Kapitel 12 | Claridge's

|Claridge's|

Ich war unsicher und das hasste ich. Schweigend half Harry mir beim packen. Ich wusste nicht wie das ganze ablaufen würde, wohin wir genau fuhren und wieso. Natürlich war ich Harry irgendwo auch dankbar, dass er mich hier rausholte, schließlich hatte ich das die ganze Zeit gewollt, aber bei dem Gedanken mit meinen Verletzungen ganz auf mich allein gestellt zusein, wenn ich erst einmal wieder Zuhause war, behagte mir nicht. Ich räusperte mich. "Harry ich weiß, du wolltest mir alles auf der Fahrt erklären, aber... kannst mir nicht einfach wenigstens sagen wo hin denn? Ich fühle mich ähm,  ein wenig unwohl, wenn ich nicht weiß wo ich bin." Statt mir Auskunft zu geben, antwortete er mit einer Gegenfrage. Oh, wie ich das hasste. "Vertraust du mir nicht?" Ich ließ das Buch, welches ich gerade in der Hand hielt sinken und seufzte. "Du...wir kennen uns noch nicht wirklich lange, bitte erwarte das nicht von mir." Er biss sich auf die Lippe. "Sorry, das war blöd von mir.", sagte er und legte das letzte Buch in die Tasche. "Ich hatte nur das Gefühl, dass du, dass wir..." Nervös zwibelte ich das Band von meinem Hoodie zwischen den Fingerspitzen ein. Worauf wollte er hinaus? Er sah mich schon wieder mit diesem intensiven Blick an, der meine Knie weich werden ließ.

In diesem Moment platzte Mick ins Zimmer. Das nannte man Timing. "Wir müssen." Harry unterbrach unseren Blickkontakt, nahm mir das Buch aus der Hand und warf einen kurzen Blick auf den Einband. "Du magst wohl Männer mit dem Namen Harry.", grinste er kokett. Augenblicklich wurde ich rot, doch der Lockenkopf tat so als würde er es nicht bemerken, steckte schmunzelnd  'Harry Potter und der Orden des Phönix' in meine Tasche und schulterte diese, als wäre es selbstverständlich das er meine Sachen trug. "Du.", der menschliche Schrank zeigte auf mich. "Du bist klein. Du jehst vor mir, mit zum Personalraum, während Mr Styles zu seinen Fans jeht. Dat wird die ablenken.", brummte er mit seinem Akzent. "Ich bin 1,70 groß!",erwiederte ich empört. Der Schrank fing jedoch dröhnend an zu lachen und trat vor mich. "Sorry Süße, aber ich bin 1,92 Meter groß und dat heißt du bist klein." Tatsächlich musste ich meinen Kopf in den Nacken legen um ihm in die Augen zu sehen und das entkräftete alle meine Argumente. "Jaja.", grummelte ich und steckte mir eine lose Strähne hinters Ohr. Harry gluckste leise. Ich verformte meine Augen zu Schlitzen und bedachte ihn mit einem bösen Blick, was ihm nur noch mehr zum lachen brachte. "Du Verräter!", rief ich , musste mir aber mit Mühe ein Grinsen verkneifen. Spielerisch boxte ich gegen seinem Arm und bereute es sofort. "Ach Mist!" Stöhnend hiehlt ich mir den Arm und jammerte: "Hört auf zu lachen!" Doch die beiden dachten gar nicht dran und Harry hiehlt sich schon den Bauch als ich ihn wieder böse anguckte. "S-sorry aber haha wieso schlä- haha schlägst du mich auch hahaha mit einem ge-gebrochenem Arm?" Darauf wusste ich keine Antwort und zuckte deswegen lediglich grinsend mit den Schultern.

