55. Kapitel
"She's so stupid, what the hell were you thinking?"
Ellie's POV
Jetzt, wo ich endlich mal durchatmen konnte, hatte ich auch etwas Zeit, ihn zu mustern. Er trug ein schlichtes, weißes, leinenartiges Hemd, bei dem er aber die obersten Knöpfe offen gelassen hatte, sodass man einen kurzen Blick auf seine sonnengebräunte Brust erhaschte. Die traditionelle Jacke hatte er sich gespart. Seine Hose war auch schwarz, wirkte aber nicht so herkömmlich und konventionell wie die von Opa oder Alex. Sie sah mehr modern aus und hatte aber auch keine Muster oder ähnliches. Und ehrlich gesagt stand ihm das verboten gut.
"Schau nicht so.", sagte er dann leicht lachend, aber irgendwie etwas verunsichert. Luis? Verunsichert? Hab ich was verpasst?
"Warum? Guck mich doch mal an! Ich muss auch Tracht tragen.", zuckte ich mit den Schultern.
Er grinste lässig. "Ich meinte doch nicht wegen der Tracht. Ich weiß, dass sie mir steht."
"Wow, Selbstlob ist dein Ding, oder?", fragte ich ihn fassungslos lachend und er stieg mit ein und nickte: "Die Mädchen stehen drauf."
"Ehrlich?", hakte ich ungläubig nach.
Er zuckte lässig mit den Schultern. "Natürlich"
Wir gingen ein paar Schritte von dem Süßigkeitenwagen weg und lehnten uns an das Gatter von einer kleinen Pferdekoppel, die wohl extra für heute auf dem großen Marktplatz, aber eher abseits aufgebaut wurde. Darin befanden sich drei Pferde, eines davon war schwarz, das andere dunkelbraun und das Letzte hellbraun. Gegenüber von uns stand ein etwas dickerer Mann, der sie wohl verkaufen wollte.
Ich lachte noch etwas, wollte aber nicht den roten Faden verlieren: "Also, warum soll ich nicht schauen, wenn du das doch eigentlich willst?"
"Ich will es ja nicht.", gab er zurück. "Nicht von dir. Du bist anders als alle Mädchen hier. Die starren mich normalerweise so an. Von dir will ich das nicht. Du bist das einzig normale Mädchen hier, also benimm dich bitte nicht wie alle anderen."
"Ich würde dich ja gerne bemitleiden, nur hast du eindeutig ein Luxusproblem.", lachte ich und sah ihm tief in seine dunklen Augen.
Er schien verwirrt zu sein, also klärte ich ihn sofort auf: "Na, sei doch einfach froh, dass du hier so beliebt bist, anstatt dich darüber zu ärgern, dass alle Mädchen dich anstarren, weil du gut aussiehst."
Er blieb kurz still, als müsste er das erstmal verarbeiten, doch auf einmal bildete sich auf seinem Gesicht wieder ein freches Grinsen: "Hast du gerade eben zugegeben, dass ich gut aussehe?"
"Könntest du dich bitte mal konzentrieren und den Kernsatz verstehen, nicht immer die Details?", seufzte ich, aber musste auch lächeln. "Außerdem kannst du mir nicht weis machen, dass du die Blicke nicht genießt!"
Ich wendete meinen Blick wieder zur Menschenmenge und es tat gut, ein bisschen Abstand von ihnen zu haben, nach der großen Vorstellungsrunde meiner Oma. Allerdings schnappte ich ein paar eifersüchtige Blicke auf, als ich zu einer Gruppe Mädchen sah, die nicht weit weg von uns standen.
"Apropos Blicke", meinte ich dann und nickte zu dem Mädchentrupp hin. "Die da durchlöchern uns schon mit ihren Blicken."
"Nein", erwiderte er fest entschlossen und sah mich vielsagend an. "Sie durchlöchern dich mit ihren Blicken."
"Na super, nimmst du mich jetzt als Vorwand, damit sie dir nicht zu nahe kommen oder wie? Hast du mich deswegen von Valentina weggezerrt?", fragte ich ihn etwas enttäuscht und drehte mich schnaubend von ihm weg.
"Naja... nicht nur deswegen. Auch, weil du mir leid getan hast.", antwortete er mir und ich hörte heraus, dass er die Wahrheit sagte.
Ich sah wieder hinüber zu den Mädchen. Eine von ihnen hatte schwarze Haare trug ein eng anliegendes Kleid, das zwar wie die traditionelle Tracht bestickt war, aber der Schnitt und Stoff war ganz anders. Es schaute auch ziemlich teuer aus. Dazu hatte sie sich kirschrote Lippen geschminkt.
