Kapitel 77

"Butterfly fly away" - Miley Cyrus feat. Billy Ray Cyrus

https://youtu.be/jjHNX_EBDus

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"Das ist... eine Menge Deko.", stellte ich fest, nachdem Tae den letzten Karton auf seiner Seite der Gitterstäbe abstellt hatte.

Nachdem unsere Gedanken vorhin nur dezent in verschiedene Richtungen gegangen waren, hatte ich Taes Vorschlag einfach zugestimmt.

Wir hatten beschlossen, vorher noch gemeinsam zu Essen und dann den restlichen Abend ganz der Weihnachtsdeko zu widmen.

Das Geschirr hatte Tae bereits wieder weggebracht und hier waren wir nun...


Ungläubig wanderte mein Blick über die Gegenstände die aus den Kartons herausguckten.

Das letzte Mal, dass sowas wie Weihnachtsdeko einen Platz in meinem Leben gehabt hatte, lag so lange zurück, dass ich mich kaum noch daran erinnerte.

Es kam mir so fern vor...

Als wäre es nie wirklich meine Realität gewesen.

Nicht dass ich erwartet hatte, dass mein nächster Berührungspunkt mir festlicher Deko in einer schallisolierten Zelle stattfinden würde...

Das Universum schien nie um etwas Ironie verlegen.


So irritiert, wie ich von dieser Situation war, so glücklich schien sie Tae zu machen.

Er schloss die Eisentür, bevor er die Gittertür öffnete, und die Kartons zur mir in die Zelle schob.

"Womit sollen wir anfangen?", fragte er.

Dabei hatte er so ein sonderbares Glitzern in den Augen...

Pure, ungetrübte Freude.


Nicht ganz wissend, wohin mit dieser, hatte ich ein kleines Bedürfnis, mich in den Arm zu zwicken.

Mit Tae diese Zelle zu dekorieren kam mir wie ein skurriler Traum vor.

Ein skurriler Traum, der sich mein Leben schimpfte.


"Ich weiß nicht...", ratlos ließ ich meinen Blick über die Kartons schweifen.

"Was hast du denn alles da?", wollte ich wissen.

Als hätte er nur auf diese Frage gewartet, begann Tae über beide Ohren zu grinsen.

"Alles.", sagte er.

"Anhänger, Lichterketten, einen kleinen Baum für deinen Schreibtisch, Baumdeko, eine Schneekugel, große und kleine Figuren...", während er die Dinge an seinen Händen abzählte, schaute auch er die Kartons an.

"Und irgendwo müsste ein Plüsch-Rentier sein...", murmelte er.


Ich versuchte meine Mimik daran zu hindern, vor Ungläubigkeit einzuschlafen.

Ein...


"Na dann....", ich überlegte.

...Plüsch-Rentier...

"...lass uns doch zuerst den Baum aufstellen?", fragte ich.

Streng genommen wusste ich nicht, wieso ich überrascht war.


Als hätte ich gerade eine bahnbrechende Idee geäußert, strahlte Tae.

"Machen wir.", beschloss er.

Freudig klatschte er in die Hände, bevor er sich auf die Suche nach dem Baum machte.


Ich fing an, mich etwas schlecht zu fühlen, weil ich seine Weihnachtsstimmung so gar nicht teilte.

Allerdings hatte diese ganze Situation sich mir noch nicht erschlossen.

Als Tae zu Beginn des Dezembers angefangen hatte, heiße Schokolade mit Zimt zu kochen, war ich bereits verwirrt gewesen.

Doch das hier....

Mich mal wieder fragend, was in seinem Kopf vorging, schaute ich Tae bei seinem Tun zu.

Die bloße Vorstellung, dass ein Mensch, der so kaputt war, dass er jemanden in seinen Keller gesperrt hatte, jedes Jahr glücklich Weihnachten feierte...

Sie kam mir komisch vor.


Sie kam mir so lange komisch vor, bis wir uns mit der Baum-Deko beschäftigten...



"Tae das...", überfordert schaute ich die sechs verschiedenen Sets an Kugeln an, die Tae für diesen nicht mal 40cm großen Baum besorgt hatte.

Wir hatten uns auf den Boden gesetzt, um in Ruhe gucken zu können.

"Das ist doch viel zu viel...", stellte ich fest.

Noch dazu passten die Sets überhaupt nicht zusammen.


Mit großen Augen schaute mein Gegenüber mich an.

"Naja, ich...", plötzlich wurde er etwas rot.

"Ich wusste nicht, welche dir am besten gefällt...", sagte er.


Ich brauchte einen Moment, um zu verstehen, was er von sich gegeben hatte.

Einen Moment, um zu realisieren, dass mir bis eben nicht aufgefallen war, dass all die Dekorationen sich noch in ihren Verpackungen befanden.

Nicht die Art Verpackung, die schon langsam ihre Farbe verlor, weil man Jahr für Jahr die Deko wieder darin verstaute.

Nein...

Plötzlich drückte mein Herz.