In diesem Moment piepte Micks Handy. Das Lachen des Bodyguards verschwand und seinem Gesichtsausdruck nach konnte man als Außenstehender denken, dieser Mann hätte in seinem ganzen Leben noch nie gelächelt. Auch Harry und ich verstummten. Mick nahm den Anruf an. "Wo bleibt ihr Mick? Ein Fan ist schon dabei die Tür mit einer Haarklammer zu knacken, oh Gott das ist echt verrückt hier! Beeilt euch!", drängte der Mann am anderen Ende der Leitung. "Wir starten jetzt, Lester." Und schon hatte der Bodyguard aufgelegt. "Los, hop hop ihr beiden. Du kommst neben mich Kleine und wenn ich den Rücken zur Gangtür drehe vor mich, Harry du deckst sie und dann gehst du aber zu den Fans. Mach dein Handy laut, ich ruf dich dann an." Wortlos tat ich was  er verlangte und Harry gab Mick kurz bevor wir das Zimmer verließen noch meine Tasche. Mein Herzschlag beschleunigte sich, Harry drückte meine Hand, ließ sie im Gang wieder los und ich versuchte das wilde Kreischen der Mädchen zu ignorieren, welches ausbrach als sie Harry erblickten. Mick wandte sich ab, ich huschte vor ihn und Harry ging in Richtung Zombies. Ich versuchte mich voll und ganz auf Micks Wegbeschreibung zu konzentrieren und gleichmäßig zu atmen.

Er lozte mich zu einer schmalen, unscheinbaren Tür am Ende des Ganges, dessen Raum sich als Pausenraum, oder ähnlichem entpuppte. Eine Krankenschwester goss sich gerade Kaffee ein und lies die Tasse bei unserem Anblick beinahe fallen. "Äh ich...ich.", stotterte sie. "Wir waren nie hier. Sie haben uns nie gesehen. Verstanden?", sagte Mick komplett Ernst und guckte die Frau grimmig an. Er konnte ziemlich einschüchternd wirken, aber trotzdem musste ich die Lippen zusammenpressen um nicht laut los zu lachen. War der Bodyguard zum Jedi mutiert? Die Krankenschwester sah uns mit großen Augen an. "Ähh..." Ich trat vor sie und sprach mit verstellter Stimme: "Judie Baker, du wirst uns jetzt den Hinterausgang zeigen und dann wirst du die letzten 10 Minuten vergessen." Als kleines Feature fügte ich noch die Handbewegung hinzu und wünschte mir sehr dringend so einen Jedi-Mantel mit der Kapuze und den langen Ärmeln. "Wo- woher kennen sie meinen Namen?", keuchte die Frau ängstlich. Wahrscheinlich hatte sie zwar immer noch mehr Angst vor Mick und nicht vor mir, aber who cares. Innerlich lachte ich, aber äußerlich blieb ich cool. "Ich besitze die Macht.", behauptete ich überzeugent und musste mich dazu zwingen in die braunen Augen und nicht auf das Namensschild zu sehen. Sie schluckte und zeigte mit dem Finger auf eine weitere Tür. "Einfach die Treppe runter."

Ein wenig tat sie mir leid, aber sie war auch reichlich naiv. "Nein Spaß, es steht auf ihrem Namensschild.", grinste ich, wandte mich ab, ging zur Tür und fing an die Treppen hinab zu steigen. "Sorry Süße, aber das geht mir echt zu langsam.", meinte plötzlich Mick und warf mich wie ein Kartoffelsack über die Schulter. Überrascht keuchte auf und krallte mich ein wenig ängstlich in den Stoff seines T-shirts. Bitte lass mich nicht fallen. Bitte. Lass mich bitte nicht fallen. Wir traten, beziehungsweise der Bodyguard trat, raus an die frische Luft und ich versuchte vergebens mich so zu drehen, dass ich sehen konnte was jetzt kam. Eine Autotür wurde geöffnet und Mick setzte mich ab. "Schnell rein.", sagte er und ein weiterer Schrank hielt mir die Tür auf. Uhh ein Gentleman. Ich tat wie geheißen und versuchte mich vorsichtig in den dunkelblauen Bentley gleiten zu lassen. Wäre das ein schwarzer Van gewesen hätte ich Harrys Manager, Jeff oder wie der hieß, einen Vogel gezeigt, denn auffäliger ging nicht. Ich glaubte zumindest das es ein Bentley war und das Interior bestätigte diesen Gedanken. Mit Luxusautos kannte ich mich dank meines Vaters aus. Obwohl das auch kein wirklich unauffälliges Auto war. Es fühlte sich komisch an mit zwei völlig fremden, doppelt so großen Männern in einem Auto zu sitzen, weshalb ich angespannt aufrecht sitzen blieb.

