22. Kapitel

"I don't want to think about you right now"

Ellie's POV

Er sah mich etwas verwirrt an und wollte etwas sagen, das spürte ich, doch soweit ließ ich es nicht kommen.
Ich rannte sofort hinaus und holte noch im Rennen meine Schlüsselkarte aus meiner noch nassen Hosentasche heraus. Immer wieder rief er meinen Namen, aber ich durfte jetzt einfach nicht stehenbleiben. Schon wieder an diesem Tag wollte ich nur noch weinen. Mein ganzes Leben bestand aus weinen.

Im Flur kam mir Zach entgegen, der mich irritiert ansah, doch ich würde jetzt nicht stoppen. Sonst würde Corbyn mich einholen.

Ich brauchte dringend Abstand. Abstand von ihm und was zwischen uns ist. Denn es brachte mich um den Verstand und das ist nicht gut.
Mich überkam das schlechte Gewissen wegen Noah. Was würde er von dem Kuss denken? Sollte ich es ihm verschweigen? Würde ich das überhaupt hinbekommen?

Ich bin so schrecklich. In zwei Tagen würde ich meinen Freund seit einer Ewigkeit wieder sehen und was tat ich? Ich küsste einen anderen! Und meine Gefühle spielten mir auch noch den Streich, dass es sich gut angefühlt hatte!

Ich beschloss für mich, dass ich Corbyn erstmal aus dem Weg gehen würde. Ich würde ihn ignorieren und das, was gerade passiert war, vergessen. Egal wie sehr mir mein Herz auch versuchte mir weis zu machen, dass sein Kuss unglaublich gewesen war. Das war doch nur Einbildung!

Unwillkürlich dachte ich an den Moment zurück, in dem er so schüchtern meine Lippen nur kurz berührt hatte. Es war eine so liebe und fürsorgliche Geste. Seine Lippen auf meinen hatte sich so gut angefühlt... Nein, das war nur Einbildung!

Verwirrt von meinen Gefühlen versuchte ich nach Atem ringend meine Schlüsselkarte in den schwarzen Schlitz unserer Zimmertür zu stecken. Doch meine Hände zitterten so sehr, dass sie mir kurz davor aus der Hand fiel. Ich stieß einen spanischen Fluch aus und ging in die Knie, um sie aufzuheben. Mein Herz pochte wie wild.

In diesem Moment hörte ich Corbyn wieder nach mir rufen. Seine Stimme klang verzweifelt und... traurig. Augenblicklich wurde ich noch panischer (wenn das überhaupt noch möglich war), hob die Karte auf und öffnete die Tür.

Ich schloss sie wieder so schnell es ging hinter mir und lehnte mich schwer atmend gegen sie. Was war nur falsch mit mir? Ich zog den Ärger förmlich an!

"Was ist denn jetzt los?", fragte Jonah mich leicht schmunzelnd, der lässig auf dem Bett saß und auf seinem Handy herumspielte.
Oh, der war ja auch noch da!

Sofort versuchte ich, normal zu wirken und schaffte es irgendwie, meinen Atem unter Kontrolle zu bringen.
"Was soll denn los sein?", fragte ich gespielt verwundert, so gut es ging.

Er legte sein Handy beiseite, den Kopf schief und lächelte mich leicht an.
"Willst du drüber reden?"

Ich zögerte, dann schüttelte ich den Kopf und presste meine Lippen aufeinander. Ich wollte jetzt nicht mehr darüber nachdenken. Ich wollte es vergessen.
Dann legte ich mich Tränen unterdrückend zu ihm ins Bett und platzierte meinen Kopf auf seinem Bauch.
"Gott, du bist ja immer noch nass!"
"Du trägst nicht zum Thema bei, Jonah!", beschwerte ich mich und schlug ihn leicht gegen den Arm. Doch ich mochte es, wie er dadurch meine angespannte Stimmung lockerte. Egal was auch kommen mag, auf Jonah war einfach immer Verlass!

"Was ist denn passiert?", fragte er nach kurzer Zeit.
"Ich will nicht darüber reden. Können wir einfach hier liegen und so tun, als wäre absolut alles okay? Als hätten wir einfach gar keine Probleme?"
Er nickte. "Ich bin dabei", seufzte Jonah.

Und letztendlich taten wir das auch. Wir lagen nur hier im Bett und machten rein gar nichts. Doch ab und zu tippte Jonah wieder auf seinem Handy herum und langsam fragte ich mich, was er da wohl tat. Ich richtete mich auf.

"Was machst du denn da eigentlich?", fragte ich ihn und erhaschte einen Blick auf sein Handy. Ich erkannte, dass er etwas aufschrieb.
"Ach, nur so ein paar Ideen für neue Songs", antwortete er. "Dani hat mir, als du noch bei Alex warst, eine Song Idee geschickt und ich versuche gerade, irgendwie einen Text dazu zubauen, doch so richtig komm ich nicht weiter. Willst du mal hören?"
Ich nickte aufgeregt. Er öffnete WhatsApp und spielte mir dann die Sprachmemo vor, die Dani ihm zugeschickt hat.

