehört, aber es war keine zu sehen. Wir untersuchten den Raum noch einmal komplett von oben bis unten. In meinem Augenwinkel sah ich eine Türklinke hinter dem großen Regal. Gemeinsam schoben wir es beiseite und tatsächlich, hinter dem Bücherregal war eine Tür, die die selbe Farbe wie die Wand hatte. Anschließend gaben wir uns wegen dem Fund ein High-Five, doch die Freude blieb nur von kurzer Dauer, denn plötzlich bemerkte ich etwas. Die Schiebetür war zu, aber ich hab sie nicht geschlossen. „Ehm...hast du die Tür zu gemacht?“, fragte ich. „Nö, warte, die ist zu?“
Nun blickten wir beide mit einem verwunderten Blick auf sie. Ich entschloss mich hinzugehen und steckte wieder den Schlüssel in das Loch, aber er passte nicht mehr. Vielleicht hatte ich mich nur geirrt und es war ein anderer Schlüssel, aber dort war kein weiterer in Fuchsform. Ich probierte nochmal jeden einzelnen, aber keiner war das richtige Äquivalent zum Schloss. Und im nächsten Moment fing das Grammophon an, ein Lied abzuspielen, es war ein altes Lied, könnte noch von vor 1900 gewesen sein.
„Hör auf mit dem Scheiß!“ rief mein Freund zu mir rüber. „Ich hab das Ding nicht berührt.“ erwiderte ich. Als der Track endete, hörten wir ein vertrautes Summen auf der anderen Seite der Stahltür, es war die Frau. Das Summen wurde zu einem liebevollen, fast schon hypnotisierenden Gesang.
„Lullaby, and goodnight
In the sky stars are bright...“ waren die ersten und einzigen Worte, die ich verstand. Wir waren still, rührten uns nicht. Wir lauschten weiterhin der schönen und in diesem Moment angsteinflößenden Melodie des alten Wiegenliedes, bis es nach kurzer Zeit wieder ausklang. Wir standen noch ein paar Minuten regungslos da, bis wir uns zu der versteckten Tür umdrehten. Ich atmete einmal tief ein und drückte die Klinke runter.

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