"So schlimm wirken die aber doch jetzt auch nicht.", wollte ich das Thema wechseln, bereute es aber sofort, als nun auch das schwarzhaarige Mädchen mich entdeckte und mich mit ihrem zornigen Blick attackierte, nachdem ein anderes sie auf mich aufmerksam gemacht hatte.
"Weißt du, was du da sagst?", lachte er ungläubig. "Die Truppe da ist die Clique von Alicia und mit der willst du wirklich nichts zu tun haben. Also, als Junge nicht."
"Und warum nicht?", hakte ich neugierig nach und freute mich innerlich schon auf den Klatsch und Tratsch, den er mir gleich erzählen würde. So übliche Gespräche über die It-Girls der Schule hatte ich noch nicht so oft geführt.
"Siehst du die Schwarzhaarige da? Das ist Alicia. Sie ist das beliebteste Mädchen an meiner Schule und ihr Vater ist reich. Alle Mädels wollen mit ihr befreundet sein, bis auf die, die wenigstens noch etwas von sich halten. Ihre Persönlichkeit kann zwar charmant rüberkommen, aber in Wahrheit ist sie eine ziemliche Zicke. Und wenn du mit ihr zusammen bist, läuft ihr immer ihre Gruppe hinterher, das ist so ätzend."
Ich verarbeitete kurz, was er sagte und grinste dann: "Hört sich so an, als hättest du Erfahrung."
Er riss die Augen ertappt auf und wurde rot. Ich klatschte begeistert in die Hände: "Wow, ich hab es tatsächlich geschafft, dich erröten zu lassen und dich aus der Fassung zu bringen!"
"Psst, nicht so laut!", ermahnte er mich sofort und legte seine Hände über meine, um mich vom Klatschen abzuhalten.
"Warum? Blamiere ich dich dann? Vor deiner Ex?", lachte ich und liebte es, ihn zu provozieren.
"Offen gesagt: Ja, das tust du!", zischte er mich an und sah unsicher über seine Schulter, um zu checken, ob deren Blicke noch auf uns lagen, was überflüssig war, denn das taten sie so und so.
"Gut, dann bin ich jetzt leise und mache keinen Mucks mehr. Allerdings könnte ich dich noch mehr blamieren und schreien-", ich wurde zum Ende hin immer lauter und war bereit, etwas zu schreien, dass ihn endgültig beschämte, da drückte er gerade noch rechtzeitig seine Hand auf meinen Mund.
"Nicht so ungezogen, Cousinchen.", flüsterte er grinsend und wir beide begannen zu kichern, als er seine Hand wieder weg nahm.
Ich guckte interessiert zu Alicia, um ihre Reaktion dazu zu sehen. Diese war wohl Goldwert. Sie wurde rot wie eine Tomate vor Zorn.
"Ganz ehrlich, wie konntest du dich in so eine da verlieben?", fragte ich meinen Cousin fassungslos und er zuckte ratlos mit den Schultern: "Ich glaube mit verlieben hatte das nichts zu tun."
"Womit dann?"
"Du hast echt keine Ahnung vom typischen Schulleben, oder?", fragte er mich und meine Wangen färbten sich leicht rot und ich richtete meinen Blick beschämt zu Boden. Er stupste mich warm lächelnd an, dann fuhr er fort: "Naja, ich bin der beliebteste Junge der Schule, sie das beliebteste Mädchen. Sie wollte was von mir, also hab ich mich drauf eingelassen. So ist das passiert."
"Nicht gerade durchdacht.", erwiderte ich und er sah bedrückt, aber dennoch etwas lachend zu Boden: "Denken, bevor ich etwas tue, ist nicht so meine Stärke."
"Du gibst offen etwas Negatives von dir preis?", fragte ich ihn gespielt fassungslos und rüttelte dann an ihm. "Wer bist du und was hast du mit Luis angestellt?"
Daraufhin begannen wir beide zu lachen. Jedoch sah ich aus dem Augenwinkel jemanden mit stampfenden Schritten auf uns zukommen, gefolgt von einer Horde Mädchen. Alicia.
"Wir bekommen Besuch.", sagte ich dann und nickte in Richtung der Gruppe, die sich auf uns zu bewegte.
Luis wendete seinen Blick zu ihnen und seine Augen wurden groß.
"Du musst mir jetzt einen Gefallen tun.", befahl er mir etwas panisch.
"Na klar, was denn?"