Es war eine Gitarre zu hören und Daniel summte leise dazu, wobei mein Herz etwas schneller schlug. Meinen Kopf bewegte ich ganz leicht zur Melodie und ein kleines Lächeln huschte über mein Gesicht. Sie war wunderschön und verdiente definitiv einen guten Text. Dani hatte sich selbst übertroffen! Irgendwie inspirierte sie mich. In meinem Kopf flogen tausende Ideen zum Songtext herum, doch die würde ich natürlich nicht preisgeben. Das ist eine Sache zwischen den Jungs und ich würde mich da jetzt nicht einmischen.

"Das ist richtig gut!", rief ich begeistert.
Jonah lächelte: "Ja, das stimmt. Deswegen will ich ja auch, dass ein guter Text dabei ist. Ich überlege schon die ganze Zeit, die anderen auch, aber ich bin mit nichts richtig zufrieden."
"Die Idee kommt bestimmt noch, keine Sorge!", meinte ich und er nickte: "Du hast recht. Vielleicht sollte ich einfach mal eine Pause machen."
"Das hört sich doch gut an", grinste ich und ließ meinen Kopf zurück auf seinen Bauch fallen. Ich döste langsam weg, wie auch Jonah. Die Melodie kreiste noch lange in meinem Kopf herum und wollte mich einfach nicht loslassen, doch ich schob sie, wie auch den Kuss, beiseite und fiel in einen Traum, der immer wieder von Corbyn heimgesucht wurde.

"Und wieder ein neues in meiner Sammlung!", hörte ich jemanden freudig rufen und öffnete langsam meine Augen. Genervt stellte ich fest, wie Zach mal wieder mit seinem Handy ein Bild von mir und dem noch schlafenden Jonah schoss. Und seinem Blick nach übertraf es die anderen Fotos wohl haushoch.

"Zach, lass die Scheiße", zischte ich ihn an, doch im nächsten Moment blickte er auch schon schelmisch drein: "Ups! Schon gepostet!"
Ich verdrehte die Augen, schloss sie kurzerhand einfach wieder und ignorierte den Fakt, dass die ganze Welt mich nun mal wieder schlafend sehen konnte.

"Oh nein! Nicht wieder einschlafen! Wir müssen zu Alex runter! Zwar sind wir schon wieder 'ne Stunde zu früh dran, aber er ist der Boss...", sagte Jack und ich hörte Schritte auf uns zukommen. Dann traf mich ein Kissen direkt ins Gesicht.

"Hey!!", protestierte ich und war von der einen Sekunde auf die andere hellwach. Das gleiche zog Jack bei Jonah durch und dieser setzte sich stöhnend auf, was ich ihm gleichtat. In der Zwischenzeit hatte ich bemerkt, dass meine Kleidung wieder ganz trocken war. Auch wenn es nicht die beste Lösung war, musste ich wohl oder übel mit denen zum Konzert heute. Schließlich hatte ich keine Ersatzklamotten dabei. Wer hätte denn erahnen können, dass ich heute noch in einen Pool geschmissen werden würde?

Als ich aufstand, begegnete ich Corbyn's Blick und sah sofort weg. Der konnte mir gestohlen bleiben!
"Können wir?", fragte nun Zach, der jetzt hinter Corbyn stand. Ich und Jonah nickten synchron und machten uns zusammen mit den anderen auf den Weg zu Alex.

Im Flur ging ich gedankenverloren mit dem Kopf gesenkt etwas weiter hinten von den Jungs. Ich brauchte einfach ein wenig meine Ruhe. Meine Gedanken schweiften immer wieder zu dem Kuss ab und ich hasste mich dafür. Ich wollte den Kuss doch vergessen! Warum gelang es mir einfach nicht?

"Können wir reden?"
Ich erschrak und mein Kopf schoss in die Höhe. Corbyn lief nun neben mir und sah mich nachdenklich an, während sich die Jungs viel weiter vorne befanden.

Ich sah ihn nicht an.
"Nein", gab ich tonlos zurück.
"Bitte Ellie, lass mich dir nur kurz etwas sagen!", bettelte er, doch ich ging ohne ihn auch nur eines Blickes zu würdigen weiter. Auch, wenn mein Name sich aus seinem Mund wunderschön anhörte und ich dahin hätte schmelzen können.

"Ellie, bitte", hörte ich ihn wieder neben mir auftauchen. Alles in mir sträubte sich dagegen, in seine wunderschönen Augen zu sehen. Sie würden mich nur wieder in ihren Bann ziehen und ich könnte wieder nichts dagegen tun. Auch wenn ich sie unbedingt erneut erblicken wollte, musste ich stark bleiben.

Plötzlich stellte Corbyn sich einfach vor mich und ich war gezwungen, stehen zu bleiben. Mit aller Kraft hielt ich mich zurück, aufzusehen. Ich musste meinen Plan einfach durchziehen.