Sobald Mick auf dem Beifahrersitz saß, brauste der andere Bodyguard auch schon los, sodass ich mit voller Wucht ans Lederpolster gedrückt wurde. "Whoa!", entwich es mir und beeilte mich, mich an zu schnallen. Durch die getönten Fenster war die Außenwelt nur dunkel und verschwommen zu erkennen. Wir hielten mit quitschenden Reifen vor einem Nebeneingang und ich sah wie Harry angejoggt kam. Ich hatte gar nicht mitbekommen das Mick ihn angerufen hatte. Wie viele Eingänge hatte dieses Krankenhaus?! Ich schnallte mich ab und rutschte einen Sitz weiter und genau in diesem Moment riss Harry auch schon die Autotür auf und ließ sich dort hin fallen wo ich gerade noch gesessen hatte. Sofort entspannte ich mich ein wenig. "Fahren wir in dein Hotel?", fragte ich und sah aus dem Fenster, obwohl es da nichts zu sehen gab. "Ja.", kam es knapp von Harry. "Mick?", rief ich nach vorne. "Hast du meine Tasche?" Als Antwort reichte er mir sie und ich begann direkt sie durch zu wühlen bis ich meine Kulturtasche fand. "Was machst du da?", fragte Harry und begutachtete kritisch meine Handbewegung. "Ich schminke mich. Sieht man das nicht?", fragte ich und verteilte Concealer über meine Augenringe um mich danach meinen Wimpern zu widmen, was sich mit einem Arm schwieriger als gedacht rausstellte. Zu guter letzt noch Labello und ich fühlte mich sofort wieder ein Stück selbstbewusster. Im Auto fertigmachen hatte ich gott sei dank schon oft gemacht, weshalb das unproblematisch war.

"Wieso?" Ich verdrehte die Augen und wandte mich zum brünetten Sänger. "Du wirst ja kaum in irgendeiner Absteige logieren, oder?" Er schüttelte den Kopf. "Eben. Die werfen mich sofort raus, wenn ich so ankomme wie ich gerade aussehe." Ich seufzte. Mir war von klein auf klar gemacht worden, dass ich perfekt zu sein hatte. Egal wie es wirklich aussah, nach außen hin musste mein Leben, beneidenswert sein. "Ich würde schon dafür sorgen, dass du nicht rausgeschmissen wirst, glaube mir das trauen die sich nicht." Automatisch musste ich lächeln. Süß von ihm. Nach ein paar weiteren, ereignislosen Minuten Fahrt, in denen ich es noch schaffte meine Haare und meine Klamotten einigermaßen zu richten, kamen wir am Hotel an. Wie erwartet war es groß, teuer und übertrieben. Sobald wir die prunkvolle Lobby betraten, schaltete ich von normal sterblich, auf "perfekt". Mit selbstsicheren und eleganten Schritten bewegte ich mich auf den Empfangstresen zu und ignorierte meine schmerzenden Knie  und meinen Arm. Ich warf der Frau die hinter dem Tresen stand ein leichtes Lächeln zu und strich meine Haare beiseite. Kurz musterte die Blondine meinen Aufzug kritisch, fing sich aber schnell wieder. "Wilkommen im Claridge's, einer der renomiertesten Hotels in London. Was kann ich für sie tun?", sagte diese ihren Standardspruch auf und sogar mir viel es schwer zu erkennen, ob die Höflichkeit und das Lächeln vorgespielt, oder echt war. Das Personal war wirklich gut.

Harry trat hinzu und legte wie selbstverständlich einen Arm um mich. "Wir würden gerne eine Suite buchen.", meinte er. "Hast du nicht schon eine?", raunte ich dazwischen. Am liebsten würde ich fragen wieso er wir sagte, doch ich traute mich nicht. Er lächelte jedoch nur und redete weiter. "Für zwei Nächte." Die Empfangsdame setzte ein gekünstelt mitleidigen Blick auf. "Es tut mir sehr leid Sir, aber die Hotelrichtlinien besagen, die Ankunft ist leider nur von 15:00 Uhr bis 00:00 Uhr möglich." Ich warf einen Blick auf meine Armbanduhr. 13:00 Uhr.

Was jetzt?

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