Diese mehrere Kisten füllenden Deko-Gegenstände...

Sie waren alle noch verschlossen.


"Hast du...", etwas ungläubig guckte ich mein Gegenüber an.

"...hast du das alles dieses Jahr neu gekauft?", unsicher deutete ich auf die Kartons.


Offensichtlich von der bloßen Frage überrascht, guckte Tae mich an.

Ein paar Mal klappten seine Augen auf und zu, bevor er zu lächeln begann.

"Natürlich.", lieb schaute er mich an.

Dabei wirkte er fast unschuldig...

Als würden wir beide die Antwort auf meine nächste Frage nicht bereits kennen.


Als würde diese Antwort...

"Und hast du vor...", ich schluckte.

...mein Herz nicht dazu bringen...

"...noch woanders zu dekorieren?"

...sich zusammenzuziehen.


Unverändert lächelte Tae mich an.

"Ich wüsste nicht, wozu.", antwortete er.

Gänzlich selbstverständlich legte er dabei seinen Kopf zur Seite.


Sekunden verstrichen, in denen ich mich sammeln musste.

Sekunden, in denen diese skurrile, übertrieben glückliche Situation plötzlich Sinn ergab...

"Wann ähm...", ich spürte den Kloß in meinem Hals.

Dieses Drücken, wenn man genau wusste, was kam...

"Wann hast du denn das letzte Mal Weihnachten gefeiert?...", wollte ich wissen.


Tae schaute mich an.

Ich sah, dass sie zu bröckeln begann...

Seine furchtbar glückliche Fassade.


Eine Weile lang blieb es still, bevor Tae den Mund öffnete.

"Ich weiß es nicht...", sagte er schließlich.

Seine Stimme klang etwas angespannt.

Trotzdem noch ruhig.

Jede Spur Euphorie war verschwunden...


Ich spürte das Stechen in meinem Herzen.

Den Druck, weil ich bemerkte, dass wir uns einer Grenze näherten.

Immer wenn wir in die Nähe von Themen kamen, über die Tae nicht sprechen wollte, reagierte er so.

Ich haderte mit mir, ob ich weiterfragen sollte.

Allerdings dachte ich dann an unser Gespräch...

Daran, dass Tae mir gesagt hatte, dass er mir vertraute.

Dass er mir vieles erzählen wollte, es aber schwer für ihn war.


Ich beschloss, es zu versuchen...


"Du feierst also normalerweise nicht...mit deiner Familie...?", fragte ich vorsichtig.

Tae hatte noch nie auch nur ein einziges Wort über seine Familie verloren.

Davon abgesehen, dass es für mich offensichtlich schien, dass Tae wahrscheinlich kein Familienmensch war, wusste ich gar nichts.

Ich wusste nicht, wie viel Familie er hatte...

Was mit seinen Eltern war...

Ob sie überhaupt noch lebten...

Es war eine weitere Sache, in der Tae besser über mich Bescheid wusste, als ich über ihn.


Binnen Sekunden wurde deutlich, dass es einen Grund für diese Wissenslücke gab.

Ich hatte das Wort "Familie" kaum ausgesprochen, da hatte Tae sich bereits verspannt.

Seine Augen wurden dunkel.

Sonderbar leer...


Auch ohne die anschließend eintretende Totenstille hätte ich gewusst, dass ich dieses Thema lieber nicht hätte anreißen sollen.

"A-also du...", ohne darüber nachzudenken legte ich meine Hand auf die von Tae.

"Du musst mir das auch nicht sagen...", fügte ich hastig hinzu.

Sein Blick schien Antwort genug...


Als würde es ihn zurück in die Realität holen, zuckte Tae durch meine Berührung zusammen.

Reflexartig zog er seine Hand unter meiner weg, bevor ihm klar zu werden schien, wo er war.

Wen er vor sich hatte.


"O-oh...", sichtbar durcheinander guckte mein Gegenüber mich an.

"Entschuldige, ich...", zögerlich legte er seine Hand wieder auf meine.

"Ich rede nicht so oft über...", setzte er an.

Er schien sie nicht mal aussprechen zu können.

Diese sieben kleinen Buchstaben...



Kleine Ewigkeiten verstrichen, in denen Tae einfach unsere Hände anschaute.

Ewigkeiten, in denen ich ihm eigentlich nochmal sagen wollte, dass er nicht darüber reden musste.

Ewigkeiten, in denen es mir leidtat...

Auch ohne dass ich vorhin bereits in Taes Gefühlswelt herumgebohrt hatte, schien das hier ein Thema zu sein, dass man nicht einfach so ansprechen sollte.

Ein Thema, dessen bloße Erwähnung Tae einfrieren ließ.


Ich wollte etwas sagen.

Allerdings wirkte Tae so weggetreten...

Als würde er nachdenken.

Worte suchen.

Einen Weg, meinem vorhin geäußerten Bedürfnis, ihn besser verstehen zu können, nachzukommen...


"Die...", immer noch nicht wieder ganz bei mir, glitten Taes Augen umher.

