2. Kapitel

"Told her I had to go. And I know it ain't pretty, when our hearts get broke..."

Wir saßen gerade alle beim Frühstück, als Sarah in die Küche gestürmt kam: "Ihr sitzt ja immer noch hier! Los ihr Lieben, aufstehen und anziehen. Schon vergessen? Heute kommen doch unsere Gäste!"

Viele freuten sich darauf, denn sie wollten unbedingt aufgenommen werden und liefen so schnell es ging in ihr Zimmer, um sich schnellstmöglich fertig zu machen, doch ich blieb gelassen sitzen. Ich musste schon zu viel mitmachen und verabscheute den Besuch der Pärchen.

Eigentlich musste ich mir gar keine Sorgen machen, denn die meisten wollten eher jüngere Kinder aufnehmen, aber ich war angespannt.

Wegen Lily.

Sie wurde tatsächlich noch nie aufgenommen.

Letztendlich wurde auch ich in mein Zimmer geschickt und langsam stand ich von meinem Stuhl auf und ging in mein Zimmer. Ich war die Älteste im Haus und deswegen musste ich mein Zimmer mit niemandem teilen. Zum Glück.

Seit gestern hatten ich und Sarah kein Wort mehr miteinander gewechselt. Ist vielleicht auch besser so...

Ich zog mir schnell eine etwas neuere Hose und eine ganz hübsche, weiße Bluse an, mein Handy steckte ich mir in die Hosentasche und die Kopfhörer legte ich mir wie immer um den Hals.
Ich sah mich noch einmal im Spiegel an und legte mir meine Haare zurecht, die mir nur bis zum Schlüsselbein gingen. Danach ging ich nach unten, wo Sarah schon auf uns alle wartete.
Sie erklärte uns, dass heute drei Paare vorbeikommen würden.

Ich setzte mich auf einen der Stühle und Lily folgte mir. "Meinst du, ich werde heute vielleicht aufgenommen?", fragte sie mich ruhig, doch ich wusste, dass es in ihr ganz anders aussah.

Ich hoffte so sehr, dass sie nicht in falsche Hände gerät. Natürlich gab es auch nette und aufgeschlossene Adoptiveltern, die ihren "Job" sehr ernst nahmen, doch bei anderen konnte man sich nie sicher sein.

Ich wollte sie nicht noch aufgeregter machen und antwortete ihr: "Ich weiß es nicht. Aber solltest du, musst du wissen, dass ich immer für dich da bin, egal wo du dann bist!" Ihr entging ein Lächeln und ich schloss sie daraufhin in die Arme.

Schon seit einer Stunde saß ich nun, ohne jegliche Bewegung getan zu haben, auf diesem Stuhl. Es lief alles wie gewohnt ab: die Paare kamen herein, begrüßten uns und stellten sich vor. Danach verziehten sich alle in verschiedene Ecken des Hauses. Die Kinder zeigten ihnen zum Beispiel das ganze Haus oder ihr Zimmer und die Pärchen konnten sich ein "Bild" des Kindes machen.

Und wie seit den zwei letzten Jahren saß ich dann alleine auf diesem Stuhl, hörte Musik und rührte mich nicht. Wo Lily war wusste ich nicht. Ich wollte eigentlich den ganzen Tag ein Auge auf sie haben, damit sie nicht in falsche Hände gerät, jedoch habe ich sie seit einer gefühlten Stunde nicht mehr gesehen.

Doch musste ich zugeben: die Paare dieses Jahres sahen alle ganz okay aus... Ja, sie sahen wirklich alle sehr liebenswert aus, doch natürlich interessierte sich keiner mehr für mich. Ich war "zu alt".

Ich hatte das Gefühl, dass ich niemals ein normales, unabhängiges Leben führen werde, jedoch wollte ich es so sehr. Ich wollte selbstständig sein! Ob ich das jemals schaffen werde ich die andere Frage...

Es war mittlerweile 14 Uhr, da traf mich der Schlag. Sarah kam zu mir gerannt. Völlig fertig vom her sprinten, musste sie erstmal ihre Atmung unter Kontrolle bringen. Sie sah mich überglücklich an. Aber warum?

Ich riss mir vor Schreck die Kopfhörer vom Kopf und hörte Sarah aufmerksam zu, als sie wieder runter gekommen ist, doch was sie sagte, beunruhigte mich sehr: "Ellie! Da bist du ja! Ellie, du wirst aufgenommen!"