"Bitte sieh mich an, Ellie", bat er mich mit sanfter Stimme, doch ich befolgte nicht. Ich hörte ihn verzweifelt seufzen, dann kam er mir schon wieder näher und sein Duft umhüllte mich. Seine Nähe brachte mich völlig aus dem Konzept. Es brachte mich um den Verstand und das war nicht gut. Ich musste jetzt stur bleiben, auch wenn es nicht so einfach war, wie es sich anhörte. Mein Atem wurde irgendwie automatisch schneller.

"Bitte", hauchte er verzweifelt und sein Ton brach mein Herz in tausend Stücke. "Sieh mich an"
Ich schluckte stark und atmete tief ein, dann ging ich einfach an ihm vorbei, ohne meinen Blick zu heben.
"Ellie! Warte!", rief er mir nach, doch ich wurde nur noch schneller. "Du kannst nicht die ganze Zeit von deinen Problemen weglaufen!"

Ich schnaubte belustigt, drehte mich leicht wütend um und erwiderte: "Glaub mir, und wie gut ich das kann!"
Mittlerweile konnte ich die Jungs schon nicht mehr auf dem Flur sehen und beeilte mich, ihnen so schnell wie möglich nachzukommen. Ich wollte nicht schon wieder alleine mit Corbyn sein.

Und erneut zog er mich zurück und hielt mich fest. Doch nun herrschte Wut in mir. Er hatte kein Recht, all das hier zu tun.
"Hör auf von mir wegzurennen!", warf er mir vor.
"Was denn? Ich renne doch nur von meinen Problemen weg! Lass mich einfach!", zischte ich ihn an.
"Das heißt, ich bin ein Problem?"
"Gut erfasst, Besson!"
Darauf fiel ihm nichts mehr ein, was er sagen könnte, doch ich erkannte es in seinem Blick. Er war verletzt von meinen Worten. Augenblicklich tat mir Leid, was ich gesagt hatte.

Er ließ mich schnaubend los und schüttelte den Kopf. "Und ich dachte, du wärst anders."
"So schnell kann man sich irren", gab ich nüchtern zurück, auch wenn ich nichts ganz wusste, auf was er hinaus wollte.
"Du bist auch einfach nur wieder eine dieser  Mädchen", sagte er traurig lachend und sah mich nicht an.
"Wie meinst du das?", wollte ich verwirrt wissen.
"Du bist auch eine dieser Egoistischen, die sich nur um sich kümmern und nicht mal ansatzweise darüber nachdenken, wie es dem anderen dabei geht. Hauptsache schön den eigenen Plan durchziehen, stimmt's Rodriguez? So eine bist du!", gab er zurück und sah mich verächtlich an.
"Du kennst mich doch gar nicht!", hielt ich dagegen.
Er lehnte seinen Kopf nach vorne, bis er an meinem Ohr angekommen war.
"Bist du dir sicher?", fragte er in einem kalten Ton. Sein warmer Atem streifte für einen Augenblick meine Haut und ich erschauderte. Er zog seinen Kopf zurück und ich erkannte einen verärgerten Blick auf seinem Gesicht.
Mit diesem Satz ließ er mich stehen und ging schnell zum Aufzug.

Zurück blieb ich. Seine Worte kreisten die ganze Zeit durch meinen Kopf, aber egal wie ich sie drehte und wendete, irgendwas stimmte da einfach nicht. Woher sollte er mich denn kennen?

Irgendwann erwachte ich dann aus meiner Starre und machte mich auf den Weg zum Aufzug. Unten angekommen erntete ich einen genervten Blick von Alex.
"Ellie! Los jetzt, sonst kommen wir zu spät!", sagte er, doch so genau hörte ich nicht zu. Ich sah hinüber zu Corbyn. Sein Blick war gesenkt und ich suchte vergebens nach seinen wunderschönen Augen. Plötzlich vermisste ich das Gefühl, in ihrem Bann zu stecken und verstand nun auch, was Corbyn zu mir gesagt hatte.

Ich war eine verdammte Egoistin.

Ich hatte ihn nicht mal aussprechen lassen. Mir war nur wichtig, wegen meinen eigenen Bedürfnissen ihm aus den Weg zu gehen, ohne wissen zu wollen, wie es ihm damit ging.

Doch wenn er mich schon ignorierte, würde ich nun meinen Plan perfekt durchziehen können. Kein Gefühlschaos mehr wegen ihm. Keine Augen mehr, die mich in ihren Bann zogen. Kein schlechtes Gefühl mehr wegen Noah. Denn durch unser Ignorieren war der Kuss für mich begraben. Ich würde ihn vergessen. Er würde ihn vergessen.
Dann war doch wieder alles beim Alten. Er hasste mich, ich hasste ihn.
Und es würde nie anders sein.

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Willkommen zurück!
Als kleine Vorwarnung: in den nächsten Tagen werde ich viel zu tun haben wegen Schule und so, deswegen werde ich auch nicht zum schreiben kommen. Ich hoffe, ihr versteht das...

Wie hat euch das Kapitel so gefallen?

Bis zum nächsten Mal!

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