"Die Weihnachtsfeste bei uns waren...", fast in Zeitlupe verirrten seine Pupillen sich schließlich in meine.

"Sie waren nicht sehr....weihnachtlich...", sagte er schließlich.

Erneut wich Taes Blick meinem aus, bevor eine kleine Pause folgte.

"Deshalb hab ich es lange nicht gefeiert...", fügte er schließlich noch hinzu.

Leiser.

Trauriger...


Ich fühlte, wie mein Inneres sich zusammenzog.

Wie ich nicht wusste, was mehr Gefühle in mir auslöste.

Taes Erzählung...

Oder die Art, wie seine Finger sich währenddessen immer stärker mit meinen verschränkt hatten.

Als hätte er sich festhalten müssen, während er gesprochen hatte...


Auch ohne dass Tae es sagte, wusste ich, dass er wahrscheinlich noch nie mit jemandem über dieses Thema geredet hatte.

Dass er es auch jetzt nur getan hatte, weil ich es mir gewünscht hatte.

Weil er versuchte, seinen Teil in diesem sonderbaren Was-auch-immer-das-zwischen-uns-war zu tun.


Einen Moment lang war ich sprachlos.

Zu gerührt, um ein Wort herauszubekommen.

Tae fand seltsame Wege, mir zu zeigen, dass ich ihm viel bedeutete.

Unverkennbare Wege.


Wärme machte sich in meinem Herzen breit, als mir bewusst wurde, dass dieser Haufen neu gekaufter Deko für uns beide eine Chance sein könnte.

Eine Chance auf ein skurriles, aber dennoch schönes Weihnachtsfest.

Eine Chance auf ein Weihnachtsfest mit einem Menschen, der einem - so fragwürdig die Umstände auch waren - ziemlich viel bedeutete...



Ich stockte, als ich bemerkte, wie Tae mich ansah.

Unsicher.

Lautlos fragend, ob die Sätze, die er mit Mühe herausgebracht hatte, genug gewesen waren.


Mein Herz klopfte.

Ich lächelte Tae an.

Sanft drückte ich seine Hand, bevor ich von ihr abließ und mich den sechs Dekosets zuwendete.


Ich hatte nicht das Gefühl, dass Tae noch weiter über vergangene Weihnachten sprechen konnte.

Auch ich hatte nur wenig Erfahrungen zu diesem Thema beizutragen.


Deshalb hielt ich es für das beste...

"Was hältst du davon, wenn wir...", ich griff nach dem goldenen Set.

...wenn wir uns erstmal...

"...das hier nehmen?"

...auf das Kommende konzentrierten.

Tjaaa...
So viel dazu, dass ich keine Weihnachtskapitel im Sommer schreiben wollte.
Aber wisst ihr...
Bei diesem Wetter und wenn ich eh die halbe Zeit durchgefroren bin...
Macht keinen Unterschied 🙂
(Please kill me, ich weiß nicht, wie ich den Winter überleben soll, wenn meine saisonale Depression schon im August reinkickt.)

Aber yeahh...
Dafür gibt es jetzt doch noch ein Kapitel ^^
Wie hat es euch gefallen?
Habt ihr Gedanken dazu?
Gefühle?
Something?
Ich würde es wahnsinnig gerne hören <3

*random author-bla-bla incoming* 

Ich war gestern mal wieder so happy, dass diese Geschichte existiert.
Weil tbh die meiste Zeit blende ich Home aus.
Und dann kommt es immer in den richtigen Momenten zu mir. ^^ 

Weil ihr müsst wissen, ich hab gestern endlich meine Hausarbeit abgegeben.
Diese Hausarbeit und auch die ganze Organsation von der Uni was die Anforderungen anging, war einfach nur wild.
Gegen Ende war mir so übel, wenn ich nur dran gedacht hab.
Nicht schön.
Und auch so waren meine letzten Wochen emotionalle etwas...viel.

Und ich hatte dann schon wieder eine Woche lang nichts geschrieben und es macht mich immer so unglücklich, wenn ich nicht schreibe, aber ich hatte auch einfach nicht den Kopf dazu.
Auch gestern hatte ich eigentlich nicht den Kopf dazu.
Ich bin literally alle meine Stories durchgegangen und fand bei jeder den bloßen Gedanken an das nächste Kapitel anstrengend.
Aber dann ist mir aufeinmal Home eingefallen.
Und mir ist eingefallen, wie ruhig die beiden in diesem Kapitel miteinander sprechen, während sie Deko aussuchen.
Und ich war so:
"Oh ja... Home."

Und dann hab ich die Story geöffnet und das Kapitel an einem Stück runtergeschrieben.
It felt so good T-T <3

So yeah...
Me, mal wieder happy, dass es diese Story gibt und dass sie so unfassbar detailliert geplant ist, dass ich noch sehr lange etwas von ihr haben werde x3

*random author-bla-bla Ende*

Ich hoffe ihr hattet einen schönen Tag <3

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