40. Kapitel
"I'm still having nightmares"
Ellie's POV
Plötzlich gesellte sich jemand zu mir. Ich erwartete Jonah oder Maddy, doch zu meiner Überraschung begegnete ich Dani's ozeanblauen Augen, als ich mich umdrehte. Ich wollte gerade nicht reden. Ich wollte gerade nur hier sitzen und weinen. Und als ob Daniel das gewusst hätte, legte er nur stumm einen Arm um mich und zog mich behutsam zu seiner Brust. Ich konnte seinen Herzschlag hören, was mich in diesem Moment enorm beruhigte. Er streichelte mir ein wenig meine Haare, während ich immer weiter vor Frust weinte. Er wusste, dass ich gerade einfach nur jemanden brauchte, der für mich da war ohne Fragen zu stellen und genau das tat er für mich. Ich war ihm in diesem Moment unendlich dankbar.
Und während wir so da saßen, weinte ich mich in den Schlaf.
"Perez, bring mir sofort 51 und 52!!", hörten ich und Sophie Dario nach seinem Angestellten schreien. Angsterfüllt sah ich zu ihr hinüber. Wir hatten letzte Nacht versucht, auszubrechen, doch Bennett, dieser Idiot, hatte uns auf seiner Nachtwache erwischt. Natürlich hatte er es Dario verklickert.
Sophie und ich hatten uns in dem kleinen Schrank in unserem Zimmer versteckt. Sie hatte einen Arm um mich geschlungen und gab mir ein wenig das Gefühl von Sicherheit. Hier drin war es ungemütlich und eng und es roch stark nach Harz. Außerdem kitzelte der Staub in meiner Nase, doch ein falscher Laut und wir wären aufgeschmissen. Perez riss unsere alte Zimmertür auf und betrat den Raum mit großen Schritten und einer Pistole in der Hand . Ich begann, am ganzen Körper zu zittern und blickte wieder hinüber zu Sophie, die ihren Finger auf ihre vollen Lippen legte, was deuten sollte, dass ich leise bleiben sollte.
"Wird's bald?!", schrie Dario wütend und ein kalter Schauer lief mir über den Rücken.
"Sie sind nicht da!", rief Perez zurück und der alte Holzboden knarrte, während er in unserem Zimmer auf und ab lief.
"Ach wirklich?", drang Dario's Stimme wieder in mein Ohr, diesmal schien seine Stimme näher zu sein. Plötzlich betrat er unser Zimmer.
"Schon mal im Schrank nachgesehen, du Vollidiot?", fauchte er Perez an. Ich hörte, wie sich Schritte in unsere Richtung bewegten. Ich hielt angespannt die Luft an und Sophie drückte mich fester an sich. Was würde ich nur ohne sie tun?
"Alles wird gut", hörte ich sie flüstern. Keine Sekunde später riss Dario die alte Schranktür auf und zog uns energisch heraus.
"Da seid ihr ja", brachte er hervor und grinste spöttisch. Er stieß mich qualvoll zu Boden, sodass ich nun auf Knien saß, und band meine Hände an meinem Rücken zusammen. Das gleiche tat er mit meiner besten Freundin. Ohne Sophie's schützenden Arm fühlte ich mich ihnen völlig ausgeliefert. Im Grunde waren wir das auch.
Er stellte sich nun vor uns, tat so, als wäre er uns überlegen.
"Mir ist zu Ohren gekommen, dass ihr Zwei letzte Nacht versucht habt, zu fliehen. Stimmt das?", fragte er mit einem gespielt netten Ton und grinste uns falsch an, während er vor uns hin und her lief mit einem Messer hinter seinem Rücken und einer Pistole an seinem Gürtel.
Ich sah zu Sophie und ihr Blick verriet mir, zu schweigen. In solchen Situationen hätte ich nie gewusst, was ich hätte tun sollen, wäre sie nicht da.
"Ich fragte, ob das stimmt!", schrie er uns an und trat Sophie erbarmungslos in den Bauch, doch sie blieb still. Nicht mal Schmerz zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab. Sie war so stark.
"Rede gefälligst mit mir!", fauchte er Sophie an und schlug ihr ins Gesicht, aber sie sagte kein Wort.
Erneut rammte er seinen Fuß in ihren Bauch, diesmal hustete sie und spukte Blut. Ich zog besorgt die Augenbrauen zusammen. Sie hatte das nicht verdient. Sie hatte viel besseres verdient.
Wieder schlug er auf sie ein, ohne einen wirklichen Grund dafür zu haben.
"Wenn du so nicht reden willst", er blickte zu mir hinüber, "dann ja vielleicht, wenn wir mit deiner süßen Freundin hier spielen."
Er ließ von Sophie ab, die immer noch hustete, und wendete sich mir zu. Er schnitt mit seinem Messer den Kabelbinder, mit dem er meine Hände zusammengebunden hatte, auf. Er zog mir mein dreckiges, weißes Kleid aus, dann grinste er teuflisch. Ich stand im Prinzip fast nackt vor ihm, was Demütigung genug war, doch schließlich fuhr er mit seiner Hand auch noch meinen Bauch entlang nach oben.