Erstens: ich sitze schon immer seit fast zwei Jahren hier. Genau am selben Punkt und auf demselben Stuhl, also hätte sie mal scharf nachgedacht, hätte sie gleich gewusst wo ich steckte.

Zweitens: Ich!? Aufgenommen!? Von wem !? Wer wollte mich denn schon haben!?

Ich starrte sie durchgängig mit meinen braunen Augen an, als sie fort fuhr: "Dein Onkel hat angerufen! Er will dich adoptieren!"

Was zur Hölle! Welcher Onkel!?

"A-Aber i-ich habe doch gar keinen Onkel!?", stammelte ich völlig verwirrt.

"Von diesem wusste ich auch nicht! Er war gar nicht bei uns in den Akten! Aber es stimmt! Er ist der Bruder deines Vaters. Und er will dich aufnehmen! Mensch... freu dich doch mal!", versuchte sie mich aufzumuntern.

"Ich will aber nicht zu dem! Ich kenne ihn doch gar nicht?", wendete ich wiederum ein.

Sarah lachte kurz. "Deine drei früheren Adoptiveltern kanntest du doch auch nicht und bist trotzdem zu ihnen gegangen!"

"Erinnere mich ja nicht daran!", fuhr ich sie mit einem scharfen Ton an.

Sie hob abwehrend die Hände, zog mich aber nur zwei Sekunden später auf die Beine und in mein Zimmer hoch.

"Schnell, wir müssen uns beeilen! Du musst noch heute zum Flughafen!", rief sie mir zu.

Ich verstand die Welt nun wirklich nicht mehr. Wieso zum Flughafen?

Als könnte Sarah meine Gedanken lesen blieb sie stehen, schlug sich die Hand aufs Gesicht, drehte sich zu mir um und sagte: "Ups, ich muss dir ja noch alles erklären! Vor lauter Eile hab ich das ganz vergessen!"

Typisch Sarah. So war sie schon immer! Wenn sie etwas völlig begeisterte, vergaß sie vieles und freute sich wie ein kleines Kind.

Wir gingen in mein Zimmer und setzten uns auf mein Bett. Sie begann erneut zu erklären: "Also: dein Onkel heißt Alexander Rodriguez. Er ist Bodyguard einer Boyband die du vielleicht kennst... wie hieß die noch... Ah! Why Don't We! Ich kenne die ja nicht, aber das ist ja jetzt auch egal. Die Tour der Band beginnt morgen in Tokio und dein Onkel muss da mit, somit auch du. Du gehst mit diesen Jungs auf Tour! Ist das nicht wunderbar?" Sarah strahlte mich an, doch ich wusste nicht, was ich davon halten sollte.

Ich hatte einen Onkel... wieso wollte er mich jetzt erst adoptieren? Wieso gerade jetzt?
Und er ist Bodyguard von einer Boyband... von Why Don't We.

In meinem Kopf ging ich meine riesige Playlist durch und stieß auf ein Lied: Something Different.
Ich mochte das Lied sehr, jedoch habe ich mich nie mit der Boyband auseinandergesetzt, aber dazu hatte ich ja dann genügend Zeit, denn...
Ich würde nach Tokio fliegen! Ich, Ellie Rodriguez, werde etwas von der Welt sehen!

... doch was war mit Lily? Ich konnte sie doch nicht hier alleine lassen!

"Oh! Ich muss jetzt aber wieder nach unseren Gästen sehen! Bitte pack all deine Sachen in den Koffer unter dem Bett und komm nach unten. Und bitte beeile dich, wir haben nicht mehr lange Zeit bis wir zum Flughafen müssen!", befahl Sarah mir und ging sogleich wieder nach unten zu den anderen.

Ich beeilte mich und versuchte dabei, all diese Gedanken zu ordnen und zu verarbeiten.
Ich stopfte meine Klamotten so schnell wie möglich in meinen Koffer, denn wenn ich schneller packen würde, hätte ich mehr Zeit, um mich von Lily zu verabschieden.

Moment! Ich ließ Lily hier wirklich alleine! Würde sie mir das übel nehmen? Wie würde sie reagieren? Irgendwie bekam ich schreckliche Angst. Was, wenn mich mein Onkel gar nicht mögen wird oder anders herum? Was, wenn ich mit den Jungs nicht auskomme? Oder ich von den Fans belagert werde?

Ich ging mit meinem Rucksack, meinen Kopfhörern natürlich und meinem Koffer hinunter in den Aufenthaltsraum. Anscheinend waren alle Gäste schon weg, denn die anderen spielten wieder miteinander oder beschäftigten sich anderweitig.
Sollten die Pärchen jemanden aufnehmen wollen, würden sie sie am nächsten Tag abholen.