"Küss mich"
"Niemals!", antwortete ich angeekelt.
Er lachte. "Jede andere hätte es sofort getan."
Doch nun war es zu spät. Alicia und ihre Mädels standen jetzt genau vor uns.
"Wen haben wir denn da?", fragte sie etwas überflüssig und sah Luis freundlich an. Dabei strahlten ihre hellgrünen Augen voller Freude.
"Hi Alicia", gab Luis eintönig zurück. Er schien nicht so fröhlich über ihre Anwesenheit. Ich konnte es verstehen. Ich wollte mit Noah schließlich auch nichts mehr zu tun haben.
Sie ließ sich davon nicht beirren und drehte sich ruckartig zu mir, wobei ihre langen, glänzenden Haare mitschwangen: "Und du bist?"
Ich wollte mich gerade vorstellen, da übernahm das Luis für mich: "Das ist Ellie."
Anscheinend wollte er nicht, dass ich mich in das Gespräch einmischte. Und ehrlich gesagt hatte ich dazu eh keine Lust gehabt. Das war eine Sache zwischen den beiden.
"Schön, dich kennenzulernen, Ellie.", sagte sie mit einem etwas zu nettem Ton und reichte mir ihre Hand, die ich daraufhin schüttelte: "Die Freude ist ganz meinerseits."
"Wie kommt es, dass ich dich hier noch nie zuvor gesehen habe?", fragte sie mich komisch fröhlich klingend und wieder holte ich Luft, um zu antworten, da mischte sich Luis wieder ein und lenkte das Gespräch in eine völlig andere Richtung: "Was willst du, Alicia?"
Sie stöhnte genervt auf. "Jetzt lass mich doch mal in Ruhe deine neue Freundin kennenlernen, Luis."
"Sie will dich nicht kennenlernen.", gab er genervt zurück.
"Ich will sie nicht kennenlernen?", hakte ich nochmal zur Sicherheit nach, erntete dafür aber sofort einen warnenden Blick von ihm.
"Schon gut, ich sag nichts mehr.", murmelte ich, während die Zwei wie wild anfingen, zu streiten. Wie sollte ich das jetzt wieder klären?
Während die Beiden also herum diskutierten, sah ich noch eine andere Gruppe Mädels, die wirklich nett schienen. Sie machten sich gerade über Alicia lustig und bestellten sich etwas bei dem Süßigkeitenwagen. Sympathisch. Warum versuchte Luis es nicht einfach mit einer von denen?
Jetzt bemerkte ich, dass mich Alicia's Freundinnen mit zornigen Blicken durchlöcherten. Ich lächelte sie falsch an und schnaubte. "Ist ja gut jetzt!"
"Du hast dich da nicht einzumischen!", fuhr Alicia mich an, doch ich lachte nur: "Ich meinte dein pubertierendes Gefolge, nicht dich!"
Jetzt sah sie verdutzt drein und Luis fiel in schallendes Gelächter.
"Wenn du uns jetzt also in Ruhe lassen könntest, das wäre wirklich aufmerksam von dir.", meinte ich scheinheilig und grinste sie gefälscht an. Sie warf mir einen letzten, zornigen Blick zu, dann drehte sie sich um, wobei wieder ihre Haare so mitschwangen, das sie mir ins Gesicht wehten. Ihre Truppe folgte ihr zugleich.
"Wow", lachte Luis. "Das war der schönste Moment meines Lebens."
"Gern geschehen", gab ich grinsend zurück und er stupste mich freundschaftlich an.
"Mi flor! Kommst du bitte mal!", rief mir plötzlich meine Großmutter zu, die mit ihrem feuerrotem Kleid eindeutig aus der Menge hervorstach.
"Viel Spaß beim verkuppelt werden.", grinste Luis mich an und ich guckte verwirrt: "Bitte was?"
"Ellie!", schrie Valentina erneut, diesmal energischer und ungeduldig.
"Ich komme!", rief ich zurück und lief zu ihr, Luis im Schlepptau. Dieser hatte aber gerade seine Schulfreunde gefunden und ließ mich schließlich mit Oma allein. Diese nahm mich sofort an die Hand.
Und die Vorstellungen gingen weiter...
"Ellie, das ist Maria, ihr Mann Alonzo und ihr Sohn Diego.", stellte sie mich der schwarzhaarigen Frau, dem Mann und dem Jungen vor, der mich komisch angrinste. Meine Großmutter wollte mich doch nicht wirklich mit dem verkuppeln oder? Warum wollte sie das überhaupt tun?