"So eine Verschwendung", meinte er nur und seine Mundwinkel verzogen sich erneut zu einem Grinsen. Er ging um mich herum, ließ seine Hand erneut über meinen Rücken wandern und hinterließ kleine Küsse auf meinen Schulterblättern. Angeekelt verzog ich mein Gesicht.
Doch plötzlich stieß er mich erneut, sodass ich auf meinem Bauch vor ihm lag. Kurz wimmerte ich, verdrückte es mir aber sofort. Laut Sophie dürfte ich ihm diesen Gefallen nicht tun, aber wir beide wussten, dass er schon immer geahnt hatte, dass ich die Schwächere von uns beiden war.
Er setzte sich auf meinen Rücken und ich keuchte kurz auf. Nur noch schwer bekam ich Luft. Ich drehte meinen Kopf zu Sophie, die mich angsterfüllt und sogar etwas panisch mit aufgerissenen Augen ansah.
Was hatte er vor?
Dario fuhr mit seiner Hand entlang meiner Halsbeuge, doch schon im nächsten Moment zückte er sein Messer mit den Worten: "Mal sehen, ob du jetzt reden möchtest, 51."
Er setzte das Messer an meinem Schulterblatt an und ich schnappte nach Luft. Genüsslich langsam zog er die Klinge weiter hinauf und ich wimmerte vor Schmerz. Ich rang nach Luft während ich mir einen Schrei unterdrückte.
"Möchtest du jetzt etwas sagen, 51?", fragte er mit unschuldigem Ton, während die Spitze des Messers immer noch in meiner Haut steckte. Sophie schwieg. Was sollte sie auch sagen? Im Prinzip wusste Dario schon alles von Bennett, doch er suchte jeden Grund, um uns zu demütigen oder uns weh zu tun.
"Na gut", sagte er mit arrogantem Ton, zog die Klinge aus meiner Haut und setzte erneut an einer anderen Stelle an, diesmal tiefer. Ich stieß einen Schrei aus. Nicht weit neben der zweiten platzierte er eine nächste Wunde, obwohl Sophie schon längst alles zugegeben hatte und ich schrie vor Schmerz. Ich schrie und weinte und zitterte am ganzen Körper, während ich nicht ansatzweise Luft bekam.
Plötzlich rüttelte jemand an mir und ich fuhr schwer atmend nach oben. Schwitzend rang ich nach Sauerstoff und blickte panisch um mich.
"Hey, beruhig dich", tauchte Daniel in meinem Blickfeld auf. Er legte eine Hand auf meine Schulter, die nicht mit Narben versehen war und augenblicklich verlangsamte sich mein Atem.
"So, und jetzt atme nochmal tief durch.", befahl er mir sanft und ich befolgte.
"Besser?", fragte er mich danach leicht lächelnd und ich nickte.
"Das war ein Alptraum, oder?"
Ich nickte erneut. Ich brachte gerade kein Wort heraus. Völlig aufgelöst mit trockener Kehle starrte ich ihn an. Er wusste anscheinend, wie es in mir aussah und zog mich in einem Umarmung, die ich dankbar erwiderte. Bei Dani fühlte ich mich irgendwie so sicher.
Als ich wieder meine Fassung fand, stammelte ich: "Warst... bist du die... die ganze Zeit da gesessen?"
Seine Wangen färbten sich leicht rötlich. "J-ja"
"Oh", machte ich nur und sah leicht beschämt zu Boden. Ich wollte gar nicht wissen, wie dumm ich beim Schlafen ausgesehen haben muss.
"Ich... ich wollte auf dich aufpassen, weil... naja... du warst so fertig und ich wollte einfach für dich da sein.", erklärte er sich und ich nickte leicht: "Das... war echt nett von dir." Ich sah auf und schenkte ihm ein wahres Lächeln.
"Du solltest öfter so lächeln", meinte er leicht schüchtern.
Hinter Daniel entdeckte ich die anderen Jungs und Maddy. Sie liefen lachend auf uns zu.
"Schatz, wie geht es dir?", fragte Maddy mich dann besorgt, als sie bei uns ankamen. Ich zuckte nur mit den Schultern: "Geht schon"
Sie streichelte behutsam meinen Arm, dann stand sie wieder auf und trocknete sich mit einem Handtuch ab.
Jonah warf mir einen undefinierbaren Blick zu. Was ging in ihm vor? War er enttäuscht, weil ich mich nicht weiter ins Wasser getraut hatte? Oder war er enttäuscht, weil ich ihm immer noch nicht meine Geschichte erzählt hatte?