Ich ließ alles stehen und liegen und ging sofort auf Lily zu. Ich setzte mich neben sie, holte tief Luft und begann zu erzählen: "Hi Lily, also... Ich werde jetzt gleich gehen müssen, de-" "Was? Warum das denn?", unterbrach sie mich zugleich entsetzt.
"Ich... ich... also, irgendwie habe ich anscheinend doch noch einen Onkel, der will mich jetzt doch aufnehmen und der ist Bodyguard von einer Boyband namens Why Don't We und deren Tour beginnt morgen und da müssen ich und mein Onkel dann mit.", erst jetzt, als ich es aussprach, kapierte ich, was ich da sagte und starrte für Sekunden Lily sprachlos an. Diese fühlte nicht anders.

"Ellie... ich wurde nirgends aufgenommen! Keiner hat sich für mich interessiert!", kam es plötzlich von Lily. Kleine Tränchen flossen an ihren Bäckchen hintunter.
"Hey, nicht weinen!", versuchte ich sie zu beruhigen, schloss sie sogleich in den Arm und strich ihr die Tränen aus dem Gesicht. Dass sie so enttäuscht sein wird, hätte ich nicht gedacht!
Außerdem: wie konnte man so ein liebenswertes Mädchen nicht aufnehmen?

Sie sprach weiter: "Ellie, du kannst mich doch nicht hier alleine lassen!", nun begann sie viel stärker zu weinen.
"Schh Lily, beruhige dich bitte. Das ist doch kein Ende für immer! Wir werden immer Kontakt halten. Wir können jeden Tag telefonieren! Und-", ich wurde von Sarah unterbrochen, die sich räusperte und mir somit klarmachte, Abschied zu nehmen und zum Auto zu kommen.

"Lily, ich muss jetzt gehen ich-", versuchte ich Abschied zu nehmen, doch Lily kam mir zuvor: "Nein, bitte geh nicht! Lass mich nicht alleine!"
"Lily, ich muss! Ich muss gehen! Mir bleibt keine andere Wahl! Es tut mir Leid!", ich stand auf, umarmte sie ganz fest, drückte ihr einen Kuss auf die Stirn und flüsterte: "Das ist kein Abschied für immer! Wir sehen uns wieder, das verspreche ich dir!... und ich hab dich lieb, vergesse das nie!"

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Ich suchte nach dem neuen Album Why Don't We's, 8 Letters wenn ich mich nicht täuschte, und hörte es mir an. Meinen Sitz fuhr ich ein wenig zurück, um nach dem ganzen Stress auch mal durchatmen zu können.

Als mich Sarah zum Flughaufen fuhr, redete sie noch über verschiedenes, wie, dass ich zum Beispiel unbedingt auf meine Ernährung achten sollte, denn würde ich jetzt noch weniger essen, müsste ich auch noch ins Krankenhaus.
Oder, dass ich mir um Lily keine Sorgen machen müsse, denn sie würde schon auf sie aufpassen, jedoch machte ich mir Sorgen.

Sie sah so unglücklich aus und ausgerechnet in dieser Situation konnte ich nicht bei ihr bleiben. Ich machte mir große Vorwürfe, doch ich würde sie jeden Tag anrufen, oder sie mich und dann würde das schon irgendwie funktionieren.

Als sie mich dann in der Halle im Flughafen ablieferte, umarmten wir uns ganz fest und sie wünschte mir noch viel Glück. Danach war ich alleine.

Ich rief Noah an. Der war völlig aus dem Häuschen, als ich ihm alles erzählte. Er freute sich so sehr für mich und redete mir bei all meinen Sorgen gut zu.
Womit hatte ich ihn nur verdient?

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Kleine Tränen kullerten mir die Wange hinunter. Ich werde Sarah und Lily so sehr vermissen. Auch, wenn Sarah öfter mal etwas streng war, war sie doch eine wundervolle Ersatzmutter für mich. Ich wollte auf gar keinen Fall den Kontakt zu ihnen abbrechen, denn sie waren beide ein fester Bestandteil meines Lebens.

Doch jetzt begann etwas Neues.

Ein neues Kapitel meines Lebens.

Ein Leben außerhalb des Kinderheimes.

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Hier bin ich wieder mit einem neuen Kapitel. Why Don't We kommt bald dazu aber leider dauert das noch ein wenig...

Für Kritik bin ich immer noch offen!

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