Diego war so überhaupt nicht mein Typ. Seine Haare waren etwas länger und komisch geschnitten. Außerdem sah er irgendwie ungepflegt aus und seine Tracht ließ ihn lächerlich wirken. Dennoch gab ich ihm sowie dem Rest seiner Familie höflich die Hand: "Schön, sie kennenzulernen."
Valentina räusperte sich. "Diego ist ein unglaublich guter Schüler, musst du wissen, mi flor."
"Er hat in allen Fächern eine eins!", mischte sich sein Vater ein, der mich nun auch so gruselig angrinste.
Ich öffnete den Mund, wusste aber nicht so genau, wie ich darauf antworten sollte. Schließlich riss ich mich zusammen: "Ach... ach wirklich? Das ist... toll."
Sehr überzeugend, Ellie.
Alle lächelten mich an, doch ich merkte, dass das gerade eindeutig die falsche Antwort gewesen war.
Oma ergriff wieder das Wort: "Also, ihr zwei könntet euch ja mal treffen, solange Ellie noch da ist. Wie wäre das?"
Diego nickte energisch und alle warteten gespannt auf meine Antwort. Ich musste dem hier ein Ende setzen. Sofort.
Also begann ich: "Ich möchte wirklich nicht unhöflich klingen, aber ich will die Zeit hier so viel wie möglich mit meiner Familie verbringen, die ich gerade erst für mich gewonnen habe. Es tut mir leid, aber nein."
Maria nickte und schien mich tatsächlich zu verstehen, wurde aber sofort von ihrem Mann angestoßen, um ihr ihr herzliches Lächeln aus dem Gesicht zu schlagen. Diegos Grinsen verschwand plötzlich und entwickelte sich mehr zu einem enttäuschten Blick, während sein Vater mich wütend anschaute.
Meine Oma lachte nervös. "Oh, meine Ellie! Ein Familienmensch! ...Entschuldigt uns einen Moment!"
Plötzlich zog sie mich am Arm weg, bevor Alonzo mich zornig anspringen konnte.
"Was sollte das?", zischte sie mich an, als wir uns von der Menge entfernt hatten.
"Das gleiche wollte ich dich gerade fragen. Was sollte das, abuela? Ich bin kein Spielzeug, das man einfach so verschenken kann!", gab ich vorwurfsvoll zurück.
Sie schnaubte. "Diego ist ein sehr guter Mensch, die Chance hast du dir jetzt verspielt."
"Ich zweifle nicht daran, dass er ein guter Mensch ist, Valentina. Ich möchte mich nur nicht von dir verkuppeln lassen, wie es dir recht ist! Ich suche mir diesen besonderen Menschen selbst aus, nicht von dir!", erwiderte ich und wurde so langsam auch zornig.
Plötzlich wandelte ihr Blick. Sie sah mich entschuldigend an. "Es tut mir leid, mi flor. Ich möchte dir doch nur einen Gefallen tun."
"Ich habe dich aber nie darum gebeten!", sagte ich und sah ihr enttäuscht in die Augen. "Weißt du, wie ich mich gerade gefühlt habe? Wie bescheuert ich mir vorgekommen bin? Das war echt nicht okay."
Sie nahm mein Gesicht mit traurigem Blick in ihre Hände. "Das tut mir so leid, mi flor. Es tut mir leid. Verzeihst du mir bitte?"
Eigentlich wollte ich das nicht. Eigentlich war ich echt sauer auf sie. Und ich wusste, dass sie es nicht wirklich so bereute, wie sie tat. Sie hegte einen Plan. Aber meine Zeit hier war begrenzt und ich wollte nicht mit ihr streiten.
"Natürlich tue ich das.", gab ich ehrlich zurück und Valentina zog mich erleichtert in ihre Arme: "Ich danke dir."
Ich löste mich aber schnell wieder von ihr. "Ich gehe jetzt Luis suchen, okay?"
Sie nickte nur und ich wendete mich von ihr ab. Ich ballte aggressiv meine Hände zu Fäusten und spannte meinen Kiefer an. Ich war wirklich wütend. Meinte sie echt, ich hätte mich jetzt Herz über Kopf in diesen Idioten verliebt und morgen würden die Hochzeitsglocken klingeln? Was sollte das?
Ich musste mich eindeutig abregen, sonst musste Luis gleich herhalten.
_____________
Hier ist auch schon ein neues Kapitel, aber auf das nächste müsst ihr noch eine Zeit warten, das ist nämlich ziemlich lang geworden und vielleicht schaffe ich in der Zeit noch eines!
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top