Insgesamt verbrachten wir noch den ganzen Tag am Pool. Ich sah den Jungs beim herumalbern zu und kam dabei etwas zur Ruhe. Mein Alptraum ließ mich nicht mehr los. Genauso war es damals abgelaufen. So wurden mir diese scheußlichen Narben zugefügt. Ich wollte das unbedingt um alles in der Welt vergessen, doch es ging nicht. Ich träumte nachts davon und mich erinnerte so ziemlich alles daran. Ich würde damit nie abschließen können.
Als wir zurück in unsere Zimmer gingen, beschloss ich, Jonah nochmal auf das alles anzusprechen. Er schien irgendwie nicht gerade glücklich zu sein.
Ich schloss die Tür hinter uns beiden. Kaum drehte ich mich um, starrte er beschäftigt auf sein Handy. Ich ging auf ihn zu.
"Ähm... Jonah?"
"Hm?"
"Ist... ist alles gut zwischen uns?", fragte ich ihn etwas nervös.
"Sag du's mir!", gab er mit leicht vorwurfsvollem Unterton zurück.
Etwas verdutzt sah ich ihn an.
"Hab ich irgendwas falsch gemacht?", hakte ich nach, doch bekam keine Antwort. "Bist du sauer auf mich? Hab ich dich enttäuscht? Ich-"
"Ellie", unterbrach er mich genervt. "Es ist nichts."
"Scheint aber nicht so", gab ich im gleichen Ton zurück und verschränkte meine Arme vor meiner Brust.
"Es ist nur... ach egal", meinte er nach einer kurzen Stille und raufte sich kurz etwas verzweifelt durch die Haare.
"Nein, es ist nicht egal.", begann ich und kam auf ihn zu. "Was ist los?"
Er seufzte. "Ich hasse diese Geheimniskrämerei zwischen dir, Alex und Maddy. Ich will auch wissen, was damals passiert ist, Ellie. Du bedeutest mir sehr viel, aber in deinen Augen scheine ich nicht vertrauenswürdig zu sein."
"Jonah, ich halte dich nicht für nicht vertrauenswürdig. Der Fehler liegt nicht bei dir, er liegt eindeutig bei mir.", wollte ich klarstellen, doch Jonah sah wenig überzeugt aus.
"Ich hasse es, nichts über dich zu wissen. Gefühlt jeder hat Ahnung, was dir zugestoßen ist, außer ich. Das Einzige, was ich weiß ist, dass du durch das Wasser deine beste Freundin verloren hast, mehr nicht.", sagte er und kam mir einen Schritt näher.
Ich blickte verwirrt drein.
"Warte mal, woher hast du das mit meiner Freundin aufgeschnappt?", fragte ich ihn mit einer verräterischen Vorahnung.
"Corbyn hatte es heute erwähnt, als du aus dem Wasser raus gegangen bist.", antwortete er schulterzuckend und ich schnaubte entsetzt. Wut kroch in mir hoch.
"Dieses Arschloch kann auch nichts für sich behalten.", stieß ich zornig hervor und wollte gerade aus dem Zimmer stürmen und Corbyn zur Rede stellen, da hörte ich beim umdrehen Jonah sagen: "Da haben wir's doch"
"Was?", hakte ich leicht genervt nach.
"Hätte Corbyn mir das nicht gesagt, dann hättest du mir bis heute nicht mal eine kleine Info gegeben. Du vertraust mir nicht."
"Verdammt nochmal! Jonah, ich vertraue dir mehr als jeder anderen Person auf dieser Welt!", stieß ich wütend aus. So langsam platzte mir der Kragen.
"Warum fühlt es sich dann nicht so an?!", schrie er mich an. "Ich hab immer nach dir gesehen, mich um dich gekümmert. Ich hab dir beigestanden, ohne überhaupt zu wissen, weshalb du weinst! Ich hab dir geholfen, dich hier wie Zuhause zu fühlen und da will ich einmal was von dir und du blockst völlig ab!"
Ich ging wütend noch einen Schritt auf ihn zu. "Erstens, ich habe kein Zuhause und zweitens verstehst du nicht, wie schlimm das alles für mich gewesen ist!", brachte ich unter zerknirschten Zähnen hervor.
"Ja, ich verstehe es nicht, aber auch nur, weil ich keine Ahnung hab, was überhaupt passiert ist!"
Ich atmete tief ein. "Du musst doch gar nicht wissen, was passiert ist! Du musst nur wissen, wie schlimm es für mich ist, jede einzelne Wunde mit jedem Mal erneut aufzureißen. Eine Wunde, die eigentlich noch nie ganz verheilt war, reißt man Stück für Stück wieder auf! Weißt du, wie weh das tut?!"
Er sah mich verdutzt an und war sprachlos.
"Weißt du, wie weh es tut, immer wieder erneut über ein Thema zu reden, dass einen auf sein Leben geprägt hat?! Dass einen selbst in der Nacht nicht mehr loslässt?! Verdammt, ich träume nur noch von meiner Freundin, wie sie nach meiner Hilfe schreit und mich braucht, und ich war machtlos und konnte ihr nicht helfen! Sie... sie war einfach weg.", am Ende wurde ich immer leiser.
Sie war einfach weg.
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